Das Retouren-Geschäft: Wie klimaschädlich sind retournierte Onlinebestellungen?

Eine Illustration zeigt ein Männlein, das einkauft, daneben ist eine Sanduhr in der die Erde auf ein Feuer tropft, es geht darum, wie klimaschädlich Online-Retouren sind

„Ich kann ja mal eine Auswahl bestellen, den Rest schicke ich zurück.“ Samstag Nachmittag, es regnet und ich sitze mit meinem Kaffee und dem Laptop auf der Couch. Der Klick zum nächsten Onlineshop ist nicht weit. Egal bei welchem ich mich durchklicke, überall gibt es Angebote zu den neusten Trends. Retouren inklusive!

Onlineshopping und zu Hause anprobieren ist für viele viel bequemer als im Laden in der Umkleidekabine mühselig erst alles auszuziehen. Und mal ehrlich, das Licht ist doch auch nicht immer berauschend. Also lieber viel bestellen, und das, was nicht gefällt, kostenlos zurückschicken. Doch kaum jemandem ist bewusst, wie stark das Retouren-Geschäft unsere Umwelt beeinflusst.

Ich habe mich auf die Suche begeben und recherchiert. Dabei konnte ich sowohl mit Fast-Fashion- als auch mit Fair-Fashion-Unternehmen sprechen. Vor allem hat mich interessiert, ob es einen Unterschied zwischen dem Umgang mit Retouren gibt. Wie sehr schaden Retouren unserer Umwelt in Deutschland?

Wie sieht die Gesetzeslage für Retouren aus?

Eine Retoure wird als Rückgabe von Waren an Verkäufer*innen definiert. Die Gründe dafür können beschädigte oder falsch gelieferte Ware oder auch das Nichtgefallen der Ware sein. Oftmals werden jedoch mehrere Alternativen bestellt oder Impulskäufe getätigt. Seit 2002 regelt das Fernabsatzgesetz, dass Verbraucher*innen bei Onlinekäufen, ein Widerrufsrecht von 14 Tagen zusteht. Innerhalb dieser Zeit können Kund*innen reguläre Ware ohne Angabe von Gründen widerrufen.

In der Praxis bieten Händler häufig, ohne gesetzliche Vorgabe, sowohl die Übernahme der Versandkosten als auch die Rücknahme von Waren an, für die kein Widerrufsrecht besteht. Ein solcher Service kann das Vertrauen der Käufer*innen und die Kundenbindung stärken.

Retouren als CO2-Emittent

Wer viel bestellt, bekommt oft Post. Das bedeutet vor allem viele Fahrtwege und Verpackungen. Vier von fünf Befragte geben an, in den letzten zwölf Monaten Kleidung oder Schuhe online erworben zu haben. Dabei bestellten die Online-Shopper*innen im Durchschnitt 16 Modeartikel in diesem Zeitraum. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Nuggets zu Onlinebestellungen und deren Weiterverwendung.

Auch Greenpeace ließ eine Umfrage anlässlich der Online-Rabattschlachten am jährlichen „Black Friday“ durchführen. Denn von diesen Bestellungen gehen viele wieder zurück an die Unternehmen. Dies bedeutet erneute Verpackungen und Transportwege. Und das belastet auch das Klima —, und zwar im Vergleich genauso viel, wie täglich 2200 Autofahrten von Hamburg nach Moskau. Das sind 238 000 Tonnen CO2 im Jahr.

Warum retournieren so viele Menschen Kleidung?

Egal ob Fast Fashion oder Fair Fashion: Es gibt immer Angebote oder limitierte Editionen, welche die Kauflust steigern sollen. Oftmals folgt dann die Enttäuschung: Es passt nicht und ab geht es zurück mit der Post zum Unternehmen. Menschen mögen es gerne einfach und bequem und möchten die größtmögliche Auswahl haben. Aus diesem Grund bestellen wir auch mehr als wir brauchen. Vor allem große Modekonzerne werben mit Slogans wie „Online bestellen und zu Hause anprobieren“ oder „30 Tage Rückgaberecht“. Das verleitet zu unkontrollierten Bestellungen.

Eine Statista-Umfrage hat ergeben, dass 32 Prozent der Kleidungsbestellungen wieder retourniert werden. Die häufigsten Gründe für eine Retoure: Der Artikel passt nicht, ist defekt oder es wurde das falsche Produkt geliefert. All diese Punkte können mit einem optimierten Kundenservice und detaillierten Produktinformationen vermindert werden.

In der Fashion-Industrie ist es jedoch oft Teil des Geschäftsmodells, den Onlinekunden*innen Auswahlkäufe zu ermöglichen. Für gut 67 Prozent der befragten Onlinehändler mit einer hohen Retourenquote haben Maßnahmen zur Retouren-Vermeidung besondere Priorität. 86 Prozent erfassen gezielt die Gründe von Retouren. Mehr als 61 Prozent leiten aus den erfassten Daten konkrete Optimierungen ab. Eine entscheidende Maßnahme zur Retouren-Vermeidung ist für 78 Prozent der Befragten die Bereitstellung detaillierter Produktinformationen im Onlineshop, um Kunden*innen möglichst sichere Entscheidungshilfen an die Hand zu geben.

Werden Artikel zurückgeschickt, weisen diese häufig Beschädigungen oder andere Mängel auf. Die Waren verlieren an Wert, nachdem die Originalverpackung aufgerissen oder entfernt wurde. Wenn Kunden*innen anschließend von dem Widerrufsrecht Gebrauch macht, bleibt der Handel meist auf dem Schaden sitzen. In der Praxis müssen Online-Händler für Textilien für den Weiterverkauf im Schnitt einem Preisnachlass von 42 Prozent gewähren.

Retouren: Fair Fashion vs. Fast Fashion

Fast Fashion ist häufig sehr günstig und wird in Massen produziert. So wird schneller konsumiert und damit auch schneller retourniert, um wieder Neues bestellen zu können. Ein Kreislauf auf der Überholspur. Im Fair-Fashion-Bereich hingegen wird oftmals bedachter konsumiert. Wer zu Fair Fashion greift, beschäftigt sich in der Regel mit Themen wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Kunden*innen machen sich häufiger mehr Gedanken über ihren Konsum und fragen sich: Muss die Bestellung wirklich sein? Gefällt mir das Kleidungsstück wirklich? Und wird es mir passen?

Auch der Preis spielt eine größere Rolle. Fair-Fashion-Artikel sind teurer, aber damit eben fair produziert. Eine Umfrage von Utopia hat ergeben, dass aufgrund der kleineren Auswahl vor Ort und der geringeren Online-Auswahl sowie den meist höheren Preisen, nicht mehr Menschen häufiger zu Fair Fashion greifen. Dabei würde der Kauf von Fair Fashion auch dem Retouren-Geschäft gut tun.

Das nachhaltige Unterwäsche-Label erlich Textil räumt Kunden*innen in der Regel den gesetzlichen Rahmen für die Rücknahme ein. Für Kunden*innen ist das kostenlos, aber das Unternehmen weist Kunden*innen auf ihrer Website darauf hin, Retouren der Umwelt zu Liebe zu vermeiden. Die Bearbeitung der retournierten Ware dauert zwischen 7 und 14 Tagen. Ein Umtausch ist aus hygienischen Gründen nicht möglich. Die Retouren gelangen ins Lager, werden aufgearbeitet und wieder in den Verkauf gegeben.

Aus diesem Grund wird darauf hingewiesen, die Unterwäsche nur ungetragen wieder zurückzusenden. Sollte es sich um einen defekten Artikel handeln, wird dieser weiter an den Produzenten gesendet, für eine Qualitätsverbesserung begutachtet und recycelt. Somit schließt sich auch der Produktionskreislauf. Erlich Textil handelt nach dem „Online-Only“-Konzept, durch Beratungen via Kunden-Chat und qualifizierten Größenangaben wird versucht, die Retourenquote zu minimieren. Das zeigt, dass durch Kundenhinweise und qualitative Materialien, sowie dem stetigen Austausch mit Kunden*innen, Retouren vermieden und sinnvoll bearbeitet werden können.

Auch bei dem Fair-Fashion-Unternehmen Loveco wird durch den Austausch mit Kunden*innen, durch Social Media oder am Telefon und gute Produktbeschreibungen versucht, die Passform und Größe so passend wie möglich zu vermitteln, um die Retourenquote zu senken. Fast alle Retouren werden wieder verkauft. Wenn die Ware verschmutzt zurückkommt, tritt Loveco mit Kunden*innen in Kontakt. Des Weiteren bietet Loveco, das Click & Collect-Prinzip an. Also bestellen und selber abholen und auch die Retoure wieder persönlich vorbeibringen.

Der Fair-Fashion-Pionier Hessnatur legt sehr viel Wert auf hohe Umwelt- und Sozialstandards. Kunden*innen können auf Probe kaufen. Die gelieferte Ware kann innerhalb von 14 Tagen kostenfrei zurückgegeben werden. Jede Retoure wird sorgfältig geprüft und für den erneuten Versand an andere Kunden vorbereitet. Nur wenige Artikel sind verschmutzt oder leicht beschädigt. Diese Artikel werden zu reduzierten Preisen im hauseigenen Outlet in Butzbach verkauft.

Nicht mehr verkäufliche Artikel werden an ein Sozialprojekt in Nordrhein-Westfalen gesendet. Dort werden Menschen mit Handicap oder Langzeitarbeitslose beschäftigt. Die Artikel von Hessnatur werden vor Ort ausgebessert oder aufgearbeitet und in den projekteigenen Kaufhäusern an sozial benachteiligte Menschen zu einem angepasst niedrigen Preis verkauft. So wird ein achtsamer und nachhaltiger Umgang mit den Artikeln sichergestellt.

Beim Versand achten viele Fair-Fashion-Unternehmen auf umweltschonende Prozesse und versenden deswegen ihre Ware mit DHL GoGreen. Dabei wird das verursachte CO2 durch Klima-Projekte kompensiert. Bei meiner Recherche habe ich im Fast-Fashion-Bereich nur von Esprit eine Rückmeldung erhalten. Esprit verfolgt als Fast-Fashion-Unternehmen, laut eigenen Angaben, einen nachhaltigeren Ansatz, indem retournierte Kleidungsstücke wieder in den Handel gebracht werden bzw. bei Nicht-Verkauf ins Outlet wandern. Esprit betreibt dazu 32 Outlets in ganz Europa.

Würde ein Artikel auch dort nicht verkauft werden, geht das Stück in die nächsten sogenannten Verteil-Center, um die Ware in Ländern ohne direkte Esprit-Vertriebswege anzubieten. Durch diese Möglichkeiten können laut Esprit, so gut wie 100 Prozent der Ware verkauft werden. Kleidungsstücke werden nur dann vernichtet, wenn zum Beispiel Chemikalien verwendet wurden, welche gegen die Vorschriften von Esprit verstoßen. An diesem Beispiel wird deutlich, dass durchaus auch im Fast-Fashion-Bereich versucht wird, Retouren sinnvoll zu bearbeiten. Dies ist aber leider nicht bei jedem Unternehmen der Fall.

Eine Reportage des WDR zeigt, dass vor allem Fast-Fashion-Unternehmen auf ihre gesetzlichen Ansprüche verzichten. Um Kunden*innen zu binden, lassen sie Retouren durchgehen, auch wenn die Kleidung zum Beispiel deutliche Gebrauchsspuren aufweist.

Vernichten ist oft günstiger als Aufbereiten

Onlinehändler verfolgen grundsätzlich das Ziel, retournierte Artikel wieder als A-Ware zu verkaufen, was jedoch nur bei 70 Prozent der Fall ist, da viele Artikel qualitativ so sehr beeinträchtigt sind, dass eine Aufbereitung nicht möglich oder zu aufwändig wäre. Diese Produkte können entweder als B-Ware verkauft werden, zum Beispiel in Outlets oder als Spenden. Wenn auch dies nicht mehr geht, landen die Stücke in der Entsorgung oder im Recycling. Vor allem Fast-Fashion-Kleidung lässt sich jedoch nur schwer recyceln. Viele Stücke haben einen hohen Plastikanteil im Stoff, sowie aufgenähte Applikationen wie zum Beispiel Pailletten, welche nicht recyclingfähig sind. So landet das Stück dann ungetragen im Müll.

Viele Menschen betreiben Retouren fast als Lebenseinstellung. Befragte, die überdurchschnittlich viel online ordern, haben weniger Hemmungen als Gelegenheitskäufer*innen, Bestellungen bei Nichtgefallen einfach wieder einzupacken. Viele dieser Kunden*innen wissen aber nicht, dass die meiste Ware im Müll landet. Eventuell würden Kunden*innen mit diesem Wissen rücksichtsvoller bestellen. Im Juni 2018 deckte das TVMagazin Frontal 21 auf, dass im deutschen Onlinehandel im großen Stil neuwertige Produkte vernichtet werden. Als Hauptgrund für die Vernichtung der Retouren wurde angegeben, dass das Sichten und Neuverpacken der Ware zu arbeitsintensiv sei und sich so nicht mit dem Verkaufspreis decken würde.

Laut des Retourentachos werden ca. vier Prozent aller Retouren vernichtet. „Bei 280 Millionen Paketen deutschlandweit”, so die Tagesschau, „sind das immer noch gut 11 Millionen Online-Retouren, die im Müll landen.”

Für den Fast-Fashion-Handel lohnt sich nur das, was günstig und in großen Margen gefertigt werden kann. So lässt es zügig verkaufen und Lagerkosten werden gespart. Die Konzerne interessiert nur, dass die Ware verkauft wird und nicht, dass sie möglichst langlebig beim Kunden bleibt. Im Februar diesen Jahres stimmte das Bundeskabinett für einen Gesetzesentwurf zum sorgfältigeren Umgang mit Retouren. Wann und in welchem Ausmaß ein solches Gesetz kommt, ist zum aktuellen Zeitpunkt jedoch noch unklar.

Wie können Retouren vermieden werden?

Die Fast-Fashion-Industrie produziert größtenteils in Niedriglohnländern. Dabei werden viele Ressourcen aufgewendet und u.a. Pestizid belastete Baumwolle verarbeitet. Die fertige Ware wird nach Produktion um den halben Globus geflogen, transportiert, verpackt und verschickt, um dann durch eine unbedachte Bestellung im Müll zu landen. Viola Wohlgemuth, Expertin bei Greenpeace sagt, dass der Black Friday ein schwarzer Tag für die Umwelt sei. „Unser Konsum vernichtet immer mehr Ressourcen und heizt die Klimakrise an. Verbraucher*innen sollten sich bewusst sein, dass jedes einzelne Paket Folgen für die Umwelt hat.“ Der Modekonsum wächst und wächst, obwohl die Schränke immer weiter überquellen und viele Stücke ungetragen im Schrank hängen.

Durch einen gezielteren Austausch mit Kunden*innen , können Retouren vermindert werden, da die Größenangaben und Informationen rund um das Produkt transparenter und genauer sind. Der deutsche Handelsverband setzt genau hier an. Er spricht sich für einen vermehrten Einsatz von künstlicher Intelligenz aus, um Kundenbedürfnisse passgenauer zu analysieren und Retouren zu vermeiden. Eventuell wäre auch eine verpflichtende Gebühr für Retouren ein Hindernis für all diejenigen, welche ungehindert Bestellungen zurückschicken.

Wissenschaftler*innen schlagen eine gesetzlich vorgeschriebene Rücksendegebühr vor, um das Klima zu entlasten. Dazu haben Wirtschaftsforscher*innen in einer Studie ermittelt, dass Konsumenten*innen einer solchen Gebühr positiv gegenüber stehen würden. In der Studie wurde deutlich, dass eine Mindestgebühr von drei Euro, die Retouren um 16 Prozent senken würde. „Bei 490 Millionen zurückgeschickten Artikeln im vergangenen Jahr entspräche das etwa 80 Millionen Retouren weniger. Dem Klima würde das fast 40.000 Tonnen CO2 ersparen.”, sagt Dr. Björn Asdecker von der Uni Bamberg.

Eine Retouren-Checkliste für euch

  • Damit auseinandersetzen, wie das Unternehmen mit Retouren umgeht
  • Überlegen, ob du das Teil wirklich brauchst
  • Genau die Größenangaben und die Konfektionierung des jeweiligen Labels anschauen und lieber noch einmal nachmessen
  • Kundenbewertungen zu dem Kleidungsstück lesen
  • Sammelbestellungen mit Freund*innen & Familie vornehmen

Wie gehst du aktuell mit Onlinebestellungen um? Achtest du auf Retourenbestimmungen?

Dieser Beitrag wurde von unserer Gastautorin Larissa Steyer verfasst. Larissa ist 24 Jahre alt, studiert nach ihrem Fachabitur in Medienproduktion Marketing und hat bereits Erfahrungen in Werbeagenturen gesammelt. Lange war Larissa selbst dem Konsumwahn verfallen – bis zum Juni 2018.  Seitdem brennt sie für Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Ihre Vision? Jedem zeigen, dass  Nachhaltigkeit  & Umweltschutz cool ist.  Ganz nach dem Motto „Be the Change”.  Auf www.lalalunix.de bloggt Larissa genau darüber. Seit Juni 2019 verkauft sie nachhaltige Papeterie unter Lala LuniX Creative. Daneben brennt sie für wandern, Krafttraining, malen, fotografieren, schreiben und lesen. Larissa ist ehrlich, authentisch, Kaffee-Suchti mit leichtem Hang zum Drama und verliebt in Berlin.

Titelbild: Peera, Nunny via Rawpixel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

3 Antworten auf „Das Retouren-Geschäft: Wie klimaschädlich sind retournierte Onlinebestellungen?“

Chinesische Online-Händler verloren in Deutschland im 2018 wegen Umsatzsteuerumgehung zehn Milliarden Euro.

Danach verlor sie hunderte Milliarden Euro durch häufige Retouren deutscher Kunden.

Die Zahl der in Deutschland tätigen Online-Händler beträgt weniger als 10% von der in den USA.

Die hohen Anforderungen deutscher Kunden und die zu komplexen gesetzlichen Bestimmungen in Deutschland haben Online-Händler ferngehalten.

Gleichzeitig sind Menschen, die auf der ganzen Welt Deutsch lernen, teilweise verletzt worden.