Kaum zu glauben, dass ich noch nie darüber nachdenken musste, was ich wohl anziehe, wenn die Erde immer heißer wird. Und wie traurig die Erkenntnis, dass dies seit einigen Jahren in vielen Teilen der Welt Menschen schon immer tun. Sie schützen sich mit ihrer Kleidung gegen extreme Hitze oder tragen Kopfbedeckungen gegen die Sonneneinstrahlung.
Innovative Textilien gibt es mittlerweile viele. Egal ob Algenfasern, Stoff aus synthetischer Spinnenseide oder veganes Leder – die Menschheit lässt sich immer wieder Neues, Spannendes einfallen. Doch wie kleiden wir uns bei extremem Wetter? Wie werden wir unsere Kleidung an den Klimawandel anpassen? Wenn die Welt um uns zusammenbricht, wen interessiert es noch, wie cool oder uncool unsere Kleidung aussieht? Es geht um Funktionalität. Es muss praktisch sein. Hauptsache angezogen, oder?
Leider ist mit erst vor kurzem so richtig bewusst geworden, wie wichtig die richtige Kleidung, und damit auch der richtige Stoff auf einem Planeten sein wird, der immer heißer wird.
Ich habe einen Artikel gelesen, der über den Test eines neuen lichtreflektierenden Materials berichtet hat. Ein Doktorand der Zhejiang University in China saß eine Stunde lang im direkten Sonnenlicht und trug dabei eine scheinbar schlichte, weiße Weste. Forscher*innen überwachten seine Körpertemperatur mit Infrarotkameras und Sensoren auf seiner Haut. Die Hälfte der Weste bestand aus gewöhnlicher Baumwolle, die andere aus Metastoff – einem neuen, experimentellen Textil aus synthetischen Fasern und Nanopartikeln, die Licht und Wärme reflektiert. Nach einer Stunde in der Sonne war die Hälfte des Doktoranden, die mit dem Metastoff bedeckt war, fast fünf Grad Celsius kühler als die, die mit der Baumwollweste bedeckt war.
Die Forscher*innen hoffen, dass Materialien wie dieses auch Verletzungen und Todesfälle durch extreme Hitze reduzieren können. Sie könnten sogar dazu beitragen, CO2-Emissionen zu verringern, indem sie den Bedarf an Klimatisierung und Heizung reduzieren.
Kleidung, die Todesfälle durch extreme Hitze reduzieren könnte. So weit sind wir nun also schon? Das Ganze klingt mir zu futuristisch, vielleicht sogar etwas abgedreht. Doch, wenn wir realistisch sind, wird sich wohl oder übel so einiges ändern müssen in unserem Kleiderschrank.
Nach einer erfolgreichen Suche im World Wide Web, finde ich heraus, wie weit die Technologie schon ist: reaktive Kleidung, die ihr Muster verändert, wenn ein erhöhter Gehalt an schädlichen Partikeln in der Luft festgestellt wird; T-Shirts, die auf Wasserverschmutzung reagieren. Wow, nach einigen Klicks schwirrt mir ganz schön der Kopf.
Baumwolle aus dem Labor
Was kommt noch? Vielleicht werden wir ja bald auch T-Shirts aus im Labor angebauter Baumwolle tragen, weil wir den gesunden Boden, der uns noch bleibt, nutzen werden müssen, um Nahrungsmittel anzubauen. Es gibt ja schon Diamanten aus dem Reagenzglas, sogar Fleisch. Warum also nicht auch Baumwolle?
Das dachte sich wohl das US-amerikanische Start-up Galy und revolutioniert die Baumwollproduktion nun mit zellularer Landwirtschaft. Es baut die Pflanze aus Zellen – eine sogenannte In-Vitro-Baumwollproduktion, die die Pflanze zehnmal schneller wachsen lässt als herkömmliche Baumwolle, die auf großen Farmen angebaut wird. Die in Galys Labor angebaute Sorte kann überall angebaut werden, ohne von Boden- und Wetterbedingungen abhängig zu sein und ohne unseren Planeten zu erschöpfen.
Das Team gibt an, dass diese Methode etwa 80 Prozent weniger Wasser und Land verbraucht. Wenn wir uns mal anschauen, wie knapp das Wasser oder fruchtbares Land in einigen Ländern ist, kommt diese im Labor angebaute Baumwolle genau richtig. Vielleicht werden wir in Zukunft auch andere Naturfasern im Labor anbauen (müssen).
Ja, es klingt spannend und bahnbrechend. Doch es erfüllt mich gleichzeitig auch mit einer tiefen Traurigkeit, dass wir den Planeten und seine Ressourcen so sehr ausgelastet haben und nun dringend nach Lösungen suchen müssen, um das Leben auf der Erde doch noch angenehm zu gestalten.
Kopfhörer, die Sturmwarnungen abgeben?
Die Zukunft wird noch einiges für uns bereithalten. Feuerfeste Kleidung für Menschen, die in Zonen leben, die anfällig für Waldbrände sind? So makaber und dystopisch wie dies auch klingen mag, ich kann mir mittlerweile alles vorstellen.
Das erinnert mich an die Konzeptlinie mit dem Titel Unfortunately, Ready to Wear, die in Zusammenarbeit mit dem Influencer Luka Sabbat, Milk Studios und dem Natural Resources Defense Council entstand. Hier wurden skurrile Kleidungsstücke und Accessoires entworfen, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen: Eine Kapuze, die über ein Moskitonetz verfügt und als Gesichtsmaske zum Schutz vor Infektionskrankheiten dient. Solarbetriebene Kopfhörer, die Sturmwarnungen abgeben. Ein Bandana mit austauschbaren Filtern, das bei Bränden vor Rauch schützt. Ein Rucksack, der gleichzeitig als Schlafsack dient für Menschen, die aus ihrem Zuhause fliehen müssen und über eine abnehmbaren Seite verfügt, die Wasser filtert. Funktionale Kleidung für extreme Lebensbedingungen.
„Das sind keine Dinge, die [wir] in Zukunft brauchen werden – das sind Dinge, die [wir] jetzt brauchen“, meinte der Mitgründer der Milk Studios damals. „Wir sprechen über die Gegenwart – die Brände, die Umweltverschmutzung, die Migration, die der Klimawandel in der Welt hervorruft.“
Ich zögere. Vielleicht hat er damit Recht.
Was meint ihr? Wie werden wir uns in Sachen Kleidung an den Klimawandel anpassen?
Titelbild: Wogzer via Unsplash
Dieser Artikel wurde erstmalig 2021 veröffentlicht. Aktualisierung 2022.