Wenn Blogger*innen Greenwashing promoten

Das Geschäft mit vermeintlichen Öko-Produkten boomt. Warum Green Blogger sich jetzt nicht vor jeden Bio-Karren spannen lassen dürfen.

Die Mail, sie klingt zunächst wie so viele andere auch. “Hi, wird sind von Agentur XY und wir haben da einen Kunden, der sehr gut zu dir und deiner Message passen würde. Hast du Lust auf Bio-Haarpflege-Produkte / Kosmetik / Lebensmittel? Ich bin sicher, wir würden ganz hervorragend zusammen neue Inhalte schaffen!”

Was sich dann aber unterscheidet von den vielen Anfragen größerer und kleinerer Firmen und Agenturen, die sich in meinem chronisch überfüllten Postfach stapeln, ist der Preis, der da am Ende der digitalen Nachricht von der Angel baumelt und sich in einem deutlich höheren Bereich bewegt als ich mir Vergütungen normalerweise erträumen darf. Ich schlucke. Schlucke nochmal. Und lösche die Mail.  (Oder schreibe eine höfliche Absage, das kommt immer ein wenig auf den Dreistigkeitsfaktor an.)  

Der Grund: Nach nicht einmal zweiminütiger Recherche habe ich herausgefunden, dass der Kunde am anderen Ende überhaupt nicht meiner Message entspricht, wie das da so pathetisch formuliert wird, sondern im Gegenteil zu einem der Big Player gehört, wegen denen wir einen nicht unerheblichen Teil der aktuellen gesundheitlichen, ethischen und ökologischen Probleme auf diesem Planeten haben. Nestlé wäre da so ein prominentes Beispiel. Unilever, L’Oréal, Danone und Coca-Cola sind weitere Kandidaten.

Greenwashing auf Social Media

Schon längst haben selbstverständlich nicht nur nachhaltig und fair agierende Firmen, sondern eben auch die großen Konzerne (also: die richtig großen) mit nachhaltig anmutenden Produktlinien eine ganz bestimmte neue Marketing-Strategie für sich entdeckt: Green Blogger.

Der unschlagbare Vorteil, den diese Medienschaffenden im Vergleich zu konventionellen Medien mitbringen: Sie haben eine perfekt definierte Zielgruppe extrem eng an sich gebunden. Mit der bekannten Konsequenz, dass Produkt-, Reise- und generell Empfehlungen welcher Art auch immer von der Followerschaft im Idealfall als glaubwürdig empfunden und gerne entgegengenommen werden – ergo: die Kasse klingeln lassen.

Green Blogger halten die „grüne Message“ hoch. Die Frage ist: für wen? © Avel Chuklanov/unsplash.com

Hallo, wir sind die Großen – die mit dem Geld

Immer wieder landen also solche Anfragen in meinem Mail-Eingang: eine Rundreise zum Firmensitz von irgendeinem Lebensmittelunternehmen, das bei genauerem Hinsehen sehr eindeutig zu Danone* gehört und mir von den neuen Nachhaltigkeitsbestrebungen erzählen möchte, während ich bitte großzügig Werbung in meinen Insta-Stories mache.

*Was an Danone problematisch ist, lest ihr hier.

Ein Event zum Launch eines speziellen Wettbewerbs, bei dem ich als Expertin in die Jury eingeladen wurde. Wer die Lebensmittelkette, also den Veranstalter, sponsert? Mondelēz International, besser bekannt als Kraft Foods – einer der größten Lebensmittelkonzerne der Welt (ihm gehören unter anderem Milka, Toblerone, Jacobs Krönung, Tassimo und Philadelphia).

(Hier gibt es eine schöne Übersicht über die Besitzverhältnisse der Big Player der Lebensmittelkonzerne.)

Was aber ist mein Problem mit diesen großen Konzernen?

Haben sie sich in Zeiten des Wirtschaftsliberalismus nicht einfach ganz legal die Macht genommen, die in Form von zahlenden Kund*innen und gutem Marketing verfügbar war? Und sind jetzt einfach sehr potent, was Einflussfaktoren rund um den Globus angeht? Darf man ihnen daraus einen Vorwurf machen?

Prinzipiell nein.

Obwohl zum einen infrage zu stellen sein dürfte, ob das Vorgehen der erwähnten Firmen zur Akkumulation von mehr und mehr Macht immer vollkommen gesetzeskonform gewesen ist. Und zum anderen, ob das spätkapitalistische Wirtschaftssystem überhaupt der Weisheit letzter Schluss gewesen sein kann. Um das zu diskutieren, ist hier aber nicht der Platz.  

Profit um jeden Preis

Man darf auch nicht alles und jede*n gleich in eine Schublade packen und diese dann mit Schwung zu werfen. Dinge sind im besten Fall, so gut wie immer, differenziert zu betrachten. Manchmal gibt es allerdings auch ziemlich einfache Antworten, die nicht weiter ausdiskutiert werden müssen. Aber dazu komme ich gleich.  

Mein Problem mit diesen Big Playern ist, dass sie – egal, was die wohlklingenden Worte auf ihren Websites und eventuell vorhandene Nachhaltigkeitsberichte beim Überfliegen verlauten lassen – in der Regel an einer einzigen Sache interessiert sind: Profit.

Jetzt wird man berechtigterweise sagen, dass es einigermaßen naiv wäre, in Zeiten des sich überschlagenden freien Marktes, für dessen Aufrechterhaltung so sehr gekämpft wird wie für die Unversehrtheit der Reliquien von Jesus Christus höchstpersönlich, irgendwas anderes von einer Firma zu erwarten.

Das ist heutzutage halt so. Und war ja – bei Lichte betrachtet – nie anders: Jede*r will Gewinn machen, wachsen, vorankommen, reicher werden, Vermögen anhäufen. Vollkommen normal, dieser Trieb, gehen damit doch Sicherheit, soziales Prestige und ein erweiterter Handlungsradius einher.

Ja, richtig. Der Punkt aber ist: Profit machen und Profit um jeden Preis machen, das sind zwei vollkommen unterschiedliche Paar Schuhe.

Und Big Player – aus welcher Industrie auch immer – gehören in der Regel leider zu denen, die sprichwörtlich über Leichen gehen für fortwährendes Wachstum und anhaltenden Erfolg.

Von “Das war schon immer so” und “So ist das halt” auf “So muss das” zu schließen, ist übrigens einer der bekanntesten und häufigsten logischen Fehlschlüsse. Man nennt ihn den Sein-Sollens-Fehlschluss oder Humes Gesetz. Und bereits in der ersten Sitzung jeden Seminars im ersten Semester des Philosophiestudiums wird davor gewarnt. Die folgenden zwei Jahre hindurch wird diese Warnung so ziemlich jeden Tag mehrfach wiederholt, damit auch wirklich alle kapieren, wie gefährlich dieser Irrtum ist.

 
 
 
 
 
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Konzerne funktionieren nicht moralisch

Das Problem an der Geschichte (das auch meinen moralischen Vorwurf bezüglich der Unverantwortlichkeit der Geschäftspraktiken von Global Playern aushebelt) ist folgendes: Ab einer bestimmten Größe, hat Soziologe Daniel Kahneman in seinem Wälzer “Schnelles Denken, langsames Denken” ausgeführt, sind Unternehmen nicht mehr nach individualmoralischen Maßstäben zu beurteilen.

Warum? Weil sich die Verantwortung auf viele, viele unterschiedliche Schultern verteilt, in den seltensten Fällen eine Person zum einen für alle Entscheidungen zuständig ist und zum anderen niemand alle Prozesse, in die so ein riesiger Konzern verwickelt ist, überblicken kann. Ein Konzern ist keine Einzelperson, sondern ein mehr oder weniger abstraktes Gebilde. Eine Art Organismus, der ausschließlich an einer einzigen Sache interessiert ist: dem eigenen Fortbestehen.

Und genau das ist der Punkt, den viele Kolleg*innen gerne übersehen, wenn sie die neueste Bio-Linie von L´Oréal oder die Nachhaltigkeitsbestrebungen eines prominenten Wasserherstellers vor der Kamera anpreisen. Dem Unternehmen geht es nicht um ernsthaften nachhaltigen Wandel, weil der per se nicht in der DNA großer Konzerne vorgesehen ist.

„[..] Unternehmen sind keine Personen mit Gewissen, die aus Erkenntnis heraus und nach ethischen Prinzipien handeln. Sie sind Konzentrationen von Macht.“

Hier wird das Pferd von hinten aufgezäumt: Weil es schnellen und zusätzlichen Profit verspricht, wird Linie Organic-XY in das Sortiment aufgenommen. Oder ebeneine Recyceled-Polyester-Kollektion auf den Markt gebracht, um das oberflächlich nachhaltig interessierte Publikum anzusprechen und Megafon-wirksam zu demonstrieren: Guckt alle her, so schlecht sind wir gar nicht, wir tun immerhin was! Und ein Anfang ist ein Anfang, kleine Schritte, gell? Gilt ja schließlich auch für dich, warum dann nicht auch für uns?

Der korrekte Weg wäre der entgegengesetzte: Eine authentische Umstellung des gesamten Sortiments – egal, ob es sich dabei um Kosmetik, Kleidung oder andere Lifestyle-Produkte handelt.

Eine erste Maßnahme könnte beispielsweise die Reduzierung der irrsinnigen Produktionsgeschwindigkeit sein: Aktuell werden so viele Produkte jeglicher Couleur auf den Markt geworfen, dass selbst die findigsten und Anzeigen studierten Konsument*innen nicht mehr mit dem Registrieren, geschweige denn dem Kaufen hinterherkommen. Und ganz ehrlich: So viel braucht kein Mensch.

„Nach meinem Gefühl gehen Nachhaltigkeitskampagnen von großen Unternehmen nur soweit, wie sie damit den unternehmerischen Profit steigern können – eine wirkliche Veränderung ist oft Fehlanzeige. Ich werde solch eine Kampagne erst ernst nehmen können, wenn das Unternehmen sagt: „So und jetzt stagniert mein Gewinn dieses Jahr mal und ich investiere in Aufklärung und Transparenz entlang meiner Supply Chain“. Wir brauchen nicht noch mehr additive Produkte, wir brauchen Veränderung in Strukturen und Wertschöpfungsprozessen.“

– Franziska Uhl, Textilingenieurin und Gründerin

Ein Prozent, um die restlichen 99 Prozent zu rechtfertigen

Aber bei diesem Argument wird dann sogleich wieder gebremst mit dem Hinweis auf eingefahrene Strukturen, die man nicht so leicht umstellen könnte. Das sei ja alles nicht so leicht, wie das von außen aussehe. Und wir möchten nicht vorverurteilend sein und diesen Einwand gelten lassen. Vor allem, weil die Unternehmen nicht schöner bekräftigen könnten, was wir weiter oben angesprochen haben: dass alles eigentlich viel zu riesig ist, um es überhaupt noch unter Kontrolle haben zu können.

Und selbst, wenn sich jemand (oder eine Kommission oder Abteilung) finden würde, deren Aufgabengebiet nicht nur die PR-wirksame Kommunikation, sondern tatsächliche und ernsthafte Umsetzung von mehr Nachhaltigkeit im Konzern wäre, dürften wir davon ausgehen, dass die meisten von ihnen aufgrund ihrer schieren Größe – gleich einem riesigen Tanker – viel zu lange brauchen würden, um das erforderliche Wendemanöver durchzuführen.

Excuse me, Nestlé, aber 2025 für die vollständige Umstellung auf recyclable or reusable packaging  (wie genau ist das eigentlich definiert?) ist angesichts des riesigen (Mikro-)Plastik-Problems, das wir bereits haben, schlicht und ergreifend ein Witz. Vor allem, weil das Thema nicht erst seit gestern so quasi aus dem Nichts am Horizont aufgetaucht ist und eure Produktion von Einweg-Plastik sich in den letzten 5 Jahren noch mal um 5% auf rund 1,7 Millionen Tonnen gesteigert hat.  

„Die CSR-Abteilungen vieler Unternehmen sind heute mehr notwendiges Übel, das aber medienwirksam in Marketing umgewandelt wird, als echte strategische Weichensteller. Nur die wenigsten Konzerne meinen ihre Nachhaltigkeitsbestrebungen wirklich ernst, wenn man sich die genauen Zahlen der “Nachhaltigkeitsreporte” einmal anschaut. Und viele, die etwas positiv verändern, tun das auch nur unter dem Zwang der Politik (der dennoch viel zu gering ist). Das sind für mich keine nachhaltigen Geschäftspraktiken, sondern bloßes Kalkül.”

– Jana Braumüller, Mitgründerin Fashion Changers

Aber bleiben wir beim Hauptmotivator: dem Erhalt des Organismus bzw. seinem ständigen Wachstum. Dieser speist sich aus dem Geld, mit dem die Konsumierenden ihn versorgen. Und solange sich daran nichts ändert, werden nachhaltige Linien immer nur Feigenblätter bleiben.

Nennen wir es beim Namen: Was da betrieben wird, ist Greenwashing – im großen Stil.

Und Medienschaffende online wie offline helfen fleißig dabei mit.

(Und nicht zuletzt Politiker*innen, aber das ist eine andere Geschichte.)

Was ist jetzt eigentlich Greenwashing?

Jetzt endlich ist der Kernbegriff dieses Artikels gefallen. Und bevor wir weitermachen, müssen wir diesen auch kurz klären, damit im weiteren Verlauf keine Missverständnisse entstehen.

Greenwashing wird je nach Quelle ein wenig anders definiert.

Wikipedia sagt dazu:

„Greenwashing oder Greenwash (englisch; wörtlich ‚grünwaschen‘, übertragen: ‚sich ein grünes Mäntelchen umhängen‘) ist eine kritische Bezeichnung für PR-Methoden, die darauf zielen, einem Unternehmen in der Öffentlichkeit ein umweltfreundliches und verantwortungsbewusstes Image zu verleihen, ohne dass es dafür eine hinreichende Grundlage gibt.“ (Quelle)

Grob gesagt, gibt es sechs Marketing-Strategien, die in den meisten Fällen ziemlich deutlich auf Greenwashing hinweisen:

  1. Kleine Beiträge zum Umweltschutz werden plakativ überhöht. Damit lenkt man (erfolgreich) davon ab, dass das Kerngeschäft des Unternehmens ein ökologisches Desaster ist.
  2. Ein Unternehmen verkündet öffentlich laut und deutlich und wiederholt, wie wichtig ihm der Umweltschutz sei, arbeitet hinter verschlossenen Türen mittels Lobbyarbeit allerdings fleißig daran, dass wichtige Entscheidungen (eventuell auch Gesetze – vorsichtigen Schätzungen nach nehmen mindestens 15.000, wahrscheinlicher sind jedoch 25.000 Lobbyist*innen Einfluss auf die Parlamentarier*innen in Brüssel) boykottiert werden.
  3. Die PR für eine Nachhaltigkeitsmaßnahme kostet mehr als die Maßnahme selbst.
  4. Irrelevante Aspekte, die ohnehin gesetzlich geregelt sind, werden als Mehraufwand und USP (= Unique Selling Point / die Begründung, warum das Produkt oder das Unternehmen besser ist als seine Konkurrenzn) der Firma in ökologischer Hinsicht präsentiert.
  5. Produkte werden mit Siegeln zertifiziert, die es nicht gibt, die sie nie erhalten haben oder die nicht mehr als freiwillige Selbstverpflichtungen mit Fantasie-Kriterien sind, die sich die Firmen selbst designt haben.
  6. Die Verantwortung wird (mehr oder weniger subtil) vom Produzierenden auf die Konsumierenden abgewälzt.

Vor allem die letzte Strategie lässt sich beinahe überall beobachten, wo wir Greenwashing vermuten dürfen und die Message ist immer dieselbe: Ihr Kund*innen habt die Macht. Wenn ihr mehr grüne Produkte kauft, dann produzieren wir auch mehr davon. Euer Kassenbon ist der Stimmzettel und so weiter. Mit Blick auf den Demeter-Hof nebenan mag diese Argumentation ja stimmen. Wenn wir bei den Größen angekommen sind, die sich die medienwirksame Vermarktung von jedem Prozentsatz Bio-Plastik in der Verpackung online wie offline leisten können, ist sie hingegen nur lachhaft.

„Zwar haben die Unternehmen den Kunden packungsweise Moral ins Supermarktregal gestellt – an den Weltverhältnissen hat das allerdings nichts verändert. […] Vielleicht ist die ubiquitär [ = überall] behauptete Nachhaltigkeit ja gar keine Lüge. Sondern nur ein hübscheres Wort für Systemerhalt. Wouldn’t change a thing. Wollen wir das? Sind wir tatsächlich so zynisch geworden, dass wir uns mit dem Weltelend abgefunden haben und lieber blinde Besitzstandswahrung betreiben?“

-Kathrin Hartmann, „Die grüne Lüge“

Wiederhole eine Geschichte oft genug – irgendwann wird sie geglaubt

Besitzstandswahrung ist der Knackpunkt, warum Greenwashing funktioniert: So richtig verändern soll sich nichts. Nicht an der Masse der Produkte, die die Menschen konsumieren und dementsprechend auch nicht an den Geldströmen, die in unvorstellbarer Höhe die Besitzer wechseln.

Stattdessen wird immer und überall dieselbe Geschichte erzählt: Wir müssen nichts ändern, auf nichts verzichten – es gibt für alles eine grüne, das heißt „nachhaltige“ Alternative.

Im Marketing-Bereich wird die Sentenz von der Geschichte, die man nur oft genug erzählen muss, damit die Leute sie glauben, in unvergleichlichem Maße überstrapaziert: In anderthalbminütigen Werbespots ist so oft die selbe Botschaft gequetscht, dass wir uns – würden wir genauer hinhören und nicht schon total abgestumpft sein – sehr schnell für ziemlich blöd verkauft vorkommen müssten.

Als ob wir eine Message nicht beim ersten Mal verstünden. Aus der Sicht von Werbefachleuten tun wir das auch nicht – beziehungsweise: Es geht gar nicht um Verstehen. Sondern ums Verinnerlichen, um Glauben. Gerne auch mit den ganzen religiösen Konnotationen von bedingungsloser Treue und Nichthinterfragen, die der Begriff mit sich bringt.

Da möchte uns H&M mit seinen 12 bis 24 Kollektionen im Jahr erzählen, jetzt endlich!, mit der neuen Conscious Collection wird alles anders und Nachhaltigkeit der Masse zugänglich gemacht. Prominente Gesichter wie Sara Nuru, die man bisher mit gemeinnützigem Engagement und ihrer fairen Kaffeemarke verbunden hat, zieren Plakate und aufwändig produzierte Imagefilme. Garnier Bio aus dem Hause L’Oréal mit recycelbarer (!) Verpackung und Ecocert-Zertifizierung hat sich unter anderem die langjährige Partnerin Lena Meyer-Landrut als Werbegesicht gesichert.

 

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„Es ist die Geschichte von Autos, die vor Seen und in Urwäldern stehen und so ecoflex und bluemotion sind, dass man sich quasi wundert, weshalb sie nicht gleich zu blühen anfangen.“ (Quelle)

Die Werbespots der 90-er und 00-er-Jahre sind mittlerweile durch Insta-Stories und YouTube-Videos ersetzt und die Gesichter der traditionellen Promis durch Social-Media-Stars ergänzt worden – sehr zur Freude der Werbetreibenden, die hier nicht nur wesentlich mehr und schneller, sondern eben auch die erwähnte zielgerichtete Werbung schalten können.

Ein- und dieselbe Geschichte (Du kannst dich grün kaufen und wir zeigen dir, dass du nichts dafür ändern musst. Du musst dich noch nicht einmal auf die Suche nach einer neuen Marke begeben.) – sie wird in kleinen Bildern, Story-Schnipseln und Gewinnspielen sich stets wiederholend in den Alltag der Konsument*innen gespült.

„Die grüne Konsumeuphorie ist nicht nur antiaufklärerisch, sondern un- bis apolitisch. Denn sie verwandelt wichtige gesellschaftliche Fragen, wie wir gut und gerecht auf diesem Planeten zusammenleben können, in eine rein ökonomische und technische Angelegenheit. So verkommt Weltrettung zum kreativen Ideenwettbewerb, der sich in einem Mosaik vieler schöner Geschichten niederschlägt, die allesamt den Eindruck erwecken: Es wird endlich alles gut.“ (Kathrin Hartmann: Die grüne Lüge. S. 81)

 

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Finally big retailers held to account #greenwashing #fakesustainability #endfastfashion

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Reichweite fordert Verantwortung

Voraussetzung dafür sind unter anderem Medienschaffende  – im Falle der Green Blogger, die 1%-Öko-Linien von großen Konzernen supporten, die (wenn man es böse formulieren möchte und das tun wir an dieser Stelle) ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben.

Sobald die Erstellung von Inhalten in der Öffentlichkeit eine gewisse Größe und/oder Professionalität angenommen hat, geht damit ein nicht unerhebliches Maß an Verantwortung gegenüber den Menschen, die sich jeden Tag davon beeinflussen lassen, einher. Überspitzt formuliert, könnte man sogar (und das wird nicht selten getan) sagen, diese Verantwortung für das Gezeigte beginne bereits mit dem ersten Lesenden.

Denn nicht zuletzt die Rezo-Geschichte hat eines ganz deutlich gezeigt: Medienschaffende, die online arbeiten (wir können sie Influencer oder anders nennen), verfügen wegen der schieren Masse an Menschen, die sie erreichen und die ihnen Credibility (Glaubwürdigkeit) bescheinigen, über ein ziemlich großes Maß an Macht.

Fair-Fashion-Bloggerin Phoebe von Phoenomenal meint:

„Letztendlich darf jede*r werben, wofür er oder sie möchte. Mir gefällt jedoch sehr der Gedanke, dass wir Influencer uns als Werbefilter für unsere Follower verstehen. Die Reichweite und der daraus resultierende Einfluss bringt eine Sorgfaltspflicht mit sich und setzt Verantwortungsbewusstsein voraus. Beides macht es notwendig, sich kritisch mit potenziellem Greenwashing auseinanderzusetzen und bei Bedarf differenziert darüber zu berichten.“

Es geht um nichts weniger als die Wahrung der viel gepriesenen Authentizität, die gleichzeitig die Basis des Geschäftsmodells Content Creator ist.

Fashion-Changers-Mitgründerin Nina Lorenzen sagt dazu:

„Am Ende des Tages hat das Schreiben über Nachhaltigkeit und das Empfehlen von nachhaltigeren Alternativen immer auch mit Vertrauen zu tun. Vertraue ich der Marke und den Informationen, die sie mir zur Verfügung stellt? Das setzt aber voraus, dass wir vorher unsere Fragen gestellt haben, kritisch sind und das Transparenzprinzip hochhalten. Klar, das mag viel verlangt sein. Aber das Thema bringt nun mal einen gewissen Grad an Verantwortung mit sich und wenn wir Nachhaltigkeit zielführend voranbringen wollen, müssen wir unsere Arbeit gut und gewissenhaft machen und uns in unserem Themengebiet weiterbilden. Nur so können wir unseren Leser*innen gegenüber offen und ehrlich kommunizieren und dabei glaubhaft bleiben. Das gilt auch, wenn man eine Kooperation mit einem Unternehmen eingeht, das nicht zu 100 Prozent nachhaltig und fair agiert.“

Der Schlüssel des Ganzen: transparente Kommunikation

Niemand ist der Ansicht, dass man das nicht darf, nur weil man über Nachhaltigkeit im weitesten Sinne schreibt. Perfektionismus ist nicht vom Himmel gefallen und wer sich keines Vergehens in die unökologische Richtung schuldig gemacht hat nach seiner*ihrer Umstellung auf einen Green Lifestyle, werfe den ersten Stein.

Und Vreni Jäckle, ebenfalls Fashion-Changers-Mitgründerin, hat in ihrer Insta-Story zum Thema richtig gesagt:

„Jeder hat Verständnis dafür, dass gerade in der Nachhaltigkeitsbranche das Geld nun einmal nicht auf Bäumen wächst und am Ende des Monats die Miete bezahlt werden muss. Je nach individuellem Geschäftsmodell und aktueller Auftragslage und 1000 anderen Faktoren kann es sein, dass man auf die Zusammenarbeit mit zahlungskräftigen, dafür aber nicht 100% weiße-Weste-tragenden Partnern angewiesen ist.”

Das an sich ist kein Frevel. Solange die Kommunikation stimmt und eben nicht das, was auf den zweiten Blick doch sehr offensichtlich Greenwashing ist, euphorisch als neue Lösung zur Weltrettung angepriesen und die Follower damit (wissentlich) getäuscht werden. Das ist das genaue Gegenteil von Transparenz.

Dann sagen Menschen mitten im Gespräch nämlich auf einmal zu mir: „Ja, stimmt – das hatte ich auch schonmal, dass ich darauf reingefallen bin, weil Medienschaffende*r XY das auf Instagram empfohlen hat. Als ich das rausgefunden habe, war ich so enttäuscht und habe mich so geschämt!“

Boom. Das ist der mediale Supergau in Zeiten, in denen Authentizität und Vertrauen die Währung schlechthin für ein funktionierendes Business sind. Denn abgesehen von so ehrenwerten Dingen wie journalistischer Sorgfaltspflicht (und ob man der Meinung ist, sie gelte für einen selbst oder nicht) und der Tatsache, dass da am anderen Ende des Bildschirms keine dummen Roboter, sondern Menschen mit Emotionen sitzen: Wer mit dem Vertrauen der Zielgruppe spielt, gibt die eigene Glaubwürdigkeit und damit die zukünftige Karriere als Einsatz frei. Ob das eine kluge Entscheidung ist, darf bezweifelt werden.

“Ich persönlich habe prinzipiell nichts gegen ein gesponserten Beitrag mit einem großen Unternehmen. Das Unternehmen muss aber deswegen nicht gleich in den Himmel gelobt und unter allen Umständen verteidigt werden. Ich habe es zum Beispiel einmal so gelöst, dass ich kritische Fragen der Leser*innen gesammelt, diese vom Unternehmen beantwortet lassen und am Ende mein ehrliches Fazit mit Pro- und Kontrapunkten abgegeben habe. Der Aufwand wurde mir vergütet, sowie die Erstellung von Content, aber ich wurde meiner Meinung nach nicht zum Testimonial, welches das Unternehmen eventuell besser und grüner darstellt, als es eigentlich ist. Eine andere Option ist es, offen und ehrlich einen Disclaimer am Anfang oder Ende eines Blogbeitrags zu setzen, der erklärt, warum Unternehmen XY vielleicht aus diesen und jenen Gründen nicht perfekt ist, man sich aber dennoch für eine Kooperation entschieden hat.

Gleichzeitig wünsche ich mir aber auch kein Bashing innerhalb der Blogger Community, besonders kein anonymes oder giftiges in Privatnachrichten. Lieber eine konstruktive, offene Diskussion, zum Beispiel auf Events, in Facebook-Blogger-Gruppen, oder eben hier unter diesem Beitrag.”


– Mia Marjanovic von heylilahey, Contributorin bei Fashion Changers

Wir wollen ernst genommen werden

Verbraucherschützer*innen klagen mittlerweile gegen PR-Kampagnen oder einzelne Werbestrategien von Unternehmen vor allem mit dem Hinweis auf das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG), das die Täuschung von Konsumierenden verbietet.

Weiter gehen würde allerdings eine gesetzliche Regelung, die Unternehmen für die gesamte Produktionskette zur Einhaltung sehr spezifischer ethischer und ökologischer Mindeststandards verpflichtet – so, wie Lisa Jaspers das für Kleidung in ihrer Petition zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht fordert (bitte alle unterschreiben, die das noch nicht getan haben).

Solange unter anderem das noch nicht Realität ist, werden mit falschen Versprechungen und ethisch-ökologisch anmutenden Floskeln Millionen verdient.

Diejenigen, die die falschen Geschichten weitererzählen und ihren Fans begeistert von der Nachhaltigkeit im Massenkonsum berichten (als ob das nicht ein Widerspruch in sich wäre), werden dabei vermutlich genauso übers Ohr gehauen wie ihre Follower. Mit dem Unterschied, dass sie die Möglichkeit und in gewisser Weise auch die Pflicht haben, vor Antritt eines Werbedeals eventuelle Kooperationspartner*innen auf Herz und Nieren zu prüfen – und im Falle des Zustandekommens einer Zusammenarbeit auch die Nachteile und Kritikpunkte transparent und differenziert zu kommunizieren.

Nicht nur zum Zwecke der eigenen Authentizitäts-Sicherung, sondern letzten Endes auch, um das Projekt Nachhaltigkeit im weitesten Sinne – an dem wir ja alle interessiert sein dürften – voran zu bringen:

„Wie sollen wir zum Beispiel mit dem Promoten von Veganismus, pflanzlicher Ernährung etc. von Expert*innen, Entscheidungsträger*innen und Politik ernst genommen werden, wenn Veganismus auf Social Media & Co. mit immer mehr pseudowissenschaftlichen Detox-Programmen in Verbindung gebracht wird? Wie kann jemand im Bereich Fair Fashion als seriöse Quelle und Expert*in aufgefasst werden, wenn diese Person regelmäßig Fake News verbreitet?“ (Quelle)

– Mia Marjanovic, Contributorin bei Fashion Changers  

Wir wollen ernst genommen werden. Dafür müssen wir – mit Verlaub – auch etwas tun.

Titelbild: © yasin-aribuga/unsplash.com

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