Was die Green Claims Directive für das Greenwashing und die Modebranche bedeutet

Die Green Claims Directive wurde konzipiert, um ein gezielteres Vorgehen gegen Greenwashing zu ermöglichen. In Zeiten zunehmenden Umweltbewusstseins und steigender Nachfrage nach nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen ist es für Unternehmen von entscheidender Bedeutung, glaubwürdige und fundierte Umweltansprüche zu kommunizieren. Die EU Green Claims Directive wurde nun vorgelegt, um ein verlässliches Rahmenwerk für die EU-Mitgliedstaaten zu schaffen, das die Verantwortung von Unternehmen bei der Darstellung ihrer Umweltaussagen betont. Doch was sind die zentralen Anforderungen der Green Claims Directive, die Unternehmen bei der Geltendmachung von Umweltansprüchen berücksichtigen sollten?

In Zeiten zunehmenden Umweltbewusstseins und steigender Nachfrage nach nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen ist es für Unternehmen von entscheidender Bedeutung, glaubwürdige und fundierte Umweltansprüche zu kommunizieren. Die EU Green Claims Directive wurde nun vorgelegt, um ein verlässliches Rahmenwerk für die EU-Mitgliedstaaten zu schaffen, das die Verantwortung von Unternehmen bei der Darstellung ihrer Umweltaussagen betont. Doch was sind die zentralen Anforderungen, die Unternehmen bei der Geltendmachung von Umweltansprüchen berücksichtigen sollten? 

Take-Aways
  • Die Green Claims Directive ist ein Vorschlag einer Richtlinie, die darauf abzielt, einen einheitlichen Ansatz für zuverlässige, vergleichbare und überprüfbare Umweltinformationen zu Produkten auf dem EU-Markt zu schaffen.
  • Der Vorschlag gilt für alle Unternehmen, die in Europa verkaufen. Die einzige Ausnahme bilden Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von weniger als zwei Millionen Euro.
  • Umweltaussagen und Umweltzeichen müssen von Dritten verifiziert und zertifiziert werden, bevor sie in der kommerziellen Kommunikation verwendet werden können.
  • Die EU-Mitgliedsstaaten sollen spezielle Verfahren zur Überprüfung der Begründung und Mitteilung von Umweltaussagen und Kennzeichnungssystemen einrichten.
  • Es gibt unterschiedliche Anforderungen für explizite und vergleichende Umweltaussagen.
    • Händler müssen eine Bewertung durchführen, um explizite Umweltaussagen zu begründen, und diese Bewertung muss auf allgemein anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren.
    • Vergleichende Umweltaussagen müssen zusätzliche spezifische Begründungsanforderungen erfüllen, wie zum Beispiel die Verwendung von Daten auf die gleiche Weise und die Berücksichtigung der wichtigsten Stufen entlang der Wertschöpfungskette.
  • Private Umweltzeichen (unternehmenseigene Siegel ausgeschlossen), wie etwa GOTS, müssen die Begründungs- und Kommunikationsanforderungen erfüllen und bestimmte zusätzliche Anforderungen erfüllen. Öffentliche Umweltzeichen, wie der Grüne Knopf, werden nur dann zulässig sein, wenn sie auf EU-Ebene entwickelt werden.
  • Ein Beschwerdemechanismus ermöglicht es Einzelpersonen und Organisationen mit einem „berechtigten Interesse”, begründete Beschwerden einzureichen, wenn sie glauben, dass ein Händler den Vorschlag beziehungsweise die Direktive nicht eingehalten hat.
  • Strafen bei Verstößen können Geldbußen, Beschlagnahme von Einnahmen und vorübergehender Ausschluss von öffentlichen Beschaffungsverfahren und Zugang zu öffentlichen Fördermitteln umfassen.

In diesem Deep Dive zum Thema EU Green Claims Directive gibt es Input von: 

Eine Studie der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2020 ergab, dass  53,3 Prozent der umweltbezogenen Behauptungen in der EU vage, irreführend oder unbegründet waren. Von den irreführenden Behauptungen stammten 25 Prozent aus der Modebranche, was sie zur Branche mit den meisten Greenwashing-Fällen macht. Diese Zahl zeigt, wie notwendig eine europaweite Standardisierung für Umweltaussagen in der Werbung sind.

Am 22. März 2023 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Begründung und Mitteilung expliziter Umweltaussagen (kurz: Green Claims) veröffentlicht. Der Vorschlag ist Teil der größeren Bemühungen der EU im Rahmen ihrer sogenannten grünen Wende und soll dazu beitragen, einen wirkungsvollen und kohärenten politischen Rahmen zu schaffen, der umweltverträgliche Produkte und Geschäftsmodelle zur Norm macht. Der Vorschlag zielt darauf ab, bestehende Richtlinien (wie etwa die ESG-Berichts- und Offenlegungsanforderungen) zu ergänzen, die spezifische Anforderungen an Umweltaussagen festlegen.

Was ist die Green Claims Directive?

Die Green Claims Directive ist aktuell ein Vorschlag der EU-Kommission, der im März 2023 veröffentlicht wurde. Dieser Vorschlag zielt darauf ab, einen einheitlichen Ansatz zu etablieren und sicherzustellen, dass Konsumierende zuverlässige, vergleichbare und überprüfbare Umweltinformationen zu Produkten erhalten. Zu dem Vorschlag werden sich in den kommenden Monaten auch das EU-Parlament und der EU-Rat positionieren. Anschließend wird der Vorschlag zu einer EU-Richtlinie, auch Direktive genannt. Diese Direktive würde für explizite Umweltaussagen gelten, die in Bezug auf Produkte gemacht werden, die auf dem EU-Markt erhältlich sind, einschließlich solcher, die von Nicht-EU-Unternehmen auf dem EU-Markt bereitgestellt werden.

Die Green Claims Richtlinie hat zum Ziel: 

  • sicherzustellen, dass alle Green Claims durch anerkannte Methoden von unabhängigen Wirtschaftsprüfern belegt und regelmäßig (mindestens alle fünf Jahre) überprüft werden;
  • einen Rahmen zu schaffen, in dem Produkte oder Händler miteinander verglichen werden können;
  • die Informationen, auf denen die Umweltaussage beruht, transparent und der Öffentlichkeit über einen Weblink, QR-Code oder Ähnliches zugänglich zu machen;
  • die Durchsetzung der neuen Leitlinien durch neue Befugnisse für die zuständigen Behörden zu gewährleisten sowie ein Beschwerdeverfahren für interessierte Parteien einzurichten.

„Mit der Green-Claims-Direktive will die EU erreichen, dass Europäer*innen sicher sein können, dass angeblich umweltfreundliche Produkte auch wirklich umweltfreundlich sind”, so Birgit Schmeitzner, Pressesprecherin der EU-Kommission in Deutschland. „Wenn Unternehmen oder Brands – über alle Branchen hinweg – ihre Produkte mit Umweltaussagen bewerben, dann müssen diese Aussagen auch stimmen. Dabei geht es um alle freiwilligen Werbeaussagen, die sich auf die Umweltauswirkungen eines Produkts oder des Unternehmens selbst beziehen. Wir sehen derzeit, dass Umweltaussagen allgegenwärtig sind: von ,CO₂-neutralen Bananen’ und ,bienenfreundlichen Säften’ bis zum ,Versand mit 100-prozentiger CO₂-Kompensation’. Leider gibt es für diese Aussagen oft keinerlei Nachweise. Das wollen wir ändern. Im Kern schlägt die Kommission vor, dass diese Aussagen belegbar sind und geprüft werden müssen – und wir hoffen hier auf Unterstützung des Europäischen Parlaments und der EU-Staaten.”

Die wichtigsten Bestimmungen der Green Claims Directive

Einer der wichtigsten Aspekte der Green Claims Directive besteht darin, dass die Begründung und Kommunikation von Umweltaussagen und Umweltzeichen von Dritten – also anerkannten Prüfstellen – verifiziert und zertifiziert werden, bevor Unternehmen die Behauptung in der kommerziellen Kommunikation überhaupt erst verwenden können. 

Wenn ein Unternehmen beispielsweise damit werben will, dass es seine neue Kollektion klimaneutral hergestellt hat, muss es die Daten, die dies belegen, an eine offizielle, externe Konformitätsbewertungsstelle oder Prüfstelle geben. Diese führt eine kostenpflichtige Prüfung der Angaben in der Nachhaltigkeitskommunikation im Voraus durch. So soll sichergestellt werden, dass jede Behauptung, der Konsumierende ausgesetzt sind, als zuverlässig und vertrauenswürdig verifiziert wurde. Sobald eine Prüfstelle die Überprüfung der eingereichten Behauptung abgeschlossen hat, entscheidet sie, ob eine Konformitätsbescheinigung ausgestellt wird. Die Europäische Kommission schätzt die Kosten für eine Konformitätsbescheinigung auf 500 Euro. Die Kosten steigen jedoch mit der Komplexität des Anspruchs.

Der Vorschlag weist die Mitgliedstaaten an, spezielle Verfahren zur Überprüfung der Begründung und Mitteilung ausdrücklicher Umweltaussagen und Kennzeichnungssysteme einzurichten.

„Um unverhältnismäßige Auswirkungen der neuen Bestimmungen auf kleinere Unternehmen im Vergleich zu größeren zu vermeiden, gibt es Ausnahmen – und zwar für Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten und einem Umsatz unter zwei Millionen Euro”, berichtet  Birgit Schmeitzner von der EU-Kommission in Deutschland. „Sie können die Vorschriften aber natürlich freiwillig anwenden. Um kleine und mittlere Unternehmen zu ermutigen, sich am grünen Wandel zu beteiligen und legitime Umweltaussagen zu machen, fordern wir die Mitgliedstaaten in unserem Vorschlag auf, sie dabei zu unterstützen. Das kann eine finanzielle Unterstützung sein, aber auch organisatorische und technische Hilfe. Die Kommission wird Unternehmen auch durch die Bereitstellung von Finanzmitteln unterstützen, damit Daten zur Untermauerung von Umweltaussagen erhoben und Berechnungsinstrumente für KMU entwickelt werden können.”

Das schlägt die EU-Kommission im Rahmen der Green Claims Richtlinien vor

Nachhaltigkeits-Behauptungen würden laut Vorschlag künftig von unabhängigen Stellen überprüft – darunter Verbraucher*innenschutzbehörden wie die britische Competition and Markets Authority, das International Consumer Protection and Enforcement Network und die Norwegian Consumer Authority, die alle laufende Greenwashing-Untersuchungen durchführen. H&M, der  Higg-Index der Sustainable Apparel Coalition und Asos gehören bereits zu denen, die bisher wegen Greenwashingvorwürfen mit Abmahnungen seitens Verbraucherzentralen konfrontiert waren. Angesichts der laufenden Untersuchungen hat H&M seine „Conscious“-Kollektion zurückgezogen, Asos hat seine „Responsible Edit“-Kollektion von seiner Webseite entfernt, und eine Aktualisierung des Higg Materials Sustainability Index wird im Juni 2023 erwartet. Die neueste Version des Tools soll Modemarken und Einzelhändlern dabei helfen, ihre Umwelt-, Sozial- und Governance-Leistung (ESG) entlang ihrer gesamten globalen Wertschöpfungskette besser zu bewerten. Mit dem EU-Richtlinienvorschlag haben diese Beispiele zunächst wenig zu tun. Doch Fälle wie diese zeigen, wie wirkungsvoll die Arbeit von Verbraucher*innenschutzbehörden und externen Prüfstellen sind.

„Auch der Modekonzern Mango hat im Vorgriff auf die neuen EU-Umweltauflagen kürzlich sein eigenes Label zur Kennzeichnung von Kleidungsstücken mit ,nachhaltigen Eigenschaften’ aufgegeben”, berichtet Journalistin Carmen Maiwald. „Solche Entwicklungen sind wahnsinnig wichtig und zeigen, dass gesetzliche Auflagen Wirkung haben. Wenn Modemarke ihre falschen grünen Versprechen fallen lassen, können auch die Firmen profitieren, die sich ernsthaft um die Verbesserung der Umweltverträglichkeit ihrer Produkte bemühen. Sie werden dann von den Verbraucher*innen leichter erkannt.”

Die wichtigsten Punkte zusammengefasst

  • Gedeckte Umweltansprüche werden in zwei Bereiche aufgeteilt. Der Vorschlag sieht unterschiedliche Anforderungen für zwei verschiedene Arten von Umweltaussagen vor: explizite und vergleichende Umweltaussagen. 
    • Eine explizite Umweltaussage ist eine Aussage, die im Text steht oder in einem Umweltzeichen enthalten ist, wie zum Beispiel „die nachhaltigste Jeans”. 
    • Vergleichende Umweltaussagen sind explizite Umweltaussagen, die angeben oder implizieren, dass ein Produkt oder Händler weniger Umweltauswirkungen oder eine bessere Umweltleistung als andere Produkte oder Händler hat, wie zum Beispiel „unsere Jeans aus Biobaumwolle spart 20 Prozent Wasser im Vergleich zu konventionellen Jeans”.
  • Begründungserfordernis für vergleichende Behauptungen. Bei der Aufstellung vergleichender Angaben müssen Gewerbetreibende einige Nachweisanforderungen erfüllen:
    • Unternehmen müssen unter anderem sicherstellen, dass die Daten, die zur Bewertung der Umweltauswirkungen, -aspekte oder -leistungen des Produkts verwendet werden, auf die gleiche Weise generiert oder bezogen werden wie die Daten, die zur Bewertung der Umweltauswirkungen, -aspekte oder -leistungen des vergleichbaren Produkts verwendet werden.
  • Detaillierte Anforderungen für die Kommunikation expliziter Umweltaussagen. Der Vorschlag umreißt Kriterien, denen Händler folgen müssen, wenn sie explizite Umweltaussagen kommunizieren. Zu den Kriterien gehören unter anderem:
    • Wenn sich die Angabe auf ein Endprodukt bezieht und die Nutzungsphase eine der bedeutendsten Lebenszyklusphasen dieses Produkts ist, muss ein Gewerbetreibender Verbraucher*innen darüber aufklären, wie sie das Produkt verwenden sollten, um die erwartete Umweltleistung auch wirklich zu erzielen. 
    • Wenn sich die Aussage auf die zukünftige Umweltleistung eines Produkts bezieht, muss sie eine zeitgebundene Verpflichtung zu Verbesserungen innerhalb ihrer eigenen Betriebsabläufe und Wertschöpfungsketten beinhalten.
    • Angaben zum Produkt oder Händler müssen in physischer Form oder in Form eines Weblinks zur Verfügung gestellt werden. Die erforderlichen Informationen müssen so detailliert wie möglich sein. Beispielsweise müssen die Informationen für klimabezogene ausdrückliche Umweltaussagen, die sich auf Kompensationen von Treibhausgasemissionen stützen, erläutern, inwieweit das Produkt auf Kompensationen angewiesen ist und ob es sich bei diesen Kompensationen um Reduzierungen oder Eliminierungen handelt.
  • Liste der Umweltzeichen. Die EU-Kommission muss eine aktuelle Liste der offiziell anerkannten Umweltzeichen veröffentlichen, die auf dem EU-Markt verwendet werden dürfen. Aktuell sind es 230 Umweltzeichen. Jedes neue Umweltzeichen, sei es privat oder öffentlich, müsste in Zukunft unter genaueren Regeln entwickelt werden.
    • Wenn Marken nicht wissen, wo sie anfangen sollen, sollten sie sich nach den umfangreichsten, vorab genehmigten Zertifizierungen umsehen, einschließlich des EU-Umweltzeichens. Der Bericht „License to Greenwash“ der Changing Markets Foundation aus dem Jahr 2022 stellte fest, dass das EU-Umweltzeichen zu den gründlichsten Zertifizierungen gehörte, aber nur wenige Marken verwenden es derzeit aufgrund des damit verbundenen beschwerlichen Prozesses. 
  • Beschwerdemechanismus. Der Vorschlag gibt Einzelpersonen und Organisationen mit einem „berechtigten Interesse“ die Möglichkeit, begründete Beschwerden bei den zuständigen Behörden einzureichen, wenn sie überzeugt sind, dass ein Händler den Vorschlag nicht eingehalten hat. Die zuständigen Behörden würden dann die Beschwerde prüfen und erforderlichenfalls Inspektionen durchführen.
  • Strafen bei Verstoß. Bei der Entwicklung von Strafen und Maßnahmen für Verstöße müssen die Mitgliedstaaten Geldbußen vorsehen, die „den Verantwortlichen effektiv die wirtschaftlichen Vorteile aus ihren Verstößen entziehen“ – sei es in Form von einer Beschlagnahme von Einnahmen, die der Händler aus der Transaktion erzielt hat oder einem vorübergehenden Ausschluss von öffentlichen Beschaffungsverfahren sowie dem Zugang zu öffentlichen Fördermitteln.

Die Green Claims Directive ist umfangreich, keine Frage. Vielleicht sogar zu umfangreich? Werden Unternehmen künftig überhaupt noch Umweltaussagen machen, wenn die Regeln und Strafen so strikt sind? Ja, meint Philip Heldt, Referent für Ressourcenschutz und Wasser bei der Verbraucherzentrale NRW. „Ich bin sicher, dass Unternehmen auch weiterhin Umweltaussagen machen werden – nur eben belegte Aussagen im Sinne der Green-Claims-Verordnung. Darauf zu verzichten wäre wenig sinnvoll, denn Nachhaltigkeit ist und bleibt ein wichtiges Verkaufsargument.” Laut Heldt komme der Vorschlag seitens der EU zur richtigen Zeit. Dennoch könne er aktuell noch nicht sagen, ob die Verbraucherzentrale in Zukunft weniger Unternehmen abmahnen müsse. 

Trotz umfangreicher Regeln, legt die EU keine europaweite Standardmethodik für die Verifizierung von Umweltaussagen vor. Der Vorschlag bleibt vage in Bezug auf die technischen Details, wie Marken ihre Behauptungen konkret und vor allem auch kohärent untermauern sollten. So bestehe die Gefahr, dass die Dinge sehr verwirrend werden, sagte George Harding-Rolls, Kampagnenmanager der US-amerikanischen Umwelt-NGO Changing Markets Foundation, im Interview mit Business of Fashion

Neben einer Standardmethodik fehlen auch soziale Aspekte. „Soziale Faktoren wie existenzsichernde Löhne werden nicht berücksichtigt”, so Carmen Maiwald. „Auch die Umweltverschmutzung durch Mikroplastik bei Textilien wird einfach ignoriert und es fehlt zudem eine einheitliche Methode, nach der die Unternehmen ihre Ökobilanz berechnen müssen.” 

So soll in Zukunft kommuniziert werden

Die Green Claims Directive soll die Transparenz zukünftiger Forderungen fördern und es Verbraucher*innen und Wettbewerbern ermöglichen, den Fortschritt der Umweltbemühungen eines Unternehmens besser einzuschätzen. „Das Green-Claims-Proposal fordert nicht nur die Veröffentlichung positiver Nachhaltigkeitsaspekte, sondern auch negative Indikatoren”, erklärt die Journalistin und Beraterin Tanita Hecking. Gemeinsam mit  der Nachhaltigkeits-Expertin Lavinia Muth hat sie im März 2023 einen Anti-Greenwashing-Newsletter gestartet. Laut Hecking sei es wichtiger denn je, ehrlich über die positiven und negativen Aspekte des eigenen Unternehmens und der Produkte zu sprechen, um Vertrauen bei den (potenziellen) Kund*innen aufzubauen. „Jeder Produktionsschritt und -prozess kann möglicherweise nachhaltiger oder optimiert werden. Allerdings gibt es oft auch negative Aspekte, die ebenfalls berücksichtigt werden müssen. Offenheit und Transparenz sind hierbei wichtig.” Unabhängig von der Nachhaltigkeitskommunikation müssen sich Marken neu positionieren und vorsichtiger mit ihren Aussagen umgehen. 

Green Claims begründen und verifizieren

Die EU Green Claims Directive würde die Mitgliedstaaten dazu verpflichten, Gesetze zu erlassen, die sicherstellen, dass Unternehmen ihre expliziten Umweltaussagen” belegen können und sollten. Bei der Geltendmachung solcher Ansprüche müssten Unternehmen auf Folgendes aufpassen:

  1. Unternehmen müssten genauer angeben, ob sich die Aussage auf das gesamte oder einen Teil des Produkts oder auf alle oder nur bestimmte Aktivitäten des Unternehmens bezieht. → Hier kommen gleich die großen Slogans in den Sinn, die mit „80 Prozent recyceltes Polyester” werben. Bei solchen Angaben müsste in Zukunft klar gekennzeichnet werden, wo das recycelte Polyester verwendet wurde (wie etwa am Bund einer Hose oder am Kragen einer Bluse). Den Kund*innen muss in dem Fall klar sein, dass das recycelte Polyester nicht in gleichen Maßen am Kleidungsstück verwendet wurde. Auch wenn Schuhhersteller mit recycelten Materialen werben, muss klar kommuniziert werden, wo diese eingesetzt wurden (Sohlen, Innenfutter, etc.)
  2. Unternehmen müssten sich auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse stützen und präzise Informationen verwenden. → Ein Bekleidungsunternehmen könnte beispielsweise eine Studie zur Verwendung von umweltfreundlichen Farbstoffen in der Textilherstellung verwenden, um ihre grünen Ansprüche zu unterstützen. Es wird jedoch eine Herausforderung sein, genügend allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse in der Bekleidungs- und Textilbranche zu finden.  
  3. Unternehmen müssten aufzeigen, dass die behaupteten Umweltauswirkungen aus einer Lebenszyklusperspektive signifikant sind. → Ein Textilunternehmen könnte beispielsweise den gesamten Prozess von der Baumwollproduktion bis zur Entsorgung zeigen, um zu belegen, dass es einen signifikanten (positiven) Effekt auf die Umwelt hat.
  4. Unternehmen müssten alle Umweltaspekte berücksichtigen, die für die Bewertung der Umweltleistung relevant sind. → Falls ein Unternehmen in Zukunft mit recycelten Materialien wirbt, muss es aufzeigen können, inwiefern der Einsatz dieser Materialien sinnvoll ist. Es könnte beispielsweise den Einsatz von Wasser, Energie und Chemikalien in allen Phasen der Produktion zeigen, um zu belegen, dass es seine umweltfreundlichen Ansprüche erfüllt.
  5. Unternehmen müssten alle verwendeten Treibhausgasemissionskompensationen von den Treibhausgasemissionen als zusätzliche Umweltinformationen trennen und die Kompensationen weiter spezifizieren und beschreiben. → Unternehmen müssten die Treibhausgasemissionen und Treibhausgasemissionskompensationen, die während der Produktion und dem Versand entstehen, berechnen und diese klar voneinander unterscheiden. Sprich: Die Unternehmen, die mit Klimaneutralität und Kompensation werben, müssten diese Konzepte und deren Konsequenzen in Zukunft definieren. Den Kund*innen muss klar sein, wie, wo und wie viel kompensiert wird und dass trotz Kompensation, immer noch CO2 entsteht und Ressourcen verbraucht werden.
  6. Unternehmen müssten die ihnen zur Verfügung stehenden Primärinformationen zu Umweltauswirkungen einbeziehen. → Ein Textilunternehmen könnte beispielsweise Daten über den Energieverbrauch und den Wasserverbrauch in der Fabrik, wo produziert wird, bereitstellen, um die Umweltauswirkungen seiner Produktion zu zeigen. 
  7. Unternehmen müssten, wenn keine Primärinformationen verfügbar sind, relevante Sekundärinformationen zu Umweltauswirkungen hinzufügen, die repräsentativ für die spezifische Wertschöpfungskette des Produkts oder des Unternehmens sind. → Ein Bekleidungsunternehmen könnte beispielsweise eine Studie zur Umweltauswirkung der Textilproduktion in der Region verwenden, in der es seine Produkte herstellt, um eine repräsentative Einschätzung der Umweltauswirkungen seiner Produkte bereitzustellen, wenn keine Primärinformationen verfügbar sind.

Große Unternehmen sollten kein Problem damit haben, ihre Daten zu beschaffen”, meint Philip Heldt von der Verbraucherzentrale NRW. Wer groß ist und über Marktmacht verfügt, kann es sich leisten, alle Daten entlang der eigenen Lieferkette zu erheben. Kontrolle über die eigene Lieferkette und Produktionsprozesse ist elementar für eine gute Unternehmensführung. Start-ups und Kleinunternehmen haben es da schon schwieriger. Sie müssen sich oftmals auf die Angaben der Lieferanten verlassen. Hier ist es wichtig, durch verbindliche Partnerschaften und ein gesundes Misstrauen dafür zu sorgen, dass alles klar ist. Es gibt keine Ausrede dafür, wenn entlang der Lieferkette Menschenrechte verletzt werden oder die Umwelt verschmutzt wird.”

Bei Nachhaltigkeitskommunikation ist es wichtig, Fehler zuzugeben, Probleme offenzulegen und ehrlich zu kommunizieren, welchen Impact man mit seinem Unternehmen oder seinem Produkt wirklich hat”, findet Carmen Maiwald. „Unternehmen sollten außerdem die Umweltdaten, die sie erheben, frei zugänglich machen.” Was man ihrer Meinung nach unbedingt vermeiden sollte: Produkte mit Zielen für die Zukunft bewerben. „Ob ein Unternehmen bis 2030 klimaneutral ist oder ein Produkt in zehn Jahren aus recycelten Materialien bestehen soll, sagt nichts über die Umweltauswirkung des Produkts aus in dem Moment, in dem ich es verkaufe.”

Das sind die nächsten Schritte

Die EU Green Claims Richtlinie hat noch einen langen Weg vor sich. Der aktuelle Vorschlag unterliegt nun der Zustimmung (und möglichen Änderungen) des Europäischen Parlaments und des EU-Rates – ein Prozess, der etwa 18 Monate dauern kann. Sobald die Green Claims Richtlinie verabschiedet ist, müssen die Mitgliedstaaten sie innerhalb von 18 Monaten nach Inkrafttreten der Richtlinie in ihre nationalen Rechtssysteme umsetzen und innerhalb von 24 Monaten nach Inkrafttreten der Richtlinie anwenden.

 

Titelbild: Susan Wilkinson via Unsplash

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