Marieke ist wohl, was man ein klassisches Multitalent bezeichnen würde. Die Expertin für nachhaltige Mode und einen nachhaltigen Lebensstil bewegt sich seit über 15 Jahren in der Branche und hat nun all ihr Wissen in das wunderschöne Buch “This is a Good Guide – for a sustainable lifestyle” gesteckt. Darin befinden sich allerhand Tipps, um Nachhaltigkeit im Bereich Mode, Beauty, Ernährung, dem eigenen Zuhause, aber auch bei der Arbeit zu leben. Das Buch ist nicht nur sehr schön anzusehen, sondern auch wirklich gehaltvoll.
Kein Wunder, Marieke hat bereits 2014 den ersten niederländischen Guide für faire Mode (“Talking Dress”) geschrieben, ist eine erfahrene Speakerin (u.a. TEDx), fungierte als Co-Founderin für die internationale Modemesse MINT, berät Brands im Bereich Nachhaltigkeit und veranstaltet eigene Events und Workshops. Und on top wurde sie bereits als Amsterdams Bürgerin des Jahres (Citizen of the Year) nominiert. Immer dabei: ihre herzliche Art, die wirklich erfrischend ist. Sie möchte nicht nur faire Mode publik machen, sondern vor allem Menschen ermutigen bei sich selbst anzukommen und auch ein bisschen netter zu sich selbst zu sein.
Wir haben mit Marieke über “This is a Good Guide”, das gute Leben und feministische Kämpfe gesprochen.
Du wirkst immer so positiv. Woher nimmst du diese unfassbar tolle Energie?
Vielen Dank, das freut mich sehr zu hören. Ich bekomme diese Energie von all den fantastischen Kämpfer*innen, die unsere Welt zu einem besseren Ort machen wollen. Von den unglaublich innovativen Brands, die Dinge kreieren, die wirklich nützlich sind und dabei eine positive statt negative Wirkung erzielen. Von den Veränderungen, die ich die letzten 15 Jahre miterlebt habe (auch wenn es zu langsam geht). Und natürlich auch von den wundervollen Reaktionen auf mein Buch “This is a Good Guide – for a sustainable lifestyle”. Die Leute sagen mir, dass es sie wirklich ermutigt hat und sie jetzt wissen, was zu tun ist, um Veränderungen voranzutreiben. Dass sie nur noch von den Brands und Läden aus dem Buch kaufen werden. Dass es ihr Lieblingsgeschenk für Freund*innen ist. Dass sie dadurch begriffen haben, was sie studieren wollen und dass es wirklich ihr Leben verändert hat. Das ist eine Ehre und so motivierend.
Wer sollte “This is a Good Guide” unbedingt lesen?
Alle, die an praktischen und positiven Tipps im Hinblick auf Mode, Beauty, Essen, Arbeit und Freizeit interessiert ist. Um zu entdecken, dass stylisch und nachhaltig sehr gut zusammen passen. Und zu verstehen, dass es um das Gute, nicht das Perfekte geht: um kluge Entscheidungen, zu tun, was man kann und was zu einem passt. Ich möchte mit diesem modernen Guide das grüne und ethische Leben mit Spaß und Machbarkeit füllen. Es gibt die richtigen Adressen, wunderschöne Marken, inspirierende Einblicke, überraschende Fakten und nützliche Lösungen – all das, was du brauchst. Es geht darum, dass man etwas Gutes tut und sich gleichzeitig gut fühlt. Geht es noch besser?
Du liebst es feministische Inhalte mit Fair Fashion Facts zu verbinden. Warum?
Dafür gibt es so viele Gründe. Mode verbindet uns auf so persönliche Art und Weise. Einige Zahlen sagen, dass 80 Prozent der Menschen in der Modeindustrie weiblich sind. Sie machen die Kleidung und wir tragen sie. Unsere Kleidung wird von Hand genäht und durch die Nähte berühren sich unsere Körper. Oft werden Frauen in der Textilindustrie ausgebeutet, um Profite zu erzielen. Und sie sind nicht die einzigen.
Der Druck gut auszusehen, hält uns davon ab wirklich Gutes zu tun. Nichts von all dem, was wir kaufen, kann unseren Selbstwert oder unsere Liebe zu uns steigern. Die konventionelle Modeindustrie (aber auch Beauty, Technik, Sport und Ernährung) bemüht sich darum uns zu trennen. Sie wollen uns glauben lassen, dass wir nicht gut genug sind. Nicht hübsch genug. Deine Haut ist nicht weich, strahlend oder hat nicht den richtigen Farbton. Du bist nicht schlank genug. Du trägst nicht die richtige Kleidung oder bist nicht trendy. Die Ideale, nach denen wir leben sollen, sind total limitierend. Kurz gesagt: Du siehst nicht so aus, wie du aussehen solltest. Nur wenn du kaufst, wirst du dazugehören.
Viele dieser Aussagen sind bewusst gewählt, um uns schlecht fühlen zu lassen, damit die Unternehmen uns eine Lösung anbieten können: ihre Produkte. Wir wissen, dass das nicht funktioniert. Und doch versuchen wir es immer wieder. Und wir werden nicht nur in ein Problem hinein geredet – mit entsprechender Lösung, die nicht funktioniert. Wir werden auch ausgetrickst, indem wir unaufhörlich immer mehr kaufen sollen, was es quasi unmöglich macht wirklich nachhaltig zu leben. Diese Kommerzialisierung unseres Körperbildes ist das Kernproblem unser Verhalten zu ändern. Wir müssen sehr aktiv begreifen, was die Industrie uns versucht einzubläuen, und immer wieder widerstehen, um beides zu retten – uns und den Planeten.
Natürlich kann man diesen Umstand und unser privilegiertes Leben nicht mit der strukturellen Benachteiligung und schlechten Behandlung der Arbeiter*innen vergleichen. Aber denk bloß nicht, dass du fair behandelt wirst. Es ist Zeit aufzustehen und für faire und feministische Rechte zu kämpfen.
Was bedeutet für dich „gut“?
Respekt für Mensch und Umwelt zu haben. Dass man etwas so behandelt, wie man selbst gerne behandelt werden möchte. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – keine Lohnungerechtigkeit mehr. So wenig Schaden, wie möglich anzurichten. Gleichberechtigung, Frauenrechte, Artikel 1 der Menschenrechte. Dein Potenzial zu erkennen, die Möglichkeit und das Privileg dich verändern zu können. Eine Schokolade zu kreieren, die nicht nur gut schmeckt, sondern auch noch gesund ist.
Warum sind gute Dinge so wichtig?
Weil sie das Gegenteil der schlechten Dinge sind. Und weil wir alle so viel Glück haben. Ich bin in den Niederlanden geboren und kann in diesem wohlhabenden Teil der Welt durch Zufall leben, mit einer wohlhabenden Wirtschaft, einem guten Klima, Menschenrechten, Frauenrechten, Demokratie. Ich habe nichts dafür getan all das zu bekommen. Nichts. Es wurde mir einfach gegeben. Also habe ich auch nicht mehr Anspruch darauf als jede*r andere. Ich verdiene es nicht mehr. Ich hätte genauso gut irgendwo anders leben können und unsere Shirts nähen können, unsere Sneakers produzieren oder unser Shampoo verpacken. Diese Vorstellung hat das, was ich tue, sehr geprägt. Ich möchte all das, was ich gegeben bekommen habe dazu nutzen dieses Gefälle etwas fairer zu gestalten. Auch, wenn es nur ein kleines Stückchen ist. Ich bin in der Lage mein Lebenswerk dem zu widmen, so viel positive Veränderung wie nur möglich zu schaffen. Also sollte ich das auch tun. Wir alle haben das gleiche Recht auf die guten Dinge. Deswegen bedeutet es etwas.
Was muss sich verändern, damit faire Mode noch bekannter wird?
Wir brauchen Gesetze, die es kriminalisieren Gewinne basierend auf Ausbeutung zu machen. Warum ist es legal, unsere Shirts, Röcke und Schuhe so zu produzieren, dass es Menschen und unseren Planeten misshandelt, aufbraucht und zerstört? Wie kann es sein, dass diese Produkte überhaupt auf unseren Märkten erlaubt sind? Warum akzeptieren wir weiterhin, dass unsere Kleidung irgendwo anders so gemacht wird, wie wir es bei uns niemals akzeptieren würden? Warum ist es bei ihnen okay, aber nicht bei uns? Wir brauchen so schnell wie möglich internationale Gesetze, die gleiche Rahmenbedingungen schaffen, die den Zugang zu unseren Märkten regulieren und ausbeutendes Verhalten kriminalisieren.
Was sind deine All Time Favorits?
Jede Marke, die Tabus bekämpft und nur das produziert, was wirklich notwendig ist, verkauft uns Dinge, die uns glücklich machen. Und wir kaufen nur, wenn wir es wirklich brauchen. Das ist ethisch und glaubwürdig, stylisch und nachhaltig,
Wer oder was inspiriert dich?
So viele tolle Frauen! Ich könnte niemals alle aufzählen, auch wenn ich gerne wollen würde. Freiheitskämpfer*innen wie Jameela Jamil, Bethany C. Meyers,Katrin Jakobsdóttir, Harnaam Kaur, Ruth Bader Ginsberg, Polly Higgins, Oprah Winfrey, Rachel Cargle, Alexandria Ocasio-Cortez, Jacintha Ahern, Ruthie Lindsey und viele mehr.
Liebe Marieke, vielen Dank für deine spannenden und inspirierenden Gedanken.
Beitragsbild: © Melody Lieftink