Eine bestürzende Recherche von STAND.earth kann zahlreichen großen Modekonzernen einen oder gar mehrere Zusammenhänge mit der Abholzung des Amazonas Regenwaldes nachweisen. Dazu zählen die üblichen Fast-Fashion-Verdächtigen wie Zara, Nike, Adidas, Deichmann, Decathlon, aber auch Luxuskonzerne wie der LVMH Konzern (zu dem beispielsweise auch Fendi und Louis Vuitton gehören). Aber auch einigen eher nachhaltig wirkenden Großunternehmen wie Toms und Teva konnten eindeutig Verbindungen zur Rodung des Amazonas Regenwaldes nachgewiesen werden.
Entwaldungsfreie Lieferketten in der Modeindustrie sind keine Garantie
Dieser Zusammenhang – zwischen Unternehmen und Entwaldungsprozess – entsteht, indem die Unternehmen selbst oder Zulieferer innerhalb der Produktionskette, Leder aus Brasilien beziehen. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist sehr hoch, denn Brasilien zählt zu den größten Lederexporteuren der Welt. Zahlreiche Studien und Recherchen konnten den größten brasilianischen Leder- und Fleischexporteur JBS als größten Kontributor zur Abholzung des brasilianischen Regenwaldes identifizieren.
Viele verarbeitende Betriebe und Modekonzerne, welche Leder aus Brasilien beziehen, versuchen das Risiko für einen Beitrag zur Abholzung des Amazonas Regenwaldes auszuschließen, indem sie sich auf die Arbeit der Leather Working Group (LWG) beziehen. Die LWG ist aktuell jedoch nicht in der Lage, das Leder zur Farm zurückzuverfolgen, auf welcher das Tier aufgewachsen ist. Die Rückverfolgbarkeit ist momentan nur bis zum Schlachthaus möglich. Das LWG-Siegel, mit dem sich beispielsweise auch das in Brasilien produzierende Fair Fashion Label Veja schmückt, kann also keine entwaldungsfreie Lieferkette garantieren.
Warum Klimaschutz gerade in Brasilien so wichtig ist
Brasilien ist das fünftgrößte Land der Welt (größer als Australien zum Beispiel). Da kann schnell der Eindruck entstehen, dass ein paar gefällte Bäume nicht so schlimm sind. Doch gerade Brasilien trägt mit seinen großen Regenwäldern und der darin enthaltenen Biodiversität zur Stabilisierung des Weltklimas und zur Verlangsamung des Klimawandels bei. Das erklärt, warum der Amazonas Regenwald die „Lunge der Erde” ist.
Trotz der Schwierigkeiten bei der Durchsetzung und Einhaltung verfügt Brasilien über eine ziemlich umfassende und fortschrittliche Umweltgesetzgebung. Seit dem Amtsantritt der jetzigen Regierung haben jedoch mehrere Gesetzgebungsakte das Ziel verfolgt, diese Gesetzgebung zu schwächen. Während der Pandemie hat sich dieses Muster mit knapp 23 Gesetzen zur Deregulierung oder Lockerung der aktuellen Umweltgesetzgebung verstärkt – seit Januar 2019 sind es im Ganzen über 50 Gesetze. Es wurden unter anderem Budgets gekürzt und die verfügbare Infrastruktur für Strafverfolgungsoperationen reduziert, die Flugzeugunterstützung und komplexe Logistik erfordern.
Obwohl Brasilien sich vor allem jetzt um den Schutz seiner Wälder kümmern müsste, weicht es stattdessen immer mehr Gesetze und Verordnungen für effektiven Umwelt- und Klimaschutz auf. Dies wird mit der Förderung der heimischen Wirtschaft begründet. Zusätzlich zu der Vertreibung von indigenen Völkern, erreicht die Zerstörung des Regenwaldes, vor allem durch Brandrodung, jedes Jahr neue, noch katastrophalere Ausmaße. Das ist umso dramatischer, da inzwischen nachgewiesen werden konnte, dass der Amazonas Regenwald stellenweise inzwischen mehr CO2 emittiert als speichert.
Dabei wurden nur Zahlen bis 2018 ausgewertet. Auch im Zeitraum von 2020 bis 2021 wurde erneut die höchste Anzahl an Waldbränden seit 15 Jahren gezählt. Dabei unterschrieb Brasilien auf der COP26 im November eine Erklärung, das Waldsterben bis 2028 zu stoppen und umzukehren. Ein Vorhaben, das wenig ernst gemeint klingt, aber umso dringender notwendig ist.
Ein Lieferkettengesetz gegen die Abholzung
Viele Unternehmen ignorieren oder unterschätzen die eigene Verantwortung – und somit die Gefahren innerhalb der Lieferkette. Während auf der einen Seite das deutsche Sorgfaltspflichtgesetz vor der Tür steht und mit Bußgeldern sowie dem Ausschluss von öffentlichen Verträgen droht, wird auf EU-Ebene aktuell an zwei verschiedenen Gesetzen gefeilt, die die Lieferketten der Unternehmen betreffen.
Zum einen, sollte noch im Jahr 2021 ein Gesetzesentwurf für ein europaweites Lieferkettengesetz vorgestellt werden, denn bisher haben nur Frankreich, Deutschland und das ehemalige EU-Mitglied Großbritannien solche Gesetze beschlossen. Dieses Vorhaben wurde nun aber auf 2022 verschoben.
Ebenfalls wurde auf Ebene der Europäischen Union eine Verordnung für entwaldungsfreie Produkte und Lieferketten vorgestellt. Demnach müssen Unternehmen für definierte Risikoprodukte nachweisen, dass diese nicht mit der Abholzung von Wäldern im Zusammenhang stehen. Das Ziel: Nur noch risikofreie Produkte dürfen auf dem europäischen Binnenmarkt, also auch Deutschland, verkauft werden.
Warum entwaldungsfreie Lieferketten so wichtig sind
Das Problem der Abholzung und Brandrodung sowie der Zerstörung von unschätzbarem Ökosystem, die infolgedessen entsteht, muss viel stärker im Kontext der Profitgier von Unternehmen betrachtet werden. Denn die illegale Rodung von Waldflächen und Regenwäldern dient meistens dazu, den fruchtbaren Boden landwirtschaftlich zu nutzen. Zu den von der EU geförderten Risikoprodukten zählen unter anderem Soja, Rindfleisch, Palmöl, Holz, Kakao und Kaffee sowie bestimmte daraus hergestellte Produkte wie Schokolade, Möbel und Leder.
Zudem ist die Entwaldung ein Beschleuniger der Klimakrise, denn in den besonders diversen Regenwäldern der Welt (der Amazonas zum Beispiel), kann doppelt so viel CO2 gespeichert werden, als in unseren temporären Wäldern. Der Weltklimarat schätzt, dass im Zeitraum von 2007 bis 2016 insgesamt 23 Prozent aller anthropogenen (also durch den Menschen verursachten) Treibhausgasemissionen aus der Land- und Forstwirtschaft (AFOLU) sowie anderen Landnutzungen stammen. Dazu gehören unter anderem die Viehhaltung und der Anbau von Tiernahrungsmitteln.
Der Vorschlag zur EU-Verordnung sieht folgendes vor: Für Produkte und Erzeugnisse, welche mit Waldschäden und Entwaldungsprozessen in Verbindung gebracht werden, müssen Unternehmen die geografischen Koordinaten des Erzeugungslandes aufführen. Die Europäische Union plant diese Informationen mit eigenen Informationen abzugleichen, um das Risiko eines bestimmten Produktes im Zusammenhang der Entwaldung und Brandschädigung als entweder gering, mittel oder hoch einzustufen. Die Berichtspflichten der Unternehmen variieren dann nach dieser Risikoeinschätzung.
Zusätzlich plant die EU in Zusammenarbeit mit Forschenden, Regierungen, Partnerländern, Privatsektor und Zivilgesellschaft das Problem weiter zurückzudrängen. Wie das konkret aussehen kann, ist zur Veröffentlichung des Artikels noch nicht bekannt.
Wie sollten Unternehmen und Konsument*innen agieren?
Das deutsche Sorgfaltspflichtengesetz ist ein erster wichtiger Schritt, um Unternehmen auf die teilweise zahlreichen Menschenrechtsverletzungen im Rahmen ihrer Lieferkette aufmerksam zu machen und die Probleme zu adressieren. Bald wird hoffentlich auch eine weitreichendere Verordnung auf europäischer Ebene folgen. Eine Gesetzgebung für entwaldungsfreie Lieferketten, als Schritt zur Förderung von Transparenz und Klimaschutzstandards, haben sich auch einige Unternehmen gewünscht.
Denn dank eines steigenden Bewusstseins für Sozial- und Nachhaltigkeitsstandards der Verbraucher*innen und Konsument*innen, und der unermüdlichen Aufklärungsarbeit von NGOs, Bewegungen und Vereinen, geraten Unternehmen immer mehr unter Handlungsdruck. Sie lobbyieren mehr und mehr für bessere Umweltstandards, damit sie selbst keinen Wettbewerbsnachteil erhalten. Da die Gesetze aber noch nicht beschlossen beziehungsweise ausgeübt werden, dürfen wir in unseren Nachfragen und Forderungen nicht nachlassen. Unternehmen und Konsument*innen sind bereit für den Wandel – es ist also an der Zeit, dass die Politik schnell und strikt tätig wird.
Wusstest du, dass aktuell nur wenige Unternehmen entwaldungsfreie Lieferketten garantieren können?
Titelbild: Yasin Aribuga via Unsplash