Einer von ihnen ist Marko Dörre, der Anfang des Jahres die Volksinitiative Klimanotstand Berlin ins Leben rief. Schnell bildete sich um Marko ein ganzes Team aus Unterstützer*innen, die alle eine Mission eint: die Ausrufung des Klimanotstands Berlin. Die Forderungen der Initiative sind klar. Dem Vorbild Greta Thunbergs folgend formulieren sie keine klaren Maßnahmen, sondern konkrete Forderungen.
1.Die Stadt Berlin soll so schnell wie möglich den Klimanotstand ausrufen.
Erst kürzlich gab die UN-Klimachefin Patricia Espinosa die warnenden Worte von sich: “Wir befinden uns im Klimanotstand. Wir kämpfen um unser Leben und alle sollten sich beteiligen.” Hunderte Städte weltweit sind diesem Aufruf bereits gefolgt. Allein in Deutschland über 45. Am 14. August rief die Landeshauptstadt Potsdam den Klimanotstand aus. Einen Tag später folgte der Bezirk Berlin-Pankow. Marko Dörre, dem Initiator der Volksinitiative Klimanotstand Berlin, ist längst klar: “Es wird Zeit, dass Berlin handelt. Die Bezirke bewegen sich. Es wird Zeit, dass sich auch das Abgeordnetenhaus bewegt.”
2. Berlin muss die 1,5 Grad-Grenze zwingend einhalten.
Der 2015 in Paris beschlossene Kompromiss von 1,5 Grad ist zwingend notwendig, um gefährliche Kipppunkte, die das Weltklima vollends durcheinander bringen würden, nicht zu überschreiten. Es ist an den Industriegesellschaften, Maßnahmen zu ergreifen, die dieses Ziel überhaupt realistisch werden lassen.
Im Koalitionsvertrag der Berliner Rot-Rot-Grün-Regierung von 2016 steht klar, dass Berlin Vorreiter in Sachen Klimaschutz und Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze werden soll. Klimaschutz wurde als zentrales Vorhaben der Koalition festgelegt. Marko Dörre stellt die dafür wichtigen Daten vor. Es wird klar, 2030 muss die Netto-Null im Bezug auf Treibhausgase erreicht sein. Ansonsten wird es brenzlig. In Berlin wurden bis 2016 die Treibhausgasemissionen um 31,4 Prozent reduziert. Seit 2017 liegen keine Daten mehr für diesen Wert vor. Laut Marko Dörre müssten 2020 minus 40 Prozent erreicht sein, um 2030 minus 60 Prozent zu erreichen und damit die angestrebte Netto-Null. Doch die fehlenden Daten machen es schwer, wirkliche Prognosen treffen zu können. “Wir befinden uns im Blindflug für den Klimaschutz”, so der Initiator der Volksinitiative. Milena Glimbovski (Gründerin des Berliner Unverpackt-Ladens Original Unverpackt), die als Unternehmerin des Jahres der Stadt Berlin als Vertrauensperson der Initiative auftritt, findet noch klarere Worte. “Wenn ich als Unternehmerin meine Bilanzen nicht pünktlich abgeben würde, hätte ich sofort das Finanzamt vor der Tür. Ich bin schockiert über die Nachlässigkeit der Stadt Berlin.”
3. Berlin muss sofort handeln, um den Treibhausgasausstoß drastisch zu reduzieren.
Die Volksinitiative Klimanotstand Berlin möchte bewusst keine konkreten Maßnahmen nennen, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren. Dafür seien Politik und Wirtschaft verantwortlich. Das Volk sei lediglich dafür da, den Druck zu erhöhen und auf wichtige Entscheidungen zu drängen. Trotzdem hat die Initiative einige Ideen mitgebracht, die im Klimanotstand dazu beitragen würden, die Emissionen herunterzuschrauben.
Ideen:
- Stadtweit Tempo 30 (laut Gutachten des Umweltbundesamtes führt dies zu einer deutlichen Reduktion der Emissionen)
- Fleischfreie Kantinen und Mensen – über 100.000 Mittagessen werden tagtäglich an Schüler*innen in Berlin ausgeteilt (Die Volksinitiative erinnert hier an den Bericht der IPCC)
- Verteuerung der Start- und Landegebühren von Flugzeugen in Berlin (da die Kerosinsteuer Bundesangelegenheit ist, wäre dies eine denkbare Maßnahme für die Stadt)
4. Berlin soll seine Partner-Städte und das Städtenetzwerk alarmieren.
Jede Kommune hat auch Partnerstädte oder -gemeinde. Um den Output des Klimanotstands zu erhöhen, sollten die jeweiligen Partner informiert werden.
5. Berlin muss die Öffentlichkeit ständig informieren.
Die Volksinitiative Klimanotstand Berlin hat in der Kampagnenarbeit stark wahrgenommen, wie sie nicht nur Unterschriften sammeln, sondern vor allem Aufklärungsarbeit leisten und es in der breiten Öffentlichkeit teilweise noch viel zu wenig Informationen über die aktuelle Klimapolitik und die notwendigen Maßnahmen gibt. Die Initiative schlägt ein Portal vor, in dem alle wichtigen Daten zu finden sind, über Maßnahmen informiert wird, Werte und Perspektiven geteilt werden und quartalsweise Berichte erfolgen sowie die CO2-Bilanzen aus dem Vorjahr geteilt werden. Wenn es so wie jetzt weitergeht, kommt es laut Marko Dörre zu einem massiven Verzug vom Handeln zum Wissen. “Nur was wir messen, können wir auch steuern.”
Volksinitiative Klimanotstand Berlin bekommt breite Unterstützung
Am 20. August, genau ein Jahr nachdem sich Greta Thunberg das erste Mal vor das schwedische Parlament setzte, präsentierte die Volksinitiative Klimanotstand Berlin ihre Erfolge der letzten Monate. 43.522 Menschen unterschrieben die analogen Listen, die am gleichen Tag dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses übergeben wurden. Lediglich 20.000 Unterschriften sind nötig, um die Volksinitiative geltend zu machen. Damit steht fest: Der Wille der Bürger*innen ist da. Große Teile der Berliner Bevölkerung wünschen sich die Ausrufung des Klimanotstands. Es geht um die existenzielle Sicherung menschlicher Bedürfnisse, Sorgen und Nöte, die die Menschen jetzt im Bezug auf den Klimawandel haben. Städte wie Berlin sind in der Pflicht ihren Bewohner*innen zuzuhören und diese Ängste wahrzunehmen und dementsprechend zu handeln. Wie mehrfach betont, ist jetzt die Zeit des Handelns. Jetzt ist die Zeit der Veränderung. Lange genug hat die Politik verschlafen, was seit Jahren wissenschaftlich bekannt ist.
Es geht darum einen gesellschaftlichen Konsens zu finden und auf die Wissenschaft zu hören. Die Bevölkerung kann dies nicht selbst beschließen, aber den notwendigen Rahmen setzen, den es jetzt braucht, um politische Veränderung durchzuführen. Ralf Wieland (SPD), der Präsident des Abgeordnetenhauses, dem die gesammelten Unterschriften an diesem Tag übergeben werden, wundert sich jedenfalls nicht über die Initiative: “Wer Zeitung liest und Fernsehen schaut, weiß, dass das ein brennendes Thema ist. Ich kann verstehen, dass die Menschen sich jetzt engagieren.” Es bleibt abzuwarten, ob die Politik diesem gesellschaftlichen Engagement folgt.