Messe für Mode / Fashion Week: Wie relevant sind sie für den großen Durchbruch?

Bald ist wieder Fashion Week Saison. Aber sind saisonale Messen für Mode in der heutigen digitalen Welt überhaupt noch relevant? Oder sind sie als Konzept des großen Durchbruchs längst schon überholt? Außerdem fragen wir parallel dazu, ob Mode- und Ordermessen immer noch ausschlaggebend sind, um in den Handel zu kommen. Die Antworten dazu kommen unter anderem von den Gründer*innen der Labels Susumu Ai, Dawn Denim und Haderlump, die uns erklären, wie sie sich vorbereiten, worauf sie achten und was Brands bei der Fashion Week und Messe für Mode unbedingt dabei haben müssen.

Fashion Week: Models laufen über einem Laufsteg

In diesem Deep Dive zum Thema Fashion Week und Messe für Mode gibt es Input von:

Take-Aways
  • Fashion Weeks sind mittlerweile keine Garantie mehr für den großen Durchbruch einer Brand.
  • Preparation is key: Brands sollten sich im Vorfeld vorbereiten, mit den Veranstalter*innen in Kontakt treten und ihre Fragen stellen. Auf den Fashion-Events selbst darf das Infomaterial nicht fehlen, das Marken an potenzielle Kund*innen und Einkäufer*innen verteilen können (z. B. Visitenkarten, Lookbooks, Line Sheets).
  • Die Kosten-Nutzen-Frage einer Messe für Mode ist nicht immer einfach zu beantworten. Eine Lösung wäre hier, sich mit anderen Labels zusammenzutun und einen gemeinsamen Stand zu machen.
  • Obwohl Wissensvermittlung und Vernetzung bei einer Messe für Mode und in Modewochen eine immer größere Rolle spielt, bleiben reine Businessevents ohne diese beiden Komponenten weiterhin relevant.

Bereits im 17. Jahrhundert versuchte Ludwig XIV. Frankreich als Zentrum der Luxustextilindustrie zu etablieren und legte einen saisonalen Zeitplan fest. Dieser sah vor, zweimal im Jahr neue Textilien auf den Markt zu bringen, um die Menschen zu ermutigen, mehr zu kaufen. Kaum zu glauben, dass das Konzept der Fashion Week schon so alt ist! Jahrhundertelang garantierten sie den großen Durchbruch und lang ersehnten Erfolg, vor allem für junge Designtalente. Und nicht nur die Presse, auch der Einzelhandel begegnete den großen Modenschauen mit zunehmendem Interesse. Aber sind saisonale Modenschauen in der heutigen digitalen, globalisierten Welt überhaupt noch relevant? 

Das Labyrinth der deutschen Fashion-Week-Landschaft

Die deutsche Messen- und Fashion-Week-Landschaft kann für viele verwirrend sein. Die wichtigsten Events im Überblick:

  • Die Berlin Fashion Week findet im 5. – 10. September statt. Zu erwarten sind 36 Runway Shows, 25 Ausstellungen und Installationen, zwei Konferenzen mit mehreren Talks und Panels, 15 exklusive Events sowie zahlreichen Side Events.
    • Kombiniert wird die Fashion Week mit dem 202030 Berlin Fashion Summit, der zum ersten Mal komplett physisch und über drei Tage stattfindet. Unter dem Titel „Fashion for Positive Impact: Regenerative Transformation“ wird die Nachhaltigkeitskonferenz ihre Türen für Interessierte öffnen, um die dringendsten Themen unserer Zeit zu diskutieren und praktische Lösungen für die Branche vorzustellen.
    • Zudem findet auch die Neo.Fashion zum sechsten Mal statt und hat sich inzwischen zur wichtigsten und größten Plattform für Graduates und junge Designtalente in Deutschland entwickelt. In diesem Jahr werden die Entwürfe von mehr als 80 Graduates aus elf Hochschulen präsentiert. Neu ist der Showroom für 15 Aspiring Designers. Zudem ist das Format dieses Jahr auch Bühne für die Entwürfe von Nachwuchstalenten aus Äthiopien und der Ukraine sowie Graduates der Universität Kyiev.
  • Die Premium Group veranstaltet die Messen Premium, Seek, Fashiontech und The Ground.
    • Seit 2003 ist die Premium eine wichtige internationale Business-, Informations- und Networking-Plattform für Modeschaffende.
    • Die Seek ist eine Messe für zeitgenössische Streetwear- und Urbanwear-Marken. Mit der Premiere des neuen Conscious Club diesen Sommer, setzte das Seek-Team den Fokus noch stärker auf Nachhaltigkeit. Mehr als 80 nachhaltig agierende Marken zeigten ihre Kollektionen.
    • Die Fashiontech ist ein Konferenz-Format und findet seit 2015 statt. Sie stellt einen Content Hub für Technologie, Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Innovation und Kommunikation dar.
    • Das neue D2C-Festival The Ground feierte dieses Jahr Premiere in Berlin. Bei diesem neuen Veranstaltungsformat können Brands auf Konsument*innen treffen, sich mit ihnen austauschen, wertvolle Insights generieren und mit ihnen gemeinsam die Zukunft gestalten. The Ground richtet sich hauptsächlich an die Gen Z, also an junge Menschen zwischen 18 und 27.
    • Die nächsten Premium-Group-Events finden vom 17. bis 19. Januar 2023 statt.
  • Die Neonyt fand in den letzten Jahren in zahlreichen Städten statt, von Paris über Berlin nach Frankfurt. Ab Januar 2023 findet sie als B2B-Messe in Düsseldorf statt (vom 28. bis 30. Januar 2023). Die D2C-Messe Neonyt Lab feierte dieses Jahr Premiere. Mit dabei waren Designer*innen, Aktivist*innen, Konsument*innen und Content Creator*innen sowie Vertreter*innen aus der Modeindustrie. Auf einer Ausstellungs- und Shopping-Fläche von 1.000 m² mit mehr als 30 nachhaltigen Fashion-, Beauty- und Lifestyle-Brands sowie einem umfassenden Event- und Talkprogramm wurde an der dreitägigen Messe für Mode viel geboten.

Die Messe für Mode oder Fashion Week als Begegnungsort

Wie bei den meisten Fashion-Events geht es auch bei einer Messe für Mode und Modewochen vor allem darum, Kontakte für die Ewigkeit zu knüpfen. Und weil dort die verschiedensten Menschen aus aller (Mode)welt zusammenkommen, sind sie ein Networking-Paradies für Modeprofis und solche, die es werden wollen. Getreu dem Motto: It’s now or never.

„Gerade durch die Pandemie gab es viel zu wenig Austauschmöglichkeiten mit gleichgesinnten Brands und der Fair-Fashion-Community”, erklärt Daniela Holguin, Verantwortliche für das Marketing bei Dawn Denim. Das Jeans-Label war im Juli Aussteller auf der Seek als Teil des Conscious Club. „Für den Austausch sind Messen ideal. Die Seek haben wir ganz besonders unter dem Motto Collaboration beats competition’ versuch,t zu nutzen und mit vielen anderen Brands gesprochen und genetzwerkt.” 

Dem stimmt auch Katharina Ladleif zu. Sie kümmert sich bei der Fair-Fashion-Brand Melawear um die Bereiche Kommunikation und Marketing und erzählt, dass Fashion Weeks besonders vor der Pandemie eine wichtige Rolle gespielt haben. Wir konnten durch Messen viele relevante Akteur*innen aus der Branche kennenlernen, was uns gerade zu Beginn, als wir noch neu auf dem Markt waren, sehr geholfen hat. Durch Corona sind wir wie viele andere Brands vermehrt auf Showrooms und Einzeltermine mit Händler*innen zum Ordern umgestiegen, was für uns sehr gut geklappt hat. Diese Strategie wollen wir daher definitiv auch in Zukunft beibehalten.“ Entscheidend sei vor allem, welche Unternehmen neben dem eigenen Stand platziert sind, da man sich so gut austauschen könne. 

Für das junge Berliner Unternehmen Haderlump bieten Fashion Weeks ähnliche Austausch-Chancen. Die Co-Gründer Julius Weißenborn und Johann Ehrhardt sind im September im Berlin Showroom auf der Pariser Fashion Week anzutreffen. „Die Verantwortlichen haben uns mitgeteilt, dass quasi alles, aber auch nichts passieren kann”, erklärt Weißenborn. „Wir hoffen, dass es irgendetwas dazwischen sein wird und wir Kontakte zu Einkäufer*innen aus der ganzen Welt knüpfen, ins Gespräch kommen und es mit unserem Label in den Handel schaffen. Wir haben keine großen Erwartungen im Sinne des ganz großen Durchbruchs, aber wir haben schon gemerkt, dass man auf solchen Messen sehr viele Leute kennenlernen kann.“

Das Label hatte zuvor schon die Gelegenheit, eine Modenschau im Zusammenhang der Neo Fashion zu organisieren. „Durch diese Show wurden neue Sponsoren auf uns aufmerksam, wodurch schöne Kooperationen zustande gekommen sind. Ich glaube, das ist in manchen Fällen sogar mehr wert, als B2B zu verkaufen.”

Die Vorbereitung ist das eigentliche Event

Wer bei einer Messe für Mode und Fashion Weeks mitmachen möchte, ahnt es schon: Die Vorbereitungen sind nicht zu unterschätzen! Auf die Frage, wie viele Looks Designer*innen zum Beispiel auf Fashion Weeks präsentieren sollten, erklärt Scott Lipinski, CEO beim Fashion Council Germany Folgendes: „Es gibt zwar keine Faustregel, aber man kann allgemein sagen, dass man sein Konzept, Umfeld und Zielgruppe beachten sollte. Was für das eine Label gilt, muss nicht unbedingt für das Nächste gelten. Man sollte sein Umfeld kennen, damit man weiß, was der beste Weg zum Erfolg sein wird.” Mit Umfeld meine er die Struktur, ob und welche Einkäufer*innen vor Ort sein werden, welche Pressevertreter*innen anwesend sein werden und welche Partner*innen auftauchen. Die erste Frage sollte aber immer sein, was man erreichen und wie man sich präsentieren möchte. Daraus leitet sich die Frage nach Look-Anzahl ab.”

Und wie bereiten sich Marken auf eine Messe für Mode vor? „Stellt eure Fragen am besten im Vorfeld und nicht erst, wenn ihr da seid”, erklärt Johann Ehrhardt von Haderlump. „Wir haben den Veranstalter direkt angesprochen und gefragt, wie das Event abläuft, weil wir noch nie da waren. Man sollte wissen, worauf man sich einlässt: Wie ist der Tagesablauf, welche Fehler sollte man nicht begehen? Infomaterial wie Lookbooks und Line Sheets muss beispielsweise genaue und detaillierte Angaben haben. Diese Vorgespräche haben uns viel geholfen.” Was ebenfalls helfen könne: sich mit anderen Labels austauschen und gegebenenfalls die eigene Hochschule besuchen, wenn man Mode studiert hat, und mit Professor*innen sprechen, von denen viele auch mal auf Modemessen standen oder dies immer noch tun.

„Neben unseren Preislisten werden wir auch ein Media-Kit und ein kleines Lookbook mit zur Messe nehmen”, so der Designer. „Viele unterschätzen den Mehrwert einer ansprechenden Visitenkarte. Es lohnt sich hier, mit einem*einer Grafiker*in zu arbeiten, denn es kommt auf die Details an. Am Ende machen diese kleinen Dinge den Unterschied. Manchmal muss man eben die Extrameile gehen, um hängenzubleiben, auch wenn das anfangs super aufwendig ist – später hat man Monate, wenn nicht sogar Jahre etwas davon.” 

Bei solchen Events gehöre aber auch immer eine gewisse Portion Glück und Zufall dazu, meint Kollege Julius Weißenborn. „Versucht dennoch so beschäftigt wie möglich auszusehen und nicht dauernd am Computer herumzusitzen. Seid offen und versucht, mit verschiedenen Leuten ins Gespräch zu kommen, ohne dabei zu aufdringlich zu sein. Habt Bock auf das Event, auch wenn es anstrengend ist – seid präsent.” Das Wichtigste sei, da sind sich die Designer einig, den eigenen Stil nicht zu verlieren und hinter der eigenen Marke und Vision zu stehen. „Denn am Ende bleibt genau das bei den Leuten hängen: die eigene Authentizität”, so Weißenborn.

Und wie heißt es so schön? Nach der Modemesse ist vor der Modemesse. Katharina Ladleif von Melawear erklärt, wie wichtig es sei, sich auch im Anschluss an Messen mit relevanten Akteur*innen zu vernetzen und in Kontakt zu bleiben. Die Nacharbeit ist mindestens genauso relevant wie die Vorarbeit und die Präsenz auf der Messe selbst.”

Darauf achten Moderedakteur*innen

Eine Messe für Mode oder Fashion Week ist ein idealer Ort, um die Presse auf sich und seine Brand aufmerksam zu machen. Doch worauf achten Redakteur*innen und wie bereiten sie sich selbst auf solche Events vor?Ich erhalte im Vorfeld Einladungen von Brands und Agenturen, lege Termine fest und habe einen genauen Zeitplan”, erklärt Cynthia Blasberg, Head of Content bei Green Knowledge und Redakteurin bei den Fachmagazinen TextilMitteilungen und J’N’C Magazine. „Während ich unterwegs bin, achte ich vor allem auf neue Brands und Aussteller*innen – das können zum Beispiel auch Unternehmen sein wie Remei (Anm. d. Red.: ein Schweizer Garn- und Textilhandelsunternehmen) oder NGOs.” 

Blasberg interessiere aus modischer Sicht der Style, aber ebenso die nachhaltigen Attribute einer Marke – innovative Materialien findet sie besonders spannend. Dementsprechend entscheide ich, ob ich im Nachgang eine Brand kontaktiere und online oder im Print veröffentliche. Die Gestaltung des Standes spielt aber auch eine Rolle, schließlich treffen die Aussteller*innen darüber auch eine Aussage, wie sie sich präsentieren wollen. Ich finde es merkwürdig, wenn die Ausstattung des Standes wenig Wert auf nachhaltige Aspekte legt. Das ist für mich ein Widerspruch und stellt die Glaubwürdigkeit einer Brand infrage.”

Auf die Frage, was Brands unbedingt parat haben sollen, hat sie eine klare Antwort: Eine*n Ansprechpartner*in, die das Produkt zu 100 Prozent kennt und wiedergeben kann. Wichtig ist, dass die Brand – das Standpersonal – in der Lage ist, Signature- und Key-Pieces zu zeigen: Was zeichnet die Brand aus? Was unterscheidet sie von anderen? Ich brauche keine Goodies, eine Visitenkarte reicht – gerne auch digital. Letztlich möchte ich aber gut informiert werden und im besten Fall nach der Messe eine Mail erhalten, mit Lookbook und Pressemitteilung.” Und für die, die einen Schritt weitergehen und wirklich in Erinnerung bleiben möchten, hat Blasberg noch einen Extratipp: „Es ist schön, wenn das Standpersonal ein Getränk anbietet. Morgens vielleicht einen Kaffee und ein Croissant dazu, und ich bin dabei.”

An einer Messe für Mode teilzunehmen bleibt teuer

Dabei sein ist alles? Nicht immer. Denn dabei sein bedeutet manchmal auch, sich für die Modemesse in Unkosten zu stürzen, um am Ende doch ohne neue Kontakte und Deals nach Hause zu gehen. Für die einen lohnt sich das Event, für die anderen nicht. Je kleiner die Marke oder das Team, desto höher können die Herausforderungen sein. In manchen Fällen empfiehlt es sich daher, sich mit anderen Marken zusammenzuschließen, um einen gemeinsamen Stand zu organisieren

„Letztlich bleibt die Kosten-Nutzen-Frage, die man leider nie richtig beantworten kann. Der Personal- und Kostenaufwand ist enorm und das Tagesgeschäft muss ja irgendwie auch weiterlaufen,” erklärt Daniela Holguin von Dawn Denim. „Für uns als kleine Marke ist eine Modemesse eine riesige Investition. Nicht nur der Stand ist teuer, auch die Logistik und das gesamte Team vor Ort müssen bezahlt werden. Und natürlich muss das Geschäft während dieser Zeit weiterlaufen, all das müssen wir mit einem kleinen Team stemmen.”

Von der Messe in den Einzelhandel? Keine Selbstverständlichkeit.

Einst galten Messen als sichere Plattform, um den Sprung in den Einzelhandel zu schaffen. Doch dem ist längst nicht mehr so, vor allem für nachhaltige Brands. „Auf Messen gibt schon viele Buyers, aber viele davon sind nicht interessiert an kleinen, nachhaltigen Marken”, erzählt Alisa Menkhaus, Gründerin von Susumu Ai, einer deutsch-japanischen Made-to-Order-Marke. „Zwar kommen wir mit einigen Interessenten ins Gespräch, aber niemand will sich so recht mit dem auseinandersetzen, was wir machen. Viele verstehen es auch einfach nicht. Sie bevorzugen größere Brands mit mehr Social-Media-Traffic.” Denn je größer und sichtbarer die Brand ist, desto attraktiver ist sie für den Einzelhandel. 

Menkhaus berichtet zudem, dass die Einkäufer*innen, die sich doch für ihr Label interessieren, nicht aus Deutschland kommen. Meist handele es sich um internationale Buyers, mit denen sie dann am Ende zusammenarbeitet.

Entsprechend ist ihre Erfahrung auf Fashion Weeks. „Bei Fashion Weeks möchten wir eigentlich nicht mehr mitmachen”, meint Menkhaus. „Solche Events haben natürlich den Vorteil, dass mehr Leute auf uns aufmerksam werden und man auch öfter in Magazinen oder Online-Medien erwähnt wird. Das wiederum ist auch für Buyers relevant, wenn die sehen, dass man in Deutschland bereits bekannt ist. Aber circa 80 Prozent der Leute, die bei unserer Show dabei sind, können sich mit unserer Brand nicht identifizieren. Nach der Show gibt es kein Interesse bei uns einzukaufen. Da stellt sich natürlich schon die Frage, ob wir Fashion Weeks überhaupt noch brauchen? Sollen wir das Konzept nicht einfach mal komplett umdenken?”

Auch die Macher*innen hinter dem Label Dawn Denim berichten Ähnliches, was die Erfahrungen mit Einkäufer*innen und Einzelhandel angeht. „Für uns sind solche Veranstaltungen die Gelegenheit, auf uns aufmerksam zu machen. Bei einer Modemesse erwarten wir nicht so viele Aufträge von Einzelhändlern, sondern vor allem Aufmerksamkeit. Die Idee ist, so viele Menschen wie möglich mit unserer Geschichte zu erreichen. Sie sollen Dawn erleben können. Uns ist wichtig, dass die Marke und die Personen, die dahinterstehen, in Erinnerung bleiben”, sagt Daniela Holguin.

Messen für Mode scheinen dennoch weiterhin relevant zu sein

Obwohl das Prinzip einer Messe für Mode teilweise immer noch an veralteten Prämissen hängt, bleibt sie für viele Brands unentbehrlich. „Solche Messen und Veranstaltungen sind weiterhin notwendig”, meint Daniela Holguin von Dawn Denim. „Sie ermöglichen uns, mit unserer Community in Kontakt zu bleiben und neue Mitglieder kennenzulernen. Wir versuchen über Panels und Vorträge mehr Inhalte und Informationen anzubieten und sind damit auf dem richtigen Weg. Generell würden wir uns über noch mehr Netzwerk-Möglichkeiten freuen.” 

Das Konzept der Messe für Mode als Begegnungsort scheint demnach noch lange nicht überholt. Es hat sich aber in einigen Punkten weiterentwickelt. Wir haben das Gefühl, dass Modemessen in der Zukunft – und besonders auch nach Corona – einen größeren Event-Charakter bekommen habe”, erklärt Katharina Ladleif von Melawear. Es geht weniger darum, die gesamte Kollektion zu präsentieren und Orders zu schreiben, sondern darum, sich zu vernetzen, relevante Player kennenzulernen, die eigene Brand vorzustellen und alle mal wieder persönlich zu treffen.”

Magdalena Schaffrin, Gründerin des 202030 Berlin Fashion Summits, vertritt einen ähnlichen Standpunkt: Events, die nicht primär auf Wissensvermittlung und Vernetzung ausgerichtet sind, bleiben weiterhin zeitgemäß. „Es ist auch notwendig, reine Businessevents zu machen, denn viele der Industrie-Teilnehmer*innen möchten gerne Produkte oder Dienstleistungen verkaufen. Und am Ende ist Business auch Zusammenarbeit: Es geht darum, Kontakte zu knüpfen, miteinander zu arbeiten, sich zu einigen.”

Real life beats the digital world

Die Pandemie hat vieles beschleunigt, darunter auch die Digitalisierung. Die erste Metaverse Fashion Week fand im März 2022 statt mit virtuellen Showrooms, Geschäften, Panels, Partys und NFT-Drops. Aber für die meisten Brands zahlt sich das noch nicht aus. „Nach zwei Jahren ohne Messe war es ein gutes Gefühl, die Menschen wieder persönlich zu treffen, Ideen und Erfahrungen mit anderen Marken auszutauschen”, berichtet Daniela Holguin von Dawn Denim. „Uns ist bewusst, dass Wandel nur durch Zusammenarbeit möglich ist.” 

Man kann eine Marke wie Dawn nicht ausschließlich online erleben. Es ist uns wichtig, zu zeigen, wer dahintersteckt  – nicht nur der Vertrieb, sondern das ganze Team. Wir möchten, dass man spürt, dass hinter dem Produkt Menschen stehen, die gemeinsam daran arbeiten.” 

Manche Stoffe könne man eben nicht digitalisieren, meint Alisa Menkhaus von Susumu Ai. „Unsere Stoffe zum Beispiel muss man anprobieren, um die Qualität und den Schnitt zu fühlen. Für uns funktioniert digitale Mode nicht.”

Wichtig: Eine Messe für Mode und Fashion Week als Zentrum der Wissensvermittlung sehen

Kollaboration, Austausch und Wissensvermittlung werden in der Modebranche immer wichtiger. Internationale Fashion Weeks und Modemessen bieten vermehrt Raum für Kooperation und Aufklärungsarbeit, wobei dennoch viel Luft nach oben ist. 

„Eine reine Show-Messe hat keine Zukunft, sie muss – um relevant zu bleiben – mit Workshops, Trainings und Vorträgen kombiniert werden”, erklärt Daniela Holguin von Dawn Denim. „Mit sogenannten Deepdive-Sessions sollte man noch mehr Austausch und Kollaboration fördern. Wir denken, die Zeit ist reif dafür.” 

Vernetzung und Wissensvermittlung spielen auch beim 202030 Berlin Fashion Summit 202030 eine zentrale Rolle. Auch dieses Jahr ist der Summit Teil der Berliner Fashion Week und findet vom 5. bis 7. September 2022 statt. Hier sollen Akteur*innen aus der ganzen Modewelt zusammenkommen, miteinander kooperieren und voneinander lernen. „Das Thema Nachhaltigkeit sei keins, welches definiert ist – es verändert sich ständig”, berichtet Magdalena  Schaffrin, Co-Gründerin des Summits.

Es gäbe ständig neue Erkenntnisse, neue Einschätzungen und neue Innovationen, die innerhalb der Branche diskutiert und verbreitet werden sollen. Wie transformieren wir die Branche? Das ist eine Frage, die in Zukunft noch wichtiger werden wird. Es braucht Menschen, die zusammenkommen und die drängenden Fragen der Zeit angehen und versuchen, gemeinsam zu lösen.” Das, was besprochen wird, solle praktisch umgesetzt werden – in neue Fasern, Fertigungstechnologien und Kollektionen. 

Laut Max Gilgenmann, Co-Gründer des 202030 Berlin Fashion Summits, seien Vernetzung und Wissensvermittlung deshalb so wichtig, weil wir in den nächsten Jahren „ganz viel Zusammenarbeit brauchen, um die klaffende Lücke zwischen den Ambitionen, die sich die Menschheit setzt, um der Klimakrise entgegenzuwirken, und dem, was aktuell wirklich umgesetzt wird, zu schließen.

Wobei es nicht nur um Wissensvermittlung ginge, sondern um eine Visionsvermittlung. „Aus dem Wissen allein entstehen nicht immer konkrete Handlungen. Man kennt es wohl aus seinem eigenen Leben: Man nimmt sich etwas vor, kann es aber nicht umsetzen. Zu groß sind die Ängste und die Schmerzen vor Veränderung. Es ist psychologisch.” Dank einer gemeinsamen Vision könne man konkrete Wege finden, um eine regenerative Welt zu gestalten. 

Messen öffnen sich auch für Consumer

Bis vor einigen Jahren war eine Messe für Mode oder Fashion Week nur einer exklusiven Community vorbehalten. Das ändert sich allmählich und fördert zunehmend den Austausch zwischen verschiedensten Akteur*innen. Konsumierende treffen bei Modemessen auf ihre Lieblingsbrands, lernen neue Marken kennen, blicken hinter die Kulissen. Auch Studierende können auf Messen ihre Fragen stellen und dazulernen. Manche Brands sind darüber sichtlich erfreut, denn diese Art des Zusammenkommens fördert nicht nur die Wissensvermittlung, sondern auch das Community-Building.

„Lohnenswert ist auch die Idee, Messen für Konsument*innen, Studierende und andere Interessierte zu öffnen. Wir würden Modemessen gerne mehr als Treffpunkt für Zusammenarbeit und Austausch zwischen allen Akteur*innen sehen.” 

Die Sommerausgabe der Neonyt im Juni 2022 war erstmals offen für Endkonsument*innen. Das Highlight: Die D2C-Modemesse „Greenstyle the store“ öffnete allen Sustainable Fashion-Fans die Türen in die nachhaltige Modewelt. Das Neonyt Lab bot außerdem weitere vielfältige Inhalte für alle Interessierten, sei es Einkäufer*innen, Designer*innen, Unternehmen, Brancheninsider*innen und Endkonsument*innen. Sie alle konnten sich vernetzen und voneinander lernen.

Klartext: Wie relevant sind Modenschauen und Messen noch?

Sind Modeschauen und Messen noch relevant oder sind sie als Konzept des großen Durchbruchs längst überholt? Die Antworten der Labels, die wir interviewt haben, liegen hierbei weit auseinander. Mitmachen oder nicht? Für einige, vor allem kleinere Brands, scheint dies ein Teufelskreis zu sein, der aus zahlreichen Vor- und Nachteilen besteht. Wo manche Brands auf Sponsoren und Kooperationspartner treffen, wie im Fall von der Haderlump, ist es für andere Labels nicht so einfach. Scott Lipinski vom Fashion Council Germany sagt ganz klar: „Die Zeiten, in denen Modeschauen das Maß aller Dinge waren, sind vorbei.” Das bedeute jedoch nicht, dass sie nicht wichtig sind. Wie so oft im Leben und im Aufbau der eigenen Marke muss man darauf hören, was für einen das beste Format der Präsentation ist. Von klassischen Modeschauen-Formate über moderne Installationsideen bis hin zu Virtual Reality gibt es grenzenlose Möglichkeiten. Spannend ist es, wenn es kreativ und innovativ ist.”

Letztlich geht es also eher darum, das passende Format für sich und seine Brand zu finden. Und das braucht manchmal Zeit. Nichtsdestotrotz scheinen sich die meisten einig: Vor allem Messen bleiben ein Ort, an dem sich Modeschaffende austauschen und voneinander lernen können. Und doch, können wir uns an dieser Stelle fragen, ob die halbjährlichen Zyklen nicht doch veraltet sind?

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