Wenn der Hambacher Forst bedroht ist oder die Nachrichten von Bildern eines brennenden Regenwalds geflutet werden, liegt die Diskussion über Biodiversität nicht weit. Artenvielfalt und ihr Schutz sind allerdings nicht nur dann besprechenswert, sondern Themen, die alltägliche Relevanz haben.
Was ist Biodiversität?
Unter Biodiversität versteht man die biologische Vielfalt auf dem Planeten. Vielfalt meint hier nicht nur die Anzahl der Arten, sondern auch die Vielfalt der Gene (zum Beispiel innerhalb einer Art) und die Vielfalt der Ökosysteme.
Von den rund acht Millionen Tier- und Planzenarten, die es weltweit geben soll, sind laut dem im Mai 2019 veröffentlichten Global Assessment Report ungefähr eine Million bedroht. Über 40 Prozent der Amphibienarten, 33 Prozent der riffbildenden Korallen und auch über ein Drittel der Säugetierspezies sind in Gefahr. Rund ein Viertel der Pflanzenarten sind ebenfalls gefährdet. Vieles davon ist menschengemacht.
Dabei bedroht sich die Menschheit jedoch selbst, denn die biologische Vielfalt stützt das Funktionieren von Ökosystemen, die der Mensch braucht. Der anhaltende Verlust von Biodiversität kann drastische Auswirkungen haben und das Bereitstellen von Nahrung, frischem Wasser, Medikamenten, die Bestäubung von Kulturpflanzen und den Schutz vor Naturkatastrophen gefährden.
Lässt sich die schwindende Artenvielfalt aufhalten?
Laut des Global Assessment Reports ist es möglich, den Rückgang der Biodiversität aufzuhalten, jedoch sind drastische Maßnahmen nötig. Bisher scheitert die Politik allerdings daran, Ergebnisse zu erzielen. Die Convention on Biological Diversity (das umfangreichste, internationale Abkommen zum Schutz der Biodiversität, das von über 190 Staaten unterzeichnet wurde) kommt zu dem Schluss, dass fast alle bis 2020 gesetzten Ziele nicht erreicht werden. Die Umweltkonvention hatte die Erhaltung der Biodiversität, die nachhaltige Nutzung und einen gerechten Vorteilsausgleich aus der Nutzung als gleichwertige Ziele formuliert. Zunächst wurden Ziele bis 2010 vereinbart, was bereits nicht eingehalten werden konnte. Die Convention on Biological Diversity weist darauf hin, dass politische Entscheidungsträger*innen sich der doppelten Herausforderung des Artenverlusts und des Klimawandels jetzt annehmen müssen, um schwerwiegende Folgen zu verhindern.
Was so schnell wie möglich passieren muss:
- Aufhalten des Verlusts von CO2-speichernden Ökosystemen wie Tropenwäldern, Salzwiesen und Torfflächen
- Implementierung sehr viel effizienterer Wasser-, Land-, Energie- und Materialnutzung
- Vermeidung von Fehlsubventionen, die nicht nachhaltigen Ressourcenverbrauch fördern
- strategische Planung zur Nutzung von Gewässern und ein Gleichgewicht zwischen Schutz und Entwicklung
- Kommunikationsstrategien, die der Öffentlichkeit vermitteln, wie Biodiversität geschützt werden kann
- Mechanismen, die sicherstellen, dass Länder und Kulturen mit traditionellem, medizinischem Wissen nicht ausgebeutet werden
- ordnungspolitische Maßnahmen, die Anreize zum Erhalt der natürlichen Infrastruktur geben
Die Rolle der Unternehmen
Ebenso spielt die Wirtschaft hier eine entscheidende Rolle, denn vorbildliche Verfahren in der Land- und Forstwirtschaft können die Biodiversität schützen. Der verantwortungsbewusste Umgang mit Arten, die für den Menschen genutzt werden, ist besonders wichtig, um die Vielfalt zu erhalten.
Wie Unternehmen Biodiversität schützen können, wieso Engagement in diesem Bereich alles andere als ein Nachteil ist und was wir alle für Artenvielfalt tun können, haben wir mit Annette Piperidis, Sustainable Sourcing Managerin beim Naturkosmetik-Traditionsunternehmen Weleda besprochen. Weleda bewirtschaftet knapp 248 Quadratkilometer nach biologischen Standards, betreibt eigene Heilgärten, hat den UEBT-Standard in der gesamten Lieferkette umgesetzt und gehört weltweit zu den größten Abnehmern von Biorohstoffen.
Warum ist es so wichtig als Unternehmen Biodiversität zu schützen?
„Jedes Unternehmen greift auf die eine oder andere Weise auf nachwachsende Rohstoffe zurück – verarbeitet oder direkt. Leider sind wir an einem Punkt angelangt, an dem die Menschheit die ihr zur Verfügung stehenden natürlichen Ressourcen 1,75 mal schneller nutzt als sich die Ökosysteme regenerieren können (vgl. Earth Overshoot Day 2019). Deshalb ist es umso wichtiger für Unternehmen, die Verantwortung gegenüber der Umwelt wahrzunehmen, um dieses Ungleichgewicht nach bestmöglichem Wissen auszugleichen. Die Biodiversität zu schützen und zu fördern ist ein wirksamer Weg dafür, der Weleda sehr am Herzen liegt. Auf diese Weise engagiert sich Weleda auch für die Artenvielfalt bzw. gegen das Artensterben. Lebensraum für Insekten zu schaffen, hat zum Beispiel einen direkten Einfluss auf die Eindämmung des Klimawandels.“
Hatte Weleda schon von Anfang an die Biodiversität bei der Produktion im Blick?
„Seit der Gründung von Weleda war der Schutz der Natur schon immer Bestandteil unserer Werte, Vision und Mission.“
Kooperiert Weleda beim Thema Biodiversität auch mit anderen Unternehmen, um noch mehr zu erreichen?
„Weleda kooperiert sowohl mit anderen Unternehmen als auch mit NGOs, Verbänden, Regierungsbehörden und Universitäten. Wir sehen es als unerlässlich, dass alle Akteur*innen bei diesem Thema Hand in Hand arbeiten. Einer dieser Partner ist die Union For Ethical Trade (UEBT), eine gemeinnützige Non-Profit-Organisation, die einen weltweit anerkannten Standard für die nachhaltige Beschaffung und Nutzung von Rohstoffen bietet. Seit Juni 2018 ist Weleda eine von zwei führenden Marken weltweit, die als erste die neue UEBT-Zertifizierung für ‚Sourcing with Respect‘ erhalten hat. Durch ihre Vollmitgliedschaft verpflichtet sich Weleda auf globaler Ebene zu den Prinzipien des ethischen Wirtschaftens, zur Erhaltung der Biodiversität und zu einem gerechten Umgang mit allen Beteiligten entlang der Lieferkette.“
Transparenz und ökologisches Engagement sind immer auch mit einem wirtschaftlichen Aufwand verbunden – wie geht die Rechnung für Weleda trotzdem auf?
„Diese Rechnung geht in jedem Fall immer auf – für alle, nicht nur für Weleda – denn es ist eine Investition in eine Zukunft, in der sowohl Mensch, Natur und natürlich auch Unternehmen überleben können. Ohne Biodiversität wäre das nicht möglich. Außerdem sieht sich Weleda als werteorientiertes Unternehmen. Immer mehr Kunden*innen teilen diese Werte.“
Was muss passieren, damit mehr Unternehmen, den Aufwand in Kauf nehmen und sich für die Erhaltung und Förderung von Biodiversität einsetzen?
„Leider stößt Freiwilligkeit bisher an ihre Grenzen. Deshalb ist es auch wichtig, dass entsprechende Gesetze erlassen und durchgesetzt werden, Druck von Konsumentenseite aufgebaut wird, Konsumenten*innen bewusst einkaufen und noch wichtiger: Dass Bewusstsein geschaffen wird.“
Was können Verbraucher*innen tun, um Biodiversität zu schützen und zu fördern?
„Auch hier ist Bewusstsein ein wichtiger Faktor: weniger und bewusster konsumieren, die Nachhaltigkeit bei den herstellenden Unternehmen hinterfragen und damit sehr bewusste Kaufentscheidungen treffen, sich bei NGOs engagieren, die sich für den Schutz der Biodiversität stark machen oder politische Maßnahmen fordern. Aber auch im Kleinen kann man etwas tun: durch Anlegen von Blühstreifen im Garten oder in Kübeln auf dem Balkon sowie Verzicht auf Unkrautvernichter, Pestizide und Düngemittel im Garten.“
Wie genau sind die Wildsammlungen bei Weleda zertifiziert?
„Wildsammlungen werden mithilfe einer Biozertifizierung von externen Zertifizierern wie beispielsweise ABCert, EcoCert, Naturland, Demeter oder Bioland auditiert und zertifiziert.“
Weleda hat mehr als 1200 Lieferketten, die durch den UEBT Standard zertifiziert wurden – wie schafft man das?
„Genau betrachtet sind nicht Weledas Lieferketten zertifiziert, sondern die Prozesse in diesen Lieferketten. Diese Prozesse stellen die Einhaltung des Standards sicher. Zur Überprüfung werden in einzelnen Lieferketten auch Audits durchgeführt (Anm. d. Red.: Ein Audit untersucht, ob Prozesse, Anforderungen und Richtlinien die geforderten Standards erfüllen.), deren Berichte nach dem Vier-Augen-Prinzip von UEBT geprüft werden.“
Kann man bei einer solchen Menge an Lieferketten nicht wahnsinnig schnell den Überblick verlieren?
„Nein, den Überblick verlieren wir nicht. (lacht) Es ist zwar jede Menge Arbeit, aber genau das ist Teil der Zertifizierung – dass wir das unter Kontrolle haben.“
Quellen:
Zeit Online „Eine Million Arten sind vom Aussterben bedroht“
Convention on Biological Diversity
„Die Lage der biologischen Vielfalt: 3. Globaler Ausblick“
Titelbild: Fabian Keller/ Unsplash