#fail – wie wir übers Scheitern sprechen

Etwas, das uns schon länger umtreibt, ist das Thema des Scheiterns. Und weniger existentiell gesagt: wie wir mit #fails – also dem, was so schiefgeht – nach außen hin umgehen und darüber sprechen.

Nach einem unserer letzten Fashion Changers Community Talks – ein One-on-One-Interviewformat mit Content Creators aus der Community – kam hinterher eine Bloggerkollegin auf uns zu und meinte: “Das ist ja alles ganz interessant gewesen, aber irgendwie sprechen die Leute nur über das, was gut läuft und nicht über das, was nicht funktioniert.”

Auch wir spüren im Gespräch mit anderen oftmals einen leichten Widerstand, wenn es um die nicht so schönen Dinge geht. Und wenn einen andere fragen, wie es beruflich so läuft, ist das auch nicht immer so einfach zu beantworten. Denn natürlich läuft nicht immer alles rund hinter den Kulissen, aber wie können wir darüber reden, ohne uns selbst als Loser zu fühlen?

Dass das Wort “Scheitern” viele von uns auf unterschiedlichste Art und Weise triggert, zeigte sich im diesjährigen Community Talk während der Fashion Week, wo wir uns mit jedem Interview einer alternativen Bedeutungszuweisung des Begriffs des Scheiterns genähert haben. Unsere Gäste in dieser Saison: Jennifer Hauwehde vom Nachhaltigkeits-Blog “Mehr als Grünzeug“, die auch Contributorin des Fashion Changers Magazins ist; Angela Dorn vom Blog “Angeladoe” und Podcasterin bei “Herzwärts”; Rebecca Randak vom Yoga-Blog “Fuck Lucky Go Happy” und Podcasterin bei “Heiliger Bimbam” und Louisa Dellert, ihres Zeichens Aktivistin und Nachhaltigkeits-Influencerin.

“Ich glaube nicht daran, dass wir die ganze Zeit scheitern.” – Jennifer Hauwehde

Fashion Changers-Mitgründerin Jana Braumüller (links) spricht mit Jennifer Hauwehde von “Mehr als Grünzeug” übers Scheitern. Foto: © Melanie Hauke

Jenni vom Blog “Mehr als Grünzeug” glaubt nicht daran, dass wir die ganze Zeit scheitern, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht. Für sie sind es eher kleine Rückschritte oder Umwege, die wir gehen, wenn nicht alles immer perfekt läuft. Wichtig sei es, niemanden aufs Podest zu heben – es gibt keinen perfekten (umweltbewussten) Menschen. Wenn wir diesen Anspruch aufgeben, gewinnen wir eine andere Perspektive darauf und trauen uns auch, den ersten Schritt zu gehen, meint Jenni. Helfen würde es auch, wenn man selbst öfter mal zeigt, dass nicht alles perfekt ist und so den Druck bei sich und anderen rausnimmt.
Als introvertierter Mensch musste Jenni lernen, dass es okay ist, etwas in sich gekehrter zu sein. Inzwischen hat sie Wege für sich gefunden, als ruhiger Mensch an einer Gesellschaft, in der das Ideal der Extrovertiertheit gilt, teilzunehmen und diese aktiv mitzugestalten. Nur weil laute und offene Typen omnipräsent sind, heißt das nicht, dass man durch das Anderssein scheitert, findet Jenni.

“Wir sollten mehr über Fehler und Verletzlichkeit sprechen.” – Angela Dorn

Angela Dorn (rechts) spricht mit Fashion-Changers-Mitgründerin Vreni Jäckle darüber, wie es sich anfühlt, beruflich neue Wege einzuschlagen. Foto: © Melanie Hauke

Als Angela ihren Vollzeitjob als Bloggerin an den Nagel hing, konnte sie nicht anders, als wirklich offen darüber zu sprechen. Durch ihre Arbeit als Bloggerin habe sie dauernd versucht, ihr Äußeres zu optimieren, um dem Idealbild einer Bloggerin zu entsprechen. Da haben sich einige Dinge auch mal fake angefühlt. “Ich wollte ich sein”, sagt Angela zu ihrer Entscheidung, einen anderen beruflichen Weg einzuschlagen. Dass sie das Vollzeitbloggen eingestellt und einen Teilzeitjob angenommen hat, fühlte sich aber nicht nach Scheitern an, da es ja immer weiterging und dadurch besser wurde. Angela hat sich lange Zeit nicht getraut, das Thema Fair Fashion, für das sie sich immer mehr interessierte, nach außen zu kommunizieren, weil so der Druck größer wurde, alles perfekt machen zu müssen. “Wir sollten mehr über Fehler und Verletzlichkeit sprechen”, findet Angela.

“Wir scheitern oft an unseren selbst gesteckten Idealen.” – Rebecca Randak

Woran man in der spirituellen Szene oft scheitert, bespricht Rebecca Randak (rechts) mit der dritten Mitgründerin Nina Lorenzen. Foto: © Melanie Hauke

Rebecca Randak hat, wie sie selbst sagt, mit ihrem Blog “Fuck Lucky Go Happy”, ihrem Podcast “Heiliger Bimbam” und Yogaunterricht immer mehrere Bälle gleichzeitig in der Luft und hadert damit auch mal. Auf Ninas E-Mail-Anfrage hin, ob sie zum Thema Scheitern sprechen möchte, ist sie erstmal in eine Abwehrhaltung gegangen: “Wieso, ich scheitere doch nicht!?!”, war Rebeccas erste Reaktion. Sie gesteht, dass sich da auch bei ihr, der von der Gesellschaft eingeforderte Leistungsdruck bemerkbar macht und der Anspruch an sich selbst, dass im beruflichen Bereich irgendwie alles laufen muss. “Wir scheitern oft an unseren selbst gesteckten Idealen”, findet Rebecca. Im Zuge des Selbstoptimierungstrends geht es Rebecca darum, wahrhaftig zu bleiben und herauszufinden, was einen selbst zufrieden macht anstatt hoch gesteckten Idealen, die in bestimmten Szenen vorherrschen, hinterher zu hängen. Gerade in der spirituellen Bubble stellt Rebecca fest, geht es oft darum, wer “nachhaltiger und veganer ist” – einfach nur, weil das in der spirituellen Welt geltende Ideale sind, die aber nicht zwangsläufig die persönlichen sein müssen. “Wir sind alle ziemlich groß darin, uns selbst zu bescheißen. Wenn wir ehrlicher wären und uns verletzlicher zeigen würden, dann wären wir auch nachsichtiger mit uns selbst”, ist Rebeccas Tipp, um den Erwartungsdruck rauszunehmen. Wichtig sei es, sich nicht alle Themen auf einmal vorzunehmen, sondern zu schauen, wofür man sich einsetzen möchte, und Gleichgesinnte zu suchen.

“Scheitern ist für mich auch was Positives, weil man sich erstmal komplett davon löst, dass einem was unangenehm ist.”- Louisa Dellert

Louisa Dellert (rechts) erzählt, wie sie mit Fehlern umgeht. Foto: © Melanie Hauke

Die ehemalige Fitness-Bloggerin Louisa Dellert hatte irgendwann keine Lust mehr auf Fitness und interessierte sich privat zunehmend für das Thema Nachhaltigkeit. Auch beruflich hat sie sich nach und nach dahin entwickelt, wofür sie als reichweitenstarke Instagrammerin anfangs viel Gegenwind bekommen hat. Da sie sich selbst auch (noch) nicht perfekt mit Nachhaltigkeit auskennt, freut sie sich über konstruktive Hinweise aus ihrer Community. “Scheitern ist für mich auch was Positives, weil man sich erstmal komplett davon löst, dass einem was unangenehm ist. […] Wenn man das verinnerlicht hat, dann ist Scheitern auch nicht mehr unbedingt Scheitern.” Viele Leser*innen finden es gut, wenn Louisa auch mal Fehler macht, weil sie sich damit identifizieren können. Für Louisa ist es okay, wenn man feststellen muss, dass es an manchen Stellen einfach nicht weitergeht und es Grenzen gibt – das hat für sie nichts mit aufgeben zu tun. Gerade in der Politik hatte Louisa früher das Gefühl, einfach nichts machen zu können und als Bürgerin in gewisser Weise limitiert zu sein. Seitdem sie sich regelmäßig mit Politiker*innen trifft, merkt sie aber immer mehr, das Themen in der Politik nur dann Gehör finden und zum Thema werden, wenn jede*r Einzelne*r die eigene Stimme erhebt. “Alles, was wir brauchen, ist etwas mehr Mut”, so Louisa.

Mehr Mut, weniger Angst

Der Talk zeigt, dass es viele verschiedene Weisen gibt, darüber zu sprechen, wie es ist, an die eigenen Grenzen zu stoßen. Fest steht auch, dass wir uns eine Gesellschaft wünschen, die es ermöglicht, dass wir uns offener, verletzlicher und ehrlicher im Umgang mit Ängsten und Herausforderungen zeigen – egal ob im privaten oder öffentlichen Bereich. Denn nur so entwickeln wir alle den nötigen Mut, um die Dinge in die Hand zu nehmen, und allgemein weniger Angst vorm #fail.

Den vollständigen Talk könnt ihr euch hier anschauen.

Was sind eure Gedanken zum Thema “Scheitern”? Teilt sie gerne mit uns!

Beitragsbild: © Melanie Hauke

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