Fair Fashion, faire Löhne, faires Spiel – das Wort „fair“ ist so tief in unserer Sprache verwurzelt, wieso könnte es problematisch sein? „Weil die ursprüngliche Bedeutung des Wortes ‚hellhäutig‘ ist“, erklärt Noah Sow auf ihrem Blog. Was sie damit meint, haben wir uns genauer angeschaut und unter anderem mit der Journalistin, Podcasterin und Autorin des Buches „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen – aber wissen sollten“, Alice Hasters, gesprochen.
„Fair Skin“: Ein Marketing-Buzzword für die Hautaufhellungsindustrie
Bei dem Begriff „fair“ denken wir in Deutschland nicht automatisch an weiße Haut. Im englischsprachigen Raum sieht es etwas anders aus. „Fair skin“ ist ein Synonym für weiße Haut und ein beliebtes Schönheitsideal der Kosmetikindustrie mit der Intention den Prozess des „Whitening“, also das Aufhellen, zu kapitalisieren.
„Whitening“ ist eine soziale Konditionierung, bei der Menschen das Ideal verinnerlichen, dass „weiß richtig ist“ und „weiß am schönsten ist“.
Beauty-Kampagnen mit grinsenden weißen (und light-skinned non-white) Frauen vermitteln die Botschaft, dass helle Haut eine glückliche und schöne Frau hervorbringt. Doch sie ist eingebettet in einem post-kolonialistischen und rassistischen System, dass die weiße Frau als Phänotyp als rein, jungfräulich und als erstrebenswertes Ideal positioniert. Diese Bilder zirkulieren nicht nur in westlichen Ländern. Nigeria ist eines der weltweit größten Märkte für Hautaufhellungsprodukte.
Die kamerunische Popsängerin Dencia kreierte 2014 ihren eigenen „Dark Spot Remover“ Whitenicious Paste, dessen erste Auflage in nur 24 Stunden ausverkauft war. In Thailand vermarktet das Unternehmen Lactacyd eine Aufhellungspaste, die sogar „den Intimbereich frisch und jung hält“. Unilever zelebriert in Deutschland „Selbstliebe“ mit ihren Dove-Kampagnen und verdient in Indien jährlich Milliarden, Schwarzen Frauen zu kommunizieren, dass sie nur schön mit ihren Hautaufhellungsprodukten sind. Das niederländische Unternehmen hat sich sogar beinahe eine Monopolstellung auf dem Hautaufhellungsmarkt aufgebaut. Das Konzept, dass weiße Haut rein ist, ist für viele Menschen überaus schmerzhaft und exemplarisch für White Supremacy. Es trägt dazu bei, dass viele Schwarze Frauen auf der ganzen Welt mit dem Gedanken groß werden: Ich bin nicht schön. Ich habe keine faire Haut. So viel zu dem Begriff „fair skin“ und den globalen Zusammenhängen. Doch was hat das mit Deutschland zu tun?
Was ist White Supremacy?
Grob als „weiße Vorherrschaft“ und „Überlegenheit“ aus dem Englischen übersetzt. Es bezeichnet rassistische Ideologien, welche auf der Annahme beruhen, dass „Europide“ anderen menschlichen „Races“ prinzipiell überlegen seien und ihre privilegierte Stellung daher gewährleistet werden müsse.
Fair Fashion, Ethical Fashion, Slow Fashion?
Auch im Modebereich ist „fair“ viel in Gebrauch und wir sprechen häufig von fairer Mode oder Fair Fashion. Wie ist das Wort in diesem Kontext zu beurteilen? Wird das Wort „fair“ hier überhaupt mit „weiß“ in Verbindung gebracht? Spielt die Thematik im deutschen (Mode-)Kontext überhaupt eine Rolle?
„Das Wort ‚fair‘ ist im deutschen Sprachgebrauch für ‚gerecht‘ eingebettet und viel weniger für weiße Haut“, erklärt Alice Hasters und ergänzt: „Der Ursprung des Wortes ist rassistisch, aber das Wort ist in unseren Kontexten nicht triggernd, weil Menschen die Herkunft des Wortes gar nicht mehr damit assoziieren.“ Sieht man in einem deutschen Duden nach findet man ebenfalls lediglich Assoziationen zu einem „gerechten und anständigen Verhalten“. Synonyme in der deutschen Sprache sind beispielsweise: ordentlich, einwandfrei, kameradschaftlich, korrekt, legitim. Der Begriff „fair“ ist im deutschen Sprachgebrauch also weniger problematisch, die Herkunft des Wort bleibt jedoch bedenklich.
Wir würden gerne weiter mit euch darüber diskutieren. Wie fair ist der Begriff „fair“ für dich? Sollten besser Synonyme (Ethical Fashion, ethische Mode, Slow Fashion) für „Fair Fashion“ genutzt werden, um eine Assoziation mit weißer Haut definitiv ausschließen zu können oder gibt es viele andere Begriffe und Worte, die im alltäglichen Sprachgebrauch zirkulieren und viel dringender zur Diskussion gestellt werden sollten?
Dieser Artikel erschien zuerst am 29. Dezember 2019 bei RosaMag, dem ersten deutschsprachigen Online-Lifestyle-Magazin von und für Schwarze Frauen.
Titelbild: Nicolas Bui/ Unsplash
2 Antworten auf „Wie fair ist eigentlich das Wort „fair“?“
Den Ursprung von Fair kannte ich nicht – umso schöner, es dank dieses Artikels es jetzt zu wIssen. „Fair“ finde ich im Modekontext aus einem anderen Grund häufig deplatziert: Fair Fashion wird als synonym für Slow Fashion und als Gegensatz zur Fast Fashion verwendet. Häufig werden dabei unter „fair fashion“ auch Labels gefasst, die mit fair nur am Rande etwas zu tun haben, etwa nicht Fairtrade-zertifiziert sind oder eben keine fairen Arbeitsbedingungen nachweisen können. Und das verfälscht.
Als afrodeutsche Frau verbinde ich mit dem Wort – wie Haster schon beschrieben hat – nicht direkt die Ideologie der ,,White Supremacy”. Bevor ich zum ersten Mal auf das Thema aufmerksam wurde und den Beitrag von Noah Sow gelesen habe, habe ich auch nie etwas in der Richtung empfunden. Wie fair ist der Begriff ,,FAIR” mittlerweile für mich? Naja nicht mehr fair genug. Denn auch in Deutschland leben einige WOC (Women of Color), die Englisch als Muttersprache sprechen. Für sie wird sich der deutsche Sprachgebrauch wahrscheinlich nicht so stark durchsetzen wie bei mir (Französische Muttersprachlerin). Ich denke, es ist ein guter Schritt, sich über Synonyme Gedanken zu machen. Nicht nur um eine Assoziation mit weißer Haut auszuschließen, sondern auch allen Frauen – unabhängig ihrer Hautfarbe – Zugang und Aufklärung zu einem bewussten und nachhaltigen Umgang mit Mode ermöglich zu können.