Heute ist Weltfrauentag oder auch Frauenkampftag. Anfang des 21. Jahrhunderts auserkoren, um für Frauenrechte zu kämpfen, das damals längst überfällige Wahlrecht für Frauen zu erringen und Gleichberechtigung in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. 2019 möchte man meinen, hätten wir all das erreicht. Und doch ist die Gap zwischen tatsächlicher Gleichberechtigung und dem, was wir im Alltag wahrnehmen, immens.
Um nur einige Beispiele in Deutschland zu nennen: strukturelle Benachteiligung von Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Gewalt an Frauen, die noch immer als “Eifersuchtstat” oder “Gewalt aus Liebe” abgetan wird, Sexismus in der Werbung, der vor allem Frauen trifft, sexualisierte Gewalt und Belästigung im Alltag, bei der Arbeit oder in der Familie, Altersarmut, von der vor allem Frauen betroffen sind. Das alles sind Beispiele, die nur konkret auf Frauen bezogen sind. Hier ist noch nicht inkludiert, was eigentlich alle Geschlechter angeht und Mehrfachdiskriminierungen, die aufgrund von Herkunft, Religion oder auch sexuelle Orientierung entstehen können.
Es ist also nicht damit getan den Weltfrauentag zum Feiertag zu erklären und einfach weiter allen Frauen, denen man an diesem Tag begegnet, Rosen zu schenken – während man sie den Rest des Jahres ignoriert, benachteiligt oder diskriminiert.
Und was ist eigentlich mit den Frauen außerhalb unserer Landesgrenzen? Wer verschafft denen Rechte, die sich nicht in der Wohlfühlblase Deutschlands wähnen können? Wenn es in Deutschland noch immer ein langer Weg ist, wie ist es dann erst in Ländern, in denen Frauen noch immer um große Fragen der Gleichberechtigung ringen und systematisch benachteiligt werden?
Faire Mode steht dafür ein, auch dort einen Unterschied zu machen. Faire Mode zu fördern, bedeutet auch Frauen zu fördern. 80 Prozent aller Textilarbeiter*innen sind Frauen. Wenn wir uns für faire Mode einsetzen, setzen wir uns somit ganz konkret für Frauenrechte ein. Und genau das wollen wir heute feiern. Genau darauf möchten wir aufmerksam machen. Du willst Frauen supporten? Supporte Fair Fashion!
Wir haben zehn Frauen aus der Community gefragt, was sie anlässlich des Weltfrauentags gerne als Botschaft nach außen tragen möchten. Hier sind ihre Antworten.
Franzi von Un petit sourire slows down
Was wünscht du dir für Frauen in der Textilindustrie?
“Das ist eine Frage, die so weitreichend ist, dass ich mich gar nicht traue, sie zu beantworten. Ich für mich, als angehende Ingenieurin, würde mir wünschen, in der oft noch konservativen Textilindustrie, als Mensch und nicht als Frau wahrgenommen und respektiert zu werden. Ich denke, das kann auf alle männerdominierten Industriezweige übertragen werden.
Und dann natürlich, dass wir es irgendwann einmal schaffen, die Industrie aus diesem Molloch an Ausbeutung und Benachteiligung der schlimmsten Art und Weise zu holen. Ist es nicht paradox, dass Mode eigentlich so ein Klischee behaftetes „weibliches“ Ding ist, es aber gleichzeitig eine der Industrien ist, die Frauen systematisch ausbeutet und unterdrückt?”
Eine Forderung, die du an die Politik richten möchtest:
“Weniger reden, mehr machen. Überblick in das Siegelchaos bringen, diese vor allem subventionieren und für alle, also auch für kleine Brands, zugänglich machen. Ernstzunehmende Bildungsmaßnahmen im Bildungsplan integrieren. Eine verbindliche Sorgfaltspflicht für die gesamte Lieferkette zu etablieren, aber so, dass nicht so ein Mist wie mit Rana Plaza passiert, sondern richtig und ernst gemeint.
Weniger darüber reden, wie man den aktuellen Konsum in grünen Konsum shiften könnte, sondern mehr darüber, wie man den aktuellen Konsum runterschrauben könnte. Das wäre ungefähr das Authentischste, was passieren könnte. Das war jetzt krass auf die Textilindustrie bezogen. Aber das Fashion Game ist leider ein feminist issue.
Generell würde ich mir wünschen, dass so etwas wie die monatliche Periode ernst genommen wird und man den weiblichen Hormonzyklus flexibler ans Arbeitsleben anpasst. Mit Jens Spahn hab ich gedanklich natürlich auch noch eine Rechnung offen, zwecks §219a und Co. Und ich hab mir mal geschworen, dass ich den Tag noch erleben will, an dem weibliche MINT-Berufe [Anm. d. Red.: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Informatik – Berufe] genau gleich bezahlt werden wie ihr männliches Adäquat.”
Dein Slogan für den heutigen Weltfrauentag:
“Ich bin echt kein Fan von diesen Sprüchen, die man dann in einen Button presst und sich an die Jacke pinnt. Fynn Kliemann hat mal gesagt ‘Für mich sind das alles Menschen, ich mach da keinen Unterschied.’ Wir sind alle Menschen und wir sollten uns auch alle so behandeln. Es ist cool, wenn du als Mann lieber Wohnzimmer einrichtest als das Regal dafür zusammen zu schrauben. Und auch vollkommen normal, dass du als Frau Autoreifen wechseln mega nice findest. Außerdem ist es vollkommen normal, dass du sagst, dass du aus Deutschland kommst, obwohl du eine andere Hautfarbe hast und nicht deinen halben Stammbaum aufzählen musst.”
Lisa von Mari Dalor
Was wünscht du dir für Frauen in der Textilindustrie?
“Da Frauen die Hauptlast der wirtschaftlichen Entwicklung in der Textilindustrie tragen: Einen angemessenen Mindestlohn, um der Armutsfalle zu entgehen, faire Arbeitsbedingungen sowie unbefristete Arbeitsverträge und die Streichung manifestierter Minderwertigkeit der Frau aus den Köpfen.”
Eine Forderung, die du an die Politik richten möchtest:
“Mindestlohn in allen produzierenden Ländern anheben, Gewerkschaften und Unternehmen vor Ort entsprechend unterstützen, Vermeidung der Gender Pay Gap.”
Dein Slogan für den heutigen Weltfrauentag:
“Eine*r für alle, alle für Eine.”
Jenni von Mehr als Grünzeug
Was wünscht du dir für Frauen in der Textilindustrie?
“Ich wünsche mir für diese Frauen, was ich mir für alle anderen Menschen auf dieser Welt wünsche: dass sie ein menschenwürdiges Leben führen können, in dem sie glücklich sind. Dass sie frei wählen können, wie dieses Leben aussehen soll. Der Weg dahin ist sicherlich unfassbar lang – umso wichtiger ist jeder einzelne Schritt davon.”
Eine Forderung, die du an die Politik richten möchtest:
“Definiert endlich strenge, international gültige Mindeststandards für die Textilproduktion, die eine faire und humane Behandlung aller Beteiligten innerhalb der Lieferkette gewährleisten. Das ist nicht optional, es geht um nichts weniger als Menschenrechte.”
Dein Slogan für den heutigen Weltfrauentag:
‘We are all in this together.’
Mit dem Film, aus dem der Songtitel stammt, habe ich persönlich weniger als nichts zu tun [Anm. d. Red.: Der Titel stammt aus dem Film “Highschool Musical”], aber der Gedanke dahinter ist mehr als treffend. Frauen und ihre Rechte gehen uns alle an, egal woher wir kommen oder welchem Geschlecht wir uns zuordnen. Von einer besseren, weil humaneren, Welt profitiert jede*r.”
Lara von Peppermynta
Was wünscht du dir für Frauen in der Textilindustrie?
“Ich wünsche mir, dass sich jede Frau in der Welt in finanzieller, gesunder und sozialer Sicherheit wissen darf. Ich wünsche mir, dass alle Textilarbeiterinnen und Näherinnen auf der Welt mehr Wertschätzung für ihre harte Arbeit bekommen. Im Sinne von mehr Gehalt, mehr Rechtsschutz, mehr Fairness. Jedes Kleidungsstück sollte fair und nachhaltig produziert sein. Den Arbeiterinnen zu Liebe ebenso wie der Frau der ersten Stunde: unserer Erde.”
Eine Forderung, die du an die Politik richten möchtest:
“Endlich eine Hinwendung zu ‘People over Profit’. Weg von Lobbyismus und wirtschaftlich geprägten Entscheidungen – ich wünsche mir, dass das Wohl aller zählt. Das Wohl von Frauen, Männern, Kindern, Gemeinschaften auf Augenhöhe. Am Weltfrauentag möchte ich an den Pay-Gap erinnern und daran, dass Frauen immer noch nicht dieselben Chancen in unserem Land haben wie Männer. Das muss sich ändern!”
Dein Slogan für den heutigen Weltfrauentag:
“She = Me. Wir sind erst frei, wenn jede Frau auf der Welt frei ist.”
Corinna von Kissen und Karma
Was wünscht du dir für Frauen in der Textilindustrie?
“Mehr Gerechtigkeit und Anerkennung für ihre Arbeit!”
Eine Forderung, die du an die Politik richten möchtest:
“Eine? Wir brauchen so viele. Striktere Kontrollen und Auflagen in der Produktion von Textilien. Aufklärungsarbeit in Bezug auf Siegel. Förderung von ökologisch und sozial handelnden Labels, wie zum Beispiel eine geringere Umsatzsteuer für ebendiese.”
Dein Slogan für den heutigen Weltfrauentag:
“We’re all in this together!”
Gina von Two Days Off & @ginastovall
Was wünscht du dir für Frauen in der Textilindustrie?
“Ich hoffe, dass sehr bald alle Frauen, die in der Textilindustrie arbeiten (und alle anderen Frauen überall), einen menschenwürdigen Lohn in einer sicheren Umgebung ohne Angst vor Diskriminierung, Belästigung oder Gewalt verdienen können.”
Eine Forderung, die du an die Politik richten möchtest:
“Ich möchte, dass Politiker*innen Firmen für ihr globales Handeln haftbar machen und zwingende Gesetze verabschieden, die Frauen gegen geschlechtsspezifische Gewalt schützen und die sicherstellen, dass Frauen einen menschenwürdigen Lohn erhalten. Und ich will, dass die Politik die Bestärkung von Frauen generell fördert.”
Dein Slogan für den heutigen Weltfrauentag:
“Let us women lift one another up until there isn’t another woman to be lifted.”
Wiebke von Sloris
Was wünscht du dir für Frauen in der Textilindustrie?
“Die Arbeitsbedingungen für alle Menschen in der weltweiten Textilindustrie müssen sich nachhaltig und deutlich spürbar verbessern. Existenzsichernde Löhne, radikale Transparenz in den Lieferketten und Strafen für Menschenrechtsverletzungen sollten selbstverständlich sein.
Zu den am weitesten verbreiteten Verletzungen von Menschenrechten (auch in der Textilindustrie) gehört leider Gewalt an Frauen – das Thema ist in den Produktionsländern weitestgehend tabuisiert. Arbeiterinnen müssen mehr über ihre Rechte aufgeklärt werden, das Bewusstsein dafür geschärft werden. Ich wünsche mir Solidarität zwischen alle Frauen. Und die fängt für mich zum Beispiel mit dem Boykott von Fast Fashion an.”
Eine Forderung, die du an die Politik richten möchtest:
“Es ist höchste zeit, gesetzliche Mindeststandards für die Produktion von Kleidung durchzusetzen. Seit dem Rana-Plaza-Unglück vor sechs Jahren und der Gründung des deutschen Textilbündnisses hat sich viel zu wenig getan. Wenn wir wirklich etwas verändern wollen, reichen freiwillige und unverbindliche ‘Verpflichtungen’ nicht aus. Für eine Umsetzung von Menschenrechten in der gesamten Lieferkette muss ein Gesetz zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht her.”
Dein Slogan für den heutigen Weltfrauentag:
“Strong Women Wear Slow Fashion!”
Esther von Die Konsumentin
Was wünscht du dir für Frauen in der Textilindustrie?
“Ganz klar: faire Arbeitsbedingungen! Damit meine ich faire Löhne, faire Arbeitszeiten und ein sicheres Arbeitsumfeld ohne Bedrohung der Gesundheit – sowohl physisch als auch psychisch.”
Eine Forderung, die du an die Politik richten möchtest:
“Importregulierungen, die mehr als nur Regulierungen von Schadstoffen einschließen. Produkte, die nicht unter fairen Arbeitsbedingungen produziert wurden, dürfen nicht mehr eingeführt werden!”
Dein Slogan für den heutigen Weltfrauentag:
“Women* of the world unite!”
Vielen Dank an euch alle, die ihr euch mit der Entscheidung für faire Mode auch für Frauenrechte weltweit einsetzt.
Was wäre dein Slogan für den diesjährigen Weltfrauentag?
Titelbild: © Omar Lopez/unsplash.com, Vorschaubild: © Noah Buscher/unsplash.com
Disclaimer: Wir haben für den Artikel Bloggerinnen verschiedener Körperform, Herkunft und Hautfarbe angesprochen. Die hier gezeigten Bloggerinnen haben sich auf unsere Fragen zurückgemeldet. Uns ist es jedoch wichtig, dass alle Frauen* mit unterschiedlichsten Voraussetzungen sichtbar sind, weswegen wir explizit darauf hinweisen möchten, dass selbstverständlich eine größere Vielfalt an Frauen besteht, die hier leider nicht abgebildet ist.