Spulen wir kurz zurück: Im Juni 2021 erfuhr ich, dass ich schwanger war. Seitdem drehte sich viel um die Frage: Wie meistern wir die dadurch entstehenden Veränderungen als Team? Wir waren es gewohnt, die Dinge als Gründer*innen mit geballter Power als Trio anzugehen. Wir hatten über die Jahre gelernt, auf unsere Expertisen und Kompetenzen zu vertrauen und gemeinsam ein tolles Team aufgebaut. Nun sollte ich während meines Mutterschutzes und einer geplanten Elternzeit nicht mehr aktiv dabei sein. Das war für uns eigentlich kaum vorstellbar. Doch wir bereiteten uns gemeinsam auf diese Zeit vor und seit Januar diesen Jahres war ich von meinen Aufgaben befreit. Die Verantwortung über die strategische Weiterentwicklung, Geschäftsführung, einige meiner Aufgaben und das Zusammenhalten des Teams lag fortan bei Vreni und Nina allein. Dass es anstrengend werden würde, war uns klar. Dass es unvorstellbar an die Substanz gehen wird, zeigte sich erst im Verlauf.
Fashion Changers ist ein organisch gewachsenes und eigenfinanziertes Unternehmen, das sich den Herausforderungen oft so gestellt hat, wie sie kamen. Wir haben uns über die Jahre immer wieder strategisch ausgerichtet, aber es war (und ist) oft auch ein Abwägen zwischen „Was wollen wir am liebsten machen?“ und „Was ist finanziell überhaupt möglich?“. So haben wir uns immer wieder zurechtgerückt. Entstanden ist das, was ihr heute kennt: ein umfassendes Angebot aus Weiterbildungsformaten, Vorträgen, Beratung, redaktionellen Inhalten sowie eine starke Fashion Changers Community. Die Verantwortung dafür zu zweit zu tragen, ist ein Kraftakt.
Und doch: 2022 war zwar eines der härtesten, aber auch eines der intensivsten und erfolgreichsten Jahre bei Fashion Changers. Während ich lernte, was Elternschaft bedeutet, setzten meine Mitgründer*innen in großen Schritten die Formate um, auf die wir eigentlich all die Jahre hingearbeitet hatten. Die Fashion Changers Membership wurde geboren. Das Fashion Changers Collective erblickte das Licht der Welt – und das alles, obwohl die (Wo)Manpower deutlich eingeschränkt war. Trotz aller Hindernisse werden wir 2022 als bisher erfolgreichstes Jahr abschließen können. Darauf sind wir sehr stolz. Wenn wir eins über die Jahre gelernt haben, dann ist es wohl, dass wir mit unserem Willen nach steter Veränderung und dem Wunsch nach positiver Transformation der Modebranche viel erreichen können.
Während sich also das Fashion Changers Karussell rasend schnell weiter drehte, wurde meine Welt immer langsamer. Mutter zu werden, war für mich eines der einschneidendsten Erlebnisse jemals. Im turbulenten 2022 konservierte sich bei mir alles auf dieses kleine Wesen, das nicht nur all meine zeitlichen Ressourcen ohne Nachfrage verschluckte, sondern auch einen großen Teil meiner mentalen Kraft. Diese Ressourcen einige Monate nach Geburt aufzuteilen, schien mir im Sommer dieses Jahres kaum möglich. Und doch wusste ich: Mein Unternehmen braucht mich auch. Denn auch hier war keine Pause für ein Durchatmen. Im Gegenteil: 2022 stand bei Fashion Changers ganz im Zeichen der weiteren Professionalisierung. Unsere Weiterbildungsangebote und unsere Vision sollten auf ein sicheres Fundament gestellt werden. Unternehmerisch bedarf es dafür jede Menge Kraft für neue Prozesse.
Doch genau die hatte ich nicht. Meine Kraft war für dieses Jahr bereits aufgebraucht.
Zeitgleich sah ich Vreni und Nina, die so erschöpft waren von dem, was sie mit unserem Team in den letzten Monaten geleistet hatten. Ich sah die Beiden, die nichts dringender brauchten, als jemanden an ihrer Seite, die einen Teil der Last wieder abnehmen kann. Und ich sah mich und wusste, dass ich diese Person nicht sein kann. Ich hätte es gerne gewollt, doch es funktionierte nicht wirklich. Ich reduzierte Stunden und Verantwortung – sowohl bei Fashion Changers als auch Zuhause. Das funktionierte zwar so weit, dass ich mit Ach und Krach alles umsetzen konnte, was wichtig war. Aber es blieb vieles auf der Strecke. Am Ende hatte ich das Gefühl, dass es für nichts reicht – weder hier noch privat. So oft wird über Ressourcen gesprochen. Wie diese besser verteilt werden müssten. Wie knapp sie sind. Wo sie besser aufgehoben wären. Dabei werden die eigenen (Kraft)Ressourcen oft vergessen. Wenn ich mich mit Menschen aus der Nachhaltigkeitsbranche unterhalte, höre ich häufig, wie ausgelaugt die Leute sind, weil das idealistische Tun viel zu oft schon an die Substanz geht. In diesem Jahr habe ich das auch an mir selbst erlebt und die Balance zwischen sozialverträglichem Unternehmer*innentum auf der einen Seite und Rasten und Auftanken auf der anderen Seite nicht halten können. Das war die Jahre davor an vielen Stellen bereits so. Doch es gab immer wieder Momente des Durchatmens, die jetzt ausblieben.
Ich musste eine Entscheidung treffen, die mir alles andere als leicht gefallen ist: Ich werde Fashion Changers als Co-Gründerin verlassen. An dieser Stelle einen anderen Weg zu gehen, ist zu Teilen sehr schmerzhaft, da Fashion Changers ein so großer und wichtiger Teil meiner Geschichte ist. Für mich, Nina, Vreni und Fashion Changers ist es aber aktuell das Richtige. Manche Wachstumsentscheidungen sind eben schwer und richtig gleichzeitig. Blicke ich auf das zurück, was wir zusammen geschafft haben, empfinde ich Stolz und Dankbarkeit. Ich bin stolz auf unsere Arbeit, in der wir wichtige Diskussionen anstoßen, unbequeme Fragen stellen – und daraus so viel lernen und weitergeben können. Ich bin stolz auf unser kleines Team, das so große Power hat und sich jeden Tag der großen Aufgabe stellt, einen Beitrag zu einer besseren Modewelt zu leisten. Und ich bin stolz und sehr dankbar für all die tollen Menschen, die mit Fashion Changers verbunden sind, die uns vertrauen und mit denen wir arbeiten dürfen.
Die Community, die hier entstanden ist, ist für mich der Beweis, dass die Modebranche alles in sich trägt, um gerecht, sozial, umweltverträglich, innovativ, politisch und vorbildhaft zu agieren. Ich weiß, dass darin eine ungeheure Kraft schlummert, die uns jeden Tag antreibt, uns weiter für den Wandel in der Branche einzusetzen. Ich wünsche mir so sehr, dass diese Kraft weiter wächst. Dass immer mehr verstanden wird, wie wir kooperativ und konkurrenzlos so viel mehr erreichen, als für uns allein. Ich wünsche mir, dass ihr Fashion Changers weiter begleitet und Lust habt, diese Veränderung mit zu leben.
Für mich geht die Reise als Co-Gründerin hier also erst einmal zu Ende. Doch ich freue mich so sehr auf das, was Fashion Changers auch in Zukunft leisten wird und werde diesen Weg gespannt weiterverfolgen. Bei Fashion Changers bleibt alles, was ihr kennt, lest, hört und supportet, erhalten. Für unsere Leser*innen, Follower*innen, Partner*innen und Unterstützer*innen ändert sich also nichts.
Für unsere Inhalte und Weiterbildungsformate werden Nina und Vreni als Co-Gründer*innen und Geschäftsführer*innen die Verantwortung tragen und sie gemeinsam mit unserem Team weiterentwickeln und umsetzen. Die Aufstellung dieses Teams und die notwendigen Strukturen haben wir bereits in den letzten Monaten Stück für Stück aufgebaut. So kann es für Fashion Changers und euch nahtlos weitergehen. Auch ich werde noch ein bisschen erhalten bleiben. Wir schreiben und sehen uns Anfang 2023 noch auf Social Media. Für mich hoffe ich auf ein ersehntes Durchatmen, das vielleicht ab dem Frühjahr auf mich wartet. Beruflich geht meine freiberufliche Arbeit, die neben Fashion Changers immer bestand und die letzten Monate etwas ruhte, als freie Journalistin und Redakteurin weiter. Vielleicht hört ihr den ein oder anderen Podcast, den ich geschrieben habe oder lest Artikel von mir – vielleicht ja auch hier im Magazin. Denn eins steht für mich noch immer fest: Let’s change that Fashion Game – together!
© Foto: Livia Kappler