„Geld regiert die Welt.“ Und trotzdem kratzt der Money-Talk oft nur an der Oberfläche. Welches Verhältnis wir selbst zu unseren Finanzen haben und was wirklich mit unserem Geld passiert, darüber sprechen wir wenig bis nie – selbst in der Nachhaltigkeits-Szene klammern wir das Geldthema oft aus. Das mag daran liegen, dass Geld immer noch weitestgehend ein Tabuthema ist, aber sicherlich auch daran, dass wir diese Ressource, die wir häufig nur als kleine (hoffentlich schwarze) Zahl im Online-Banking sehen, maßlos unterschätzen und ihren positiven Impact verkennen.
Wir haben mit André Meyer, Branchenkoordinator für nachhaltige Wirtschaft bei der GLS Bank, darüber gesprochen, wie wichtig Nachhaltigkeit auch beim Thema Finanzen ist und warum wir ein Umdenken der gesamten Bankenbranche für den Klimaschutz und unser Miteinander brauchen.
Was ist eine ethische Bank und worin unterscheidet sie sich zu einer nicht-ethischen Bank?
André Meyer: „Ethisch heißt für mich, sich moralisch verpflichtet zu fühlen, alle Menschen und die Umwelt zu respektieren. Bei der GLS ist es so, dass wir ausschließlich im ethischen Bereich agieren. Dafür schließen wir natürlich einiges von vornherein aus: Kinderarbeit, Waffenhandel oder fossile Brennstoffe. Außerdem haben wir einen starken Fokus auf sozial-ökologische Projekte. Wir versuchen überall, wo es uns möglich ist, einen positiven Einfluss zu haben. Wir finanzieren und unterstützen ökologische Landwirtschaft und viele andere Bereiche. Unsere Kund*innen können selbst entscheiden, welcher Bereich mit ihrem Geld unterstützt werden soll.“
Wir sind mit Fashion Changers auch Kundinnen bei der GLS und haben uns für den Bereich “Nachhaltige Wirtschaft” entschieden. Wie genau können wir nun erfahren, was aus dem Geld entsteht?
André Meyer: „Dafür gibt es unser Magazin ‚Bankspiegel‘. Dort könnt ihr im Teil ‚Herzstück‘ genau nachvollziehen, welche Kredite wir im Bereich Nachhaltige Wirtschaft vergeben haben und wie hoch sie sind. Da ist zum Beispiel eine Wachstumsförderung für das Label Recolution dabei. Ihr habt also unter anderem auch ein Fair Fashion Label unterstützt.“
Und wie könnten wir herausfinden, was unsere Bank mit unserem Geld macht, wenn wir bei einer anderen Bank wären?
André Meyer: „Das wird schwierig! Ihr könntet bei euren Bankberater*innen danach fragen und müsstet ihren Aussagen vertrauen. Es kann aber gut sein, dass sie das nicht einmal sagen können, es entweder nicht wissen oder es auch gar nicht sagen dürfen. Es geht auch nicht nur darum, wo das Geld in Form von Krediten hinfließt, denn eine Bank gibt ja nicht immer sofort Kredite, sondern hat auch Eigenanlagen. Auch hier muss man fragen: Was genau wird mit dem Geld gemacht? Wir veröffentlichen das alles, aber andere Banken sind da sehr intransparent.“
Gibt es so etwas wie Greenwashing bei Banken?
André Meyer: „Für mich wäre das der Fall, wenn Banken auf der einen Seite die Waffenindustrie unterstützen und auf der anderen Seite Green Bonds [Anm. der. Red. Anleihe für grüne Zwecke] haben, um zu suggerieren, dass sie in dem Bereich etwas machen. Als Kund*in ist das schwer nachvollziehbar, eben wegen der fehlenden Transparenz.“
8 Euro Grundgebühr für ein GLS-Bankkonto. Das ist auf jeden Fall teurer als bei anderen Banken. Ist das wirklich teuer oder sind die anderen Banken zu billig?
André Meyer: „Unser Ansatz ist es nicht, die günstigsten auf dem Markt sein. Wir wollen Produkte anbieten, die fair bepreist sind und nachhaltig bestehen können. Das bedeutet auch, dass wir als GLS Bank keinen Verlust mit einem Konto machen dürfen. Langfristiges, gutes Wirtschaften bedeutet, dass wir Gewinne haben, die wir wieder investieren können.
Wenn das Konto 8 Euro Grundgebühr kostet, finanzieren wir da nichts quer. Das heißt: Wenn du ein Konto abschließt, bezahlst du auch für das Konto. Darüber hinaus bekommt man bei uns einfach unsere starken Werte mit und die Sicherheit, dass mit dem Geld kein Unsinn gemacht wird. Wir sind eine Bank, die ethisch und nachhaltig agiert – das verlangt natürlich zusätzliche Gedanken, die Kapazitäten und Zeit brauchen und somit natürlich auch etwas kosten, zum Beispiel bei der Überprüfung der Bereiche, in die wir investieren. Sehr wichtig ist uns außerdem auch eine gute Beratung. Wir schauen ganz individuell: Was ist bei Kund*innen notwendig? Was brauchen sie?“
Wir hören immer wieder, dass Unternehmer*innen aus der fairen Branche sich eine nachhaltige Bank anfangs nicht leisten können. Was antwortest du auf das „zu teuer“-Argument? Ist das eine Mindset-Frage?
André Meyer: „Das ist eine grundsätzliche gesellschaftliche Frage: Muss ich immer das günstigste haben? Bin ich bereit ein bisschen mehr zu bezahlen, wenn es Sinn macht? Das ist ähnlich wie bei den Themen Ernährung, Kleidung oder Technik – da geht es schon um ein bestimmtes Mindset. Man muss sich fragen: Was passiert mit dem Geld, das ich verdiene? Auch wenn es kleinere Summen sind, beeinflusst man damit die Wirtschaft! Wir haben eine neue Kampagne, die genau darauf abzielt und in der wir fragen: Was willst du wirklich machen? Willst du, dass dein Geld in Massentierhaltung geht oder nicht? Kohlekraft oder nicht? Mit diesen Themen gehen wir nach außen, um sichtbarer zu machen und den Menschen zu zeigen, welchen Einfluss sie mit ihrem Konto haben können.“
Habt ihr viele Kund*innen im Fair Fashion-Bereich? Wie unterstützt ihr sie?
André Meyer: „Ja, wir haben einige Kund*innen aus dem fairen Modebereich, zum Beispiel das Label Mela Wear. Wir finden das Label sehr unterstützenswert und schauen, dass wir denen eine Finanzierung ermöglichen können. Außerdem haben wir zum Beispiel Kolleg*innen in Berlin, die im Impact Hub sitzen und beraten. Zusätzlich stellen wir Räume für Veranstaltungen kostenfrei zur Verfügung, bieten ein Netzwerk und Sichtbarkeit über unser Magazin. Wir sehen alle nachhaltigen Bereiche, natürlich auch die Mode. Dabei ist für uns klar: Eine nachhaltige Wertschöpfungskette muss zu Ende gedacht werden! Man kann beim Geldfluss nicht aufhören, nachhaltig zu denken. Oder anders gesagt: Fair Fashion hört nicht beim Girokonto auf.“
Wir sind ein kleines 3-Frauen-Unternehmen ohne viel Eigenkapital. Irgendwelche Geldtipps?
André Meyer: „Geld ist ja oft eine knappe Ressource und man sollte intensiv darüber nachdenken, wofür man es einsetzt. Dafür kann man sich auch ruhig Unterstützung holen. Natürlich sind nicht alle Berater*innen vertrauenswürdig, aber wenn man die eigene Botschaft gut kommuniziert, kann man Leute finden, die diese verstehen und entsprechend beraten. Außerdem würde ich euch natürlich raten für schlechte Zeiten immer eine Reserve zu haben, in der Modebranche gibt es immer Auf und Abs.“
Sollte eine Bank auch offen politisch sein? Mischt sich die GLS Bank in aktuelle politische Debatten ein?
André Meyer: „Wir machen das seit 1,5 Jahren relativ stark und haben politischen Forderungen: Wir wollen eine gesunde Wirtschaft haben, die die Grundbedürfnisse von allen Menschen respektiert, denn dann hat man eine Basis auf der alle vernünftig und zufrieden miteinander leben können, was in unserem Verständnis langfristig auch die sogenannte Flüchtlingskrise beeinflussen würde. Außerdem fordern wir einen Ausgleich für die Nutzung von Spritz- und Düngemittel, da sie die Bienenpopulation und die Fruchtbarkeit des Bodens negativ beeinflussen. Die dadurch entstehenden Kosten müssen verursachergerecht bezahlt und nicht auf die Allgemeinheit umgelegt werden! Genau so fordern wir auch einen finanziellen Ausgleich für das Verursachen von CO2. Außerdem sehen wir natürlich auch die größer werdende Schere zwischen arm und reich. Wir brauchen eine Umverteilung des Kapitals: Es muss stärker besteuert werden als Arbeitseinkommen, um die Schere wenigstens wieder ein bisschen schließen zu können. Das bedingungslose Grundeinkommen ist zum Beispiel auch ein Ansatz, den wir unterstützenswert finden. Und ganz konkret in unserem Bereich fordern wir, dass nicht-nachhaltige Banken mehr Regularien unterliegen. Wie Banken mit Geld umgehen, hat einen sehr großen Einfluss und nachhaltige Banken wie wir müssen größer und relevanter werden, um den Impact zu steigern und daraus eine richtige Bewegung zu machen!“
Wie sieht für die GLS die Ökonomie der Zukunft aus?
André Meyer: „Wir brauchen eine gesunde Wirtschaft, die die Grundbedürfnisse von allen Menschen befriedigt und ein friedliches Zusammenleben. Einfach ein Miteinander!“
Das wünschen wir uns auch! Vielen Dank für das Gespräch.
Titelbild: Glodi Miessi via Unsplash
2 Antworten auf „„Fair Fashion hört nicht beim Girokonto auf!““
Spannende Bank, spannendes Thema. Ich suche momentan auch einen passenden Kreditgeber für ein nachhaltiges Projekt. Mein erster Versuch wird auch die GLS. Zumindest wird aber wenigstens dort das Konto hin gewechselt und wenn möglich auch dort das Geschäftskonto eröffnet!
Und ich finde Herr Meyer sagt sehr viel richtiges. Die frage ist nicht immer “wer ist der billigste”, sondern “welche auswirkungen hat mein handeln”.
Danke für das Interview.
Vielen Dank für dein Feedback und ganz viel Erfolg bei deinem Projekt und der Finanzierung!