„Kollaborationen, Zusammenarbeit und Schwarmintelligenz sind unabdingbar, um unsere Industrie zu verändern und existenzsichernde Löhne entlang der Lieferkette zu sichern,“ findet Marian von Rappard, Mitgründer von Dawn Denim und Inhaber einer vietnamesischen Textilfabrik Evolution. Doch genau daran scheitert die Industrie immer wieder: Die Good Clothes, Fair Pay-Kampagne zu existenzsichernden Löhnen in der EU konnte sich nicht durchsetzen und der Fairtrade Textilstandard findet zu wenig Unternehmen, die bereit sind, existenzsichernde Löhne zu zahlen.
Trotzdem setzt sich Dawn Denim seit Jahren für Existenzlöhne ein und zahlt diese in ihrer eigenen Textilproduktion in Saigon, die Mitgründer Marian von Rappard gegründet hat. Nun möchte Marian das Ganze auf die nächste Stufe heben und flächendeckend entlang der Lieferkette einen Lohn zum Leben zahlen. Dafür sucht er Gleichgesinnte, denen das Thema ebenfalls wichtig ist, um so mit vereinten Kräften existenzsichernde Löhne durchzusetzen.
„Faire“ Bezahlung bedeutet bislang oftmals nur die Zahlung eines Mindestlohns. Da der Mindestlohn jedoch politisch festgelegt ist, variiert dieser von Land zu Land sehr stark. In Europa werden laut der WSI-Mindestlohndatenbank in 30 von 47 Ländern Mindestlöhne gezahlt. In Bulgarien beträgt dieser beispielsweise 2,41 Euro pro Stunde, also 385 Euro im Monat bei einer 40-Stunden-Woche. Um nicht unter die Armutsgrenze zu fallen, so berechnet es die Kampagne für Saubere Kleidung, müsste der Basis-Existenzlohn in Bulgarien bei 1.026 Euro Euro im Monat liegen (Stand 2021).
Existenzsichernde Löhne sind ein Minimum für ein menschenwürdiges Leben, also einen Lohn, der einen angemessenen Lebensstandard für eine*n Arbeitnehmer*in und seine*ihre Familie gewährleistet. Dabei reicht der Lohn bei einer Wochenarbeitszeit bis zu 48 Stunden für die Grundversorgung aus – Essen, Wasser, Unterkunft, Bildung, Gesundheitsversorgung, Kleidung und Freizeitaktivitäten – und ermöglicht darüber hinaus, Ersparnisse für unerwartete Ereignisse zur Seite zu legen.
Um den Lohn für ein menschenwürdiges Existenzminimum zu berechnen, gibt es verschiedene Berechnungsmodelle, wie den Wage Indicator, die Lohnformel der Asia Floor Wage Alliance oder die Anker-Methode, jedoch keinen anerkannten Standard.
Übrigens: Die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen halten fest, dass eine gerechte Bezahlung Teil der unternehmerischen Sorgfaltspflicht ist.
Während der Einfluss von kleineren Brands zu gering sei, fehle bei großen Playern oft das Interesse für Veränderungen. Genau deshalb möchte sich Dawn Denim im Rahmen eines Pilotprojekts mit anderen Brands zusammenschließen: „Mit dem Zusammenschluss möchte ich raus aus der Bubble und beweisen, dass sich Geschäftsmodelle, in denen ein Existenzlohn verankert ist, durchsetzen können. Im Pilotprojekt können wir praxisnahe Expertisen austauschen und finanzielle Kräfte bündeln, um mehr Kaufkraft und damit Marktmacht zu erlangen. So können wir positiven Einfluss auf die gesamte Lieferkette nehmen: sei es beim Bio-Baumwollbauer oder Knopfhersteller.“ Dafür möchte Marian auch die eigenen Fabriktüren für andere Brands und Organisationen öffnen, um Chancen und Herausforderungen offen zu besprechen.
„Im Pilotprojekt können wir praxisnahe Expertisen austauschen und finanzielle Kräfte bündeln, um mehr Marktmacht zu erlangen. So können wir positiven Einfluss auf die gesamte Lieferkette nehmen: sei es beim Bio-Baumwollbauer oder Knopfhersteller.”
– Marian von Rappard, Gründer Dawn Denim und Evolution
Marians Wunsch ist es darüber hinaus, das Pilotprojekt journalistisch begleiten zu lassen, damit Erfolge und Misserfolge transparent dokumentiert werden können. Außerdem sucht er den Austausch mit politischen Entscheidungsträger*innen, denn „Unternehmen dürfen keinen Wettbewerbsnachteil haben, wenn sie mehr machen, als per Gesetz gefordert wird. Nur mit den richtigen Anreizen und Rahmenbedingungen sind systemische Veränderungen möglich, die sich positiv auf alle Menschen in der Lieferkette auswirken.“
Du bist an einer Partnerschaft zu existenzsichernden Löhnen interessiert?
Du zahlst bereits existenzsichernde Löhne und suchst noch Verbündete an deiner Seite?
Du zahlst keine Existenzlöhne, möchtest dich aber über eine mögliche, gemeinsame Partnerschaft austauschen?
Du arbeitest in einer Organisation, die sich für gerechte Entlohnungen einsetzt und hierzu Know-how hat?
Du bist Journalist*in und an einer Berichterstattung über den Versuch, Existenzlöhne in der Modebranche durchzusetzen, interessiert?
Du arbeitest in einem Wirtschaftsverband, bist politisch gut vernetzt oder arbeitest im Politikbetrieb und bist an einem Gespräch über faire Bezahlung interessiert?
Dann schreib eine E-Mail an marian@evolution3.com
Du willst mehr zum Thema wissen? Dann bist du bei uns richtig. Denn: Marian von Rappard wird auf der Fashion Changers Konferenz 2023 einen Vortrag zu dem Thema halten. Dabei wird er unter anderem auf folgende Aspekte eingehen:
- Warum es existenzsichernde Löhne braucht und wir diese nur gemeinsam erreichen können
- Wie sich Geschäftsmodelle, in denen ein Existenzlohn verankert ist, durchsetzen können
- Wie echte Partnerschaften rund um existenzsichernde Löhne aussehen können
Dieser Programmpunkt orientiert sich am SDG 8 „Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum“ und SDG 17 „Partnerschaften zur Erreichung der Ziele“ der 17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen.
Titelbild (c) Pexels
Foto Dawn Denim (c) Andrea Katheder