Schätzungen zufolge wird circa ein Drittel der Lebensmittel verschwendet. Allein in Deutschland gehen jährlich beispielsweise etwa 1,5 Millionen Tonnen Kartoffeln verloren – das sind um die 60.000 LKW-Ladungen. Erschreckende Zahlen, die wir zusammen jedoch drastisch reduzieren können.
Ursachen für die enormen Verluste an Lebensmitteln
Die Ursachen für die enormen Verluste an Lebensmitteln sind vielfältig. Sie erfolgen bereits während der Säuberung und Aussortierung – zum Beispiel von Obst und Gemüse – entlang der Kühlkette, beim Kochen, beim Verkauf und ganz besonders auch im Privathaushalt. Zusammengenommen entstehen circa 60 Prozent der Verluste in den Bereichen Landwirtschaft, Lebensmittelindustrie, Handel und Gastronomie. Satte 40 Prozent der Verluste entstehen dabei aber tatsächlich bei uns im Privathaushalt.
Ein Grund sind auch die strengen Handelsstandards und hohen Anforderungen des Supermarkts oder der verarbeiteten Lebensmittelindustrie: Ein großer Teil der Ernte wird bereits auf dem Feld aussortiert. Verluste entstehen danach aufgrund von Transportschäden und unsachgemäßer Lagerung. Ist beispielsweise eine Orange im Netz oder eine Tomate in der Schachtel nicht mehr genießbar, wird direkt das ganze Bündel weggeworfen. Auch das berühmte Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) trägt Mitschuld: Wenn das MHD bald erreicht ist, wird der Artikel nicht mehr im Verkauf angeboten. Auch in Privathaushalten wird das MHD zu streng behandelt.
Lebensmittelverschwendung in Zahlen
Wie viele Lebensmittel verschwenden wir denn nun? Hier haben wir einige Zahlen für euch zusammengestellt, die zeigen wie ernst die Lage ist.
- Weltweit leiden etwa zwei Milliarden Menschen an Mangelernährung und etwa 800 Millionen aufgrund von Armut und schlecht entwickelten Ernährungssystemen an Hunger.
- Doch circa ein Drittel der weltweit produzierten Lebensmittel geht entlang der Lebensmittelversorgungskette von der Produktion bis zum Verzehr verloren oder wird verschwendet – dies summiert sich auf 1,3 Milliarden Tonnen pro Jahr.
- Jedes Mal, wenn ein Lebensmittel weggeworfen wird, werden auch wertvolle Ressourcen wie Wasser, Boden und Energie verbraucht. „Beispielsweise wächst eine Ananas zwei Jahre bis sie genussreif ist. Dann wird sie aus Costa Rica oder Kolumbien nach Deutschland gebracht, nur um am Ende hier weggeworfen zu werden”, erklärt ein Bericht vom WWF aus dem Jahr 2020.
- Pro Person und pro Jahr werden weltweit im Durchschnitt etwa 65 Kilogramm Lebensmittel verschwendet. Wissenschaftler:innen haben untersucht, wie diese Nährstoffzusammensetzung der verschwendeten Lebensmittel aussieht. Sie konnten feststellen, dass die jährlichen Pro-Kopf-Lebensmittelabfälle eine Person 18 Tage lang mit einer ausgewogenen Ernährung versorgen könnte.
- Von Land zu Land gibt es Unterschiede in Bezug auf verschwendete Nährstoffe und die Umweltauswirkungen von Lebensmittelabfällen: Nationen mit hohem Einkommen verschwenden sechsmal mehr Lebensmittel nach Gewicht als Nationen mit niedrigem Einkommen.
- Die daraus resultierenden Umweltbelastungen in Ländern mit hohem Einkommen sind 10-mal so hoch wie in Ländern mit niedrigem Einkommen.
- Die derzeitigen Fangmethoden und Fangmethoden der globalen Fischindustrie führen dazu, dass jedes Jahr weltweit etwa 40 Prozent des Fischfangs als Rückwurf entsorgt wird. Dieser hohe Anteil an Beifang führt nicht nur gefährdete Arten an den Rand des Aussterbens, sondern zerstört auch die empfindliche Biodiversität des Meeres.
- In Deutschland werden geschätzt pro Jahr über 18 Millionen Tonnen Nahrungsmittel verschwendet.
- Laut WWF sollen jedes Jahr rund 60.000 LKW-Ladungen oder etwa 1,5 Millionen Tonnen Kartoffeln verloren gehen.
- Für das Jahr 2015 wurde berechnet, dass circa 37 Prozent aller produzierten Backwaren weggeworfen wurden, wovon der größte Anteil in Haushalten, gefolgt von Bäckereien sowie dem Handel, anfällt.
- Durch diese Massen an Lebensmittelverschwendung werden allein in Deutschland 48 Millionen Tonnen unnötige Treibhausgasemissionen freigesetzt – Emissionen, die wir dringend einsparen müssen.
Erschreckende Zahlen. Doch mehr als die Hälfte der anfallenden Lebensmittelabfälle könnten laut WWF bereits durch kleinere Maßnahmen vermieden werden.
Lebensmittelverschwendung muss nicht sein
Normalerweise sind wir im Magazin keine Fans davon, die Verantwortung beim Individuum abzuladen. Ja, wir treffen alle einzelne Konsumentscheidungen, doch nur wenn die Politik und Wirtschaft zusammen handeln, führt dies zu schnelleren Ergebnissen. Doch im Bereich Lebensmittelverschwendung haben wir an den oben genannten Statistiken gesehen, dass satte 40 Prozent der Verluste bei uns Zuhause passieren.
Wir alle müssen lernen, Lebensmittel wertzuschätzen und unsere Konsumgewohnheiten ändern. Wir sollten uns bewusst sein, dass Obst, Gemüse, Brot und so weiter. Natürliche Produkte sind und dementsprechend nicht immer perfekt aussehen (müssen). Dazu haben wir ein paar Tipps von den Expert:innen vom WWF zusammen getragen:
- Im ersten Schritt den Status Quo feststellen: Beobachtet mal, was und wie viel ihr wegschmeißt. Mit dieser Information könnt ihr die Gründe von Lebensmittelverlusten besser erfassen.
- Führt Einkaufslisten.
- Friert Überschüssiges ein, gebt es weiter an Freunde und Nachbarn oder werdet selbst kreativ.
- Kleine Schritte: Kauft zum Beispiel nur halbe Brote.
- Vergesst nicht, dass das MHD nicht das Wegwerfdatum ist.
- Setzt euch mit den Inhalten von Expert:innen wie Köchin Sophia Hoffmann auseinander: Die Wertschätzung von Lebensmitteln ist nicht nur zentraler Bestandteil der täglichen Arbeit von Hoffmann, sondern auch Grundlage ihres Kochbuchs „Zero Waste Küche”.
- Unterstützt Initiativen oder Onlineshops wie Sirplus, Etepetete Biokiste, Too Good To Go App, Rübenretter und Querfeld.
Die Politik in die Verantwortung nehmen
Das Bundeskabinett hat im Februar 2019 die „Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung” verabschiedet. Das Ziel ist es, die Lebensmittelabfälle pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene bis 2030 zu halbieren, um das globale Nachhaltigkeitsziel 12.3 „Nahrungsmittelverschwendung pro Kopf halbieren” zu erreichen.
Die Strategie setzt jedoch hauptsächlich auf Runde Tische, Dialogforen und Freiwilligkeit. Laut Verbraucherzentrale ist Deutschland außerdem auf die strategische Reduzierung von Lebensmitteln schlecht vorbereitet, da immer noch immense Datenlücken, wie beispielsweise für die Verarbeitung von Lebensmitteln, bestehen. Der WWF kritisiert zudem fehlende konkrete Klimaziele für das Ernährungssystem und fehlende verbindliche Mindestkriterien für die Verpflegung in öffentlichen. Tanja Dräger de Teran, Referentin für Ernährung und Landwirtschaft beim WWF Deutschland, kritisiert die jetzige Bundesregierung, da sie „die Verantwortung für die ökologische Ernährungswende weiterhin auf den Schultern der Verbraucher:innen“ ablegt.
Dabei gibt es klare Handlungsideen, wie zum Beispiel verbindliche Reduktionsvorgaben für Handel und Lebensmittelproduktion und die Stärkung regionaler Lebensmittelproduktion. Außerdem können Gesetze hilfreich sein, die das Containern straffrei machen oder die Lebensmittelmärkte und Lebensmittelproduzenten dazu verpflichten, noch genießbare Lebensmittel an Tafeln, Initiativen und Privatpersonen abzugeben.
Um globale Ernährungsysteme nachhaltig zu gestalten, bedarf es zudem nicht nur der Reduzierung von weggeworfenen Lebensmitteln: Neue Techniken in der Landwirtschaft sowie eine vorwiegend pflanzliche Ernährung sind essenziell, um die Auswirkungen des globalen Ernährungssystems auf Klimawandel, Landnutzung, Erschöpfung der Süßwasserressourcen und Verschmutzung von Ökosystemen zu reduzieren. Mehr dazu haben wir auch bereits hier und hier geschrieben.
Dazu hat die Reduzierung von Lebensmittelabfällen einen enormen positiven Beitrag zu mehreren nachhaltigen Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals, abgekürzt SDG), laut Food and Agriculture Organization: „Die SDG-Zielvorgabe 12.3 fordert die Halbierung der weltweiten Pro-Kopf-Lebensmittelabfälle auf Einzelhandels- und Verbraucherebene und die Reduzierung von Lebensmittelverlusten entlang der Produktions- und Lieferketten (einschließlich Nachernteverlusten) bis 2030. Die Reduzierung von Lebensmittelverlusten und -abfällen hat auch das Potenzial, zu anderen SDGs beizutragen, einschließlich des Ziels „Null Hunger“ (SDG 2), das ein Ende des Hungers, die Erreichung von Ernährungssicherheit und verbesserter Ernährung sowie die Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft fordert. Die erwarteten positiven Umweltauswirkungen durch die Reduzierung von Lebensmittelverlusten und -abfällen würden sich unter anderem auch auf SDG 6 (nachhaltige Wasserwirtschaft), SDG 13 (Klimawandel), SDG 14 (Meeresressourcen), SDG 15 (Landökosysteme, Forstwirtschaft, Biodiversität) und viele andere SDGs auswirken.“ (Übersetzt aus dem Englischen)
Um die Auswirkungen auf die CO2-Bilanz noch einmal deutlicher zu machen: Damit wir im Jahr 2050 über 10 Milliarden Menschen nachhaltig ernähren können, brauchen wir laut wissenschaftlichen Schätzungen ungefähr 50 Prozent mehr Nahrungsmittel als heute, müssen aber viel mehr CO2 einsparen, um dieses Ziel nachhaltig zu erreichen.
Das Thema Lebensmittelverschwendung ist also nicht „nur“ eine moralische Frage, sondern auch eine ökologische, die enorme Auswirkungen auf den Klimawandel und unsere Ökosysteme hat. Erkundigt euch also bei der Bundestagswahl 2021 bezüglich der Wahlprogramme auch, wie die einzelnen Parteien konkret das Thema Lebensmittelverschwendung behandeln.
Falls ihr weitere Projekte oder Tipps kennt, die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren und Druck auf die Regierung zu machen, dann nennt sie bitte in den Kommentaren.
Titelbild © Mia Marjanovic
Eine Antwort auf „Wie Lebensmittelverschwendung enorme Kosten für die Umwelt verursacht“
[…] Und wer noch nicht genug hat, kann sich hier über die Umweltfolgen informieren: https://fashionchangers.de/wie-lebensmittelverschwendung-enorme-kosten-fuer-die-umwelt-verursacht/ […]