Warum dein Kleiderschrank mehr CO2 verbraucht als du denkst

Wenn wir über unseren persönlichen CO2-Fußabdruck sprechen, denken wir an: weniger fliegen, mehr pflanzlich essen und das Auto stehen lassen. Die Emissionen, die unsere Kleidung verursacht, vergessen wir hingegen gerne mal.

Co2-Verbrauch-Mode

Warum das so ist und wie wir unseren CO2-Verbrauch im Kleiderschrank verringern können, haben wir Florian Henle vom Ökostromanbieter Polarstern gefragt.

Der Energieverbrauch von Kleidung

Laut Greenpeace kaufen Menschen in Deutschland 60 Kleidungsstücke im Jahr. Jedes einzelne davon muss produziert werden. Jedes einzelne verbraucht Ressourcen. So weit, so logisch. Aber welchen Energieverbrauch verursacht ein Kleidungsstück eigentlich nach der Produktion, wenn es längst im Kleiderschrank hängt? Wie kann man ihn verringern? Und welche Rolle spielen Modeunternehmen in der Energiewende? Wir haben mit Florian Henle, Mitgründer und Geschäftsführer vom Ökostromanbieter Polarstern gesprochen.

Florian hat Polarstern im Frühjahr 2011 – also kurz nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima – gemeinsam mit Simon und Jakob gegründet. Das Ziel des unabhängigen Ökoenergieversorgers: die Energiewende maßgeblich voranzutreiben – mit neuen Produkten und einem am Gemeinwohl orientierten Wirtschaften. Ihr Ziel: Mit Energie die Welt verändern.

Wie viel CO2 verursacht es, ein Kleidungsstück zu produzieren?

Florian Henle: „Das hängt individuell vom Kleidungsstück ab. Bei einem Damen Shirt aus Baumwolle sollen laut einer Studie der Beratung Sustain Consulting rund 11 Kilogramm CO2 anfallen. Davon sind 40 Prozent der CO2-Emissionen auf den Baumwollanbau und die Produktion zurückzuführen.“

Das bedeutet also, dass auch ein großer Teil der Emissionen entsteht, nachdem ein Kleidungsstück bereits produziert und im Laden gekauft wurde?

Florian Henle: „Der Energieverbrauch nach dem Kauf spielt eine große Rolle! Vor allem, wenn das Kleidungsstück viel getragen wird. Im genannten Beispiel sind es 31 Prozent der CO2-Emissionen, die auf die Gebrauchsphase entfallen. Du wäschst und trocknest deine Kleidung regelmäßig. Wie oft und wie du das machst, hat einen entscheidenden Einfluss auf deinen CO2-Fußabdruck.

Bei allen Geräten (Waschmaschine, Trockner, Bügeleisen), die du im Zusammenhang mit deiner Kleidung nutzt, kommt es darauf an, ob du sie mit Ökoenergie betreibst und wie energiesparend das Gerät und dein Verhalten sind. Und weil du nur einen Ökostromvertrag hast und nicht für jedes Gerät einen eigenen abschließt, ist die Wirkung dieser Energieentscheidung riesig: Allein mit dem Wechsel zu Ökoenergie für deinen Strom- und Wärmebedarf, reduzierst du deinen CO2-Fußabdruck um über ein Fünftel. So viel, wie mit keiner anderen einzelnen Maßnahme.“

Weshalb wird der CO2-Anteil, der auf die Gebrauchsphase eines Kleidungsstücks entfällt, oft vernachlässigt?

Florian Henle: „Der CO2-Anteil, der auf die Gebrauchsphase entfällt, basiert fast komplett auf der benötigten Energie für Waschmaschine, Trockner, Bügeleisen und Co. Nur ein kleiner Teil der Verbraucher*innen weiß allerdings, wie viel Energie sie mit diesen Geräten verbrauchen. Energie ist – das mag eine unpopuläre Meinung sein – einfach zu günstig.

CO2 und Energieverbrauch sind außerdem nicht sichtbar und nicht unmittelbar erlebbar. Wir merken nicht, ob wir viel oder wenig CO2 und Energie verbrauchen. Das spüren wir erst bei der Stromrechnung am Ende des Jahres – und dann auch nur bezogen auf den gesamten Strombedarf im Haushalt. Bei den CO2-Emissionen spüren wir es überhaupt nicht. Unser Beitrag geht in der Masse unter. Er ist versteckt. Genau das ist das Problem. Würden unsere CO2-Emissionen nach dem Verursacherprinzip besteuert werden und würde sich das auf die Preise niederschlagen, die wir zahlen, wären wir uns der eigenen CO2-Emissionen sicherlich bewusster. Wir befürworten eine CO2-Steuer und nehmen diese Position auch immer wieder bewusst bei Vorträgen und Paneldiskussionen ein.“

Wie kann man den CO2-Wert, der auf ein einzelnes Kleidungsstück entfällt, berechnen?

Florian Henle: „Das ist aufwändig zu berechnen. In der Regel übernehmen das Beratungs- und Forschungsunternehmen für einzelne Kleidungsstücke. Die Daten, die du dazu brauchst, musst du in der Regel erst einmal recherchieren, da die Modeunternehmen nur langsam mehr Auskunft geben, wie zum Beispiel im Fashion Revolution Transparency Index 2019. Und ehrlich gesagt, hilft eine Formel in unseren Augen auch nicht wirklich dabei, die eigenen CO2-Emissionen zu reduzieren. Denn kaum jemand holt beim Shoppen den Taschenrechner raus oder fängt das Kopfrechnen an. Deutlich alltagstauglicher sind bestimmte Faustregeln, nach Informationen zu suchen und dem Unternehmen Fragen zu stellen.“

Welche Alltags-Faustregeln sind das?

  1. Nur volle Waschmaschinen anstellen.
  2. Beim Waschen den Eco-Modus wählen. (Gut zu wissen: ‚Kurz-Programme‘ sind nicht zwangsläufig Eco-Programme, sondern verbrauchen häufig sogar mehr Energie, da in kürzerer Zeit mehr Leistung benötigt wird.)
  3. Die Kleidung an der Luft trocknen lassen.
  4. Und natürlich auf Ökostrom umstellen – geht online ganz einfach in nur fünf Minuten. Alles was man dazu braucht, ist die letzte Rechnung. Den Rest übernimmt der neue Anbieter.

Was kann man sonst noch tun, um den Fußabdruck des Kleiderschranks gering zu halten?

Florian Henle: „Wir empfehlen auf vier Dinge zu achten, an denen man erkennt, ob die Kleidung einen möglichst geringen CO2-Fußabdruck hat:

  1. Am besten sind die Transportwege möglichst kurz: zum Beispiel indem Faserproduktion und –verarbeitung nah beieinander liegen oder indem auf Zwischenhändler verzichtet wird.
  2. Wie werden die Inhaltsstoffe angebaut bzw. erzeugt? Wie viele Ressourcen werden benötigt und wie effizient werden sie genutzt?
  3. Verbraucher*innen können sich die Unternehmenswebseite ansehen und danach schauen, was das Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit unternimmt – und was andere sagen, wie glaubwürdig es dabei ist. Umweltsiegel wie der Blaue Engel, GOTS, EU Ecolabel, Fair Cotton oder das FairTrade-Textilsiegel geben Auskunft über das ökologische Handeln der Unternehmen.
  4. Auch die Art der Bewerbung spielt bei den CO2-Emissionen eine Rolle. Also ob ein eigener Katalog gedruckt wird, wie die Kleidung verpackt wird und welche Materialien hierbei genutzt werden. Bei einem Online-Katalog beispielsweise fallen keine Transportwege an und es werden keine Ressourcen durch den Druck verbraucht.“

Welchen Impact können Modeunternehmen in der Energiewende machen?

Florian Henle: “Die Wahl der verwendeten Materialien spielt eine große Rolle. Sowohl woher sie kommen, als auch wie sie erzeugt werden. Es gibt viele neue Möglichkeiten energieeffizientere Fasern zu nutzen, wie Weinreben, Tang- oder Bastfasern. Auch in der Verarbeitung gibt es neue Möglichkeiten, den Einsatz von Chemikalien zu verringern. Daneben sind Recycling, sprich geschlossene Materialkreisläufe, wirkungsvoll, um die Emissionen und den Ressourcenbedarf zu reduzieren. Auch haben es die Unternehmen in der Hand, wie sehr sie auf Qualität versus Fast Fashion setzen. Schließlich spielt bei den produzierenden Modeunternehmen – übrigens genauso wie beim Handel – der eigene Energieverbrauch und die Wahl erneuerbarer Energien eine wichtige Rolle. Anlagen, Maschinen, Geräte und Beleuchtung – das alles braucht Energie und oft sogar rund um die Uhr. Da kann durch energieeffizientes Verhalten und Ökostrom eine Menge CO2 gespart werden.

Ihr setzt auch auf eine dezentrale Energiewende, sprich dass Energie an verschiedenen Orten erzeugt und genutzt wird. Was sollte denn die Politik eurer Meinung nach tun?

Florian Henle: „Die Politik muss das Interesse und die Bereitschaft der Menschen unterstützen, die Energiewende auch über lokal erzeugte Energien zu fördern. Das gilt nicht nur für Eigenheime, sondern auch in Städten, in denen Mehrfamilienhäuser dominieren. Hier gibt es zum Beispiel mit Mieterstrom die Möglichkeit, dass die Bewohner auf ihrem Dach mit einer PV-Anlage erzeugte Energie nutzen. Das ist effizienter, klimafreundlicher und günstiger als der Bezug von Strom über das öffentliche Stromnetz und die Grundversorgung. Genau das kann die Politik über Anforderungen im Gebäudebereich – etwa im neuen Gebäudeenergiegesetz – und über Förderungen stärken. Ach und sie muss auch selbst mit gutem Beispiel vorangehen bei ihren Gebäuden und Anlagen.“

Für alle, die jetzt sofort auf Ökostrom umsteigen wollen: Woran erkennt man denn einen wirklich guten Ökostrom- und Ökogasanbieter?

Florian Henle: „Das ist ähnlich wie in der Modebranche. Nur weil ich ein ökologisch und fair produziertes T-Shirt anbiete, heißt das noch lange nicht, dass ich als Unternehmen auch so ticke. Sprich: Wie ehrlich nachhaltig handelt ein Unternehmen, das Ökostrom oder auch Ökogas anbietet? Prüfkriterien sind zum Beispiel, dass der Energieversorger keinen konventionellen Stromtarif anbietet, es keine Verflechtungen zu Kohle- und Atomkonzernen gibt und dass auch keine Firma im Firmenverbund konventionellen Strom führt.“

Gibt es so etwas wie Siegel in der Energiebranche, an denen sich Verbraucher*innen orientieren können?

Florian Henle: „Ökostrom ist kein geschützter Begriff. Knapp 44 Prozent der Ökostromangebote tragen heute gar kein Gütesiegel, nicht einmal ein klassisches TÜV-Siegel. Insgesamt tragen nur 23 Prozent der Ökostromtarife eines der beiden strengsten Gütesiegel im deutschen Ökostrommarkt: das ‚Grüner Strom‘- und das ‚Ok-Power‘-Label. Bei diesen Siegeln muss ein Unternehmen nachweisen, dass es pro verbrauchter Kilowattstunde in erneuerbare Energien investiert, entweder mit eigenen Anlagen oder über die Anlagen von Partnern. Ansonsten kann man sich auch an dem jährlichen Ökostrom-Test des Magazins Öko-Test orientieren.“

Mehr Informationen zu Polarstern:

Polarsterns Ökostrom kommt aus dem Wasserkraftwerk Feldkirchen und ist mit dem „Grüner Strom‘-Label ausgezeichnet. Das Wasserkraftwerk setzt sich besonders für Landschafts- und Tierschutzmaßnahmen ein und hat für die in der Umgebung beheimateten Fische Umgehungsgerinne gebaut. Polarsterns Ökogas aus organischen Reststoffen wird aus der Zuckerrübenverarbeitung im ungarischen Kaposvár erzeugt und ist TÜV-geprüft. Außerdem bietet Polarstern Lösungen zur Nutzung von dezentral erzeugtem Strom für Mehrfamilienhäuser und Eigenheime an.

Als Social Business lässt sich Polarstern am Prinzip der Gemeinwohl-Ökonomie messen und ist hier zertifiziertes Mitglied. Das bedeutet, dass nicht eine reine Gewinnmaximierung im Fokus steht, sondern soziale und ökologische Ziele den gleichen Stellenwert haben. Möglichst viele Menschen sollen so von einer werteorientierten Wirtschaft profitieren. Auch baut Polarstern beispielsweise Mikro-Biogasanlagen in Entwicklungsländern, um die weltweite Energiewende zu fördern. Das Klima kennt schließlich keine Grenzen. Neben sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit ist Transparenz ein wichtiger Pfeiler der Gemeinwohl-Ökonomie. Als erster Energieversorger veröffentlicht Polarstern alle zwei Jahre eine extern-auditierte Gemeinwohl-Bilanz mit einem umfassenden Blick auf das Handeln des Unternehmens gegenüber Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter*innen und Gesellschaft. Richtig gut: In diesem Video erklären die Gründer Simon und Florian ihren Müttern, was ein Social Business (oder wie sie es nennen: „arschlochfreie Zone“) und zeigen dabei, wie wichtig es ist, Themen wie Energieverbrauch und Unternehmensführung kommunikativ aufzuschlüsseln, ohne dabei die Komplexität zu verwässern.

Titelbild: Unsplash/ Alexi Romano

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