Klimawandel und Mode – Wie sehr unser Konsum das Klima beeinflusst

Wenn wir die Modewelt revolutionieren, retten wir nicht automatisch die gesamte Welt. Doch: Die Modewelt ist das ideale Beispiel für den aberwitzigen, schnellen und globalisierten Kapitalismus, der sich zu unserem neuen Wirtschaftssystem gemustert hat.

Klimawandel-Mode-Co2-Ausstoss

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Lies hier ein Update zum Thema Klimawandel und Mode für 2021.

Die Journalistin und Aktivistin Naomi Klein beschreibt in ihrem Buch „Kapitalismus vs. Klima“ den Kapitalismus als außer Kontrolle geratene freie Marktwirtschaft. Das Resultat dieses unermüdlichen Strebens nach immer größeren Gewinnen, immer höheren Dividenden für die Aktionäre und kontinuierlich steigenden Umsätzen zeigt sich in der Modeindustrie mit immer mehr Kollektionen zu immer günstigeren Preisen und immer schlechterer Qualität. Es ist also die Bekleidungsindustrie als Beispiel für die außer Kontrolle geratene freie Marktwirtschaft versus das Klima. Ein Drama in vier Akten.

1. Akt: der Ressourcenverbrauch der Modeindustrie

Es geht um jeden Schlüppi, den wir tragen, jede Socke, die wir in der Waschmaschine verlieren, jedes Outfit, was wir für einen bestimmten Anlass kaufen, und die Bettdecke, in die wir uns nachts einkuscheln. Alles verbraucht Ressourcen: Energie, Rohstoffe, Wasser und Arbeitskraft. Die Rohstoffe für unsere Kleidung werden größtenteils aus Baumwolle und Erdöl gewonnen. Baumwolle wird angebaut, geerntet, versponnen und gewebt. Das Erdöl ist die Basis, aus der Polyester entsteht.

Problem 1: Die Masse macht’s

Es wird viel zu viel produziert und das erhöht natürlich die Menge der benötigten Rohstoffe, sowie von Energie, Wasser und Arbeitskraft. Die Bekleidungsproduktion hat sich laut Greenpeace von 2000 bis 2014 mehr als verdoppelt. Dabei wurden im Jahr 2014 erstmals mehr als 100 Milliarden Kleidungsstücke produziert. Das macht aus dem Problem eine Krise. Dabei benötigt ein Kleidungsstück viel zu viele Ressourcen, als dass wir es zu einem Wegwerfprodukt machen können.

Problem 2: Der Wertstoffkreislauf ist nicht geschlossen

Bei einem ressourcenintensiven Produkt wie Kleidung sollte besonders darauf geachtet werden, dass es nicht zu Müll wird, sondern weiterverwendet werden kann. Das passiert aber nicht. Ungewollte Kleidung landet viel zu oft im Restmüll, wird somit verbrannt und dem Wertstoffkreislauf entzogen. Dabei entsteht natürlich auch CO2. In der EU geht man von 1,5 bis 2 Millionen Tonnen Müll aus ungewollter Kleidung aus – jährlich. Doch nicht nur wir Konsument*innen sind Teil des Problems. Noch bei der Produktion, genauer gesagt beim Zuschnitt der Kleidung, fallen 15 Prozent Verschnittreste an, die in der Regel auf dem Müll landen.

Problem 3: Sinkende Qualität

Wo wir schon beim Wertekreislauf sind: Die Qualität der Kleidung ist durch die überwiegende Verwendung von Polyester und anderen Synthetikfasern so schlecht geworden, dass diese nicht nur nicht weiterverkauft, sondern nicht einmal neu versponnen oder weiterverwendet werden können. Falls es möglich ist, synthetische Kleidung zu Isoliermaterialien oder Putzlappen weiterzuverarbeiten, handelt es sich um Downcycling, also eine Qualitätsminderung. Hierbei wird die Ware meist unter den akkumulierten Herstellungskosten verkauft – die Weiterverwendung der Materialien ist hier wirtschaftlich also häufig sehr unattraktiv.

2. Akt: CO2-Ausstoß in der Modeindustrie

Insgesamt 8 Prozent des weltweiten CO2-Verbrauchs kann der Bekleidungs- und Schuhindustrie zugeordnet werden. Das ist weniger als der CO2-Verbrauch der Fleischproduktion, aber dennoch mehr als der gesamte Flug- und Schiffsverkehr zusammen. Es geht um vier Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2016, damit die neuesten Trends in den Läden hängen können.

Problem 1: Die Wertschöpfungskette für Kleidung ist wahnsinnig arbeits- und energieintensiv

Doch wo genau entsteht überall CO2? Bei der Förderung von Erdöl für die Herstellung von Synthetikfasern, beim Betrieb der Maschinen, für das Licht in den riesigen Fabrikhallen und dem Transport der Ware kommt die benötigte Energie zum Großteil nicht aus regenerativen Energiequellen, sondern wird aus fossilen Energieträgern gewonnen.

Problem 2: Primäre Rohstoffe sind energieintensiver als sekundäre Rohstoffe

Die Herstellung von neuem Polyester als primären Rohstoff ist für 40 Prozent des ausgestoßenen Kohlenstoffdioxid verantwortlich. Würde man hingegen recyceltes Polyester als sekundären Rohstoff verwenden, senkt das die CO2-Bilanz um 40 Prozent. Das Problem ist hier allerdings die aktuell noch nicht gegebene Wirtschaftlichkeit.

Außerdem sollte man nicht nur auf den CO2-Ausstoß achten, ein Beispiel: Im konventionellen Baumwollanbau wird Lachgas als Dünger verwendet, dessen Wirkung als Treibhausgas 300-mal schädlicher ist als CO2. Beim Anbau von Bio-Baumwolle wird auf Lachgas (N2O) verzichtet. So können 46 Prozent CO2 eingespart werden.

Problem 3: Internationalität

Die Transportwege, die ein Kleidungsstück zurücklegt, bis es in einem Geschäft ankommt, sind immens. Die unterschiedlichen Schritte in der Wertschöpfungskette (Anbau, Spinnerei, Färberei, Näherei) werden meist in spezialisierten Betrieben durchgeführt, welche oft in unterschiedlichen Ländern liegen. Die neu produzierten Kleidungsstücke reisen dann im mit Schweröl befüllten Großtanker noch einmal um die halbe Welt. So kann ein T-Shirt die Strecke von mehreren Weltumrundungen zurückgelegt haben, bevor du es zum ersten Mal in den Händen hast.

3. Akt: Chemikalienverbrauch in der Modeindustrie

Laut dem New Standard Institute können 20 Prozent der industriellen Wasserverschmutzung dem Färben und Behandeln von Textilien zugeordnet werden.

Problem 1: hochgiftiges Bleichmittel und andere Katastrophen

In der Textilindustrie geht es um die Verwendung von Schwefel und Nitrat, ebenso um Schwermetalle wie Kupfer, Nickel und Kobalt, Farbfixierer auf Basis von Formaldehyd (ja, richtig gelesen: das, was wir aus den Filmen als Betäubungsmittel kennen) oder Fleckenentfernern auf Chlorbasis, um damit nur ein paar zu nennen. Um die Menge in Perspektive zu setzen: Bei der Produktion eines T-Shirts aus Baumwolle wird das Doppelte bis Vierfache des T-Shirt-Gewichts an Chemikalien eingesetzt, bei einem Viskosepullover geht man von der fünf- bis siebenfachen Menge aus. Wir reden hier von großteils hochgiftigen und nicht biologisch abbaubaren Chemikalien.

Problem 2: Wasserverschmutzung

Oft wird das Abwasser der Fabriken ungeklärt in Flüsse geleitet. Die darin enthaltenen Farben und der ölige Schlamm trüben das Wasser und lassen es stinken. In das trübe Wasser kann Sonnenlicht schlechter eintreten und Fotosynthese ist kaum oder gar nicht mehr möglich. Durch die fehlende Fotosynthese sinkt der Sauerstoffgehalt im Wasser und das beeinträchtigt das gesamte Leben im Wasser, sowie den Selbstreinigungsprozess, den ein Gewässer normalerweise hat. Wird das verunreinigte Wasser zum Bewässern der Felder verwendet, sinkt die Fruchtbarkeit der Böden.

Das Abwasser kann seinen Weg außerdem direkt in die Trinkwasserquellen finden. Dieses Abwasser ist natürlich absolut ungeeignet für den menschlichen Verzehr.

Problem 3: Unsere Kleidung kann uns krank machen

Der Zoll im Hafen öffnet die Container mit der neuen Fast-Fashion-Ware nur noch im Schutzanzug oder bevorzugt automatische Entladungseinheiten. Wir werden angehalten unsere Kleidung mindestens einmal vor dem ersten Tragen zu waschen. In Fast-Fashion-Läden wird die Luftverschmutzung gemessen und die Hände der Mitarbeiter werden auf giftige Chemikalien untersucht. Man kann sogar einen allergischen Schock von neu gekaufter Kleidung bekommen. Unsere Kleidung kann uns krank machen.

Wie viel Chemie in der Bekleidungsindustrie verwendet wird, haben wir im Problem 1 verstanden. Unsere Kleidung beeinträchtigt jegliches Leben: von den Mitarbeiter*innen entlang der Wertschöpfungskette, unser eigenes Leben und das der Tiere und Pflanzen.

4. Akt: die humanitäre Katastrophe in der Modeindustrie

Warum die Modeindustrie im aktuellen Zustand äußerst bedenklich für uns Menschen ist, hat verschiedenste Gründe.

Problem 1: die fehlende Sichtbarkeit

Es geht zum einen um die fehlende Sichtbarkeit und eine dadurch stattfindende Diskriminierung durch Produktion und Marketing von verschiedenen Körpergrößen „welche nicht der Norm entsprechen“. Marketing zeigt nur das Körperbild des schlanken, hochgewachsenen, wohlgeformten und makellosen Menschen. Ein unerreichbares Ideal, welches in den meisten Fällen nur mit Photoshop möglich ist. Fast Fashion wird genau für diesen Idealtyp Mensch und alle, die diesem Ideal nacheifern, produziert.

Problem 2: Lebensgefahr

Die Menschenwürde und das Leben der Arbeiter*innen in der Textilbranche werden durch die Arbeit in unsicheren Bedingungen nicht geschützt.

Entgegen so mancher Meinung werden Textilien nicht maschinell gefertigt. Schneidern ist ein Handwerk und da im Fast-Fashion-Sektor alles günstig und schnell sein muss, leiden zuallererst die Rechte derjenigen, die Mode produzieren. Unsichere Arbeitsbedingungen und intransparente Lieferketten sind die Folge.

Problem 3: Wo bleibt der intersektionale Feminismus?

Schätzungsweise 80 Prozent der Näher*innen sind Frauen und somit ist unsere Kleidung auch zwangsläufig eine politische Stellungnahme zum intersektionalen Feminismus. Man kann Frauen nicht in einem (Produktions-)Land ausbeuten, damit sie in einem anderen Land günstig Mode kaufen können.

Problem 4: Zerstörung des Lebensraumes

Die Bekleidungsindustrie stößt nicht nur wahnsinnig viel CO2 aus, auch die Masse an verwendeter Chemie schädigt sichtbar und nachhaltig Lebensräume und heizt den Klimawandel ordentlich an. Spinnen wir den Gedanken mal egoistisch weiter: Wir produzieren in Indien, Bangladesch, Vietnam oder auf dem afrikanischen Kontinent. Das sind genau die Gebiete, die aufgrund des Klimawandels als Erstes unbewohnbar werden. Und ihre Bewohner*innen werden dann Teil der 400 Millionen zu erwartenden Klimaflüchtlinge sein, die Schutz und Hilfe in unseren vom Klimawandel voraussichtlich gemäßigt betroffenen Gebieten suchen.

5. The Aftermath: Konsumverzicht

Fast Fashion, wie wir sie heute kennen, gibt es schätzungsweise seit den 2000-ern. Es ist noch ein sehr neues Phänomen. Fast Fashion ist ein Resultat unseres kapitalistischen Systems und dementsprechend ein perfektes Beispiel für kürzere Produktzyklen und kontinuierliches Wachstum durch Bedarfsweckung bei uns – den Konsument*innen. Dadurch steigt aber mindestens im selben Maße der Bedarf an Ressourcen, der Verbrauch an CO2, Chemikalien – und damit häufig auch die Ausbeutung von Menschen. Aufgrund des hohen Einflusses auf das Klima und der großen Symbolkraft – denn schließlich macht Mode ja noch immer Spaß und wir alle tragen tagtäglich Kleidung – kann sie aber die Welt auch zum Guten verändern.

In der Fashion Industry Charter for Climate Action, welche im Dezember 2018 in Katowice vorgestellt wurde, verpflichten sich die unterzeichnenden Unternehmen die ausgestoßenen Treibhausgase bis 2030 um 30 Prozent zu reduzieren und bis 2050 die Nettonull zu erreichen. Unterzeichnet wurde unter anderem von Inditex, der H&M-Gruppe, Adidas, Nike und Hugo Boss. In diesem Charter geht es allerdings vordergründig um die Reduzierung des CO2-Ausstoßes, nicht direkt um die Verwendung von nachhaltigen Materialien, Umweltschutz oder faire Produktionsbedingungen. Wir können aber den Fast-Fashion-Firmen bei ihrem bevorstehenden Sinneswandel helfen, indem wir ihnen Grenzen setzen und ihre Praktiken nicht mehr unterstützen. Das bedeutet in erster Linie: nicht mehr dort einkaufen, bis sie transparent nachhaltige Verbesserungen nachweisen.

Vor allem der westliche Lebensstil ist verheerend fürs Klima. Wir konsumieren viel mehr Kleidung, als wir überhaupt tragen können. Deswegen ist unser Handeln in unserer privilegierten Position besonders wichtig, da wir damit viel beeinflussen können. Leider können wir uns nicht einfach „grün konsumieren“, denn auch dafür werden viele Ressourcen verbraucht. Stattdessen müssen wir uns im Konsumverzicht üben, können unseren Kleiderschrank wiederentdecken oder Kleidung tauschen.

Bei meiner Recherche ist mir in einem anderen Artikel ein Satz aufgefallen, der nicht passender sein könnte: „Wenn es eines gibt, was Mode kann, dann ist es ihre einzigartige Fähigkeit, neue, kreative Geschichten zu erzählen.“ (aus dem I-D Interview mit Naomi Klein)

Mode hat die Strahlkraft, die Welt positiv zu verändern und auch genügend klimawirksame Hebel, um die Treibhausgase massiv zu reduzieren. Es benötigt die Politik, internationale Organisationen, das Engagement der Firmen und uns aufgeklärte Konsument*innen. Lasst uns also eine neue Geschichte von geändertem Konsumverhalten und fairer, nachhaltiger Mode erzählen.

Du willst wissen, wie sich die Modeindustrie in den letzten zwei Jahren entwickelt hat? Dann empfehlen wir den Artikel „Klimawandel und Mode – Welche Fortschritte macht die Modeindustrie?“, der im Oktober 2021 erschienen ist. Viel Spaß beim Lesen!

Titelbild: Oladimeji Odunsi / Unsplash

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4 Antworten auf „Klimawandel und Mode – Wie sehr unser Konsum das Klima beeinflusst“

Die Mode und TExtilindustrie ist sehr umfangreich und mit sehr vielen Arbeitsschritten verbunden, weshalb ich diesen Überblick super finde. ich schreibe meine Bachelorarbeit über die Nachhaltigkeit in der Modebranche und fand es sehr hilfreich den blogbeitrag zu lesen. danke dafür