Sharing Economy: Wie verändert sich der Rental-Markt aktuell?

Auch Teile der Modebranche entwickeln sich langsam zur Sharing Economy. Im DACH-Raum versuchen zahlreiche Unternehmen, sich auf dem wachsenden Markt zu positionieren. Zeitgleich verändern auch viele bereits bestehende Mietplattformen ihr Geschäftsmodell. Was sind die Herausforderungen der Sharing Economy und wo liegt das Potenzial? Wir haben uns im Mietmarkt umgehört.

Wie verändert sich der Rental-Markt aktuell?

In den letzten Jahren hat sich der Mietmarkt für Kleidung zu einem bedeutenden Teil der Modeindustrie entwickelt. Auch im DACH-Raum versuchen zahlreiche Unternehmen, sich aufgrund der immer populäreren Sharing Economy neu zu positionieren. Zeitgleich verändern auch viele bereits bestehende Mietplattformen ihr Geschäftsmodell. Was sind die Herausforderungen der Sharing Economy und wo liegt das Potenzial? Wir haben uns im Rental-Markt umgehört.

Take-Aways
  • Kund*innenrelevanz und Nachhaltigkeit in einer Sharing Economy: Erfolgreiche Mietmodelle basieren auf hohem Kund*innennutzen und Bewusstsein für nachhaltigen Konsum. Sie sprechen die emotionale Seite der Kund*innen an, insbesondere in Branchen wie der Textilindustrie, wo Emotionalität eine zentrale Rolle spielt.
  • Skalierbarkeit, Kalkulation und Geschäftsmodell: Es gibt verschiedene Modelle innerhalb der Sharing Economy, die von jährlichen Gebühren bis hin zu Pay-per-Rent-Systemen reichen. Eine genaue Kalkulation und ein durchdachtes Geschäftsmodell sind dabei essenziell. Es ist wichtig, zu überlegen, wie viele und welche Produkte monatlich angeboten werden und über welchen Zeitraum, um die Kontrolle zu behalten und sicherzustellen, dass sich das Geschäft rentiert. 
  • Das richtige Abo: Für effektive Kund*innenenbindung in Deutschland sind monatliche Abonnements weniger vorteilhaft. Stattdessen wird eine Jahresmitgliedschaft als attraktiver und effizienter wahrgenommen.
  • Flexibilität: Kleidung zu mieten, muss sich als dauerhafte Konsumoption noch durchsetzen. Deshalb ist es wichtig, Geschäftsmodelle flexibel zu gestalten, etwa durch Kaufoptionen von gemieteten Artikeln nach Ablauf der Mietdauer.
  • Logistische Herausforderungen: Die Logistik, insbesondere die Pflege und Aufwertung zurückgegebener Produkte, ist eine große Herausforderung. Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie die Kontrolle über ihre Produkte behalten und diese effektiv und effizient handhaben können. Dies kann erfordern, sich zunächst auf ein begrenztes Produktsortiment zu konzentrieren und dieses schrittweise zu erweitern.
  • Fokus auf hochwertige Produkte: Der Mietmarkt ist eine Frage der Produkte. Bei qualitativ hochwertigen und langlebigen Artikeln wie Handtaschen oder Einrichtungsgegenständen macht das Mietmodell wirtschaftlich mehr Sinn, als bei (oftmals) qualitativ minderwertiger Fast Fashion. 
  • Kund*innen in die Verantwortung einbeziehen: Es ist wichtig, Kund*innen zu ermutigen, Verantwortung zu übernehmen und sie aktiv in den Prozess einzubeziehen, zum Beispiel durch die Pflege der geliehenen Artikel.
  • Community Building: Eine starke Community zu schaffen, kann ein Schlüsselelement für den Erfolg von Vermietungsplattformen sein. Dabei geht es nicht nur um die Dienstleistung, sondern auch darum, Konsumierende, Marken und Fachleute zusammenzubringen, um Kund*innen eine Umgebung für Austausch und Interaktion zu ermöglichen.

In diesem Deep Dive zum Thema Sharing Economy gibt es Input von:

  • Theresa Schleicher, Handelsexpertin und Zukunftsforscherin beim Zukunftsinstitut
  • Nicola Henseler, Co-Gründerin und Geschäftsführerin bei Fairnica 
  • Carmen Jenny, Co-Gründerin und Geschäftsführerin bei CLOTHESfriends 
  • Marlena Dietz, Co-Gründerin von Fobe
  • Sabine Feuerer, Gründerin und Geschäftsführerin bei Sabine Feuerer
  • Jasmin Manai Huber, Co-Gründerin und Geschäftsführerin bei WeDress Collective
  • Lena Schröder, Inhaberin und Geschäftsführerin bei Kleiderei

Nachdem wir im Fashion Changers Magazin im Sommer 2021 einen Artikel zum Thema Mietplattformen veröffentlichten, entwickelte sich dieser relativ schnell zu einem unserer am meistgeklickten Artikel. Dies deutet auf ein wachsendes Interesse und womöglich auch einen wachsenden Bedarf hin. In den letzten zwei Jahren hat sich der Rental-Markt in der DACH-Region jedoch stark verändert: Immer mehr Unternehmen kamen dazu, bereits etablierte Unternehmen veränderten ihr Geschäftsmodell und wieder andere Unternehmen verschwanden ganz von der Bildfläche. Wie kam es dazu? 

Die Sharing Economy im Wandel

Das Konzept der Sharing Economy im Modebereich ist keineswegs so neu, wie es vielleicht scheint: Genau genommen existiert es bereits seit über einem Jahrzehnt. Zu den klassischen Mietmodellen zählen das Peer-to-Peer-Prinzip, bei dem Kund*innen sich gegenseitig Artikel ausleihen, sowie Abonnement-Modelle. Letztere bieten typischerweise Luxusartikel wie Kleidung, Handtaschen und Accessoires zu einem reduzierten Preis oder für eine monatliche Gebühr an, verpackt in Paketen, die idealerweise auf die individuelle Persönlichkeit der Kund*innen zugeschnitten sind. Viele dieser Modelle sind jedoch in der Vergangenheit gescheitert, da sie meiner Meinung nach nicht ausreichend auf die Bedürfnisse der Kund*innen eingegangen sind“, erklärt Theresa Schleicher, Handelsexpertin und Zukunftsforscherin beim Zukunftsinstitut. Designerhandtaschen blieben für viele Menschen weiterhin unerschwinglich, sodass sich nur eine sehr spezifische Zielgruppe für solche Abonnements entschieden hat. Und die angeblich individuell zugeschnittenen Pakete waren entweder nicht wirklich individuell oder beraubten die Kund*innen der Freude, sich selbst inspirieren zu lassen, Artikel auszusuchen und anzuprobieren.“ Heute basieren diese Verleihmodelle stark auf dem Kund*innennutzen, wobei das Hauptaugenmerk auf bewusstem Konsum und Nachhaltigkeit liegt. Dies verleiht ihnen einen anderen emotionalen Stellenwert, was besonders im Textilbereich von großer Bedeutung ist“, so Schleicher.

Die neuesten Modelle verwandeln auch Händler mehr und mehr in Dienstleister, die ihre Produkte für eine Jahresgebühr anbieten und damit eine bestimmte Qualität und Vielfalt gewährleisten, erklärt die Expertin. Kund*innen können selbst entscheiden, was sie mieten möchten, was eine attraktive Alternative zum Kauf darstellt. Dies sei ein wesentlicher Unterschied zu den ersten, eher nischenspezifischen Modellen.

So stellt sich die Branche neu auf

Einige der Mietplattformen, die wir 2021 vorgestellt haben, gibt es nicht mehr, wiederum andere haben ihr Businessmodell umgestellt oder erweitert oder tun dies aktuell. Bemerkenswert dabei ist, dass fast alle Vermietungsunternehmen der Sharing Economy nahezu zeitgleich ihre Geschäfte aufgenommen haben, doch nicht alle Wettbewerber auf dem Markt verblieben sind.

Es ist auffällig, dass verschiedene Branchen in ihrer Entwicklung ähnliche Muster aufweisen. In der Anfangsphase treten viele verschiedene Anbieter auf den Markt, was zu einem starken Wettbewerb und oft zu einem regelrechten Boom führt. Diese Phase ist meist gekennzeichnet durch Innovation, wobei unterschiedliche Geschäftsmodelle erprobt werden. Mit der Zeit beginnt sich der Markt jedoch zu konsolidieren. Weniger leistungsfähige oder weniger innovative Anbieter werden vom Markt gedrängt, während die erfolgreicheren und stabilen Unternehmen überleben und expandieren.

Ein klarer Trend ist, dass diejenigen, die sich frühzeitig einen bedeutenden Marktanteil sichern können, oft besser gerüstet sind, um diese Konsolidierungsphase zu überleben. Dieser Trend ist nicht nur in der Fashion-Rental-Branche zu beobachten, sondern auch in anderen Branchen, wie den Lebensmittellieferdiensten und den E-Scooter-Diensten. In diesen Sektoren haben wir in den vergangenen Jahren eine ähnliche Entwicklung gesehen. Nach einer Phase des starken Wachstums und intensiven Wettbewerbs hat sich der Markt inzwischen konsolidiert und nur noch wenige, aber starke Unternehmen beherrschen das Feld.

Ich glaube, in diesem Business ist Ausdauer wichtiger als Vollpower.

„Ich glaube, in diesem Business ist Ausdauer wichtiger als Vollpower“, meint Nicola Henseler, Co-Gründerin und Geschäftsführerin bei Fairnica. Nachdem Henseler 2018 den Sonderpreis für Nachhaltigkeit von der GLS Bank gewann, hatte sie genug Startkapital, um 2019 ihr eigenes Unternehmen zu gründen: Bei Fairnica können Kund*innen komplette Capsule Wardrobes mieten, also eine kleine Auswahl an Kleidungsstücken, die untereinander kombinierbar sind. Mittlerweile bietet das Unternehmen auch den Verkauf von Secondhandmode an. Wir haben damals nebenberuflich gegründet. Vermutlich würde es uns sonst auch nicht mehr geben“, so Henseler. 

Das Feedback von Presse, Business-Wettbewerben und Nachhaltigkeitsinteressierten sei immer gut gewesen, doch das bringe keinen direkten Umsatz. Mein persönlicher Eindruck ist, dass sich das Mindset der Menschen nur langsam verändert und Wachstum nur bedingt mit Werbemaßnahmen beschleunigt werden kann.“ Der Secondhandverkauf mache es möglich, den preislichen Vorteil der Miete im direkten Vergleich zu zeigen und Menschen langsam an das Mieten heranzuführen. Wenn Kund*innen beim Secondhandkauf mit Fairnica zufrieden waren, erhöht sich die Chance, dass sie auch mal das Mieten ausprobieren.“ Zudem hat das Team von Fairnica die WearBetter Community gegründet, in der Kleidung innerhalb der Community ausgetauscht werden kann. Benutzer*innen der Community können Fotos von Kleidungsstücken, die sie loswerden möchten oder nach denen sie suchen, zusammen mit einer kurzen Beschreibung posten. Dies schafft eine interaktive Umgebung, in der andere Mitglieder auf die Posts reagieren, ihr Interesse bekunden, Fragen stellen oder Kommentare hinterlassen können, ganz ähnlich wie auf Plattformen wie Instagram oder Facebook.

Auch Carmen Jenny, Co-Gründerin und Geschäftsführerin bei CLOTHESfriends – einer Peer-to-Peer-Online-Vermietplattform, bemerkte beim Start im Sommer 2021, dass die Herausforderung vor allem darin besteht, eine stärkere Nachfrage zu generieren. „In den vergangenen zwei Jahren haben wir gesehen, dass Fashion Rental zunehmend auch den Verkauf von Kleidung und Accessoires anbietet. Dazu haben wir uns nach knapp einem Jahr auch entschieden“, so Jenny. „Nutzer*innen sollen entscheiden können, ob sie das Produkt nach Ablauf der Miete gerne abkaufen würden.“ 

Das Team von CLOTHESfriends, das aktuell eine Pause einlegt, um das Businessmodell zu überarbeiten, hat für sich erkannt, dass die Gesellschaft im Alltag noch nicht bereit für das Mieten von Kleidung ist. Das Team hat zwei Methoden eingeführt, um Circular Fashion umfassend zu integrieren, die über das Mieten hinausgehen: Einerseits arbeitet es mit Modefirmen zusammen, um Verleihmodelle zu entwickeln oder zu testen. Andererseits baut es durch die Einführung des Circular Community Space eine starke Gemeinschaft auf. CLOTHESfriends zielt darauf ab, Kund*innen, Marken und Expert*innen zu vernetzen, sodass Kund*innen an der Veränderung teilhaben, Zugang zur gesamten Bandbreite der Circular Fashion erhalten und Fachleute auf dem dynamischen Markt unterstützt werden. Da CLOTHESfriends aktuell im „Stealth Mode“ arbeitet, kann Jenny an dieser Stelle noch nicht allzu viel verraten. Interessierte können sich in die Waitlist eintragen. (Anm. d. Red.: Der „Stealth Mode“ ist eine Strategie, bei der Start-ups oder Unternehmen ihre Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle geheim halten, oft um Wettbewerbsvorteile zu wahren, bis sie bereit für die offizielle Markteinführung sind.)

Logistik und Qualitätsmanagement: Das sind die Herausforderungen

Ein suffizienzorientiertes Geschäftsmodell, das auf der Idee basiert, Kleidung zu teilen und wiederzuverwenden, birgt sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Einerseits ermöglicht es den Kund*innen, hochwertige (Designer-) Kleidung zu einem Bruchteil des Kaufpreises zu tragen und gleichzeitig einen Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten, indem das Produkt stetig im Kreislauf bleibt. Andererseits müssen die Plattformen sicherstellen, dass die Mietkleidung in einem guten Zustand bleibt und den Kund*innen eine angemessene Auswahl an Stilen und Größen bietet. Dies erfordert eine effiziente Logistik und ein sorgfältiges Qualitätsmanagement.

Ein Rental-Business kann durchaus skalierbar sein“, meint Theresa Schleicher. „Ein durchdachter Businessplan berücksichtigt Faktoren wie die Häufigkeit, mit der Kund*innen im Monat mieten. Wenn es eine Begrenzung von etwa fünf bis sieben Produkten pro Monat gibt und eine Grundgebühr erhoben wird, kann sich das Modell wirtschaftlich rechnen und für andere Unternehmen attraktiv sein. Zudem müssen alle Aspekte in einen solchen Geschäftsplan einfließen. Beispielsweise müssen die Kosten für Online-Lieferungen nach Hause, inklusive der dahinterliegenden Logistik, berücksichtigt werden. Auch die Kosten für die Aufwertung, das Recycling und den Reparaturprozess sind sehr hoch. Selbst die Lagerkosten unterscheiden sich von denen des klassischen Einzelhandels und müssen daher in die Kalkulation einfließen.“ Die Gebühren sollten natürlich geringer sein als der Kaufpreis des Produkts, damit Kund*innen einen Vorteil durch das Leihen haben. „Klassische monatliche Abonnements funktionieren in Deutschland am schlechtesten, da sich viele Menschen nicht zu stark binden wollen. Eine Jahresmitgliedschaft erscheint zwar ähnlich, wird aber von vielen emotional anders wahrgenommen.“

Klassische monatliche Abonnements funktionieren in Deutschland am schlechtesten, da sich viele Menschen nicht zu stark binden wollen.

Die richtigen Tech-Lösungen für Plattformen der Sharing Economy

Marlena Dietz, Co-Gründerin bei Fobe, einer in Berlin ansässigen Mietplattform für Designerhandtaschen zufolge ist ein Rental-Service durch Tech skalierbar: „Wir haben bei unserer Gründung im Jahr 2020 schnell festgestellt, dass wir neben einer reinen Rental-Plattform auch ein Tech-Unternehmen werden müssen, da es technisch anders gar nicht möglich ist, eine neue Plattform wie diese zu entwickeln. So etwas gab es auf dem Markt vorher noch nicht. Wir haben früh angefangen, komplexe Finanzierungsstrukturen aufzubauen, da so ein Modell immer sehr kapitalintensiv ist.“

Tech ist auch eine Herausforderung bei Fairnica, denn bestehende Softwares sind größtenteils auf den Verkauf ausgelegt. „Zu Beginn haben wir bestehende Systeme für uns umgebaut, aber die Übergangslösungen waren nicht mehr machbar“, erklärt Nicola Henseler. „Wir hatten die Wahl entweder unser Businessmodell der bestehenden Software anzupassen oder unsere eigene Software zu bauen. Wir haben uns für Zweiteres entschieden. Ohne Investor*innen und großes Entwickler*innenteam ist das eine kaum stemmbare Herausforderung.“

Dank Technologie können Mietplattformen wie Fobe und Fairnica ihre Prozesse, von der Bestandsverwaltung bis zur Lieferplanung, automatisieren. Dies führt zu einer enormen Effizienzsteigerung im Vergleich zu manuellen Methoden. Darüber hinaus ermöglicht die Technologie eine schnelle Skalierung des Geschäfts. Das bedeutet, dass sie ihre Dienstleistungen auf eine größere Kund*innenbasis ausweiten können, ohne in gleichem Maße mehr Personal einstellen zu müssen. Tech ermöglicht eine nahtlose User Experience von der Produktsuche bis zum Check-out und trägt wesentlich zur Kund*innenbindung bei. 

Längerfristig denken und planen

Eine suffizienzorientierte Geschäftsstrategie und Wirtschaftlichkeit sind kein Widerspruch, sie erfordern lediglich eine Verschiebung der Perspektive“, sagt Carmen Jenny von CLOTHESfriends. Kurzfristiges Denken und schnelle Gewinne? Das funktioniere in diesem Fall nicht. Stattdessen müsse man auf nachhaltige, langfristige Lösungen und Modelle setzen. „Ein vermietetes Kleid kann mehrmals vermietet – also genutzt – werden“, erklärt Jenny. So schafft ein einzelnes Kleid einen höheren langfristigen Ertrag und ermöglicht es, unterschiedliche Zielgruppen zu erschließen, die weniger zahlen müssen. 

Eine suffizienzorientierte Geschäftsstrategie und Wirtschaftlichkeit sind kein Widerspruch, sie erfordern lediglich eine Verschiebung der Perspektive.

Die richtige Zielgruppe und das richtige Produkt finden 

Die richtige Zielgruppe zu identifizieren, ist ein wesentlicher Faktor für den Erfolg im Rental-Markt. Ein gut durchdachtes Mietmodell kann nur dann funktionieren, wenn es auf die spezifischen Bedürfnisse und Erwartungen der Kund*innen abgestimmt ist. Verschiedene Gruppen haben unterschiedliche Vorlieben, Bedürfnisse und Verhaltensweisen, die bei der Gestaltung von Mietangeboten berücksichtigt werden müssen. 

Daten analysieren und reagieren

Nicht alle Produkte oder Dienstleistungen sind für alle Kund*innengruppen geeignet. Einige Produkte können besonders attraktiv für bestimmte Nischenmärkte sein. Beispielsweise könnten Outdoor-Enthusiast*innen, die regelmäßig eine neue Ausrüstung benötigen, eine attraktive Zielgruppe für Outdoor-Mietdienste sein. Es ist daher entscheidend, Marktuntersuchungen durchzuführen und Kund*innendaten zu analysieren, um ein tieferes Verständnis für die Bedürfnisse und Verhaltensweisen der beabsichtigten Gruppe zu erlangen. Dies kann dazu beitragen, Mietangebote zu gestalten, die auf die spezifischen Anforderungen der Zielgruppe zugeschnitten sind und somit die Akzeptanz und Nutzung der Mietmodelle erhöhen. „Wir würden gerne für jede*n etwas anbieten, aber jede neue Zielgruppe ist mit einer großen Investition verbunden, was wir uns aktuell nicht leisten können“, erklärt Nicola Henseler von Fairnica. Dennoch hätte das Unternehmen viele zufriedene Kund*innen, die die Vorteile des Mietens sehr schätzen und genießen. „Wir bekommen Feedback, dass in der Zeit der Miet-Membership keine beziehungsweise wenig Kleidung neu gekauft wird. Das Konzept an sich scheint also durchaus dazu zu führen, dass das Bedürfnis nach Kleidung – nach Abwechslung im Kleiderschrank – befriedigt wird. Die Kleidung kommt auch in den allermeisten Fällen in einem guten Zustand zurück, sodass sie lange im Kreislauf bleiben kann.“ 

2019 hat Fairnica vorkuratierte Kapseln mit fünf bis acht Kleidungsstücken angeboten. Das war vielen zu unflexibel. Die Mix- and Match-Kapseln, bei denen fünf Kleidungsstücke selbst zusammengestellt werden, werden jedoch gut angenommen. 2019 konnte die gemietete Kleidung erst nach Ablauf des Mietzeitraums getauscht werden. Auch das war vielen Kund*innen zu unflexibel, daher wurde auf Memberships umgestellt, die den Zugriff auf alle verfügbaren Kleidungsstücke ermöglichen. Das Team von Fairnica hat bewusst keine Begrenzung für den Kleidertausch festgelegt, rechnete aber mit einem Tausch pro Monat. Momentan hält Fairnica diesen Rhythmus, bemerkt jedoch einen Trend hin zum häufigeren Tauschen und hofft, keine Begrenzungen einführen zu müssen. „Generell haben wir den Eindruck, dass die Hürden fürs Mieten noch sehr gering gehalten werden müssen, damit Menschen der neuen Erfahrung eine Chance geben. Da ist es immer schwierig abzuwägen, was ökonomisch und ökologisch vertretbar ist“, so Henseler.

Wertstabile Produkte anbieten

Bei Fobe gibt es ausschließlich Langzeitmieten: „Unsere Produkte soll man im Alltag nutzen können. Wir beziehen unsere Handtaschen nicht secondhand, sondern direkt von dem Hersteller – somit können wir schneller auf Trends und die Nachfrage der Kund*innen eingehen“, erklärt Co-Gründerin Marlena Dietz. „Unser Fokus liegt auf Brands wie etwa Balenciaga, Dior und Fendi, bei denen es keinen hohen Wertverlust im Produkt selbst gibt – dank der zeitlosen Designs und der starken Markenreputation. Wir merken, dass unsere Kund*innen ungern auf ihre Wunschtasche warten. Daher müssen wir unseren Fokus darauf legen, die Modelle mehrfach auf Lager zu haben. Dies ist oft eine Herausforderung, da es sich um ein Luxusprodukt handelt, welches nicht in Massen produziert wird. Wir müssen also darauf achten, Modelle auszusuchen, die nachbestellbar sind. Bei Kleidung ist das Rental-Modell noch komplexer und schwieriger, da die Ware nicht wertstabil ist. Durch Themen wie Sizing kann es auch schnell zu Overstock kommen“, sagt Marlena Dietz. 

Den Puls der Zeit spüren, um Erfolg in der Sharing Economy zu haben

Carmen Jenny von CLOTHESfriends betont, dass es nicht nur um die Nachhaltigkeit von Fashion Rental geht, sondern auch darum, den modischen und unkomplizierten Aspekt von zirkulärer Mode zu unterstreichen. „Dazu ist ein wichtiges Mittel auf jeden Fall Influencer-Marketing, eine konsistente Social Media Strategie und Real-Live Events.“ Die inspirierende Wirkung und der „Proof of Concept“ durch echte Menschen haben sich als starke Triebkräfte für CLOTHESfriends erwiesen. Dabei sei es wichtig, die Community über Herausforderungen transparent zu informieren. 

Unser Fokus liegt auf Brands, bei denen es keinen hohen Wertverlust im Produkt selbst gibt.

Das eigene Label zur Miete anbieten

Sabine Feuerer hat ihre gleichnamige, nachhaltige Marke im Jahr 2015 gegründet, seit 2018 bietet sie die eigenen Produkte auch zur Miete an. Im Business-to-Consumer-Bereich lancierte sie 2022 schließlich das Projekt „SF Rental Hub“ in ausgewählten Partnergeschäften. Dabei wird die gesamte limitierte Kollektion den Kund*innen zur lokalen Miete angeboten. „Dieses Geschäftsmodell ermöglicht es, Produkte in ausgewählten Partnergeschäften für einen limitierten Zeitraum ganz einfach auszuleihen, bis die Kollektion im SF HUB in der nächsten Stadt angeboten wird“, erklärt Feuerer. „Auch das optionale kontaktlose Bezahl- und Rückgabesystem in Store, gibt Kund*innen ein völlig neues Einkaufserlebnis ohne Wartezeiten“. Sie plane, dieses Erlebnis der SF Rental Journey in Zukunft durch technische Optionen weiter zu digitalisieren, ganz nach dem Motto „Self Service Works”.

Über die DACH-Region hinaus

WeDress Collective wurde im Jahr 2020 – also kurz vor der Pandemie – als Peer-to-Peer-Vermietplattform gegründet. Durchgestartet ist auch diese Plattform zunächst im DACH-Raum. Jasmin Manai Huber, Co-Gründerin und Geschäftsführerin, erklärt die strategische Entscheidung, die Mietplattform auch in anderen, nachfrage-stärkeren Märkten EU-weit zu testen. Sie gibt an, dass es große Unterschiede zwischen dem Mode-Mietmarkt in der DACH-Region und dem Rest der EU gibt.

So gäbe es in ihren aktuellen Testmärkten, darunter Spanien und Frankreich, häufig mehr Anlässe für das Mieten von Mode im Vergleich zum DACH-Raum. „Es scheint, als hätten die Themen Mode und ,Dressing Up’ hier einen viel höheren Stellenwert als beispielsweise in Deutschland“, so Huber. „Die Mietkriterien variieren ebenfalls, da Kund*innen im DACH-Raum vor allem Wert auf einen günstigen Preis und Funktionalität legen, während in anderen EU-Ländern Trends, Ästhetik und Ausgehmode wichtiger sind. In einigen EU-Ländern besteht zudem bereits eine höhere Akzeptanz für das Mieten von Mode, was die Aufklärungsarbeit erleichtert und die Akquisekosten senkt.“ Huber betont die Notwendigkeit einer differenzierten Herangehensweise, um den unterschiedlichen Märkten gerecht zu werden und ihre Dienstleistungen erfolgreich anzubieten. Sie merkt an, dass ihr Service – neben Deutschland – besonders in Frankreich hoch im Kurs steht, gefolgt von Spanien.

Die Geschäftsführerin spricht auch über die Vorzüge des Mietmodells, dass Mieten ein effektives Werkzeug sein kann, um einen mindestens fünffach höheren ROI zu erzielen als beim herkömmlichen Verkauf und gleichzeitig die traditionellen Absatzwege umsatzbringend ergänzen kann. „Zudem ist es als Peer-to-Peer-Plattform entscheidend, das richtige Angebot an Produkten sowie ausreichend Auswahl zu bieten“, erklärt Huber. „Gleichzeitig sind funktionierende Unit Economics und eine sichere Community von großer Bedeutung. Da Nutzer*innen die Logistik selbst untereinander regeln, ist diese bei unserem Modell weniger relevant. Umso wichtiger ist es jedoch, eine vertrauenswürdige Plattform zu schaffen.“ (Anm. d. Red.: ROI steht für „Return on Investment“. Es handelt sich dabei um eine Kennzahl, die das Verhältnis von Gewinn zu eingesetztem Kapital misst. In einfachen Worten, der ROI zeigt, wie rentabel eine Investition ist. Unit Economics bezieht sich auf die Einnahmen und Kosten, die mit dem Verkauf eines Produkts oder der Erbringung einer Dienstleistung verbunden sind. Sie zeigt an, ob ein Geschäftsmodell auf Einheitsebene (langfristig) profitabel ist.)

Stationär und nah an den Kund*innen

Im Gegensatz zu vielen Mitbewerbern, die sich auf digitalen Plattformen bewegen, setzt die Kleiderei seit 2012 bewusst auf ein rein stationäres Geschäftsmodell. Mit physischen Standorten in verschiedenen Städten – darunter Köln, Stuttgart und Berlin – bietet die Kleiderei ihren Kund*innen die Möglichkeit, vor Ort eine Vielzahl von Kleidungsstücken zu entdecken, anzuprobieren und zu mieten. 

„Kleiderei wurde als erstes Fashion-Rental-Konzept in Deutschland als umweltbewusste, spaßige Alternative zum Neukauf gestartet, um Kleidung länger im Kreislauf zu behalten – nicht als profitorientiertes Geschäftsmodell“, erklärt Lena Schröder, Inhaberin und Geschäftsführerin bei Kleiderei. „Damals hat sich noch kaum jemand mit diesem Thema beschäftigt. Das Bewusstsein ist in den vergangenen Jahren extrem gestiegen.“

Wir glauben fest daran, dass der lokale, reale Ort für das Leihen von Kleidung am besten funktioniert.

Nach der Insolvenz des Online-Shops 2018 war klar, dass sich das Team auf den Ausbau der Kleiderei-Stores kümmern sollte, da der Standort in Köln schon rentabel aufgebaut war. „Wir glauben fest daran, dass der lokale, reale Ort für das Leihen von Kleidung am besten funktioniert.“ Die Begegnungen in den Geschäften, die Communitys in den einzelnen Städten, der Austausch und die Events stärken das Gemeinschaftsgefühl“, erzählt Schröder. Das persönliche Einkaufserlebnis ermöglicht es außerdem, die Qualität und Passform der Kleidung direkt wahrzunehmen und somit eine fundierte Auswahl zu treffen.

Wichtig für die reibungslose, übersichtliche und schnelle Abwicklung aller Abläufe ist eine eigene, interne App. „Diese Software und all unsere Erfahrungswerte teilen wir und haben uns für eine Skalierung durch ein Filialennetzwerk mit Partnern entschieden. So können wir motivierte Gründer*innen unterstützen, ihre eigenen Kleiderei-Stores erfolgreich aufzubauen. Auch hier geht es uns um die Gemeinschaft.” 

Kontinuierliche Bildungsarbeit als zusätzlicher Baustein

Mietmodelle der Sharing Economy sind für viele Menschen immer noch ein ungewohntes Konzept. Daher ist es wichtig, über die Vorteile und Funktionsweisen von Mietmodellen aufzuklären, um Akzeptanz und Vertrauen zu schaffen. „Auch wir müssen immer noch sehr viel Bildungsarbeit leisten“, berichtet Nicola Henseler von Fairnica. „Das Wissen über die Auswirkungen der Textilindustrie auf die Umwelt ist außerhalb der Bubble immer noch wenig verbreitet. Dabei wäre es wünschenswert, eben jene Menschen zu erreichen, die sich über Nachhaltigkeit noch keine großen Gedanken gemacht haben. ”

Des Weiteren muss der finanzielle Aspekt klar kommuniziert werden. Mietmodelle können insbesondere bei teuren und nur gelegentlich benötigten Produkten kosteneffizienter sein. Indem Kund*innen die Möglichkeit bekommen, Produkte nur dann zu bezahlen, wenn sie diese tatsächlich benötigen, können sie erhebliche Kosten einsparen.

Lena Schröder von der Kleiderei berichtet Ähnliches: Die Consumer Education sei ein wichtiger Baustein, wenn wir Fashion Rental wirtschaftsfähig machen wollen. „Je nach Nutzung, ist Leihen nicht unbedingt günstiger als kaufen – es hat aber einen großen Mehrwert für uns, unsere Umwelt, unsere Mitmenschen. Und es funktioniert, wenn Kund*innen bereit sind, auch dafür zu bezahlen.“ Das allgemeine Bewusstsein steigt zwar, aber noch nicht genug, um den Markt zu durchdringen. Schröder zufolge liegt das auch am geringen Angebot: „Viele wissen von der Möglichkeit tatsächlich noch gar nichts, oder wissen das Angebot nicht für sich zu nutzen.“

Auch Theresa Schleicher vom Zukunftsinstitut ist sich sicher: Es ist wichtig, Konsumierende nicht nur über den Mehrwert von Mieten aufzuklären, sondern sie auch über die praktischen Aspekte des Mietens zu informieren, wie beispielsweise den Mietprozess, die Rückgabe und mögliche Pflichten und Verantwortlichkeiten. Transparente und leicht verständliche Informationen können dazu beitragen, etwaige Bedenken. Schließlich sollte der Aspekt der Flexibilität nicht außer Acht gelassen werden. Durch die Nutzung von Mietmodellen haben Kund*innen die Möglichkeit, Produkte nach Belieben auszuprobieren und auszutauschen, ohne sich langfristig binden zu müssen. 

Zukunftsfähiges Handeln ist im Rental-Business möglich

Im Rückblick haben sich Mietplattformen im DACH-Raum als vielversprechendes Geschäftsmodell erwiesen. Erfahrungen haben gezeigt, dass eine sorgfältige Planung, ein effizientes Qualitätsmanagement und eine klare Positionierung auf dem Markt entscheidend für den Erfolg von Mietplattformen sind.

Prognosen zufolge wird der Mietmarkt weiter wachsen, meint auch Theresa Schleicher vom Zukunftsinstitut, da immer mehr Menschen nach nachhaltigen Alternativen zum Kauf von Kleidung suchen: „Es gibt immer mehr Anbieter, die Modernität und Zeitgeist einfangen.“ Unternehmen, die in diesem Markt erfolgreich sein wollen, müssen sich jedoch auf eine effiziente Logistik, ein sorgfältiges Qualitätsmanagement und einen exzellenten Kund*innenservice konzentrieren. Darüber hinaus sollten sie die Möglichkeit in Betracht ziehen, den Verkauf von Kleidung als Ergänzung zur Vermietung anzubieten, um den Kund*innen eine größere Auswahl zu bieten und zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen.

Theresa Schleichers Top 3 Tipps für Rental-Services
  1. Es ist empfehlenswert, sich zunächst auf ein Produktangebot zu konzentrieren, das aus Kund*innenensicht sinnvoll und klimabewusst ist. Solch eine Produktlinie könnte als Testversion den zukünftigen Kund*innen angeboten werden. Sollte das nicht funktionieren, sollte die Möglichkeit bestehen, die Angebote anzupassen. Bei Unternehmen, die ein neues Geschäftsmodell im Rental-Bereich aufbauen möchten, ist es ratsam, mit wenigen, aber hochwertigen Produkten zu starten. Das ermöglicht ein kontrolliertes Wachstum und vermeidet eine frühzeitige Überforderung.
  2. Die Liefermethode des Produkts muss sorgfältig überdacht werden. Der traditionelle Online-Shop-Versand ist nicht für jedes Unternehmen rentabel und klimaneutral, besonders wegen der anfallenden Rücksendungen. Daher kann es vorteilhaft sein, die Produkte in einem stationären Geschäft anzubieten oder als Zusatzdienst zu bestehenden Bestellverfahren hinzuzufügen.
  3. Es ist wichtig, sorgfältig zu kalkulieren und das dahinter liegende Geschäftsmodell zu durchdenken. Welche und wie viele Produkte werden monatlich angeboten und über welchen Zeitraum? Das hilft, die Kontrolle zu behalten und sicherzustellen, dass das Geschäft profitabel ist. Kund*innen sollten dazu ermutigt werden, Verantwortung zu übernehmen und Teil der Lösung zu sein. 

Titelbild: Shvets Production via Pexels

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