EU-Lieferkettengesetz: Was ist vorgesehen und was nicht?

Das deutsche Lieferkettengesetz tritt 2023 in Kraft. Jetzt gibt es endlich auch Neuigkeiten auf EU-Ebene. Was sieht der Richtlinienvorschlag vor?

EU-Lieferkettengesetz: Was ist im Gesetzesentwurf?

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Am 27. Januar 2021 stimmte der Rechtsausschuss des EU-Parlaments fast einstimmig für ein starkes Lieferkettengesetz auf EU-Ebene. Damit wurde der Ball an die EU-Kommission abgegeben, um ebendieses zu liefern.

Der Gesetzentwurf für ein Lieferkettengesetz auf EU-Ebene

Brüssel, 23. Februar 2022. Nach mehrfachem Verschieben hat die Europäische Kommission nun endlich einen Gesetzentwurf veröffentlicht. Es soll ein Wendepunkt sein im Kampf gegen die Straflosigkeit von Unternehmen, ist jedoch – wie erwartet – auch voller Mängel und Ausnahmen.

Was ist vorgesehen?

Der Richtlinienvorschlag würde EU-Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter*innen und einem Umsatz von mehr als 150 Millionen Euro dazu verpflichten, Menschenrechts- und Umweltverletzungen entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette durch die Durchführung sogenannter „Due Diligence“ zu verhindern. Due Diligence ist ein Prozess zur Identifizierung, Vermeidung, Beendigung, Minderung und Bilanzierung der negativen Auswirkungen von Geschäftsaktivitäten, einschließlich derjenigen von Tochtergesellschaften, Subunternehmern und Lieferanten.

In Branchen, in denen das Ausbeutungsrisiko besonders hoch ist, wie beispielsweise in der Landwirtschaft oder der Textil- und Bekleidungsindustrie, würden Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeiter*innen und einem Umsatz von 40 Millionen Euro erfasst. Auch Nicht-EU-Unternehmen im Binnenmarkt, die diese Umsatzschwellen überschreiten, würden vom Gesetz erfasst.

Das bedeutet also: Der Gesetzentwurf würde nur für knapp ein Prozent der EU-Unternehmen gelten und ignoriert so viele schädliche Geschäftsvorgänge. Die Mitarbeiter*innenzahl und der Jahresumsatz sind keine zuverlässigen Indikatoren dafür, wie sich ein Unternehmen auf das Leben von Arbeitnehmer*innen und Gemeinschaften weltweit auswirkt.

Der Vorschlag sieht zudem vor, dass Unternehmen für Schäden haftbar gemacht werden können. Opfer haben die Möglichkeit, vor EU-Gerichten zu klagen. Dies ist ein wichtiger Schritt, der für Betroffene von unternehmerischem Fehlverhalten einen Rechtsbehelf schafft. Der Gesetzentwurf enthält außerdem weitere wichtige Elemente, wie die Einrichtung neuer Aufsichtsbehörden in den EU-Mitgliedstaaten, um Anordnungen zu erteilen und Sanktionen zu verhängen. Unternehmen müssen bei der Bewerbung um öffentliche Aufträge nachweisen, dass sie nicht wegen Sorgfaltspflichtverletzungen sanktioniert wurden.

Die Kommission sieht vor, dass Unternehmen einen Klimaschutzplan verabschieden, der dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens entspricht. Sie sieht jedoch keine konkreten Konsequenzen für die Verletzung dieser Klimapflicht vor, wodurch die Gefahr besteht, dass sie unwirksam wird.

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Was ist nicht vorgesehen?

Der Text impliziert, dass Unternehmen ihre Verpflichtungen erfüllen könnten, indem sie bestimmte Klauseln in ihre Verträge mit Lieferanten aufnehmen und den Überprüfungsprozess an Dritte auslagern. Unternehmen sollte es jedoch nicht gestattet sein, ihre Verantwortung auf ihre Lieferanten abzuwälzen oder durch die Teilnahme an freiwilligen Branchenprogrammen mit Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden davonzukommen.

Due-Diligence-Prozesse müssen zudem nur Auswirkungen durch sogenannte „etablierte“ (d. h. dauerhafte) Geschäftspartner verhindern. Dies öffnet eine weitere kritische Lücke: Da kurzfristige Beziehungen nicht abgedeckt werden, besteht die Gefahr, dass der Vorschlag Unternehmen dazu anregt, regelmäßig den Lieferanten zu wechseln, um Haftungen zu vermeiden.

Der Gesetzentwurf trägt auch nicht dazu bei, rechtliche Hürden bei der Erhebung grenzüberschreitender Verfahren gegen Unternehmen zu beseitigen – wie beispielsweise hohe Kosten, kurze Fristen, eingeschränkter Zugang zu Beweismitteln, eingeschränkte Klagebefugnis und eine unverhältnismäßige Beweislast. Gerichtsverfahren werden also weiterhin kostspielig, langwierig und kompliziert sein.

Wie geht es jetzt weiter?

Der Vorschlag der Kommission wird in den kommenden Monaten und Jahren vom Europäischen Parlament und den Regierungen geändert und gebilligt. In manchen Ländern Europas, darunter auch Luxemburg und die Niederlande, schreiten parallele Gesetzgebungsverfahren voran, die das Potenzial haben, die Lücken des Kommissionsvorschlags zu schließen.

Titelbild: Jorgen Hendriksen | Unsplash

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