Black Friday: Wie sich Rabatte auf unser Gehirn auswirken

Bald ist wieder Black Friday. Wie lässt sich sein Erfolg erklären und was machen Schnäppchen mit unserem Gehirn? Im Gespräch mit der Forscherin Dr. Katia Vladimirova

Black Friday

Mein jüngeres Ich hat Marketing nicht ganz verstanden. Super nett von der Parfümerie, dass sie mir ein kleines Geschenk machen will, wenn ich 50 Euro ausgebe. Über Black-Friday-Deals hat mein Teenager-Ich sich generell auch sehr gefreut. Pullover, heruntergesetzt auf drei Euro. Buy one, get one for free.

Rabatte, Coupons und Geschenke sind clevere Werbemethoden, die unsere Psyche, und somit auch unser Kaufverhalten, beeinflussen. Am Black Friday und Cyber Monday nehmen diese Verkaufsstrategien häufig eine andere Dimension an und bieten Einzelhändler*innen die Möglichkeit, ihren Jahresumsatz zu steigern und erfolgreich ins Weihnachtsgeschäft, oft die wichtigste Verkaufszeit des Jahres, zu starten. 

Studien zeigen, wie wir bei (temporären) Preisnachlässen unsere Selbstkontrolle verlieren und impulsiver handeln als sonst. Doch wie genau wirken Schnäppchen auf unser Gehirn? 

Rabatte belohnen unser Gehirn, auch außerhalb von Black Friday

Unser Gehirn verfügt über ein Belohnungssystem – eine Gruppe von Strukturen, die durch belohnende oder verstärkende Reize, wie Suchtmittel, aktiviert werden. Wenn das Gehirn einem belohnenden Stimulus ausgesetzt wird, reagiert es mit einer erhöhten Freisetzung von Dopamin. Das erzeugt ein angenehmes Gefühl, welches so stark ist, dass unser Gehirn in diesem Moment dazu neigt, alles andere zu vergessen.

Im Vergleich zu regulären Preisen aktivieren Wörter wie „Sale“ oder Schnäppchen das Belohnungssystem viel mehr. Zum Ausgleich haben wir Regionen in unserem Gehirn, die rationalisieren sollen, ob der Kauf notwendig ist oder nicht. Doch angesichts von Rabatten ist diese Region kaum aktiv. Neurowissenschaftler*innen fanden zum Beispiel heraus, dass Rabattschilder dafür sorgen, dass diese Regionen weniger durchblutet werden. Konsumierende schlagen also zu, ohne zu berücksichtigen, ob sie die Dinge in ihrem Einkaufswagen wirklich brauchen. 

Dr. Katia Vladimirova, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Genf und Gründerin von Sustainable Fashion Consumption, erklärt: Konsumierende werden von diesen Rabattversprechen gelockt und haben den Eindruck, Geld zu sparen. Dadurch kaufen sie in Wirklichkeit jedoch mehr ein und geben somit mehr Geld aus. Es ist eine clevere Marketingstrategie. Trotz 70 Prozent Preisnachlass, geben Menschen im Durchschnitt also mehr Geld aus, denn sie kaufen am Ende auch Dinge, die sie sonst nicht gekauft hätten, beziehungsweise nicht brauchen. Ich denke, das ist Teil der menschlichen Natur – die Jäger*innen-und-Sammler*innen-Gesellschaft. ‘Ich muss diese Beeren sammeln, sonst sammelt sie jemand anderes und ich bleibe hungrig.’ Es ist eine ähnliche Logik. ‘Ich muss von diesem tollen Schnäppchen profitieren, sonst verpasse ich es.’ Es ist ein natürlicher psychologischer Prozess. Beunruhigend finde ich es vor allem, wenn Menschen sich verschulden, indem sie Dinge kaufen, die sie nicht brauchen. Aber das passiert auch außerhalb des Black Friday.“

Dr. Katia Vladimirova

Dr. Katia Vladimirova ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologische Forschung und am Institut für Umweltstudien an der Universität Genf. Derzeit forscht sie zum Thema nachhaltiger Modekonsum und gesellschaftliche Transformation in Europa. Ihre aktuellen Projekte ergründen vor allem die Rolle minimalistischer Modeherausforderungen für Suffizienzdiskussionen, insbesondere Social Media als Weg zur Verbreitung von Bewusstsein und sozialem Wandel im Bereich Modekonsum. Sie ist zudem Gründerin von Sustainable Fashion Consumption, ein Netzwerk, das darauf abzielt, eine Gemeinschaft von akademischen Forscher*innen aufzubauen, die sich für nachhaltigen Modekonsum interessieren. 

Forscher*innen zufolge wirken Rabatte ähnlich wie Drogen: Sie aktivieren das Belohnungssystem und sorgen für ein angenehmes Gefühl. So entsteht Sucht. Die meisten von uns sind aber nicht unbedingt süchtig nach den Dingen, die wir kaufen. Es ist vielmehr der Einkaufsprozess selbst, der süchtig machen kann. Oftmals fühlen wir uns schon wohler, wenn wir nur über das anstehende Shopping-Erlebnis nachdenken. Dopamin wird ausgeschüttet, noch bevor wir ein physisches Geschäft betreten oder die Onlineshop-Seite öffnen.

Positive Erfahrungen fördern Kauflust

Laut Neurowissenschaftler*innen verbringen die meisten von uns weniger als eine Sekunde mit der Entscheidung, ob sie den Kauf tätigen sollen oder nicht. Meistens werden diese Impulse durch unsere bisherigen Erfahrungen mit bestimmten Marken oder das Auffinden von Artikeln, die bereits auf unserer Wunschliste stehen, ausgelöst.

Forscher*innen gehen zudem davon aus, dass Shoppen in einer Gruppe zum Einkaufen verführt. Shoppen mit Freund*innen, das Treffen mit anderen Käufer*innen im Laden oder das Lesen von Online-Bewertungen kann das Gefühl der Verbundenheit erhöhen. Das macht es uns einfacher, einen Kauf abzuschließen, selbst wenn wir ein wenig zögern.

Gutes Marketing ist die halbe Miete

Viele Läden werben schon seit einigen Tagen mit großen Black-Friday-Plakaten in Schaufenstern und kündigen Deals an, die wir uns an dem Tag nicht entgehen lassen sollten. Der alte Preis wird durchgestrichen, der neue Preis oft rot und fett markiert. Bei einem Experiment haben Forscher*innen manche der Verkaufsschilder in einem Laden durch rote Schilder ausgetauscht. Die Preise blieben gleich, nur die Farbe der Verkaufsschilder änderte sich, wodurch sie auffallender wurden. Am Ende des Tages wurden die Produkte mit den roten Verkaufsschilder am häufigsten verkauft, obwohl es keinen Rabatt gab. 

Dr. Vladimirova erklärt: Aus ethischer Sicht gibt es aktuell sehr viele Diskussionen über Werbestrategien. Marketing treibt nun mal leider Praktiken voran, die nicht nachhaltig sind. Es fördert Konsum und Überkonsum. Marketingexpert*innen sind aber keine bösen Menschen, die mit allen Mitteln versuchen, den Planeten zu zerstören. Im Gegenteil: Ihnen wird immer bewusster, dass das, was sie tun, die Klimakrise antreibt.“

Sollte Marketing gesetzlich reguliert werden? Ja, aber wir brauchen vor allem einen systemischen Wandel. Im Endeffekt ist das Ausmaß von Black Friday nichts anderes als das Ergebnis eines systemischen Versagens. Der Grund für Black Friday – überhaupt für Rabatte – ist, dass Unternehmen übermäßige Lagerbestände haben. Sie erwarten nicht einmal, ihre komplette Ware zum vollen Preis zu verkaufen. Sales sind Teil ihrer Verkaufsstrategie. Das gilt auch für Fast-Fashion-Konzerne. Dabei geht es um Produkte, die in der Regel ohnehin schon relativ günstig sind. Der Preis spiegelt die negativen sozialen und ökologischen Auswirkungen nicht wider. Sogar mit Rabatten machen Fast-Fashion-Unternehmen noch ordentlich Profit. Das geht nur, indem sie ihre Produktionskosten von Anfang an noch weiter nach unten treiben. Es ist ein sehr beunruhigendes Phänomen.“

Angesichts dessen ist Dr. Vladimirova der Meinung, dass die Politik hier gesetzlich eingreifen muss. „Black Friday ist unter anderem auch das Ergebnis einer Politik, die es immer wieder versäumt, die Modeindustrie und die textilen Lieferketten zu regulieren. Es gibt keine gesetzlichen Vorschriften, die Modeunternehmen einschränken – weder in ihrer Produktionsmenge noch in der Art, wie sie produzieren.“

Wir danken Dr. Katia Vladimirova für ihre Expertise. 

Dieser Artikel wurde 2021 erstmalig von unserer Autorin Medina Imsirovic geschrieben. Aktualisierung: 2022

Titelbild: Cesar La Rosa via Unsplash

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