Copy-Cats: Von Designklau und kultureller Aneignung in der Modebranche

In der Textil- und Bekleidungsindustrie werden regelmäßig Designs nicht nur geklaut, sondern auch kulturell angeeignet. Welche Konsequenzen dies für Kleinunternehmen hat und wie Modelabels es besser machen können, erklären wir hier.

Keine Zeit zu lesen? Höre hier die Audioversion des Artikels:

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von w.soundcloud.com zu laden.

Inhalt laden

Wenn du schon mal auf Instagram-Accounts wie den von „Diet Prada“ gestoßen bist, dann hast du vielleicht schon Beiträge gesehen, die sich auf Copy-Cats von Zara, Shein und andere Modeunternehmen beziehen. In der Textil- und Bekleidungsindustrie werden regelmäßig Designs nicht nur geklaut, sondern auch kulturell angeeignet. Social-Media-Accounts wie Diet Prada stellen sicher, dass solche Fashion-No-Gos viral gehen – doch nicht immer beziehen Modelabels Stellung dazu oder werden zur Rechenschaft gezogen.

Vor allem Shein fiel in den vergangenen Wochen immer wieder negativ aufs. Shein ist eine Fast-Fashion-E-Commerce-Plattform, die den Fokus hauptsächlich auf Damenbekleidung setzt. Täglich werden zwischen 500 und 2.000 neue Artikel auf der Website gelistet – Kleider gibt es hier beispielsweise schon ab fünf Euro. Das Unternehmen wurde vor allem durch digitales Marketing und Influencer-Kooperationen bekannt. Es wird gefeiert, Mode für alle zugänglich zu machen: Es beliefert fast alle Länder der Welt, ist extrem erschwinglich und bietet auch Mode für große Größen an. Als meistinstallierte Shopping-App in den USA hat sich Shein zu einem E-Commerce-Giganten entwickelt, der besonders bei Gen Z beliebt ist.

Doch immer wieder wird dem Konzern vorgeworfen, kleinere, unabhängige Designer:innen zu kopieren. Erst neulich hat die Marke Elexiay diesbezüglich Bilder auf Instagram veröffentlicht: Auf der einen Seite ist ihr Pullover „Amelia“ abgebildet (330 US-Dollar), auf der anderen Seite das quasi identische Modell von Shein (für circa 17 US-Dollar). Von Kreativität und Originalität keine Spur. Es wurde seitens Shein nicht einmal versucht, Elemente am Pullover zu ändern.

„Wir sind ein kleines, unabhängiges, nachhaltiges black-owned Unternehmen“, heißt es in der Bildunterschrift. „Unsere Handwerkerinnen – alle Frauen in Nigeria – verbringen vier bis fünf Tage damit, so ein wunderschönes Kunstwerk zu häkeln. Es ist ziemlich entmutigend zu sehen, wie Talent und harte Arbeit auf eine maschinell erstellte Kopie reduziert werden“, schrieb die Marke.

Designklau ist in der Modewelt weit verbreitet

Shein ist damit jedoch nicht allein. Viele andere Modelabels kopieren junge, unabhängige Kreative – von Fast-Fashion zu Luxusunternehmen. 

Zara steht ganz vorne auf der Liste. Das Unternehmen kopiert nicht nur Indie-Designer:innen, sondern auch große Luxusmarken. Es inspirierte sich bereits an Schuhdesigns von Balenciaga, Kanye West und Brother Vellies. Für Zara ist das Kopieren sozusagen das Geschäftsmodell für den gigantischen Erfolg, den das Unternehmen in den letzten Jahren erzielen konnte.

Wer glaubt, Luxusunternehmen würden fairer arbeiten, irrt. 2015 war die schottische Designerin Mati Ventrillon überrascht, dass Kleidungsstücke, die das Chanel-Designteam eigentlich von ihr „zur Forschung“ gekauft hatte, auf dem Chanel-Laufsteg präsentiert wurden. Nachdem Ventrillon ihren Unmut über die Situation geäußert hatte, stimmte Chanel schließlich zu, die Designerin in allen weiteren Mitteilungen über die Kollektion als Inspirationsquelle zu nennen.

Kulturelle Aneignung als eines der Hauptprobleme 

Kulturelle Aneignung ist ebenfalls ein riesiges Problem in der Textil- und Bekleidungsindustrie. Indigene, afrikanische und lateinamerikanische Kultur wird häufig in der westlichen Modebranche genutzt – ohne dafür jedoch die entsprechenden Credits anzugeben. Das Problem: Ebendiese traditionellen Techniken finden sonst oft nur marginalisiert statt und bekommen damit auch nicht die Aufmerksamkeit, die ein bekanntes Modelabel bekommt, wenn sie sich dieser bedient. Am finanziellen Erfolg werden die entsprechenden Urheber:innen auch nicht beteiligt. 

Modelabels wie Etro, Isabel Marant und Victoria’s Secret wurden schon kultureller Aneignung beschuldigt. Urban Outfitters gewann beispielsweise einen langen Rechtsstreit, den es gegen die Navajo Nation führte. Letztere verklagten das Unternehmen, weil es die traditionellen Muster der indigenen Gruppe auf Waren wie Unterwäsche und Flaschen verwendet hatte.

Bezüglich der Fashion-Fauxpas von dem Label Etro, die immer wieder den Vorwurf kultureller Aneignung begegnen, meinte Vogue: „[Etro] durchstreift die Welt seit so vielen Jahrzehnten wie ein eklektischer Nomade, dass man ihm kaum kulturelle Aneignung vorwerfen kann – Offenheit für die Ästhetik unterschiedlicher globaler Kulturen ist der Etro-Weg.“ 

Doch zwischen kultureller Wertschätzung, die durchaus ihre Berechtigung hat, und Aneignung gibt es viele Unterschiede. Erst im November 2020 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen der mexikanischen Regierung und der Pariser Modedesignerin Isabel Marant. Die mexikanische Kulturministerin, Alejandra Frausto Guerrero, hatte Marant einen offenen Brief zu ihrer neuen Kollektion geschrieben und ihr vorgeworfen, traditionelle Designmotive aus dem kulturellen Erbe gebürtiger Mexikaner:innen unerlaubt zu verwenden und von deren Arbeit zu profitieren. Die Designerin sah sich so vielen Gegenreaktionen ausgesetzt, dass sie sich schließlich entschuldigte. 

Dabei könnten Brands das Problem der kulturellen Aneignung lösen, indem sie beispielsweise mit den indigenen Gruppen zusammenarbeiten, sie beauftragen, deren Zustimmung einholen und/oder Teile des Gewinns der Community zukommen lassen. 

Die fließende Grenze zwischen Inspiration und Designklau

Es herrscht großer Druck ständig auf dem neuesten Stand zu bleiben: Die Unternehmen wollen ihrer Kundschaft jeden einzelnen Trend bieten. Dein liebster Promi trug die brandneuen Sandalen von Gucci? Beim Fast-Fashion-Unternehmen um die Ecke gibt es vermutlich ein ähnliches Modell zum Bruchteil des Preises. Wo Inspiration aufhört und Designklau anfängt, ist nicht immer ganz eindeutig.

Doch auch, wenn es sich klar um Designklau oder kulturelle Aneignung handelt, scheinen diese einzelnen Skandale die Modegiganten nicht nennenswert zu beeinflussen. Zu groß ist ihre Onlinepräsenz, ihr Umsatz, ihre Macht.

Mit seinem beschleunigten Wachstum und dem ständigen Bedarf an trendigen Neuheiten ist Designklau Teil des (Fast-)Fashion-Zyklus geworden. Dies schadet letztendlich Kleinunternehmen, die daran arbeiten, originelle Designs zu erstellen, die dann gestohlen und zu einem geringeren Preis weiterverkauft werden.

Schutz vor Designklau und kultureller Aneignung

Urheberrecht kann kompliziert sein und hängt vom jeweiligen Standort des Unternehmens ab. Vor allem in den USA sind Designer:innen nicht besonders geschützt. In Deutschland können Kreative ihre Designs beim Deutschen Patent- und Markenamt registrieren. Der Schutz gilt im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland für eine maximale Dauer von 25 Jahren.

Wie es anders geht, zeigen Unternehmen wie Limala und Zazi Vintage. Sie setzen auf Transparenz und Kommunikation, stellen die Kunsthandwerker:innen vor, mit denen sie zusammenarbeiten, und geben ihnen Anerkennung für ihre Arbeit. Bei diesen Labels dreht sich alles um Co-Creation und Dekolonisierung der Industrie: eine reelle Partnerschaft, in der Wissen ausgetauscht und Kreativität gefördert wird.

Modelabels, die sich an anderen, kleineren Unternehmen inspirieren, sollten um eine Einverständniserklärung bitten und kommunizieren, was sie mit dem jeweiligen Design tun möchten. Nur so können respektvolle, faire Kooperationen und Partnerschaften entstehen. Im Idealfall würde es in (größeren) Unternehmen eine eigene Abteilung geben, die sich mit Designklau und kultureller Aneignung befasst.

Möchtest du mehr zu dem Thema wissen?

 

Titelbild: Karina Halley via Unsplash

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Eine Antwort auf „Copy-Cats: Von Designklau und kultureller Aneignung in der Modebranche“