In den Vereinigten Staaten sterben überdurchschnittlich viele Schwarze Menschen an den Folgen des Coronavirus. Prekäre Arbeitsverhältnisse, sozioökonomische Unterschiede, Vorerkrankungen sowie struktureller Rassismus sind nur einige der Problematiken. Das Virus offenbart den Gegensatz zwischen Schwarz und weiß. Und wie steht es um Deutschland?
Keine Zahlen, keine Beweise, keine Veränderungen
Daten – sie bieten eine argumentative Schlagkraft. Sie nehmen die Emotionalität und die vermeintliche Subjektivität aus Diskursen und zeigen: In den USA gibt es ein strukturelles Problem. Nach Angaben des Centers for Disease Control, die führende Gesundheitsbehörde der US-Regierung, sind fast ein Drittel der Schwarzen Amerikaner*innen von den landesweiten Infektionen in den USA betroffen. Und das obwohl sie lediglich 13 Prozent der US-Bevölkerung ausmachen.
Ebenso sind fast ein Drittel der landesweit verstorbenen Personen Schwarz, so eine Analyse der verfügbaren staatlichen und lokalen Daten durch die Associated Press. Doch von den 828.441 bestätigten Fällen, die zumindest dokumentiert wurden, sind nur 36 Prozent nach Race aufgeschlüsselt. Demgegenüber steht eine Analyse der New York Post, die zeigt: Die meisten NYC-Coronavirus-Tests wurden in den mehrheitlich weißen und wohlhabendsten Postleitzahlen durchgeführt. Wie hoch ist also die reale Anzahl? Es herrscht eine eklatante Lücke. Genau deshalb forderten die Demokraten im Kongress ein Gesetz, das die Gesundheitsbehörden der US-Regierung zwingt, täglich Daten über die Zahl der Covid-19-Fälle und Todesfälle, aufgeschlüsselt nach Race, zu veröffentlichen. Ohne Daten gibt es keine Beweise, die auf die nachfolgenden Problematiken in den USA hinweisen.
“Wenn Schwarze Amerikaner*innen im gleichen Maße wie weiße Amerikaner*innen an COVID-19 gestorben wären, würden mindestens 10.000 weitere Schwarze Amerikaner*innen noch leben,” lautet der Report vom APM Research Center.
Die US-amerikanische Tradition: Ein ungerechtes System
Schwarze Menschen stecken sich vermutlich nicht häufiger mit dem Coronavirus an als andere Bevölkerungsgruppen, aber sie leiden besonders oft an Vorerkrankungen, die teils jahrelang unbehandelt bleiben. Zahlen aus dem Bundesstaat Louisiana zeigen, dass 66 Prozent der Covid-19-Todesopfer an Bluthochdruck litten. 43 Prozent hatten Diabetes, 25 Prozent Herz- oder Lebererkrankungen oder waren fettleibig. Jahrzehntelange Segregation, eine diskriminierende Wohnungspolitik und schlechte Umweltschutz-Vorkehrungen haben dazu geführt, dass viele Afroamerikaner*innen in minderwertigen und verdichteten Wohnungen leben. Social Distancing ist in diesen Gebieten weitaus schwieriger, wenn Generationen auf limitiertem Raum leben oder in Arealen, die übervölkert sind. Bei diesen Gebieten handelt es sich darüber hinaus um sogenannte „Gesundheitswüsten“. Eine Studie ergab, dass Schwarze Amerikaner*innen im Durchschnitt fast 70 Prozent häufiger in einem Postleitzahlengebiet mit einem Mangel an Hausärzt*innen und eher in einem Gebiet ohne Krankenhaus-Traumazentrum in einem Umkreis von fünf Meilen leben.
Das Gesundheitssystem in den USA ist anders als in Deutschland. Eine Krankenversicherung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, so wie es hierzulande die Norm ist. In den Vereinigten Staaten können sich Arbeitnehmer*innen primär über den oder die Arbeitgeber*in versichern. Ein Großteil der Afroamerikaner*innen ist laut dem Special vom National Geographic in Stundenlohn-Jobs beschäftigt. Diese haben keinen gesundheitlichen Nutzen. Sie gehören zudem entweder zu der ersten Entlassungswelle, die jetzt arbeitslos und nicht versichert sind, oder sie werden als „unentbehrliche Arbeitskräfte“ betrachtet und sind dem Virus stärker ausgesetzt. Das sind die sogenannten systemrelevanten Berufe, wie zum Beispiel Lieferant*innen oder Jobs im Pflege- sowie Servicebereich.
Afroamerikaner*innen haben seltener Arbeitsplätze, die es ihnen erlauben von zu Hause aus zu arbeiten. Viele Schwarze Arbeiter*innen haben keinen bezahlten Krankenstand oder Urlaub. Kleinunternehmen in Schwarzem oder hispanischem Besitz haben weniger Zugang zu traditionellen Finanzkreditgeber*innen, was den Zugang zu Coronavirus-Hilfsprogrammen, wie dem jetzt bereits ausgelaufenen 350 Milliarden Dollar schweren Programm zum Schutz von Gehaltsschecks, erschwert oder unmöglich macht.
Rassismus macht krank
Warum Schwarze Menschen in den USA häufiger an COVID-19 erkranken und sterben, kann nicht auf einen einzigen Faktor reduziert werden. Es sind viele. Wie ein großes Puzzle, das viele einzelne Teile benötigt, damit es einen Sinn ergibt. Doch sie kommen aus einer gemeinsamen Box. Dass Schwarze Menschen in den USA teilweise in prekären Jobs und Wohnverhältnissen leben und einen mangelhaften Zugang zum Gesundheitswesen haben, sind die Nebenwirkungen einer jahrhundertealten Segregation, die bis heute nachwirkt. Es gibt noch viele weitere Faktoren, wie zum Beispiel Mikroaggressionen und Rassismen ausgesetzt zu sein. Das resultiert in Stress und sorgt für einen anhaltenden Anstieg des Stresshormonspiegels Cortisol, was wiederum in einer vorzeitigen Alterung des Körpers endet. Rassismus macht krank.
COVID-19 zeigt die gravierenden Verhältnisse in den USA. Die Zahlen offenbaren, dass der amerikanische Traum nicht für alle gilt. Sondern, dass rassistische Strukturen Schwarze Menschen töten. Und wie steht es um Deutschland? In der Bundesrepublik gibt es keine Erhebung auf der Basis der Race oder den sozioökonomischen Verhältnissen. Ohne diese Zahlen gibt es keinen Beweis, keine Veränderung.
Dieser Artikel erschien zuerst bei RosaMag, dem deutschsprachigen Online-Lifestyle-Magazin von und für Schwarze Frauen. Wir freuen uns, ihn auch hier veröffentlichen zu können.
Titelbild: © Oladimeg Email | Unsplash
2 Antworten auf „Warum sterben so viele Schwarze Menschen in den USA an Covid-19?“
COVID unterscheidet nicht zwischen Rassen. Um ehrlich zu sein wirkt der Artikel auf mich als würde man unbedingt über etwas mit Rassen und Rassismus schreiben müssen.
In Italien war die Situation auch sehr heftig. Und ist es noch. Genauso wie in anderen Ländern, die nicht über ein solches Gesundheitssystem wie das unsere verfügen.
Auch in Afrikanischen Ländern wird es prikär aussehen was die Ansteckung und Eindämmung des Virus betrifft. Und das hat zentral etwas mit dem jeweiligen Gesundheitssystem sowie persönlichen finanziellen Mitteln zu tun.
Auch in den USA starben weiße Krankenpfleger an COVID. Und die Kollegen, Weiß sowie Schwarz und hispanisch, mussten trotzdem weiter arbeiten. Mit einem Mangel an medizinischer Ausstattung zum Schutz der eigenen Gesundheit als Beschäftigter in einem Pflegeberuf.
Ich arbeite in der Pflege. Kollegen von mir haben teilweise einen Mundschutz für eine gesamte Woche, weil diese solche Mangelware sind bzw. gespart werden soll.
Oder die Versorgung mit FFP2 Masken war bei uns auch mitunter stark begrenzt für eine gewisse Zeit, sodass wir angehalten wurden sehr sparsam mit entsprechendem Equipement wie Schutzkittel und Mund Nasen Schutz umzugehen. Und das in Deutschland. Betroffen ebenfalls meine türkischen, Schwarzen, Russischen, Syrischen usw. Kollegen.
Dass das Amerikanische Gesundheitssystem fragwürdig ist, aus unserer Sicht schon lange klar.
Aber Obama Care wollte das Volk ja nicht. Die wollten Trump, denn er versprach: Make America great again.
Ja, tolles Amerika.
Hallo Nils,
wir verstehen nicht so recht, worum es dir geht. Nein, hier muss nicht „unbedingt etwas mit Rassismus“ geschrieben werden. In diesem Artikel unserer Autorin geht es um die STRUKTURELLE Benachteiligung von Schwarzen Menschen in den USA während der Coronakrise. Die kann man nun wirklich nicht leugnen. Du schreibst in deinem Kommentar jetzt noch eine Menge anderer Themen, die sicherlich ebenfalls besprechenswert sind, um die es hier jetzt aber nicht ging. Das, was du in deinem Kommentar machst, nennt man Whataboutism.
Liebe Grüße,
Vreni von Fashion Changers