„Wir brauchen Mode-Start-ups. Wirtschaftswachstum und Entwicklung kommen immer von Start-ups!“

Sandra Volz erklärt, wie sich das Gründen während der Pandemie verändert hat, wie sich Unternehmen von der Masse abheben können und wie wichtig Online-Präsenz geworden ist.

Portrait Sandra Volz von FCC Karierrefabrik

Es ist Mittwochmorgen. Ich treffe mich virtuell mit Sandra Volz, CEO der FCC-Karrierefabrik, mit der sie Unternehmer*innen bei der Gründung ihres Start-ups unterstützt. Gut gelaunt erzählt sie mir, dass sie und ihr Team bereits mehrere kreative Stunden hinter sich haben und fleißig Videos drehten für Social Media. Es ist eines von vielen Zoom-Meetings, das Sandra seit Beginn der Pandemie entgegennimmt. So einen Zoom-Termin kann ich viel besser einschieben“, meint sie.

Ich höre ihr gerne zu, denn sie ist eine unglaublich dynamische Frau, die mit großer Freude von ihrem Beruf wohl eher ihrer Berufung erzählt. Mit ihrer umfangreichen Erfahrung in der Modebranche, die sich über mehrere Jahrzehnte erstreckt, hat sie durchaus viel zu berichten. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit ist die Beratung und Betreuung von Existenzgründer*innen im Bereich Mode, Accessoires und Nachhaltigkeit. Außerdem ist sie an mehreren Hochschulen als freie Dozentin tätig – unter anderem für die Themen Branding, Entwicklung eines Labels, Global Sourcing, Ethical Fashion und kreative Gründung.

Im Interview erklärt sie, wie sich das Gründen während der Pandemie verändert hat, wie sich Unternehmen von der Masse abheben können und wie wichtig Online-Präsenz geworden ist.

Du bist seit nun mehr als 20 Jahren als Consultant und Coach unterwegs. Wie hat sich das Coaching während der Pandemie verändert?

Das Coaching hat sich ganz schnell ins Digitale gewandelt. Viele Menschen bevorzugen sogar Zoom, Skype, Teams. Trotzdem gibt es immer noch Gründer*innen, die lieber persönliche Termine wahrnehmen möchten. Das verstehe ich, denn es geht schließlich um ihre Idee, ihre Leidenschaft. Manche Leute habe ich deshalb also doch persönlich getroffen streng nach Hygienevorschriften. 

Ich habe außerdem bemerkt, dass virtuelle Meetings auch mal kurzfristiger geplant werden können. So ein Zoom-Termin lässt sich viel besser einschieben. Man kann zudem kürzere Termine festlegen, sich dafür aber vielleicht häufiger treffen. Es gibt also durchaus eine gewisse Flexibilität und demnach auch eine häufigere und intensivere Betreuung. Das finde ich in dem Prozess gar nicht nachteilig.

Inwiefern hatte die Pandemie Auswirkungen auf das Gründen selbst?

Beim Gründen selbst habe ich bemerkt, dass viele zum Nachdenken kamen und sich gefragt haben, wie denn ihr Leben jetzt weitergehen soll. „Ich hatte doch immer eine Idee!“, meinten sie dann zu mir. Viele kamen an den Punkt, wo sie sich gefragt haben, wie sie ihre Zukunft gestalten sollen. Das hat auch die Gründung vorangetrieben. Das Thema Nachhaltigkeit ist auch deutlich stärker geworden, vor allem bei Menschen, die sich schon vorher mit dem Thema befasst haben. 

Woran scheitern Mode-Start-ups – gerade am Anfang? Und was würdest du aufstrebenden Unternehmen raten?

Man sagt, es gäbe drei Hauptgründe, warum Gründer*innen scheitern: Sie kommen nicht aus der Branche und müssen sich erstmal in die Branche einfinden. Das ist kritisch, weil die Branche eh schon sehr komplex ist. Sogar die, die aus der Branche kommen, haben schon mal Probleme sich zurechtzufinden. Die Anlaufphase ist ein zweites großes Problem hier gehören auch Geld und Finanzierung dazu. Als dritter Punkt wäre die fehlende Marktforschung.

Für mich ist letzteres eine extrem wichtige Aufgabe: ein guter Market Research. Viele schauen sich den Markt nicht genau an. Fragen, die sich Gründer*innen jedoch stellen sollten, sind beispielsweise folgende: Was gibt es schon Ähnliches? Gibt es international schon etwas Ähnliches? In welche Richtung geht es oder soll es gehen? Wie verändern sich die Konsument*innen? Welche Vertriebswege gibt es? Das sind Fragen, die Gründer*innen vorher abklären sollten.

Das Thema Reihenfolge also Priorität ist ebenfalls sehr wichtig: Wie fange ich eigentlich an? Wo informiere ich mich? Wo lasse ich mich beraten? Das hat jetzt gar nicht direkt etwas mit meinem Job zu tun, aber es gibt heutzutage so viele Gründer*innenseminare, Accelarator Programme, Beratungsprogramme – so viele Möglichkeiten, um komprimiert Informationen zu bekommen. Dann wird entschieden, wie weitergemacht wird. Wichtig ist also, dass das Gründen gezielter ist. 

Wie können sich Mode-Start-ups, gerade am Anfang, von anderen Start-ups unterscheiden?

Das Alleinstellungsmerkmal also der USP (Unique Selling Point) ist eines meiner Hauptthemen. Ich coache oft Menschen, die ein bedrucktes Shirt anbieten wollen, einen bestickten Hoodie oder ein Cap. Das hatten wir leider schon zu oft. Trotzdem betreue ich diese Menschen, weil sie wissen, dass sie irgendetwas anders machen wollen, schon eine andere Community haben oder sich als Influencer*in schon ihre Fanbase aufgebaut haben. 

Was ich extrem wichtig finde für den Start, sind vor allem Netzwerk und Multiplikator*innen. Ich brauche jemanden, der mich weiterbringt. Das würde ich immer als Tipp weitergeben: sich Zeit nehmen, ein Netzwerk aufzubauen und sich Multiplikator*innen für die Idee suchen. Ohne USP geht es in der Branche und auch im nachhaltigen Bereich überhaupt nicht.

Welche Rolle spielt Digitalisierung im Bereich der Mode und Mode-Start-ups? Wie wichtig ist die eigene Online-Präsenz?

Die Statistiken für Social Media sind während der Pandemie durch die Decke gegangen. Influencer*innen haben sich weiterentwickelt. Ich liebe moderne Vertriebswege und ihre Vielfalt im digitalen Bereich gibt es unzählige Möglichkeiten. Ich habe beispielsweise auch schon digitale Showrooms betreut.

Das Digitale können wir mittlerweile also gar nicht mehr außer Acht lassen. Es bleibt nur die Frage, wie und wann Gründer*innen dies am besten umsetzen, um ihr Unternehmen voranzutreiben. Ich sehe da besonders viele Chancen für junge Gründer*innen. Es ist oftmals die junge Generation, die gut mit Social Media und der Digitalisierung umgehen kann. Junge Menschen haben ein gutes Netzwerk in dem Bereich und leben das auch. Das ist total authentisch. Damit begegne ich der digitalen Entwicklung auf jeden Fall sehr positiv. 

Wie messen du und dein Team den Erfolg eines Mode-Start-ups?

In Deutschland gibt es diese klassische Geschichte der Gewinnerzielungsabsicht. Im dritten Jahr zum Beispiel muss Gewinn erzielt werden. Klassische Gründungen, die auf einer Gewinnerzielungsabsicht basieren, sind jedoch nicht unbedingt die Ziele kreativer Gründer*innen. 

Ich persönlich messe sehr viel in den eigenen Zielen, die sich die Gründer*innen selbst gestellt haben. Zufriedenheit zum Beispiel. Es geht immer mehr um Zufriedenheit, als um Rentabilität: Was will ich mit dem Unternehmen erreichen? Bin ich damit zufrieden? Konnte ich das Personal einstellen, das ich einstellen wollte? Habe ich die Räumlichkeiten, die ich haben wollte? Entwickelt sich das Unternehmen so weiter, wie ich es mir vorgestellt habe? Das ist für mich letztendlich das Maß. 

Aber ich habe auch schon jemanden betreut, der bei der Höhle der Löwen mit vier Investor*innen angefangen hat und später mit zwei Großinvestor*innen weitergemacht hat. Das ist eine super Entwicklung und ich habe den Gründer gerne betreut. Aber die Frage bleibt, welche Ziele Gründer*innen sich selbst setzen. 

Ich habe bisher eine einzige Gründerin, die freiwillig aufgehört hat, weil ihr der Aufwand zu groß war und ihr Herzblut schlussendlich doch nicht dafür gebrannt hat. Wenn Gründer*innen zufrieden sind und die Ziele erreichen, die sie sich gesteckt haben, dann sind wir als Berater*innen auch zufrieden. Ich freue mich, wenn sie ihren Nebenjob zum Beispiel aufgeben können, ein tolles Team um sich haben und mit anderen Menschen vernetzt sind. Da ist so eine Dynamik drin.

Wie schätzt du die Zukunft von Mode-Start-ups ein? Brauchen wir diese überhaupt noch?

Ich bin sehr zukunftsorientiert und deswegen ist das Thema für mich extrem wichtig. Ja, wir brauchen Mode-Start-ups. Es gibt unglaublich viel Innovation, besondere Designs, aber auch einfache Dinge, wo man sich fragt, warum ist da noch niemand draufgekommen? 

Es gibt außerdem immer die Möglichkeit, Patente neu anzufragen. Ich finde auch, dass Innovation nicht unbedingt ein Produkt sein muss. Es kann der Vertrieb sein, die Kommunikation, das Thema Kollaboration. Es gibt so viele Möglichkeiten und wir brauchen unbedingt neue Ideen. Wirtschaftswachstum, überhaupt Entwicklung, kommt immer von Start-ups. Deswegen können wir gar nicht genug tun, damit diese motiviert sind und ihre Idee weiterentwickeln.

Ich bin zum Beispiel ein wahnsinniger Fan von Accessoires da sehe ich ein riesiges Potenzial. Dann haben wir eine Trendorientierung, was Sport und Fitness angeht. Dieses Thema mit Nachhaltigkeit zu verbinden, ist ein wichtiger Punkt. Und natürlich das Thema Kollaboration. Ich finde Zusammenschlüsse von Designer*innen zum Beispiel unglaublich spannend – hier wünsche ich mir neue Konzepte und mehr Offenheit.

Sandra – vielen Dank für das spannende Interview und deine Expertise.

Dieser Artikel wurde im Oktober 2021 im Zusammenhang der Fashion Changers Konferenz veröffentlicht. Sandra Volz hat auf dieser Konferenz Mentoring-Sessions rund um das Thema Unternehmensgründung gegeben. 

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2 Antworten auf „„Wir brauchen Mode-Start-ups. Wirtschaftswachstum und Entwicklung kommen immer von Start-ups!““

Hallo,
ich gründe im Moment mit Unterstützung der Wirtschaftsförderung NRW mein eigenes nachhaltiges Label.
Ich hätte gerne einen Termin real mit Frau Volz. Ich bin bereit dafür auch weit zu fahren. Es ist für mich wichtig, den direkten, echten, persönlichen Kontakt erfahren zu können.
Ich bin 53 Jahre jung, habe 4 erwachsene Söhne und seit meinem 17. Lebensjahr die Idee im Kopf.
Nun sind die Kinder aus dem Haus und die Nachhaltigkeit bekommt immer mehr Zuspruch, somit ist nun meine Zeit gekommen.
Ich freue mich von Ihnen zu hören,

mit besten Grüßen
Nicole Nölle-Schrage

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