Aus der Berliner Start-up-Szene hervorgegangen, verändert das Label Lotta Ludwigson die Modebranche durch seine dem Circular Design entsprechenden, ästhetischen Business-Anzüge, hergestellt mit traditionellem Handwerk. Die Gründerinnen und Fashion Changers Member Nhu-Ha Dao und Charlotte Piller erzählen uns im Interview, wie sie die Marke aufgebaut haben, worauf sie beim Thema Social Media achten und wo sie das eigene Unternehmen in fünf Jahren sehen.
- Co-Gründung: Für die Gründerinnen von Lotta Ludwigson kommt es bei der Wahl der richtigen Co-Founderin auf mehrere Faktoren an. Sie betonen, dass neben passenden Fähigkeiten, eine gemeinsame Vision und übereinstimmende Werte von entscheidender Bedeutung sind. Auch heben sie die Bedeutung des gegenseitigen Vertrauens hervor. Eine bereits existierende berufliche Beziehung kann wertvolle Einblicke in Charakter und Arbeitsmoral liefern, die bei der Auswahl sehr hilfreich sein können.
- Finanzierung: Das Start-up Lotta Ludwigson nutzte eine Kombination aus Crowdfunding, dem Berliner Start-up-Stipendium und Beratungsprojekten für größere Modeunternehmen zur Finanzierung. Das Start-up-Stipendium, unterstützt durch den Berliner Senat und die EU, half bei der Absicherung der Lebensgrundlage in der frühen Phase, während Crowdfunding zur Vorfinanzierung der ersten Kleinserienproduktion diente. Die Beratungsprojekte ermöglichten eine Querfinanzierung und einen Austausch mit Unternehmen, die ebenfalls einen nachhaltigeren,zirkulären Ansatz verfolgen wollten.
- Crowdfunding: Für eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne ist es entscheidend, eine starke eigene Community zu haben, ansprechende und professionelle Inhalte auf der Kampagnenseite zu präsentieren und einen zeitlichen Puffer für Produktionsverzögerungen einzuplanen.
- Produktdesign: Das Ausmaß der Herausforderungen im Circular Design wird oft unterschätzt, während das ökologische und soziale Bewusstsein der Verbraucher*innen oft überschätzt wird – beides birgt unerwartete Schwierigkeiten. Es bedarf einer umfassenden Umstellung der gesamten Produktionskette, um komplexe, biologisch abbaubare Produkte zu gestalten. Gleichzeitig bleibt die Aufgabe groß, Konsumierende über Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit in der Modebranche aufzuklären.
- Social Media: Die Wichtigkeit der Authentizität, Bildauswahl und Konsistenz sind Schlüsselelemente einer erfolgreichen Social-Media-Strategie. Ein authentisches Markenimage, das inhaltlich und ästhetisch konsistent ist kann das Vertrauen der Zielgruppe stärken und eine starke Online-Community aufbauen.
- Direct-to-Consumer (DTC): Die Entscheidung, auf den Direktverkauf an die Kund*innen zu setzen, kann Kosten senken und eine direkte Kommunikation mit ihnen ermöglichen, wodurch eine umfassendere und transparentere Kund*innen-Aufklärung möglich wird. Der Preis der Produkte basiert auf einer Kombination aus der Deckung aller anfallenden Kosten und einem festgelegten Höchstpreis, um die Produkte erschwinglich zu gestalten.
Das Gespräch mit den Gründerinnen von Lotta Ludwigson, Nhu-Ha Dao und Charlotte Piller, führt uns in die Welt des Circular Designs, genauer gesagt, des zirkulären Modedesigns. Nhu-Ha Dao hat während ihres Studiums des Wirtschaftsingenieurwesens an der RWTH Aachen ihre Leidenschaft für Innovation und Unternehmertum entdeckt. Ihre Erfahrung in der Berliner Start-up-Szene und ihr Engagement für Nachhaltigkeit haben sie auf den Pfad des nachhaltigen Modedesigns gebracht. Charlotte Piller, mit einem Hintergrund in Kulturwirtschaft und Wirtschaftswissenschaften, hat ihr Masterstudium in Innovation & Entrepreneurship an der Copenhagen Business School genutzt, um sich intensiv mit Kreislaufwirtschaft und nachhaltigen Geschäftsmodellen in der Mode- und Textilindustrie auseinanderzusetzen.
Bei Lotta Ludwigson verfolgen die beiden Frauen das Prinzip des Cradle-to-Cradle-Designs und produzieren lokal. Cradle-to-Cradle ist ein nachhaltiges Konzept, das die Entwicklung von Produkten und Systemen vorsieht, die von Anfang an als endlos wiederverwendbar (technischer Kreislauf) oder biologisch abbaubar und zurück in die Natur führend (biologischer Kreislauf) konzipiert sind. Die Rücknahme ihrer Produkte nach dem Gebrauch ist ebenfalls geplant. In diesem Interview teilen Nhu-Ha Dao und Charlotte Piller ihre persönlichen Erfahrungen – von der Gründung und Finanzierung ihres Start-ups, über die Herausforderungen des kreislauffähigen Produktdesigns, bis hin zur erfolgreichen Nutzung von Social Media und der Implementierung eines Direktverkauf-Modells.
Ihr habt Lotta Ludwigson offiziell im März 2022 gegründet. Warum und wie habt ihr den Schritt Richtung Unternehmer*innentum gewagt?
Nhu-Ha Dao: „Lotta Ludwigson haben wir aus der eigenen Frustration heraus gegründet. Im Geschäftsalltag fanden wir damals keine ästhetisch ansprechenden Hosenanzüge, die zugleich eine ganzheitliche Nachhaltigkeit und biologische Abbaubarkeit aufwiesen.
Charlotte hatte, als sie noch an der Copenhagen Business School studierte, begonnen, sich intensiv mit Kreislaufwirtschaft und nachhaltigen Geschäftsmodellen in der Mode- und Textilindustrie auseinanderzusetzen. Durch ihre Erkenntnisse aus dem Entrepreneurship-Studium in Kopenhagen und Erfahrungen, die sie in verschiedenen Rollen wie etwa im Nachhaltigkeitsteam der Global Fashion Agenda sammelte, erkannte sie, welche Rolle das Design und die Materialauswahl beim ökologischen Fußabdruck unserer Kleidung spielen. Diese Erkenntnisse waren ausschlaggebend bei der Entwicklung unserer Vision von Lotta Ludwigson und einer nachhaltigeren Modebranche.”
Charlotte Piller: „Genau. Wenn doch klar ist, wie wir Kleidung zu entwerfen haben, sodass sie nicht zu Textilmüll wird, warum macht es dann niemand? Bevor wir uns also zu lange über andere Unternehmen und das System aufregen, wollten wir ins Tun kommen und Alternativen zur konventionellen (Business-) Mode schaffen.”
Wann kam die Idee zu Lotta Ludwigson denn erstmals auf?
Charlotte Piller: „Im November 2020 kam die erste Idee für das Label auf, die ich zunächst sporadisch neben meiner Vollzeitstelle am Wochenende weiterentwickelte. Die Teilnahme am Inkubationsprogramm Circular Together vom Impact Hub Berlin im Juli 2021 brachte frischen Wind in das Projekt und mir das Berliner Start-up-Stipendium. Die Bedeutung dieser Anerkennung war groß, doch es war Nhu-Ha, die dem Projekt im Februar 2022 eine ganz neue Dynamik gab. Nhu-Ha und ich kannten uns bereits aus dem Corporate Company Builder und da sie nach einer neuen Herausforderung suchte, schien es nur natürlich, gemeinsam Lotta Ludwigson aufzubauen und im März 2022 rechtlich zu gründen.
Dieser Entschluss wurde von einer Welle produktiver Energie getragen, die uns bis zur erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne im September und der Eröffnung unseres Online-Shops im April 2023 führte. Gemeinsam hatten wir nicht nur eine Idee realisiert, sondern ein ganzes Label aus dem Nichts geschaffen, dessen weiterer Weg vor uns liegt. Durch das Teilen der Verantwortung und der Freude, hat sich das Projekt zu einem gemeinsamen Weg entwickelt, auf dem wir nicht nur zusammenarbeiten, sondern auch gemeinsam wachsen.”
Ihr habt also schließlich zu zweit gegründet. Wie findet man eurer Meinung nach, die*den richtige*n Co-Founder*in?
Charlotte Piller: „Das ist zugegebenermaßen keine einfache Aufgabe. Die Zeit und Energie, die es braucht, um die*den richtigen Co-founder*in zu finden, wird allzu oft unterschätzt. Im Prinzip ist es wie die*den richtigen Partner*in fürs Leben zu finden, nur eben im beruflichen Kontext.
In unserem Fall profitierten wir von unserer bereits bestehenden beruflichen Beziehung, die wir durch unsere Arbeit in der Start-up-Szene in Berlin aufgebaut hatten. Dort haben Nhu-Ha und ich unsere bisherigen Erfahungen aus Innovationsmanagement, nachhaltigen Geschäftsmodellen und Kreislaufwirtschaft bei einem Corporate Company Builder anwenden können, um Start-ups für bestehende Unternehmen aufzubauen. Diese gemeinsame berufliche Erfahrung ermöglichte es uns, einander besser einzuschätzen – nicht nur hinsichtlich Charakter und Arbeitsethos, sondern auch in Bezug auf individuelle Stärken und Schwächen. Diese tiefe Kenntnis voneinander hat sich als unschätzbarer Vorteil bei der Gründung von Lotta Ludwigson erwiesen.
Auch wenn komplementäre Skills wichtig sind, glauben wir daran, dass es noch um ein Vielfaches wichtiger ist, eine gemeinsame Vision, ähnliche Wertvorstellungen und gegenseitiges Vertrauen zu haben. Ein kleiner Reminder an alle, die gerade auf der Suche nach einer*einem Co-founder*in sind: Ein strahlender Lebenslauf ist nichts wert, wenn das Bauchgefühl einfach nicht stimmt.”
Im Herzen von Lotta Ludwigson stehen zwei Persönlichkeiten: Nhu-Ha Dao und Charlotte Piller. Mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen fanden sie einen gemeinsamen Nenner in der nachhaltigen Modebranche und gründeten im März 2023 ihr eigenes Label.
Charlotte Piller, Absolventin der Kulturwirtschaft und Wirtschaftswissenschaften, hat ihre berufliche Laufbahn der nachhaltigen Unternehmensführung verschrieben. Ihre Studien und beruflichen Erfahrungen in Rom und Kopenhagen haben sie mit umfassendem Wissen über nachhaltige Geschäftsmodelle und Kreislaufwirtschaft ausgestattet, welche sie beim Corporate Company Builder Bridgemaker umsetzen konnte, wo sie auch Nhu-Ha kennenlernte.
Nhu-Ha Dao, ausgebildete Wirtschaftsingenieurin, bringt umfangreiche Erfahrungen aus der Start-up-Welt mit. Ihre frühe Spezialisierung auf Innovation und Entrepreneurship, zusammen mit ihrer Arbeit bei Bridgemaker in Berlin, hat ihr fundiertes Wissen über die Errichtung und Skalierung von Start-ups gegeben.
Zusammen ermöglicht ihre Kombination aus technischem Know-how und nachhaltigem Engagement das Bestreben von Lotta Ludwigson, Slow Fashion zu fördern, die ästhetisch ansprechend ist und gleichzeitig soziale und ökologische Verantwortung übernimmt.
Viele Start-ups scheitern bereits beim Thema Finanzierung. Wie habt ihr Lotta Ludwigson finanziert?
Nhu-Ha Dao: „Neben Crowdfunding konnten wir Lotta Ludwigson zu Beginn über das Berliner Start-up-Stipendium finanzieren. Hierbei unterstützt der Berliner Senat und die EU finanziell Gründer*innen(-teams) beim Aufbau ihrer Unternehmung.
Das Stipendium war gerade am Anfang eine tolle Möglichkeit, die eigene Lebensgrundlage zu sichern, während man noch ganz am Anfang die Idee ausgearbeitet und den ersten Prototypen entwickelt hat. Für die erste Kleinserienproduktion haben wir uns dann für eine Finanzierung über Crowdfunding auf der Plattform Startnext entschieden, um die Produktion vorfinanzieren zu können. Zudem konnten wir uns über Beratungsprojekte für größere Modeunternehmen, die gerne Schritt für Schritt zirkulärer und nachhaltiger werden möchten, zu einem Teil querfinanzieren. Unsere derzeitige Finanzierung basiert hauptsächlich auf eigenen Rücklagen. Wir sind jedoch aktiv auf der Suche nach offiziellen Förderprogrammen, um unsere Ressourcen zu erweitern und das Wachstum unseres Unternehmens zu unterstützen.”
Ihr hattet eine sehr erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne. Worauf muss man eurer Erfahrung nach dabei achten?
Charlotte Piller: „Ihr müsst die sogenannte ,Crowd’ selbst mitbringen. Man denkt erstmal, man bräuchte nur die Kampagne live schalten und dann würde es von alleine laufen, aber das ist leider ein Trugschluss. 80 bis 90 Prozent der Supporter*innen muss man selbst auf die Crowdfunding-Plattform führen. Es ist also wichtig, eine PR-Strategie zu entwickeln, während der Kampagne auf viele Events zu gehen und davon zu berichten und im besten Fall bereits vorher schon eine kleine Community über Social Media aufgebaut zu haben.
Nhu-Ha Dao: „Außerdem sind die Inhalte auf der Kampagnenseite maßgebend für den Erfolg. Sowohl das Kampagnenvideo als auch die sogenannten ,Dankeschöns’, die man gegen eine Spende bekommt, sollten professionell und ansprechend gestaltet sein. Bei den Dankeschöns sollte zudem darauf geachtet werden, dass diese unterschiedliche Preispunkte abdecken.
Aus Erfahrung wissen wir, dass es bei der ersten Produktion meistens zu Verzögerungen kommt. Deshalb sollte man einen zeitlichen Puffer zwischen dem Ende der Crowdfunding-Kampagne und der Auslieferung der Produkte einplanen, um unnötigen Stress oder unzufriedene Supporter*innen vorzubeugen.”
Wie baut man die eigene Community denn auf?
Charlotte Piller: „Ein wertvoller Ratschlag, den ich einmal während eines Inkubationsprogramms vom Impact Hub erhielt, war, dass es entscheidend ist, so früh wie möglich eine Präsenz in den sozialen Medien zu etablieren und kontinuierlich Beiträge zu veröffentlichen, selbst wenn man noch kein ausgearbeitetes Produkt oder Dienstleistung besitzt.
Diese Strategie mag überraschend wirken, aber sie ergibt Sinn, wenn man sich vor Augen führt, was Menschen tatsächlich anzieht. Es sind nicht nur die perfekt ausgefeilten Endprodukte, die Interesse wecken. Vielmehr sind es die ehrlichen, authentischen Geschichten des Aufbaus – der allmähliche Prozess, bei dem aus einer simplen Idee Schritt für Schritt etwas Großes entsteht. Es sind die Erfolgserlebnisse, aber ebenso die Herausforderungen und Rückschläge, die Menschen faszinieren und binden.
Dieses Vorgehen erfordert sicherlich eine gewisse Überwindung, insbesondere wenn man bisher nicht aktiv auf Plattformen wie Instagram war. Aber letztlich kann sich dieser Schritt als überaus lohnenswert erweisen. Es ist wichtig, sich vor Augen zu führen, dass der Aufbau eines eigenen Labels oder einer Marke in der Regel nicht ohne eine aktive Präsenz und Interaktion mit der Zielgruppe gelingt, es sei denn, man verfügt bereits über ein großes Netzwerk oder finanzielle Unterstützung durch Investor*innen.”
Nhu-Ha Dao: „Das Schlüsselwort ist hier Sichtbarkeit: Es geht darum, sich zu trauen, sich zu zeigen, um Menschen auf die Reise mitzunehmen und eine Community zu formen, die sich im Laufe der Zeit mit dem eigenen Projekt oder Produkt identifiziert. Denn letztlich ist die Kraft einer engagierten Community unvergleichlich stark. Sie kann dazu beitragen, den Erfolg und das Wachstum zu beschleunigen und eine dauerhafte Bindung zu den Nutzern oder Kund*innen herzustellen.”
Ihr habt gerade Produktionsverzögerungen angesprochen, die mittlerweile von vielen Unternehmen fest eingeplant werden. Gibt es auch Herausforderungen, mit denen ihr gar nicht gerechnet habt?
Nhu-Ha Dao: „Wir haben die Komplexität des zirkulären Produktdesigns unterschätzt und das ökologische und soziale Bewusstsein der Konsument*innen überschätzt.
Ein so komplexes Produkt wie den Hosenanzug so zu entwickeln, dass er biologisch abgebaut werden kann, ist schwierig und kostspielig. Zu realisieren, dass (Bio-) Zirkularität auch für Schnittmacher*innen, Material- und Komponentenhersteller*innen wie auch Produktionsstätten ein gänzliches neues Thema ist und die kreislauffähige Modebranche – zumindest in Deutschland – noch in den Kinderschuhen steckt, ist für uns immer noch überraschend und zugleich herausfordernd. Der Prozess der Produktentwicklung erstreckte sich von November 2020 bis zur Crowdfunding-Kampagne im September 2022. Wenn wir die Kleinserienproduktion berücksichtigen, kann man sagen, dass die Entwicklung bis März 2023 andauerte. Für diesen Prozess arbeiteten wir eng mit einer Produktionsagentur zusammen, die sich auf Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft spezialisiert hat.”
Charlotte Piller: „Und wir haben, wie Nhu-Ha schon meinte, das ökologische und soziale Bewusstsein und Wissen über Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit auf Konsument*innenseite überschätzt. In Skandinavien, wo wir beide gelebt haben, sind viele Menschen über die desaströsen Umweltauswirkungen in der Textilindustrie bereits informiert und wissen, was eine Kreislaufwirtschaft und Cradle-to-Cradle-Design ist und was es braucht, um diese umzusetzen. Im Vergleich dazu bedarf es in Deutschland leider noch wahnsinnig viel Aufklärung. ”
Ihr setzt bei euren Social-Media-Accounts sehr auf Personal Branding. Wie geht ihr da vor: Habt ihr beispielsweise einen Redaktionsplan oder postet ihr eher spontan?
Charlotte Piller: „Das stimmt – über unsere sozialen Medien wie Instagram und LinkedIn geben wir viele Eindrücke in unseren Gründerinnen-Alltag, mit allen Höhen und Tiefen. Den Social-Media-Content planen wir aber nicht vor, sondern entscheiden immer wieder aufs Neue spontan, was wir tagesaktuell mit unseren Follower*innen teilen möchten. Das ist zwar schlechter für die Work-Life-Balance, da das auch bedeutet, sonntags mal früher aufzustehen, um eine Story zu posten, aber dafür sind die Inhalte immer aktuell und authentisch.”
Worauf sollten Gründer*innen eurer Erfahrung nach beim Thema Social Media achten?
Nhu-Ha Dao: Überlegt euch, welche Art von Content zu euch, eurer Brand, eurem Produkt und eurer Zielgruppe passt„: Soll der Instagram-Account zum Beispiel ein reiner ,Fashion Account’ sein, mit einem komplett durchgestylten Feed und Storys, die die Ästhetik der Brand widerspiegeln, oder darf es auch ein bisschen ,unperfekter’ und somit nahbarer sein? Vielleicht auch etwas dazwischen? Es gibt kein Richtig oder Falsch, solange es sich für euch authentisch anfühlt.
Dabei finde ich es auch wichtig, sich anzuschauen, welchen Accounts man selbst begeistert folgt. Fasziniert es euch, wenn Accounts über mehr hinausgehen als nur ihre Produkte, oder bevorzugt ihr eher ästhetisch ansprechende oder aktivistische Accounts mit einem Bildungsschwerpunkt? Oder sind es vielleicht die Behind-the-Scenes-Sequenzen, die euch besonders ansprechen? Abhängig davon, was ihr an anderen Accounts schätzt, könnt ihr diese Elemente auf eure eigene Weise in eurem Account integrieren. Fragt bei Unsicherheit ruhig immer wieder eure Follower*innen, was sie sehen möchten.”
Charotte Piller: „Bei allem, was man tut, ist es wichtig, konsistent zu bleiben: Nichts ist wichtiger als Regelmäßigkeit und Verlässlichkeit. In manchen Wochen viel und dann mal wochenlang nichts zu posten ist in der Social-Media-Welt ein No-Go und führt dazu, dass Vertrauen verloren gehen kann. Wenn ihr mit dem Account einen Community-Ansatz verfolgt, dann lebt dieser von der Regelmäßigkeit und dem Austausch mit den Follower*innen. Von daher gilt: consistency is key.”
Was hat sich in Sachen Social Media und PR bei euch seit der Gründung verändert?
Nhu-Ha Dao: „Glücklicherweise haben wir von Anfang an viel Aufmerksamkeit bekommen. Namhafte Content-Creators kamen für eine Zusammenarbeit auf uns zu, wir wurden in Podcasts eingeladen, haben Interviews geführt und auch in letzter Zeit viel PR in Zeitschriften und Zeitungen bekommen.
Im Prinzip hat sich seit unserer Gründung also nichts geändert, außer dass wir nun seit ein paar wenigen Wochen probeweise mit einer Person aus Hamburg zusammenarbeiten, die uns bei Produktplatzierungen speziell in Magazinen unterstützt.”
Ihr habt gerade erwähnt, dass ihr von Anfang an, viel Aufmerksamkeit bekommen habt. Warum war das so?
Charotte Piller: „Die Frage, wie wir so viel Aufmerksamkeit erregt haben, ist nicht einfach zu beantworten. Es scheint jedoch, dass unser Engagement, aktiv nach außen zu treten, bei Events neue Kontakte zu knüpfen und sichtbar zu sein – sei es physisch oder über soziale Medien – eine wesentliche Rolle gespielt hat.”
Nhu-Ha Dao: „Unsere Kenntnis und das Verständnis unserer Zielgruppe ist ebenfalls ein wichtiger Faktor. Wir stellen Produkte für Menschen her, deren Bedürfnisse wir genau kennen und verstehen. Unser Fokus liegt dabei auf der Business-Mode, da wir aus dem Wirtschaftsbereich kommen und diese Welt gut kennen. Unser eigenes Netzwerk hat hierbei eine entscheidende Rolle gespielt. Durch unsere Zeit in verschiedenen Städten wie Kopenhagen, Aachen und Berlin haben wir ein Netzwerk von Menschen aufgebaut, die ebenfalls in der Geschäftswelt tätig sind und Wert auf Nachhaltigkeit legen. Diese Verbindungen waren unschätzbar wertvoll für die Entwicklung und den Erfolg unseres Unternehmens.”
Ihr bietet eure Produkte aktuell über den DTC-Markt an, also direct-to-consumer. Wieso habt ihr diese Handelsentscheidung getroffen?
Charlotte Piller: „Ein wesentlicher Grund hierfür ist, dass wir unsere Produkte so ,günstig’ wie möglich anbieten wollen. Natürlich sind unsere Produkte nicht günstig, sondern ein Investment-Piece, aber der Preis ist derzeit trotzdem um ein Vielfaches geringer, als wenn wir in den stationären Handel mit horrenden Retail-Margen gehen würden.
Im stationären Handel würde unser Anzug bei derzeitigen Produktionsmengen vermutlich eher zwischen 2.000 und 3.000 Euro liegen. Als DTC-Brand können wir unseren Kund*innen den Anzug für 1.000 Euro anbieten, auch wenn das insgesamt bedeutet, dass wir selbst weniger verdienen, da wir nur eine kleine Gewinnmarge und geringe Absatzmengen haben.
Ein zweiter Grund ist, dass es im stationären Handel nur selten die Möglichkeit gibt, über unsere Produkte aufzuklären beziehungsweise das Personal oftmals nicht ausreichend geschult ist. Fragen zu Zirkularität, Produktbedingungen und Materialien werden im stationären Handel kaum beantwortet. Da unsere Produkte eher erklärungsbedürftig sind, ist das für uns vorerst nicht der richtige Weg.”
Wie habt ihr den Preis der Produkte festgelegt? Auf welche Kriterien habt ihr dabei geachtet?
Nhu-Ha Dao: „Den Preis unserer Produkte haben wir sowohl mit der ,Bottom-Up-Methode’ als auch mit der ,Top-Down-Methode’ festgelegt.
,Bottom Up’, weil wir auf Basis unserer anfallenden Kosten wie etwa Produktentwicklung, Materialien, Produktion, Personal, Steuern, Logistik, Unternehmens-Gemeinkosten usw. die Kalkulation gestartet haben. Anschließend sind wir auf ,Top-Down’ übergegangen, weil wir wussten, dass der Anzug einen bestimmten Preis nicht übersteigen soll.
Damit der Preis zwar alle Kosten deckt, aber den Preis von 1.000 Euro nicht übersteigt, haben wir dann die Gewinnmarge und unsere Gehälter reduziert. Auch wenn wenig übrig bleibt, spenden wir hiervon zudem noch einen Teil an soziale Projekte, die sich für mehr Gleichberechtigung und Chancengleichheit von Mädchen und Frauen einsetzen.”
Was sind eure Top drei Tipps, um als DTC-Brand mehr Kund*innenbindung und -nähe zu schaffen?
Charlotte Piller: „Um als Direct-to-Consumer-Marke eine engere Bindung und Nähe zu den Kund*en aufzubauen, würden wir folgende drei Tipps geben:
- Seid auf Social Media nahbar und authentisch: Zeigt euch selbst und lasst eure Kund*innen die Menschen hinter der Marke kennenlernen. So entsteht eine persönliche Verbindung.
- Baut eine Fokusgruppe auf: Durch regelmäßiges Sammeln von direktem Feedback aus dieser Gruppe könnt ihr eure Produkte und Services besser an die Bedürfnisse und Wünsche eurer Kund*innen anpassen.
- Nutzt Anproben und Pop-up-Events: Sie bieten euch die Möglichkeit, eure Kund*innen direkt vor Ort kennenzulernen und ihre unmittelbaren Reaktionen auf eure Produkte zu beobachten. Das verschafft euch wertvolle Einblicke in ihr Verhalten und ihre Vorlieben.”
Gerade erst fand die Berlin Fashion Week wieder statt, sowie die ganzen Modemessen. Wie nutzt ihr solche Events?
Charlotte Piller: „Letztes Jahr wurden wir als eine von 15 ,Aspiring Designers’ von der Neo Fashion ausgewählt und durften im Rahmen der Berlin Fashion Week unsere Anzüge erstmals auf dem Laufsteg präsentieren. Das war natürlich ein großartiges Gefühl, als Newcomer-Brand eine solche Plattform zu bekommen und somit auch über die Mode hinaus eine Botschaft zu vermitteln.
Unabhängig von unserer eigenen Präsenz auf dem Laufsteg nutzen wir die Fashion Week vorwiegend als Ort der gemeinsamen Begegnung, an dem wir uns mit anderen Menschen und Organisationen aus der nachhaltigen Modeszene regelmäßig treffen und austauschen.”
Was wünscht ihr euch für Lotta Ludwigson in den kommenden fünf Jahren?
Nhu-Ha Dao: „Fünf Jahre ist ein langer Zeitraum für ein Start-up, daher liegt unser aktueller Planungshorizont gerade eher so bei einem Jahr, aber Wünsche haben wir natürlich. In fünf Jahren hätten wir gerne ein kleines Team, einen Laden mit dazugehörigem Büro und wären gerne finanziell stabil aufgestellt. Bis dahin hätten wir gerne verschiedene Zertifizierungen – sowohl für unsere Kernprodukte als auch für das Unternehmen selbst. Neben der Entwicklung weiterer zirkulärer Produkte wünschen wir uns auch weiterhin, mit viel Pioniergeist den Kerngedanken der Kreislauffähigkeit in Wirtschaft und Gesellschaft voranzutreiben.”
Wie und womit können sich andere Fashion Changers Members bei euch melden?
Charlotte Piller: „Wir sind immer offen für den Austausch mit anderen Fashion Changers Members und freuen uns über jede Kontaktaufnahme. Oftmals erhalten wir Anfragen für Tipps und Ratschläge bezüglich der Durchführung von Crowdfunding-Kampagnen, und in diesem Bereich teilen wir gerne unsere Erfahrungen. Gleichzeitig sind wir auch immer daran interessiert, von den Erfahrungen anderer Members zu lernen. Wenn jemand beispielsweise Informationen zu Produktionstätten teilen möchte, wäre das für uns sehr hilfreich. Zudem könnten wir uns gut vorstellen, mit Members, die Produkte in einem ähnlichen Preissegment anbieten, bei einem Pop-Up-Event zusammenzuarbeiten. Wir glauben, dass diese Art von Kooperation für alle Beteiligten von großem Nutzen sein kann.”
Titelbild: Nhu-Ha Dao (links) und Charlotte Piller (rechts), © Bastian Bochinski
Über Nhu-Ha Dao
Nhu-Ha Dao hat sich mit ihrem Bachelor- und Masterstudium im Wirtschaftsingenieurwesen mit der Fachrichtung Elektrische Energietechnik an der RWTH Aachen schon früh auf Innovation & Entrepreneurship fokussiert und den Weg in die Nachhaltigkeits- und Start-up-Szene eingeschlagen. Über drei Jahre hat sie in Berlin bei dem Corporate Company Builder Bridgemaker mehrere Start-ups in verschiedenen Phasen mit aufgebaut, wodurch sie auch Charlotte kennengelernt hat. Mit der gemeinsamen Gründung von Lotta Ludwigson im März 2023 vereint sie nun ihre Interessen im Unternehmertum und in der Nachhaltigkeit, um einen wertvollen Beitrag für eine nachhaltigere Textilindustrie zu leisten.
Über Charlotte Piller
Nachdem Charlotte Piller die beiden Bachelorstudiengänge Kulturwirtschaft und Wirtschaftswissenschaften erfolgreich absolviert hatte, fand sie ihre Berufung im Bereich Sustainable Entrepreneurship. Während ihres Masterstudiums in Innovation & Entrepreneurship an der Copenhagen Business School setzte sie sich intensiv mit der Kreislaufwirtschaft wie auch nachhaltigen (Material-) Innovationen und Geschäftsmodellen in der Mode- und Textilindustrie auseinander. Ihre Erfahrungen im Bereich Fashion & Luxury Management in Rom, als SDG-Botschafterin & im Nachhaltigkeitsteam der Global Fashion Agenda in Kopenhagen wie auch als Venture Architect bei Bridgemaker haben alle dazu beigetragen, dass sie die Vision von Lotta Ludwigson und einer nachhaltigeren Modebranche entwickelte.