Community-Management: Wie baue ich meine Community auf und wie stärke ich sie?

Egal ob online oder offline, in Communitys schließen sich Menschen zu bestimmten Themen zusammen und tauschen sich aus. Communitys können die Mission von Brands vorantreiben und ihr Feedback kann helfen, Produkte zu optimieren. Aber eine starke Community aufzubauen, ist nicht immer einfach. Wann lohnt es sich, in bezahlte Werbung zu investieren, um die richtigen Menschen zu erreichen und wie wichtig ist Storytelling? Sollte man strategisch vorgehen oder doch lieber organisch, offen und flexibel? Wir haben bei den Unternehmen Bridge&Tunnel, Ooia, Loveco und CLOTHESfriends nachgefragt.

3 Models stehen nebeneinander, Community, Community-Building
Take-Aways
  • Um richtiges Community Management zu betreiben und die eigene Community zu stärken, sollten Unternehmen sich zunächst über folgende Dinge Gedanken machen: Sinn, Zweck und Alleinstellungsmerkmal des Unternehmens. Dann gilt es die Zielgruppe herauszuarbeiten und die richtige Plattform zu finden, um die bestmöglich zu erreichen. 
  • Beim Erstellen von Content ist es sinnvoll, einen Redaktionsplan zu erstellen, um die eigene Geschichte zu erzählen und relevante Themen zu behandeln, die zum Purpose, Produkt oder zur Dienstleistung des Unternehmens passen.
  • Community Management betrifft nicht nur die zahlende Kund*innenschaft, sondern bedeutet auch konstanten Dialog, Austausch und Kooperation. Deshalb ist es wichtig, auf Feedback einzugehen und sowohl miteinander als auch voneinander zu lernen. 
  • Es kann von Vorteil sein, die Mission des Unternehmens zu nutzen, um auf branchenübergreifende Themen aufmerksam zu machen und so mit der Community tiefergehend zu connecten. Denn Community-Building bedeutet im Endeffekt auch einen Ort zu schaffen, um kritische Fragen zu stellen und sich über Themen zu unterhalten, die über Nachhaltigkeit und Fairness in der Modebranche weit hinausgehen.
  • Eine gesunde Fehlerkultur macht eine Brand nahbarer, transparenter, authentischer. 

In diesem Deep Dive zum Thema Community-Building in der (Fair-) Fashion-Branche, einem Bestandteil des Community Management, gibt es Input von:

  • Constanze Klotz, Co-Gründerin von Bridge&Tunnel
  • Kati Ernst, Co-Gründerin von Ooia
  • Maya Saric, Social Media und Influencer*innen-Managerin bei Loveco
  • Janina Widhammer-Zintl, Digital Content Managerin bei CLOTHESfriends
  • Anna Yona, Gründerin von Wildling Shoes
  • Benjamin Sadler, Co-Gründer von erlich textil
  • Vreni Jäckle, Co-Gründerin von Fashion Changers
  • Nina Lorenzen, Co-Gründerin von Fashion Changers

Im Juni 2021 kündigte der Online-Marktplatz Etsy Pläne an, die Resale-Plattform Depop für 1,6 Milliarden US-Dollar zu übernehmen. Geschäftsführerin Maria Raga beschreibt Depop als „eine Kombination aus Elementen von Instagram und eBay“. Die Plattform ist auf den Produktverkauf ausgerichtet, hauptsächlich zwischen jüngeren Händler*innen, die 26 Jahre oder jünger sind. Raga glaubt, dass es der Community-Aspekt von Depop die Gen-Z-Käufer*innen- und Verkäufer*innen anzieht. 

Plattformen wie Etsy und Depop legen viel Wert auf Community-Building, das weit über (Online-) Transaktionen hinausgeht und vor allem auch persönliche und zwischenmenschliche Interaktionen ermöglicht. 

Wachstumsorientiertes Community Management war auch eines der Themen bei der Fashion Changers Konferenz 2021. Beim Panel „Wie baue ich eine starke Community auf?” sprachen Anna Yona (Gründerin von Wildling Shoes) und Benjamin Sadler (Gründer von erlich textil) über Communityaufbau und -Pflege, sowohl im digitalen als auch physischen Space. Dabei ging es vor allem darum, dass die Community und ihr Management nicht ausschließlich in den sozialen Medien existiert und der schnelle Aufbau an Reichweite (sprich: Follower*innen) nicht unbedingt entscheidend für das Wachstum beziehungsweise den Erfolg eines Unternehmens ist. 

Denn: In Communitys, egal ob online oder offline, schließen sich Menschen zu bestimmten Themen zusammen und treten miteinander in den Austausch. Eine große Follower*innenschaft bringt den Accounts also nicht besonders viel, wenn die Follower*innen nicht (miteinander) interagieren. Eine kleine, dafür aber aktive, (Offline-) Community kann demnach sogar wichtiger sein.

Doch wie funktioniert zielgerichtetes Community Management in real life? Welche Strategie eignet sich am besten, um die eigene Community nicht nur aufzubauen, sondern auch zu stärken? Was bedeutet Community-Building in der Praxis?

Was bedeutet Community Building eigentlich?

Unternehmen interagieren nicht mehr mit Kund*innen, sondern mit der Gemeinschaft. Und die besteht aus Menschen, die lernen wollen, Menschen, die nach Inspiration suchen, Menschen, die die gleichen Werte vertreten und Menschen, die connecten wollen – mit der Brand, mit den Mitarbeitenden, mit Gleichgesinnten. 

Im digitalen Sinne bedeutet Community Management und Community Building heute mehr, als nur auf den Algorithmus zu achten, Reichweite aufzubauen und Produkte oder Dienstleistungen zu verkaufen. Ähnlich verhält es sich auch im physischen Space: Es geht darum, innerhalb einer Gemeinschaft Erfahrungen zu teilen und Geschichten zu erzählen, langfristige Beziehungen aufzubauen. Unsere Interviewpartner*innen sind sich einig: Community bedeutet vor allem auch Dialog, Austausch, Kooperation und Feedback. Aber auch: Vertrauen, Transparenz, Ehrlichkeit, Spaß, Freude und #goodvibes.

Für Wildling Shoes bedeutet Community mehr als nur kaufwillige Kund*innenschaft. Gründerin Anna Yona hat die Menschen, die sich für ihre Minimalschuhe interessieren, von Anfang an mit auf ihre Reise genommen, auch wenn vieles zunächst noch unklar war. Sie sieht ihr Unternehmen als großes Gemeinschaftsprojekt”– was unter anderem auch daran liegt, dass Wildling damals im Zuge einer  Crowdfundingkampagne entstand. Das Label wurde dank der Community ins Leben gerufen. 

Um eine starke Community aufzubauen, gilt es diese von Anfang an einzubeziehen. Doch das ist nicht immer so einfach.

„Wir sind in einer Branche, die von Austausch und Feedback lebt – da ist eine stetige Kommunikation zu den Leuten unabdingbar.”

Veränderung dank Community

Ein Satz, der in den Interviews immer wieder fällt, lautet: Die Modebranche lässt sich nur gemeinsam zum Positiven verändern. „Unsere Community ist unser größter Antrieb, denn nur gemeinsam schaffen wir den Wandel, den wir uns für die Modebranche wünschen”, so Janina Widhammer-Zintl, Digital Content Managerin bei CLOTHESfriends, einem Fashion-Rental-Service. Die Community stellt für sie „eine Gemeinschaft aus gleichgesinnten Fashion Revolutionaries” dar.

Die Community mitnehmen, statt belehren

„Community bedeutet für uns auch das gemeinsame Einstehen für eine Sache: Slow und Fair Fashion”, erklärt Constanze Klotz, Co-Gründerin von Bridge&Tunnel, einem in Hamburg ansässigen Upcycling-Label. 

Maya Saric von Loveco, einem Slow Fashion Retailer, der sowohl online als auch offline agiert, sieht das ähnlich: „Wir sind in einer Branche, die von Austausch und Feedback lebt – da ist eine stetige Kommunikation zu den Leuten unabdingbar.” Da das Retail-Unternehmen nicht nur Produkte verkaufen, sondern einen echten Wandel herbeiführen möchte, funktioniert das nur als Community: Austausch in beide Richtungen statt Einbahnstraße. Das Team versucht über Themen aufzuklären und die Community dabei mitzunehmen, statt zu belehren. „Themen wie Greenwashing und Transparenz sind manchmal komplex und das lässt sich besten im Dialog und in Kooperation klären. Wir sind dankbar, einem Netzwerk aus großartigen Menschen anzugehören, die selbst in der Branche tätig sind – die Labels, die wir in unserem Laden anbieten, andere Retailer und Aktivist*innen –, die uns inspirieren. Ohne diese Art von Austausch wären wir nicht da, wo wir heute sind.”

Community Building geht über Nachhaltigkeit und Fairness hinaus

Die Welt aktiv verändern, hat auch für Ooia, ein Unternehmen, das Periodenunterwäsche herstellt, oberste Priorität. „Community bedeutet uns wahnsinnig viel – gerade deswegen, weil wir nicht nur mit unseren Produkten die Welt für Frauen verändern wollen, sondern auch mit unserem Aktivismus. Und der wird durch eine starke Community gefördert”, so Kati Ernst, Co-Gründerin von Ooia.

Das Besondere bei Ooia: Community Management und -Building funktioniert hier nicht nur über das Thema Nachhaltigkeit und Fairness wie bei vielen anderen Unternehmen. Es geht vor allem auch um die Mission – um die Enttabuisierung der Periode und verwandte Themen wie Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit. Community Management bedeutet auch Aufklärungsarbeit und Diskussionen. Diese Art, Themen für sich zu finden, sich darüber zu positionieren und ins Gespräch zu kommen, sollten Unternehmen im besten Fall von Anfang an mitdenken. 

Wenn ihr ein eigenes Unternehmen habt, könnt ihr euch auch Partner suchen, die nicht unbedingt in der Textil- und Bekleidungsindustrie arbeiten. Eure Community ist vielfältig und idealerweise sollten es die Themen, die ihr behandelt, auch sein. Ooia arbeitet zum Beispiel mit dem Centre for Feminist Foreign Policy, einer gemeinnützigen Organisation, die sich für eine feministische Außenpolitik einsetzt und die konventionellen Standards der internationalen Politik infrage stellt.

Digitales Community Management: Welche Strategie eignet sich am besten?

Gerade während der Lockdown-Monate war der digitale Communityaufbau wichtiger denn je. Die vergangenen Jahre haben Gründer*innen verunsichert und virtuelle Gemeinschaften entscheidend gemacht. „Als reale Treffen weniger wurden, war die digitale Community ein echter Lichtblick. Zusammen ist man weniger allein”, so Constanze Klotz von Bridge&Tunnel.

„Das Internet bietet unheimlich viele Chancen, auch mit Menschen in den Austausch zu kommen, die nicht in unmittelbarer Nähe sind”, findet Maya Saric von Loveco. „Wir versuchen mit unserer Kommunikation ein Stück ,Berlin-Gefühl’ zu vermitteln, indem wir die Community auch mit in die Stores nehmen und unseren Content in der Stadt produzieren.” Es sei aber nicht immer einfach, die perfekte Balance zu wahren und auf die unterschiedlichen Bedürfnisse innerhalb der Community einzugehen. 

Verschiedene Medien ausprobieren und beim Community Management multidisziplinär arbeiten

Digitales Community Building ist wichtig, bringt aber auch viele Fragen mit sich. Wo setzt man an? Wie oft sollte man auf Social Media posten? Welche Plattform eignet sich am besten für das eigene Vorhaben?

Wie im physischen Space sind auch im digitalen Space zwischenmenschliche Beziehungen wichtig. Wenn das Business vor allem als E-Commerce funktioniert, kann man gar nicht früh genug damit anfangen, eine Community aufzubauen, denn der Prozess kann teilweise lange dauern. Deshalb ist es umso wichtiger, wertvolle Inhalte zu veröffentlichen. Hier kann es hilfreich sein, strategisch und journalistisch zu arbeiten.

Das heißt vor allem, verschiedene Medien auszuprobieren und zu beobachten, was für das eigene Community Management am besten funktioniert. Bevorzugt ihr verbale Kommunikation oder schreibt ihr lieber? Vielleicht eignen sich auch Fotos und (Live-) Videos? Oder ihr probiert multidisziplinär zu arbeiten und verschiedene Medien einzuarbeiten. Learning by doing ist auch eine Strategie, oder?

Wir folgen hier ehrlich gesagt unserem Herzen und sprechen jeden Tag transparent über die Themen, die in unserem Upcycling-Kosmos wichtig sind.

Ein Redaktionsplan kann helfen, eure Geschichte zu erzählen

Anna Yona empfiehlt, sich zunächst Gedanken zu machen, wofür man als Unternehmen eigentlich steht. Was ist der Sinn und Zweck und was ist das Alleinstellungsmerkmal? Wer ist die Zielgruppe? Und wo hält diese sich auf? Anschließend gilt es, relevante Themen rund um den eigenen Purpose, das Produkt oder die Dienstleistung herauszuarbeiten. Im nächsten Schritt sollte man die Ziele für das Unternehmen festlegen. Auch potenzielle Kooperationspartner sollten festgehalten werden.

Wenn sich diese Dinge verdeutlicht haben, solle man einen Redaktionsplan entwickeln, um die eigene Geschichte zu erzählen. Und dazu gehören auch die Ups and Downs, die Dinge, die sich hinter den Kulissen abspielen. Dabei ist es selbstverständlich, auch mal vom Redaktionsplan abzuweichen, wenn es sein muss, und die Dinge organisch(er) zu erzählen. Denn wer Transparenz ganzheitlich angehen möchte, sollte intern – beim eigenen Unternehmen – anfangen und nicht nur über die Lieferketten sprechen. 

Auf dieses Vorgehen setzt auch das Team von Bridge&Tunnel: mehr organische Entwicklung, weniger Strategie. „Wir folgen hier ehrlich gesagt unserem Herzen und sprechen jeden Tag transparent über die Themen, die in unserem Upcycling-Kosmos wichtig sind und aufploppen”, erklärt Constanze Klotz. „Dabei versuchen wir Schnittstellen besonders hervorzuheben, die für unsere Community interessant sind. Bei uns sind das vor allem Themen wie lokale Produktion, Wertschätzung von Textilarbeiter*innen (durch unsere eigene Produktion), Produktinformationen und Weiterbildung zum Thema Slow Fashion.”

Anpassungsfähigkeit beim Community Management und darüber hinaus als unternehmerische Tugend

Die Welt verändert sich ständig und mit ihr auch eure Community. Loveco bevorzugt daher beim Community Management vor allem Offenheit und Flexibilität. „Es ploppen ständig neue Möglichkeiten auf, durch die wir uns erst einmal navigieren müssen”, erklärt Maya Saric. Auch müssen wir ständig neu abwägen, was für die Community, aber auch für uns selbst sinnvoll ist. Wir versuchen deshalb, offen und flexibel zu sein und können dementsprechend schnell auf Veränderungen reagieren.” Alles in allem: Strategien seien wichtig, aber sie dürfen nicht starr daherkommen. 

Bei Ooia liegt der Fokus weniger auf der Strategie und mehr auf der Message, die sie in die Welt tragen wollen: Uns war es immer wichtig, unserer Marke und unserer Firma ein Gesicht zu geben – gerade um Vertrauen in einem sehr tabuisierten Markt zu kreieren”, erklärt Kati Ernst. Und das wird auch in Zukunft der Fall sein, dass wir uns nahbar und offen für den Austausch mit unserer Community zeigen wollen – damit wir unsere Arbeit noch besser machen können.” Obwohl das Ziel immer das Gleiche bleibt, müsse man sich trotzdem ständig auf die verändernden Gegebenheiten einstellen, lernen, neue Sachen versuchen oder anpassen. 

Geht Community Building auch ohne bezahltes Marketing?

Vor allem in den letzten paar Monaten fällt auf: Es gibt immer mehr Werbung in den Feeds von Social Media. Der Grund dafür scheint aus unternehmerischer Sicht relativ einfach: ohne bezahlte Werbung kein Wachstum, kein Impact und keine Community. Aber stimmt das wirklich?

Wilding Shoes hat beispielsweise lange Zeit kein bezahltes Marketing betrieben. Anna Yona ist der Meinung, dass Anzeigen auch heute noch kein Muss sind, das hänge aber stark vom eigentlichen Produkt oder der Dienstleistung ab. Den größten Zulauf an neuen Kund*innen bekommt das Unternehmen über Empfehlungen

Benjamin Sadler von erlich textil ist überzeugt: Balance is key. Man müsse sich als Brand Gedanken machen darüber, wie man die eigene Geschichte erzählen will. Von „sinnfreien Gewinnspielen”, um neue Follower*innen zu bekommen, rät er ab. Und auch bei Influencer*innen-Kooperationen müssen die Kernwerte zwischen Influencer*innen und Unternehmen passen. Hierbei geht es ihm vor allem darum, langfristige Partnerschaften aufzubauen. Lieber mit einem*einer ausgewählten Influencer*in zusammenarbeiten, statt mit mehreren gleichzeitig. 

Die Rental-Plattform CLOTHESfriends setzt auf Influencer*innen-Marketing in Form von den sogenannten „CLOTHESfriends Leaders”. Janina Widhammer-Zintl, die bei der Plattform als Digital Content Managerin arbeitet, erklärt: „Influencer*innen nutzen ihre Reichweite auf Social Media, um ihre Erfahrungen mit unserem Fashion-Rental-Konzept mit ihren Follower*innen zu teilen. Ihre authentische und glaubwürdige Kommunikation ermöglicht es, unsere Community zu stärken und neue like-minded people zu gewinnen.”

Macht Gen Z die Dinge besser?

Vogue Business berichtet indessen über Community-Building à la Gen Z. Hier stehen Authentizität, Gemeinschaft und Nachhaltigkeit, aber auch Kollaboration und Individualität im Vordergrund. Soziale Medien seien zwar ein wesentlicher Bestandteil von Unternehmen, die von der Gen Z gegründet wurden, aber den Markeninhaber*innen gehe es dabei nicht darum, den Umsatz zu steigern. Nur wenige Gründer*innen würden sich für bezahlte Werbung entscheiden und ziehen es stattdessen vor, eine nahbare und authentische Social-Media-Persona aufzubauen, die schließlich zur Grundlage der Markenidentität wird.

Isabella Vrana, eine Depop-Topsellerin aus UK, die von Vogue Business zu dem Thema befragt wurde, ist sich sicher: diese Strategie schafft  Kund*innenloyalität und Vertrauen. Auf Instagram mischt sie Markenbilder und Vintage-Drop-Previews mit persönlichen Fotos und Daily-Business-Views hinter die Kulissen. „Die Leute mögen es, wenn ihnen nicht immer etwas verkauft wird“, erzählt sie.

Umsatz und Handel stehen hierbei nicht an erster Stelle. Im Gegenteil: Gen Z bevorzugt Kreativität und Selbstverwirklichung – und vermutlich ist es diese gelassene Art, die den Erfolg dieser Unternehmer*innen erklärt. Ganz nach dem Motto: Go with the flow.

Innovative Geschäftsmodelle fördern die Community und erleichtern ihr Management

Beim Community-Building gilt es, auch mal etwas Neues auszuprobieren. So hat Vogue Business vor ein paar Wochen über die Brand Early Majority berichtet, die ein sogenanntes gemeinschaftsorientiertes Mitgliedschaftsmodell” anbietet. Die lebenslange Mitgliedschaft (deren Preis derzeit auf 358 US-Dollar festgelegt wurde) beinhaltet folgende Vorteile: ein Mitgliedsabzeichen, Newsletter-Inhalte, frühzeitiger Zugang zu neuen Produkten, reduzierte Preise, Exklusivangebote und Mitsprache bei der Produktentwicklung.

Diese Angebote werden zudem um Veranstaltungen wie Selbstverteidigungstrainings, Produkttausch, Vorbestellungen, Gruppenkäufe und maßgefertigte Kleidungsstücke ergänzt. Ziel der Brand sei es, die Mitgliedschaft so erfolgreich zu gestalten, dass der Verkauf für Nichtmitglieder vollständig geschlossen wird. Das Unternehmen setzt zusätzlich auf Degrowth und versucht, die Mitgliedschaft als primäre Einnahmequelle zu etablieren.

Mitgliedschaftsplattformen können sehr hilfreich sein in Sachen Loyalität und Kund*innenbindung. Sie fördern aber auch den Austausch. Zudem können solche Geschäftsmodelle den Revenue Stream, also die Einnahmequellen einer Marke diversifizieren und vom Produktwachstum entkoppeln.

In der DACH-Region wird diese Art von Membership-based Geschäftsmodellen noch wenig bis gar nicht angeboten. Eines der wenigen Beispiele ist die Schweizer Laufschuh-Marke On, die letzten September einen Abo-Dienst startete, in Erwartung der Markteinführung ihres ersten recycelbaren Laufschuhs diesen Sommer. Das Label setzt darauf, dass Konsumierende einen gewissen Betrag pro Monat für ein Schuhabonnement ausgeben. Sobald der neue Schuh auf den Markt kommt, können Mitglieder des sogenannten Cyclon-Service ihr Paar alle sechs Monate gegen einen Ersatz eintauschen (dies sei der ungefähre Lebenszyklus eines gut genutzten Laufschuhs).

Zirkuläre Mode soll einfacher werden, denn durch dieses Programm bekommt die Marke alte Produkte zurück und kann sie so besser recyceln. Das Geschäftsmodell stärkt nicht nur die Bedürfnisse der eigenen Community (einen guten Laufschuh), sondern berücksichtigt auch die Umwelt (Recycling soll einfacher werden). Und am Ende kommen alle zusammen für eine übergeordnete Mission

„Offline lassen sich auch bestehende Zweifel oder Fragen viel leichter aus dem Weg räumen.”

Die Offline-Community ist nicht zu unterschätzen

Auch für Brands, die bereits eine florierende Online-Community haben, kann sich der Schritt hin zu einem (temporären) physischen Raum lohnen. Denn hier entsteht oftmals ein anderer, vielseitiger Dialog mit Mitgliedern der Community, der Vertrauen und Loyalität schafft. Nicht nur die Community besteht aus realen Personen mit Bedürfnissen, Fragen und Emotionen, sondern auch die Brand. Bei Gesprächen in real life können Dialoge entstehen, wie sie im digitalen Space teilweise nur schwer zu ermöglichen sind. Von Angesicht zu Angesicht miteinander zu sprechen kann zum Beispiel helfen, direkter auf Fragen zu antworten, Missverständnisse (schneller) aus dem Weg zu räumen und konstruktives Feedback zu bekommen. 

Dabei geht es nicht nur darum, Produkte zu verkaufen und den Umsatz zu steigern, sondern um Erfahrungen – weniger Business as usual, mehr Storytelling. Anna Yona erklärt, dass Wildling als E-Commerce-Unternehmen einen digitalen Fokus hat. E-Commerce bedeutet schließlich auch grenzenlose Reichweite und da gibt es viel Potenzial. Trotzdem legt sie Wert auf Showrooms, in denen die Schuhe anprobiert werden können. Sie sieht die Showrooms  als Treffpunkt – als  Ort, an dem man mit Freund*innen und Familie zusammenkommt, an dem  Events veranstaltet werden und Menschen sich in Netzwerken zusammen tun und ihr Wissen austauschen können. 

CLOTHESfriends hat sogar eine eigene Veranstaltungsreihe – den Conscious Collab Club – etabliert. So haben wir die Chance, in den persönlichen Austausch zu gehen. Unser Ziel damit ist es, Fashion Rental zu einem Teil des Alltags zu machen und unserer Community den Zugang zu einer nachhaltigen Shopping-Alternative zu bieten. Dabei lassen sich auch bestehende Zweifel oder Fragen viel leichter aus dem Weg räumen”, erklärt Janina Widhammer-Zintl. 

Auch Bridge&Tunnel veranstalten gelegentlich Pop-ups und bieten einen Reparaturdienst an. Besonders toll: Menschen können ihre Jeans als Materialspende an das Label schicken. „Das funktioniert super toll, viele Pakete sind mit einem Liebesbrief an unsere Produktion versehen”, so Constanze Klotz. Beim Sozialunternehmen arbeiten vor allem Menschen ohne Ausbildung beziehungsweise Menschen, die bislang Schwierigkeiten hatten, einen Job zu finden, sei es bedingt durch ihr Alter, ihre Sprache, Religion, Gehörlosigkeit oder Fluchtgeschichte. Auch hier sehen wir: Die Mission des Labels ist wichtig, um mit der Community zu connecten und für gemeinsame Werte einzustehen.

Nicht vergessen: Community-Pflege

Ihr habt es geschafft: Menschen interessieren sich für euer Unternehmen, eure Mission, kaufen eure Produkte oder Dienstleistungen und verfolgen eure Reise auf allen möglichen Social-Media-Plattformen. Doch wie schafft man es als Unternehmen, die Community aufrechtzuerhalten? Die digitale Welt ist schnelllebig, ständig entstehen neue Trends, neue Tools, neue Plattformen. Das Ganze muss man – vor allem als kleines Unternehmen – erst einmal händeln. Umso wichtiger ist es, eine starke Community konstant zu pflegen. 

Das schafft man nicht nur mit einer übergeordneten Mission, die größer ist als das Unternehmen und für die man gemeinsam einsteht. Sondern auch, indem man der Community zuhört.

Transparenter Austausch ist das A und O 

Im Community Building heißt es: dranbleiben”, sagt Janina Widhammer-Zintl, Digital Content Managerin bei CLOTHESfriends. Da sich vieles schnell verändert, ist es unumgänglich, die eigene Community gut zu kennen. Welche Wünsche haben sie? Warum sind sie dabei? Und welche Probleme können wir für sie lösen? Dafür versuchen wir – vor allem auf Instagram – aktiv in den Austausch zu gehen.” Die Rental-Plattform setzt auf Umfragen, lässt die Community am Geschehen hinter den Kulissen teilhaben und bemühen sich, den Content möglichst zielgruppengerecht aufzubereiten. 

Transparenter Austausch ist das A und O, wenn es um Community-Pflege geht. Unternehmen sollten mit ihrer Community immerzu im Gespräch bleiben und Dinge sowohl hinterfragen als auch erklären (können). Warum kostet der Rückversand etwas? Warum gibt es überhaupt so viele Retouren? Und müssen die Produkte wirklich in so vielen verschiedenen Farben produziert werden? Wie groß soll das Unternehmen werden? Wie viel Wachstum geht eigentlich noch?

Immer wieder fragen sich Kund*innen, ob nachhaltiges Konsumieren überhaupt möglich ist oder ob das Unternehmen, bei dem man shoppt, nicht auch Teil der Konsumgesellschaft ist. Natürlich! Umso wichtiger ist es, diesen Dialog zu suchen und offen zu führen. Dabei kann jede Brand für sich entscheiden, wie sie mit dem Thema Konsum umgeht, ob mit Infographics auf Instagram, Blogposts, Interviews oder Podcasts. Vielleicht lohnt es sich sogar, eine eigene benutzer*innen-freundliche Info-Mappe zu erstellen, die Kund*innen herunterladen können. Der Elefant (auch Fair-Fashion-Brands sind Teil des Problems) ist schon im Raum, nehmt ihn also wahr und sprecht ihn an. Eure Community wird es euch danken!

„Gerade unser Aktivismus wird durch eine starke Community gefördert."

Geht auf Feedback ein und hört eurer Community zu 

Bei all den Fragen, die man sich selbst und andere stellen, ist es wichtig, auf Feedback einzugehen. Community bedeutet nämlich auch: miteinander und voneinander lernen. Nach einem Lagerverkauf hat das Team von Loveco zum Beispiel schnell gemerkt, dass sich der Teil der Community, der nicht in Berlin wohnt, ausgeschlossen fühlte. „Durch diese Form der Rückmeldung konnten wir nicht nur eine schöne Lösung finden, die auch uns als Unternehmen einen großen Schritt weitergebracht hat, sondern auch festlegen, was für uns am wichtigsten ist: der Dialog, erklärt Maya Saric. „Wir wollen in Zukunft persönlicher werden, besser auf die Bedürfnisse achten und näher an der Community sein. Unser Ziel ist es nicht, eine riesige Follower*innenschaft zu generieren und sie mit hohlen Kaufanreizen voll zu spammen, sondern einen Ort zu schaffen, wo jener Dialog möglich ist – wo sich die Leute trauen, kritische Fragen zu stellen und sich mit unseren ,Herzensthemen’ auseinandersetzen können.”

Beim Thema Feedback empfehlen sich Fragebögen und Umfragen, bei der die Community mitmachen kann. Wichtig dabei ist, die richtigen Fragen zu stellen, die dem Unternehmen helfen sollen, konkrete Situationen zu ändern und gegebenenfalls interne Entscheidungen zu treffen. Wenn man die Situation durch den Input der Community nicht ändern kann, machen solche Umfragen jedoch nur wenig Sinn. Auch auf die Nachbereitung von Fragebögen muss geachtet werden: Die Auswertung von Umfragen kann unter Umständen zeitintensiv sein.

Macht euch Gedanken, wie ihr mit Fehlern umgehen wollt

Die eigene Fehlerkultur ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt, der beim Community-Building und vor allem bei der Community-Pflege nicht zu kurz kommen darf. Nicht zuletzt gibt es auch durch Social Media mehr Checks and Balances. „Wenn man Prozesse und Entscheidungen transparent kommuniziert und im regelmäßigen Austausch mit der Community ist, werden Fehler unserer Erfahrung nach relativ schnell verziehen”, erklärt Nina Lorenzen, Co-Founderin von Fashion Changers.

„Wir haben in der Vergangenheit beispielsweise schon mal den Verkaufsstart von Konferenztickets nicht einhalten können oder auch jetzt, mit der Membership, gab es ein paar ruckelige Momente – das war uns selbst ganz schön unangenehm, auch wenn solche Dinge natürlich passieren können. Unsere Community hingegen hatte dafür vollstes Verständnis und uns angefeuert.” Bei schwerwiegenden Fehlern verhält sich das ihrer Meinung anders. Aber auch hier gelte: klar und deutlich kommunizieren, was warum passiert ist, wo man sich falsch verhalten hat, und die Sache aufklären. Wichtig sei, Verantwortung zu übernehmen und in den Dialog zu gehen.

Vreni Jäckle, ebenfalls Co-Founderin von Fashion Changers, ergänzt, dass eine gute Fehlerkultur nicht nur eine ehrliche und reflektierte Entschuldigung, sondern auch das tatsächliche Bestreben nach Besserung beinhalte. „Wer dauernd nur Fehler eingesteht, aber nichts verändert, nimmt seine Fehler und diejenigen, die sie kritisieren, nicht ernst.” Außerdem sei Geduld gefragt. „Je nachdem, wie schwerwiegend ein Fehler war, kann man nicht erwarten, dass einem sofort verziehen wird, denn womöglich ist das Vertrauen nun gestört und muss erst wieder aufgebaut werden.” Das könnte dauern und sei einer der Gründe, wieso wir mit dem uns entgegengebrachten Vertrauen sehr behutsam umgehen sollten.

Eine gesunde Fehlerkultur macht eine Brand also nahbarer, transparenter, authentischer. Sie stärkt die zwischenmenschlichen Beziehungen, die man mit der Community aufgebaut hat. Eine ungesunde Fehlerkultur bewirkt oftmals genau das Gegenteil. Verliert die Community einmal das Vertrauen, ist es schwierig, dieses wieder aufzubauen. Deshalb ist es wichtig, im Team zu besprechen, wie mit Fehlern umgegangen werden soll, falls diese passieren. 

Die Community schafft einen Ort mit viel Potenzial

In einer Welt, in der wir uns immer disconnecteter fühlen und in der Werbung und Produkte langsam die Oberhand gewinnen, sehnen wir uns immer mehr nach echter Gemeinschaft. Community Building ist ein Prozess, der nicht nur Menschen zusammenbringt, sondern auch einen kollektiven Raum für den Austausch bietet. Hier können nicht nur Konsumierende von Brands lernen, sondern vor allem auch andersherum: Brands lernen mit und durch ihre Community.

Bei produkt- und dienstleistungsbasierten Unternehmen sind Strategien und Praktiken dabei entscheidend, um langfristige Beziehungen aufzubauen, die auf Vertrauen und Loyalität basieren – und das nicht nur bei Zielgruppen und Kund*innen, sondern auch unternehmensintern, unter Mitarbeiter*innen und Kooperationspartner*innen. Communitys sind Orte, in denen eine Vielfalt von Perspektiven, Hintergründen, Erfahrungen und Meinungen großes Potenzial zur Schaffung von Innovationen haben. 

Wie geht ihr mit dem Thema Community-Building um?

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