Wenn Verantwortung eine olympische Disziplin wäre, dann vermutlich ein nicht enden wollender Zehnkampf. Erstmal 100 Meter (hinterher-)rennen, mehrmals weit- und hochspringen und ab und an Kugeln und Speere bezwingen. Ach, und nicht den Hürdenlauf zu vergessen. Ab und an wird jemand disqualifiziert, läuft zu spät los oder kommt ins Straucheln. Und bevor wir uns erneut in Startposition bringen, schnaufen wir kurz durch und trainieren für die nächste Runde. Aber zwischendurch, da feuern wir uns gegenseitig an, jubeln miteinander und wollen das Ding einfach nur gemeinsam ins Ziel bringen.
Um es ohne Sportmetapher zu sagen: Verantwortung bedeutet eine aktive Rolle einzunehmen und für sich und andere einzustehen – sowohl privat als auch gesellschaftlich. Das löst nicht immer Endorphine aus, sondern kann durchaus auch anstrengend sein. Wenn wir in aktuellen Debatten über Verantwortung sprechen, dann geht es vor allen Dingen um ein solidarisches Miteinander und um einen verantwortungsvollen Umgang mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen. Natürlich sollten wir dabei auch immer wieder über die individuelle Verantwortung sprechen, aber diese stößt oft an ihre Grenzen, wenn es um strukturelle Ungerechtigkeiten geht.
Wer kann und sollte Verantwortung übernehmen?
In Sachen Impact sitzt neben der Politik die Wirtschaft am großen Hebel. Wir brauchen mehr Unternehmen, die verstehen, dass ihr Handeln Auswirkungen hat – und dass sie am Ende des Tages für diese Auswirkungen die volle Rutsche Verantwortung übernehmen. Dass viele Unternehmen das anders sehen, hat zuletzt der Verbandsbrief des BDI eindrücklich gezeigt, in dem sich 28 Wirtschaftsverbände gegen den aktuellen Entwurf des Lieferkettengesetzes ausgesprochen haben, weil dieser Unternehmen angeblich 1. zu viel Verantwortung zumutet und 2. unter Misstrauensverdacht stellt.
Kurze Unterbrechung für eine Zwischenfrage: Wie soll Vertrauen entstehen, wenn jahrelang hinter verschlossenen Türen gewirtschaftet wird? Wie soll Vertrauen entstehen, wenn sich niemand verantwortlich fühlt, wenn auf dem Baumwollfeld Pestizide eingesetzt und Boden und Gewässer verunreinigt werden? Wie soll Vertrauen entstehen, wenn viele Unternehmen nur dort produzieren, wo sie andere Menschen effektiv ausbeuten können? Ohne Transparenz kein Vertrauen. Ohne Rechenschaftspflicht keine Verantwortung. Eigentlich kinderleicht, dieses Spiel mit der Verantwortung.
Neben einem Bewusstseinswandel brauchen wir einen Verhaltenswandel. Veränderung mag sich nicht immer gut anfühlen, manchmal ist sie auch schmerzhaft, weil wir einsehen müssen, Dinge loszulassen, die uns und andere nicht mehr voranbringen. Die Ironie: Veränderung ist die einzige Konstante im Leben (Props an den griechischen Philosophen Heraklit). Warum sollen wir also weiterhin alleine auf der Stelle treten, wenn wir uns jetzt gemeinsam in Bewegung setzen können?
Verantwortlich wirtschaften – geht das?
Dass Verantwortung übernehmen und wirtschaften zusammen funktioniert, zeigen Unternehmen wie Wildling Shoes. Für sie bedeutet unternehmerische Verantwortung, für den Planeten, die Menschen und, ja, auch für das erwirtschaftete Geld Sorge zu tragen. So entsteht ein unternehmerisches Selbstverständnis, dass Profite nutzt, um gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben – und die eigene Verantwortung auf den Prüfstand stellt.
Im Fall von Wildling bedeutet dies einen positiven Impact zu schaffen, beispielsweise durch Investitionen in Umweltprojekte zur Regeneration von Ökosystemen und Kulturlandschaften. So arbeitet Wildling mit Rewilding Europe zusammen und übernimmt zur Renaturierung des 247.000 Hektar großen bulgarischen Rhodopen-Gebirges mit rund drei Millionen Euro die vollständige Finanzierung für die kommenden fünf Jahre. Darüber hinaus möchte Wildling die textile Kreislaufwirtschaft vorantreiben oder gibt Mitarbeitenden Gestaltungsfreiraum für ehrenamtliche Aktivitäten. Dabei ist Transparenz der Schlüssel zu ihrem Tun. So wandeln sie pro-aktiv ihre Stärken und Schwächen in Vertrauen um – ehe überhaupt Misstrauen entstehen kann.
Wie können wir verantwortungsvoll arbeiten?
Wir stellen Akteuren der Textilindustrie oft die Frage: Wer kann überhaupt Verantwortung übernehmen? Wenn wir genauer hinschauen, wurde in den letzten Jahren Verantwortung nur allzu gerne hinter die deutschen Landesgrenzen geschoben. Die weit verzweigten und komplexen Lieferketten machten es möglich, dass mit dem Finger nicht auf die einkaufende Marke gezeigt wurde, sondern auf die Produktionsstätte, den oder die Fabrikleiter:in oder die Vorarbeiter:innen in den Produktionsländern. Wildling ist sich dessen bewusst, dass eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe so nicht funktionieren kann. Es braucht stabile und langfristige Partnerschaften, in denen gemeinsam geschaut wird, welche Verbesserungen vorgenommen werden können.
Was wir bei Fashion Changers machen, um Verantwortung im Berufsalltag zu übernehmen
- unser Geld bekommt eine nachhaltige und ethische Bank
- wir wagen den Versuch einer achtsamen Arbeitskultur, an der wir regelmäßig scheitern
- wir übernehmen Verantwortung für Mitarbeitende – auch finanziell
- wir versuchen auch im Kleinen nachhaltig(er) zu leben, indem wir zum Beispiel beim Essen auf Bioqualität achten, Einwegprodukte auf Events vermeiden, lokale Unternehmen unterstützen, mit dem Fahrrad, Sharing-Diensten oder den Öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind, bereits Vorhandenes nutzen statt Neues zu kaufen
- Verantwortung für die Auswahl der Podien und Gäste unserer eigenen Events: als weiße Personen sind wir uns darüber im Klaren, dass wir nicht repräsentativ für unsere Gesellschaft stehen, diese Pluralität möchten wir so gut es geht, auch auf unseren Events leben
- Pass the mic: Wenn wir können, reichen wir Presseanfragen weiter, für die andere Expert:innen viel besser geeignet wären oder die zum Beispiel aus einer intersektionalen Perspektive beantwortet werden müssten
- wir suchen barrierefreie Eventlocations, sind aber noch lange nicht barrierefrei
- wir reisen nur nach sehr genauer Überlegung, haben nur einmal bisher das Flugzeug genommen – auch für internationale Reisen
- müllsparende Events
- wir versuchen keine „sinnlosen“ Goodies weiterzugeben
- wir gendern und bemühen uns immer um sensible, diskriminierungsfreie Sprache, hinterfragen uns dabei regelmäßig selbst und passen Formulierungen etc. an, wenn wir etwas Neues dazulernen
- Diversität mehr und konkreter leben: auch wir scheitern oft an intersektionalen Perspektiven, doch versuchen wir immer wieder, diese mit einzubringen. Beispiel: Für unseren Bewerbungsprozess haben wir ein System entwickelt, das in der finalen Auswahl Menschen mit Diskriminierungserfahrungen, mit fehlender beruflicher Ausbildung oder körperlichen Einschränkungen den Vortritt lässt
- Inklusion fördern, da sind wir zugegebenermaßen noch nicht wirklich gut drin. Beispiele: Redaktionelle Inhalte durch Untertitel und verbesserte Grafiken bei Social Media barrierefrei(er) gestalten, Barrierefreiheit auf unserer Webseite verbessern (z.B. durch leichte Sprache), bei Veranstaltungen Gebärdendolmetscher:innen oder konsequent Untertitel garantieren,
- kritischere Auseinandersetzung mit Labels der Fair-Fashion-Szene
- unserem Vermieter auf die Füße treten: wir brauchen endlich Ökostrom im Büro
- unseren Server auf einen Bio-Host umstellen
- weniger Lebensmittelverschwendung im Büro
Warum wir ein starkes Team brauchen
Verantwortung ist keine Einzelleistung. Was wir brauchen, ist echter Teamgeist, um das gemeinsame Ziel von mehr Verantwortung im Arbeiten zu verfolgen.
Wir wissen, Verantwortung zu übernehmen, kann auch mal schwierig sein. Doch Rückschläge oder, um im sportlichen Tonus zu bleiben, nicht genommene Hürden können im Team leichter bewältigt werden. Wenn wir dann zusammen ein Ziel erreichen, ist das ein sehr empowerndes Gemeinschaftsgefühl.
Was wir deswegen neben einer fehlenden gesetzlichen Regelung von unternehmerischer Verantwortung kritisch sehen: Zu wenige Unternehmen agieren im Verbund und teilen ihre Expertise und ihr Wissen miteinander. Wir werden nicht müde zu betonen, dass wir Kooperation über Konkurrenz stellen müssen, wenn wir das Ruder noch rechtzeitig herumreißen wollen. Konkurrenz belebt vielleicht das Geschäft, aber es bringt uns nicht ans Ziel – jedenfalls bleibt irgendjemand immer zurück. Dass wir die Zielgerade nur mit Vertrauen und Solidarität erreichen, zeigt uns auch die Corona-Krise jeden Tag aufs Neue.
Teamgeist in der gesamten Branche
Wenn es nach uns geht, ist das „Dein Kassenzettel ist dein Stimmzettel“-Narrativ längst auserzählt. Klar, wir sollten so verantwortungsbewusst leben, wie es uns möglich ist, aber lasst uns unsere Zeit doch lieber damit verbringen, diejenigen zur Verantwortung aufzurufen, deren Impact deutlich größer ist als dein und mein individueller CO2-Fußabdruck.
- deine Kolleg:innen bitten, gemeinsam zu überlegen, wo ihr im Unternehmen mehr Verantwortung übernehmen könnt
- deine:n Arbeitgeber:in nach einer nachhaltigen Bank, Ökostrom, oder auch öko-faire Textilien am Arbeitsplatz fragen
- Vorschläge für Unternehmensspenden machen und ggf. auch andere Unternehmen und Einzelpersonen zu Spenden aufrufen
- Corporate Volunteering: Arbeitszeit aus dem eigenen Unternehmen an gemeinnützige Projekte weitergeben
- beim Job-Recruiting dafür sorgen, dass sich marginalisierte Menschen angesprochen fühlen und bewerben
- Lieferkettenbrief an deine:n Abgeordneten schicken
Und jetzt du! Wie übernimmst du Verantwortung in deinem Berufsalltag?
Alle Infos zu Wildling Shoes, ihrer Arbeitsweise und natürlich den Schuhmodellen findest du direkt auf ihrer Webseite.