10 Upcycling-Labels, die überzeugen

Aus alt mach’ neu! Upcycling-Labels spielen eine immer wichtigere Rolle in der Modewelt. Die Idee, aus bestehender Mode etwas ganz Neues zu schaffen, inspiriert kleine Unternehmen und große Marken – und uns. Wir stellen zehn besonders spannende Labels vor.

Upcycling Labels, zwei Frauen in Upcyclig Kleidung.

Das nachhaltigste Kleidungsstück ist jenes, das es schon gibt – dieser Leitsatz könnte wohl kaum besser umgesetzt werden als dadurch, alten und vermeintlich ausgedienten Textilien neues Leben einzuhauchen. Upcycling-Labels stehen für immer vielseitigere und zunehmend tragbare Mode. Die Idee, bereits vorhandene Materialien als Basis für neue Kollektionen zu verwenden, stellt Unternehmen allerdings auch vor besondere Herausforderungen: Sie müssen Wirtschaftlichkeit und Ressourcenschonung vereinbaren, für die Beschaffung von Materialien sorgen und die Planbarkeit ihres Geschäftsmodells optimieren. Wir stellen euch zehn Upcycling-Labels vor, die ihre Nische und ihr Geschäftsmodell gefunden haben. Von spannenden Newcomern bis zum etablierten High Fashion-Label: Sie alle zeigen, dass neu nicht immer besser ist.

1. Nearon Studio

Wenn zwei beste Freundinnen gemeinsame Sache machen, spürt man das in jeder Naht: Die von den Neunziger- und Nullerjahren inspirierten Patchwork-Teile von Nearon Studio werden aus altem Denim und Vintage-Blazern gefertigt und treffen damit den Zeitgeist. 2022 gegründet von zwei jungen Studentinnen in ihrer Wiener WG, steht das Upcycling-Label zwar noch am Anfang, hat sich aber bereits eine bemerkenswerte Fangemeinde aufgebaut. Vintage-Teile wie Jeans, Anzüge, Hemden und Blazer werden möglichst lokal gesucht, in Wien per Hand auseinandergenommen und neu zusammengesetzt. Kommen doch einmal neue Materialien hinzu, dann ausschließlich plastikfreie Stoffe wie Bio-Baumwolle und recycelte Knöpfe. Da der Großteil des Teams aus der Ukraine stammt, arbeitet Nearon außerdem mit Charity-Projekten zusammen, die Kinder und Frauen im Kriegsgebiet unterstützen. 

2. Avenir

Die Wahl-Berlinerin Sophie Claussen arbeitete für einige Jahre bei großen Modehäusern in Paris und London, bevor sie merkte: Wir produzieren einfach zu viel Kleidung. Anfang 2020 gründete sie deshalb ihr eigenes Label Avenir und verfolgt damit einen zweigleisigen Ansatz: Die „Blue Line“ bietet einzigartige, auf Bestellung gefertigte Upcycling-Kleidung, die Individualität und Slow Design zelebriert. Die „Red Line“ bietet erschwingliche, umweltbewusste Konfektionsware. Die Kleidungsstücke haben dabei immer eine eigene Handschrift, die sich wie ein roter Faden durch alle Designs zieht: Cutouts, avantgardistische Silhouetten gepaart mit Business-Looks und das Weglassen von üblicher Sommer- und Winteraufteilung. Gefertigt wird in Portugal, Polen und Berlin.

3. MOOT

Der Name MOOT steht zwar für „Made Out Of Trash“, die Kleidung des Berliner Labels ist aber alles andere als trashig. Gründer Nils, ausgebildeter Modedesigner, und Michael, studierter BWLer, machen aus aussortierten Textilspenden Jacken, Hemden, Kleider und noch viel mehr. Die zwei Wahlberliner und besten Freunde wollen die Welt der Mode mit ihrem Upcycling-Label ökologischer machen und Textilmüll reduzieren. Außerdem sollen die Kund*innen wissen, wofür genau sie bezahlen: Den Preis eines jeden Unikats sieht man verständlich aufgeschlüsselt auf der jeweiligen Produktseite. Im MOOT-Shop im Berliner Ostbahnhof ist zudem auf einer ganzen Wand der Kreislauf von den gespendeten Textilien bis zum neuen Kleidungsstück abgebildet. Im Sommer 2023 eröffneten Nils und Michael im Prenzlauer Berg in Berlin einen zweiten Laden; der Flagshipstore erstreckt sich auf 100 Quadratmetern. Da das Label stetig wächst und mehr Nachschub an Altkleidung benötigt, können seit Mai 2023 online und in eigenen Containern der MOOT-Läden Textilien gespendet werden.

4. Collina Strada

Das Upcycling-Label aus L.A. zählt zu den Mode-Rebell*innen der Stunde. Die aktuelle Frühlingskollektion von Collina Strada entwarf Gründerin und Chefdesignerin Hillary Taymour mit Künstlicher Intelligenz; die Models auf ihrer Frühling 2024 Show während der New Yorker Fashion Week liefen mit einem unheimlichen Lächeln über den Laufsteg. „Wir sind alle dem Untergang geweiht. Die Welt steht in Flammen, aber wir machen eine Modenschau, weil das ist, was wir können“, erklärte die Designerin in ihrem Atelier in Chinatown der Presse den Hintergrund ihrer Präsentation. Immer schon arbeitet das Label mit Deadstock, also übrig gebliebenem Material, aber auch veganer Seide aus Rosen und recycelter Baumwolle. Collina Strada kooperiert außerdem mit der Or-Foundation und verwertet Kleidungsstücke aus dem Kantamanto-Markt in Ghana wieder, die dort sonst wahrscheinlich auf der Müllhalde landen würden.

5. Helen Kirkum

In ihrem Londoner Studio kreiert Helen Kirkum Upcycling-Unikate aus ausgedienten Sneakers. Die tragbaren Kunstwerke sind bereits gefragt: Schuhlabels wie Adidas und Reebok klopfen regelmäßig an die Tür der britischen Designerin. Die Initialzündung dazu kam ihr im Mode- und Designstudium: Als sie für ein Projekt ihren Freundeskreis um ausgemusterte Sneakers bat, konnte sich niemand von seinen alten Tretern trennen, waren sie auch noch so löchrig. Helen merkte: Wie kaum ein anderes Kleidungsstück begleiten uns Lieblingssneaker durch die Hochs und Tiefs des Alltags, oft sogar länger als ein Jahrzehnt. Dieser besonderen Verbindung wollte die Designerin ein Denkmal setzen – das Konzept ihres eigenen Schuhlabels war geboren. Heute ist Helen Kirkum Studio bereits ein florierendes Label mit funktionierendem Konzept: Es arbeitet entweder mit einem riesigen Recyclinglager in Wembley zusammen oder setzt alte Sneaker von Kund*innen auf Anfrage wieder ganz neu zusammen.

6. Bettter

 

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„His Wardrobe, reimagined for her“ – das ist das Motto von Bettter, dem Label von Designerin Julie Pelipas. Sie hat große Ambitionen: Die ehemalige Fashion-Direktorin der ukrainischen Vogue möchte mit ihrem Herzensprojekt den Upcycling-Markt stylischer und auch wirtschaftlich skalierbarer machen. Seit 2019 stellt Pelipas mit Bettter aus nicht mehr benötigten Herrenanzügen neue Damenkleidung her. Die, so das zweite Anliegen der Designerin, soll wirklich alle Körperformen abdecken und auch große Kleidergrößen nicht auslassen. Deshalb sind die Anzüge auch so designt, dass sie jeweils bis zu drei Kleidergrößen passen. Durch den Krieg in der Ukraine rief das Label außerdem die bettter.COMMUNITY ins Leben, um die lebendige Kultur ihres Heimatlandes in die Welt hinauszutragen und das Wachstum ukrainischer Unternehmen zu fördern. Julie Pelipas ist außerdem Botschafterin für die No More Plastic Foundation.

7. FREITAG

Die Schweizer Marke Freitag gehört zu den Pionieren unter den Upcycling-Labels. Mit dem Wunsch nach funktionellen Taschen aus wasserabweisenden, robusten Stoffen im Kopf beobachteten die Brüder Daniel und Markus vorbeifahrende LKWs. Die Idee, die 1993 daraus entstand, ist heute weltbekannt. Mittlerweile gibt es von Freitag auch Rucksäcke, Handy- und Laptop-Cases und sogar Kleidung. Zusätzlich zu alten LKW-Planen, Fahrradschläuchen und Autogurten wird seit Kurzem auch ein aus 100 Prozent recyceltem PET gewonnener Stoff eingesetzt: Direkt in der Zürcher Produktionsstätte werden dafür alte LKW-Planen zerlegt, gewaschen und zugeschnitten, bevor aus diesen Fasern in Schweden neue Produkte entstehen. Dank modernster Technologie passiert das anschließende Färben auch noch wasser- und energiesparend. Für Kleidung kommt die von Freitag eigens entwickelte „F-ABRIC“ aus Bastfasern zum Einsatz. Der Stoff wird in Europa produziert und ist zur Gänze biologisch abbaubar.

8. Bridge & Tunnel

 

 

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Das Hamburger Label Bridge & Tunnel macht Upcycling-Produkte für den B2B-Bereich. Von Scrunchies über Bucket Hats bis hin zur Kissenhülle wird hier unter dem Motto „Talents over diploma“ gefertigt. Textildesignerin Lotte und Kulturwissenschaftlerin Conny gründeten das Label als Social Business. Die Mitarbeiter*innen ihres Upcycling-Labels suchen sie nicht nach Zeugnissen oder Abschlüssen aus, sondern nach Talent. Und nach Fertigkeiten in Sachen Textilherstellung, die sie aus ihren Heimatländern oder ihrem Familienkontext mitbringen, wie es auf der Website des Labels heißt. Die Accessoires entstehen dabei aus textilen Resten, die sie von Unternehmen einsammeln. So werden aus Samples Reisetaschen, aus Werbebannern Laptopsleeves, aus Sweatern Shopper oder aus Handtüchern Schuhbeutel oder Wäschesäcke. 

9. Fateeva

Das Label Fateeva ist nicht für jede Geldbörse geeignet. Das Sortiment an handgefertigten, qualitativ hochwertigen Teilen – überwiegend Unisex-Entwürfe – ist aber auch nicht auf den Massenmarkt ausgelegt. Daher liegen die Preise auch im oberen dreistelligen Bereich. Entscheidet man sich für ein Kleidungsstück aus recycelten Materialien, produziert in limitierter Auflage, kauft man einen Begleiter fürs ganze Leben. Designerin Elizaveta Fateeva wuchs zwischen Sibirien und Wien auf und war bei Modehäusern wie Lanvin, Jil Sander und Raf Simons tätig, bevor sie ihr Upcycling-Label gründete. Besonders beliebt ist die Kimono-Linie, die aus übrig gebliebener italienischer Seide und Vintage-Seidenschals entsteht. Produziert wird in Österreich, Italien und kleinen Manufakturen in Lettland. Im Sortiment sind aber auch drei handgemachte Unisex-Schuhmodelle, hergestellt unter fairen Bedingungen in Portugal. Weniger, dafür besser, so das Motto von Gründerin Elizaveta.

10. Wiederbelebt

 

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Das Label Wiederbelebt steht für skandinavischen Minimalismus. Das Design, die Auswahl der „geretteten” Stoffe wie Seide, Viskose oder auch Baumwolle, die Produktion der Mode und ihre finale Kontrolle – alles findet in Stuttgart/Fellbach statt. Das Thema Upcycling sieht man hier nicht als Bürde, sondern als Möglichkeit: „Du kannst immer etwas Besonderes bei uns finden, denn die Vielfalt an Stoffen, die entsorgt werden, ermöglicht uns kreativen Spielraum im Design“, heißt es vonseiten des Labels. Das Konzept kommt auch bei großen Unternehmen gut an: Im Frühjahr 2023 arbeitete Wiederbelebt mit der Modemarke Marc Cain zusammen und fertigte die komplette Sommerkollektion 2023 aus Stoffüberschüssen des Modeunternehmens.

 

Autorin: Jenni Koutni

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