Vom ressourcenintensiven Anbau von Naturmaterialien bis zur Freisetzung von Chemikalien ins lokale Trinkwasser – Menschen, die unsere Kleidung herstellen, sind vielen verschiedenen Gesundheitsrisiken ausgesetzt – und dies ist eine Form von Umweltrassismus.
Was ist Umweltrassismus?
Umweltrassismus bezeichnet die unverhältnismäßigen Auswirkungen von Umweltgefahren auf BIPoC-Gemeinschaften und andere Minderheitengruppen. Der Begriff bezieht sich auf institutionelle Vorschriften, Richtlinien oder Unternehmensentscheidungen, die absichtlich bestimmte Gemeinschaften mit einer unverhältnismäßigen Anzahl von Umwelt- und Gesundheitsrisiken belasten.
Als Beispiele werden oft Giftmüllanlagen und Müllhalden genannt, aber auch Chemiefabriken und Kernkraftwerke. Diese beeinträchtigen die Lebensqualität der Gemeinschaften, verseuchen das lokale Trinkwasser oder bringen zum Beispiel dauerhafte, üble Gerüche mit sich. Umweltrassismus kann aber auch durch unsichere oder ungesunde Arbeitsbedingungen entstehen, indem keine gesundheitlichen Vorschriften für Arbeiter*innen bestehen oder durchgesetzt werden.
Die Statistiken über Umweltrassismus sind schockierend. Überall auf der Welt tragen Angehörige von marginalisierten Gruppen eine größere Last der Gesundheitsprobleme, die sich aus einer höheren Belastung durch Abfall und Umweltverschmutzung ergeben. Vor allem in den USA wird Umweltrassismus großflächig dokumentiert.
Eine zwanzigjährige Vergleichsstudie stellte fest, dass „Race wichtiger ist als der sozioökonomische Status bei der Vorhersage des Standorts der gewerblichen Sondermüllanlagen des Landes.“ Die Forschungen ergaben beispielsweise, dass Schwarze Kinder fünfmal häufiger an Bleivergiftungen leiden, als weiße Kinder. Zudem lebt eine überproportionale Anzahl von BIPoC-Communitys in Gebieten mit Sondermülldeponien.
Wie sieht Umweltrassismus in der Modebranche aus?
Weltweit werden jährlich etwa 80 Milliarden neue Kleidungsstücke gekauft. Die mit der Produktion verbundenen Umwelt- und Gesundheitsrisiken von Fast Fashion sind erheblich. Doch diese werden größtenteils in den Globalen Süden verlagert, wo der Hauptteil der textilen Produktionsstätten liegt.
Unfälle, wie der Einsturz der Rana-Plaza-Fabrik im Jahr 2013, bei dem über 1100 Menschen ums Leben kamen, erinnern stark an die Gesundheitsgefahren, denen Textilarbeiter*innen ausgesetzt sind. Katastrophen wie diese haben die Sicherheitsstandards für Arbeitnehmer*innen jedoch nicht nachweislich geändert.
Die Auslagerung von Arbeitskräften in den Globalen Süden ist eine gängige Praxis, bei der Modelabels von günstigeren Arbeitskosten und weniger strengen Umweltauflagen profitieren. Manche Regierungen reduzieren ihre Umweltgesetzgebung sogar auf ein Minimum, um mehr Unternehmen anzuziehen.
Baumwolle auf Kosten von Lebensmitteln
Die Produktion von textilen Rohstoffen ist für einen großen Teil der Umweltbelastung verantwortlich. Etwa 50 Prozent der Kleidung, die in die Europäische Union importiert wird, besteht beispielsweise aus konventioneller Baumwolle. Diese Naturfaser wird umwelttechnisch teilweise als problematisch angesehen, denn je nach Anbaugebiet benötigt Baumwolle große Mengen an Land, Wasser, Düngemitteln und Pestiziden.
Die Art der Landwirtschaft zerstört Böden, welche folglich nicht mehr für den Ackerbau genutzt werden können. Dies kann schließlich zu einer Unterernährung einer ganzen Gemeinschaft führen, die keine eigenen Lebensmittel anbauen kann und nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, um Nahrung zu kaufen. Als Folge dessen wandern immer mehr ehemalige Landwirt*innen in die Städte ab, um zum Beispiel in einer Textilfabrik zu arbeiten. Der Kreislauf schließt sich.
Verseuchtes Wasser kann zu Krebs führen
Das Färben von Textilien birgt zusätzliche Gefahren, da unbehandeltes Abwasser von Farbstoffen häufig in lokale Wassersysteme eingeleitet wird. Dabei werden Schwermetalle und andere Giftstoffe freigesetzt, die neben den Bewohner*innen auch die Gesundheit von Tieren beeinträchtigen können. Letztere dienen für viele als wichtige Nahrungsquelle.
Im Jahr 2011 veröffentlichte Greenpeace „Dirty Laundry“ – einen Bericht, der Verbraucher*innen weltweit dazu aufrief, Veränderungen in der Modebranche zu fordern. Der Bericht zeigte, dass das Abwasser in den Textilindustriegebieten in einigen Regionen Chinas Chemikalien enthielt, die Krebs verursachen oder die Fortpflanzung beeinträchtigen. Untersuchungen in der Lieferkette verknüpften die Produkte dieser Fabriken mit globalen Marken – darunter Adidas, Nike, H&M und Zara.
Im selben Jahr startete Greenpeace die Kampagne „Detox My Fashion“, in der Modeunternehmen aufgefordert wurden, die Verschmutzung von Gewässern mit gefährlichen Chemikalien aus der Bekleidungsproduktion zu stoppen. 2018 wurden die Ergebnisse dieser Kampagne veröffentlicht: Das Chemikalienmanagement hatte sich innerhalb weniger Jahre nachweislich verbessert. Die Textilindustrie setzt den Fokus nun auch auf die Verschmutzung innerhalb der Lieferketten, Chemielieferanten arbeiten mit Detox-Unternehmen zusammen und neue kommerzielle Dienstleistungen wurden geschaffen, wie beispielsweise das Detox-To-Zero-Audit von OEKO-TEX®.
In einer Textilfabrik ohne Sicherheitsstandards lauern Gefahren
Arbeits- und Sicherheitsstandards werden aufgrund der schlechten politischen Infrastruktur und des Organisationsmanagements oft nicht durchgesetzt. Daraus folgen eine Vielzahl von Berufsrisiken: Atemwegserkrankungen aufgrund schlechter Belüftung, Gelenkentzündungen durch wiederholende Bewegungsaufgaben, Verletzungen durch schlechte Ausrüstung oder unzureichende Schulung für die Bedienung von Maschinen, Verletzungen durch oder falscher Umgang mit gefährlichen Chemikalien und Substanzen.
Ohnmachtsanfälle sind in Fabriken nicht selten. Denn die Angestellten arbeiten oft bis zu 16 Stunden am Tag, ohne Pause, ohne nahrhaftes Essen, ohne ausreichende Belüftung oder Klimaanlage. Wenn Textilarbeiter*innen krank werden, haben sie häufig keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung.
Unser Abfall ist nicht unser Problem
Das Fast-Fashion-Modell ermutigt Verbraucher*innen, Kleidung als Wegwerfartikel zu betrachten. Doch wo landet die Kleidung, die wir spenden oder gar wegwerfen? Sie findet oftmals den Weg zurück in den Globalen Süden. In Ghana werden beispielsweise bis zu 300.000 Tonnen Kleidung aus Großbritannien auf Deponien gestapelt oder an der Küste angeschwemmt.
Nachhaltigkeit bedeutet Anti-Rassismus
Umweltrassismus in der Modebranche ist ein reales Problem. Der gesamte Lebenszyklus eines Kleidungsstückes beeinflusst das Leben der Menschen, die unsere Kleidung herstellen. Der Rahmen für Umweltgerechtigkeit muss erweitert werden, um die unverhältnismäßigen Auswirkungen zu erfassen, die diejenigen, die unsere Kleidung nähen, erfahren. Rassismus und Nachhaltigkeit in der Modebranche sollten demnach zusammen angegangen werden.
Titelbild © Cottonbro Studio via Pexels
Dieser Artikel wurde 2022 erstmalig von unserer Autorin Medina Imsirovic geschrieben. Aktualisierung: 2023