Der April steht in der (fairen) Modebranche ganz im Zeichen der Fashion Revolution. Die Bilder vom Einsturz des Fabrikgebäudes Rana Plaza in Bangladesch gingen vor sechs Jahren um die Welt und die Katastrophe zwang die Modeindustrie dazu, sich mit ihren Lieferketten auseinanderzusetzen. Als Teil der Fashion Revolution-Bewegung fordern Fair Fashion Brands seither stärker als je zuvor eine transparentere Modeindustrie. So auch das Modelabel Lana. Bereits seit 1987 setzt das Aachener Familienunternehmen auf nachhaltige Mode. 2017 hat Tochter Maria Kohnen das Design der Linie Lana übernommen und der ältesten Linie damit eine mutigere und innovative Ästhetik gegeben, wovon wir uns mit jeder Fashion Week aufs Neue überzeugen dürfen. Für unsere Reihe “5 Fragen an” haben wir mit Maria über Modeaktivismus gesprochen und gefragt, wie man sich als Modelabel engagieren kann.
1. Was bedeuten Mode, Aktivismus und Modeaktivismus für Lana?
Maria Kohnen: “Mode ist für uns immer auch ein persönlicher Ausdruck und nicht nur ein Souvenir. Man erlebt mit Mode viele Momente und koppelt die Erinnerungen an die Kleidung. Man erinnert sich an Geschichten, aber man kann mit Mode auch Geschichten schreiben. Aktivismus kann laut, aber auch leise sein. Ein offensiver Aktivismus erfordert Mut und Überzeugung, ein defensiver viel Durchhaltevermögen. Wichtig sind beide Formen und es gibt viele Ausdrucksformen; darunter die Mode.
Modeaktivismus ist für uns als Brand schon immer ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit und im Grunde genommen der Antrieb dafür. Schon vor 30 Jahren haben sich meine Eltern dafür eingesetzt, Plastik aus der Kleidung zu verbannen und die Arbeits- und Umweltbedingungen innerhalb der Produktionskette wesentlich zu verbessern. Unser Durchhaltevermögen besteht und unser Wille bleibt. Deshalb setzen wir uns aktiv dafür ein, Nachhaltigkeit zu einer Selbstverständlichkeit zu machen und der Schnelllebigkeit der Modewelt ein bisschen das Tempo zu rauben.”
2. Wie kommuniziert Ihr die Themen Nachhaltigkeit und Fairness an Eure Kund*innen?
Maria Kohnen: “Wir versuchen so transparent wie möglich zu sein und arbeiten stetig weiter daran, unsere Kund*innen bestens zu informieren. In unserem Onlineshop bemühen wir uns daher, die Materialien und ihre Herkunft möglichst vollständig anzugeben. In Zukunft wollen wir den Kund*innen noch gezielter unsere Produktionsstätten näher bringen, da wir vor allem mit kleinen familiengeführten Unternehmen zusammenarbeiten und finden, dass die Stories hinter einem Produkt zu wertvoll sind, um auf dem langen Weg in den Handel ihre Sichtbarkeit verlieren.”
3. Wie kann man als Modelabel konkret einen Unterschied machen und wichtige Themen anstoßen?
Maria Kohnen: “Gerade als produzierendes Modelabel kann man den Unterschied machen, auf den es ankommt. Klar ist es auch wichtig, dass die Endverbraucher*innen die nachhaltigen Labels unterstützen, aber als Modelabel treffen wir täglich Entscheidungen, die einen Unterschied machen bzw. machen können. Welche Stoffe nutze und wie färbe ich sie, welche Druckform wähle ich, welche Zutaten setze ich ein und welche Ausrüstung sehe ich vor? Wo lasse ich produzieren und welchen Preis schlage ich für den Artikel vor? Mit jeder Entscheidung macht man den Unterschied, der Profit kann dabei natürlich nicht mehr im Mittelpunkt stehen. Diese Fragen öffentlich zu behandeln, sehen wir als einen wichtigen Beitrag unsererseits, um den Diskurs weiterhin zu fördern und Veränderung anzutreiben.
Es reicht als nachhaltiges Brand einfach nicht, ‚nur‘ fair zu produzieren – gleichzeitig kommt man nicht umhin, auch Aufklärungsarbeit zu leisten, wofür leider viel zu oft die Zeit fehlt. Es erschreckt mich, dass ich immer wieder Menschen treffe, die nicht wissen, dass jedes Kleidungsstück von Menschen genäht wurde. Doch das zu kommunizieren birgt auch eine Challenge für uns: In Zeiten wie diesen fällt es als nachhaltiges Label oft schwer, klassisches Marketing zu betreiben. Natürlich leben wir vom Verkauf unserer Produkte, aber gleichzeitig will man eigentlich am liebsten sagen: Kauf nichts und falls du doch dringend etwas Neues brauchst, dann bitte wenigstens etwas nachhaltiges Neues von Lana.”
4. In wenigen Wochen jährt sich der Fabrikeinsturz von Rana Plaza. Die Fashion Revolution-Kampagne ermutigt in erster Linie Konsument*innen dazu, Brands zu fragen, wer ihre Kleidung gemacht hat. Was bedeutet die Fashion Revolution für Euch als Brand und wie engagiert Ihr euch?
Maria Kohnen: “Wir sind Initiativen wie der Fashion Revolution sehr dankbar, weil sie das schaffen, wofür uns eben zu oft die Zeit fehlt: Aufklärungsarbeit. Denn so wird gezielt zu einem bestimmten Zeitraum eine zentrale Message an unglaublich viele Menschen vermittelt: Lasst euch nicht vom Konsum steuern, sondern nutzt ihn, um wichtige Veränderungen in Gesellschaft und Politik voranzubringen und Transparenz einzufordern. Wir werden zur Fashion Revolution Week regional unterwegs sein und zum Beispiel die Kleiderei Köln bei ihrem Event am 28.4. unterstützen. Dort hosten wir gemeinsam mit Fashion Revolution Germany eine Foto-Aktion, die Konsument*innen dabei unterstützt, medienwirksam Transparenz zu Herstellung und Produktion von Fast Fashion-Konzernen und Brands einzufordern. Eine super Gelegenheit für uns, vor Ort Fragen zu beantworten und im kleinen Rahmen aufzuklären.
Zur Fashion Revolution Week wird es außerdem von uns zum ersten Mal ein Statement-Shirt geben, aber auch hier legen wir großen Wert auf Langlebigkeit. ‚Know Your Values‘ soll uns als Individuen ermutigen, unsere Wertvorstellungen zu kennen, zu vertreten und eben auch einzufordern. Darüber hinaus sind wir im Gespräch mit Schulen im Raum Aachen, um gezielt die nächste Generation über einen bewussten Konsum zu informieren. Als Brand möchten wir der motivierten Jugend gerne mitgeben, dass es denkbar ist, dass ihr Einfluss größer ist, wenn der Druck mehr auf die Wirtschaft als auf die Politik ausgeübt wird. Denn so wie unser System und unsere Gesellschaft aufgebaut sind, ist jeder Kauf jedes einzelnen Produktes wie ein Stimmzettel für oder gegen die Umwelt.”
5. Wie schafft man es Eurer Meinung nach, Konsument*innen für Engagement zu begeistern?
Maria Kohnen: “Wir denken Aufklärung ist dabei das A und O. Solange Menschen noch so wenig über die Produktion wissen, können Sie das gesamte Ausmaß ihrer Kaufentscheidungen ja gar nicht begreifen. Aber nach 30 Jahren in der Branche fragt man sich dann auch irgendwann, was noch alles passieren muss, bis bei der Mehrheit der Menschen endlich der Knoten platzt. Wir müssen verstehen, dass wir als Konsument*innen eine unglaubliche Macht haben, die wir nicht so leichtfertig an der Fast Fashion-Kasse abgeben sollten.
Wenn wir es schaffen, mit unserer Mode ein Werkzeug für Menschen zu sein, Einfluss auf Wirtschaft und Politik auszuüben, dann haben wir unsere Hausaufgaben gemacht. Außerdem finde ich es wichtig, stillen Aktivismus zu akzeptieren. Nicht jeder Mensch stellt sich auf die Straße und handelt offensiv. Wichtig ist, dass die Menschen ihre Verhaltensweisen ändern und das auch durchhalten. Meistens funktioniert das besser peu à peu – und nicht radikal. Diese Zeit haben wir zwar nicht, wenn man das Klimasicht betrachtet, aber diese Zeit braucht es leider vermutlich.”
Danke für das Gespräch und euren Einsatz, liebe Maria.
Titelbild und Vorschaubild: © Lana