Die Greenwashing-Falle: Wie ich auf Greenwashing reinfiel und was ich daraus lernte

Als Fair-Fashion- und Naturkosmetik-Bloggerin dachte ich lange Zeit, dass ich gegen jede Art von Greenwashing gewappnet sei. Meine Dauer-Skepsis schien mich gegen nichtssagende Marketing-Sprüche immun zu machen.

Doch auch mit meinem Wissen und Netzwerk in der Öko-Bubble und dem Zugang zu seriösen Quellen und Expert*innenwissen, ist es passiert: Die Greenwashing-Falle hat zugeschnappt.

Falle Nummer 1: verstecktes Mikroplastik und Silikone

Seit Jahren stelle ich auf meinem Blog, YouTube und Instagram ausschließlich Naturkosmetik vor. Vor ein paar Monaten landete dort auch eine Neuentdeckung von mir: mein neuer Lieblings-Highlighter, zugeschickt von einem renommierten Naturkosmetik-Onlineshop. Die Inhaltsstoffe habe ich deshalb nicht sofort infrage gestellt. Leider musste ich später über eine andere Bloggerin erfahren, dass in meinem neuen Make-up-Favoriten Mikroplastik versteckt war, mit dem mysteriösen Namen Acrylates Copolymer. Autsch!

Das Problem: Mikroplastik wird unterschiedlich definiert. Einige Hersteller, und darunter auch Firmen, die ihre Produkte als Clean Beauty oder Green Beauty bezeichnen, erkennen lediglich Polyethylen (PE) als Mikroplastik an. Strengere Definitionen, wie von Greenpeace oder BUND, schließen jedoch auch Nylon-12, Acrylate Crosspolymer und eben auch Acrylates Copolymer ein (Quelle). Auch Silikone, wie Dimethicone, konnte ich bereits in nachhaltigen Zero-Waste-Shops entdecken. Das Thema Inhaltsstoffe ist also komplizierter als gedacht.

Falle Nummer 2: Fast Fashion macht auf nachhaltig

Als Fair-Fashion-Expertin ist mir diese Story schon fast peinlich. Als kleinen Disclaimer möchte ich noch vorweg schicken, dass ich Kooperationen mit großen Unternehmen nicht komplett ausschließe: Bei jeder einzelnen Anfrage wäge ich individuell ab, ob und in welcher Form eine Zusammenarbeit Sinn ergibt. Doch die Ausnahme, beziehungsweise mein kleiner Ausrutscher, bestätigt die Regel: Ein Fast-Fashion-Unternehmen, das ganz früher mit mir zusammengearbeitet hat und seitdem regelmäßig Bemühungen zeigte, transparenter, fairer und nachhaltiger zu arbeiten, kam mit einer spannenden Anfrage auf mich zu: Ich sollte eine nachhaltige Kollektion bewerben.

Normalerweise sträube ich mich davor, eine vom Rest des Unternehmens losgelöste Eco-Kollektion zu bewerben. Warum braucht es eine neue Produktlinie on top, um nachhaltiger zu handeln? Wenn nicht der Kern des Geschäftsmodells angepackt wird und nicht von innen heraus das Unternehmen und seine Produktion umgekrempelt werden, ist das ein Fall für klassisches Greenwashing. In diesem Beispiel hatte ich jedoch, warum auch immer, Scheuklappen auf, und lud ein klassisches Advertorial auf Instagram hoch, ohne kritische Auseinandersetzung mit der Brand. Es ging auch nicht um einen hohen Geldbetrag, oder ein Prestige-Projekt, ich habe mich einfach blenden lassen. Nachdem ich mir einige konstruktive Kommentare zu Herzen genommen, überprüft und mit Kolleg*innen diskutiert hatte, entschied ich mich dazu, ein Statement zu teilen und die Zusammenarbeit abzubrechen.

Falle Nummer 3: Bio-Plastik als Lösung

Bei diesem Missverständnis bin ich bestimmt nicht allein: Sogenanntes Bio-Plastik klingt erst mal vielversprechend. Tatsächlich sind bio-basierte Kunststoffe alles andere als umweltfreundlich. Der ökologische Fußabdruck verschiebt sich nur, da die Rohstoffe mehr Fläche, Dünger und Aufwand beim Recycling benötigen. In letzter Zeit mehrten sich in meinem E-Mail-Account Kooperationsanfragen von Start-ups, aber auch etablierten Firmen, die auf Bio-Plastik setzen. Und ganz ehrlich: Ich stand nun bereits einige Male kurz davor, eine Kooperation einzugehen. Zum Glück tappte ich bisher nicht in Falle Nummer drei. Auch, weil ich mich durch Eigenrecherche intensiver mit dem Thema auseinandergesetzt habe und somit dem Thema bio-basierte Kunststoffe gegenüber skeptisch bleibe.

Bio-Plastik ist auch nicht die Lösung. © Masha Kotliarenko/unsplash.com

Wann schnappt die Falle endlich zu? Über Hate und Erwartungshaltungen

Negative (Hass-)Kommentare gab es zu den oben genannten Beispielen wenige, allerhöchstens herablassende. Diese sind aber generell nicht hilfreich, da sie besonders bei weniger reflektierten Accounts eher das Gegenteil bewirken: Abbruch des Austauschs, Löschen von Kommentaren oder generelle Skepsis gegenüber Nachhaltigkeitsthemen.

Spannend waren hingegen alle konstruktiven oder nachfragenden Kommentare, die mir zeigten, dass hier etwas einfach nicht zu meinem sonstigen Content passt. Wenn treue Follower die größten Kritiker*innen sind, kann ich das sehr gut nachvollziehen. Sie wünschen sich von mir, dass ich eine zuverlässige Anlaufstelle für alle Eco-Themen bin.

Doch eine Sache muss ich noch loswerden: Neben dem oben beschriebenen Feedback konnte ich zusätzlich einen gewissen „Vibe” spüren, dass viele nur darauf gewartet hatten, dass es bei mir mal einen Ausrutscher gibt. Ich hatte ziemlich schnell viele Kommentare von Accounts, die sonst nie meine Bilder liken, bei mir kommentieren oder auf meine Stories reagieren. Das ist nur meine eigene, persönliche Einschätzung, aber ich würde mich nicht wundern, wenn es anderen Blogger*innen in der Eco-Bubble manchmal ähnlich geht.

Den kritischen Blick weiter schärfen

Insbesondere große Firmen stecken viel Zeit und finanzielle Mittel in ihr Image. Selbst mit einem sehr kritischen Blick ist man manchmal etwas naiv oder wird geblendet. Eventuelle finanzielle Einbußen durch den Vertragsabbruch und einen möglicherweise etwas angekratzten Agenturkontakt nahm ich in Kauf, da mir Authentizität sowie der transparente und ehrliche Austausch mit den Leser* innen am wichtigsten ist.

Ich kann mich also nicht auf meiner Erfahrung ausruhen, werde weiterhin versuchen meine Greenwashing-Alarmglocken in Schuss zu halten und mich wie immer verstärkt mit Expert*innen aus der Eco-Szene austauschen.

Ohren auf bei Kritik und Daumen hoch für guten Content

Nach meiner persönlichen Erfahrung kann ich nur an alle Leser*innen appellieren: Bleibt kritisch, vertraut nicht ungefragt allen Empfehlungen von Influencer*innen, sondern verschafft euch auch immer ein eigenes Bild und recherchiert, wenn ihr könnt, auch zusätzlich selbstständig.

Und wenn ihr eine Diskrepanz bei euren Lieblingsblogger*innen entdeckt: Nicht immer steckt das große Geld dahinter. Niemand ist perfekt (siehe auch “Ökos Only” Wie perfekt müssen Klimaktivist*innen sein?”). Ehrliche (Nach-)Fragen und konstruktives Feedback ist bei seriösen Accounts jedoch immer gewünscht, das kann ich euch versichern. Wenn Blogger*innen aber auf Teufel komm raus alle kritischen Kommentare zum Kooperationspartner verteidigen und sich nicht auf eine konstruktive Diskussion einlassen, würde ich hellhörig werden.

Dennoch: Statt sich auf die Fehler zu konzentrieren, belohnt als Leser*innen lieber Content, der in Sachen Nachhaltigkeit eure Erwartungen und Anforderungen erfüllt. Liket und kommentiert genau dann, wenn ihr nur innerlich einen Daumen hoch vergebt. Meine persönliche Erfahrung war leider, dass aufgrund der vielen negativen Kommentare mein versehentlicher Greenwashing-Content sehr viel Reichweite erzielte (der Algorithmus unterscheidet nicht zwischen Hate und Lob, sondern analysiert allgemein die Interaktionen). Andere Postings, in denen ich zum Beispiel NGOs bewarb, bekamen hingegen weniger Impressionen.

Die eigene Qualitätskontrolle sicherstellen

Und an alle Medienschaffenden: Austausch, Austausch, Austausch! Durch Gespräche untereinander und Diskussionen wie über den Artikel “Wenn Blogger*innen Greenwashing promoten” von Jennifer Hauwehde können wir unsere eigene Qualitätskontrolle sicherstellen – auch über Produktwerbung hinaus.

Meine eigene Erfahrung hat mich auf jeden Fall einige Schritte weitergebracht, Greenwashing einmal „am eigenen Leib“ zu erfahren, mich besser in die Situation hineinfühlen zu können und Warnsignale in Zukunft besser deuten zu können, sodass hoffentlich erstmal keine Falle mehr zuschnappt.

Titelbild: (c) Sonia Dauer via Unsplash
Hintergrundbild: (c) Isis Franca via unsplash

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4 Antworten auf „Die Greenwashing-Falle: Wie ich auf Greenwashing reinfiel und was ich daraus lernte“

Schön geschrieben!
Ich mag es, wenn Influencer auch ehrlich zu Misgeschicken oder Fehlern stehen und sich nicht dafür zu schade sind, sowas auch zuzugeben.
Kritik ist für mich immer die größte Bereicherung. Auch wenn jemand manchmal einen anderen Ton anpeilt, als mir vielleicht lieb ist. Denn wenn jemand Argumente für seine Sichtweise hat, dann sind mir die Direkten meist lieber, als diejenigen, die Weichmacher verwenden und akribisch auf ihre Wortwahl achten nur um mich nicht zu verletzen. Denn der Inhalt bleibt ein und derselbe, egal in welche Worte man sie packt.
Da sind viele dann auch zu empfindlich. Wenn es einem Influencer wichtiger ist WIE ich etwas sage, als was ich sage, gerade dann wenn ich meine Sichtweise begründen kann, dann ist das für mich ein Zeichen dafür, dass der Influencer mit Kritik nicht umgehen kann und sich dafür auch nicht interessiert.

Hi Nele – danke für deinen Kommentar. Freut mich, dass du es ähnlich siehst, also dass Kritik wichtig ist, auch weil sie eine Bereicherung sein kann. Wobei ich ganz anderer Meinung bin, wenn es um Wortwahl und „Verpackung“ der Kritik geht. Ich finde wie Kritik formuliert ist, sogar sehr wichtig. Es kann sonst auch schnell verletzend, unnötig persönlich und auch schnell respektlos werden, wenn wir nicht darauf achten, was wir wie sagen. Natürlich sollte man auch kritikfähig sein und besonders im beruflichen Kontext nicht alles persönlich nehmen. Aber der Grat kann schmal sein. Und ich persönlich bin lieber lösungsorientiert, weshalb ich konstruktive Kritik präferiere.

Da stimme ich dir zu. Das Problem ist nur manchmal, dass manche sich vielmehr an der Verpackung, sprich der Wortwahl aufhängen, als am Inhalt interessiert sind.
Wer so vorgeht, den interessiert die Kritik keineswegs. Denn wenn ich meine Meinung äußere, einem Freund Kritik entgegen bringe, vielleicht da auch mal direkter bin, den aber interessiert nur die Wortwahl, obwohl das Gesagte seinen Wahrheitsgehalt hat, dann bin ich auch so frei demjenigen nicht mehr ehrlich gegenüber zu sein. Denn ich möchte mich nicht über die Verpackung streiten müssen, sondern Menschen, die am Inhalt interessiert sind. Und da reagieren viele, vor allem Frauen, zickig.
So verfahre ich mit Freunden. Und mit jedem anderen Auch. Wer auf der Suche nach Lösungen und der Wahrheit ist, und auch daran interessiert ist persönlich zu wachsen und sich zu verbessern, der kann auch mit direkten Worten umgehen. Wohl gemerkt rede ich hier nicht von Beleidigungen oder Schimpfworten. Sondern ob Ich etwas so Formuliere:
“Du, ich möchte dir jetzt nicht zu nahe treten, aber in dieser und Jener Situation da ist mir Folgendes aufgefallen. Ich fände es toll, wenn du das nächstes Mal anders machen könntest. Das wäre echt toll, wenn das ginge. Ich hoffe du nimmst das nicht persönlich. Ist echt nicht böse gemeint”
Oder so:
“Du, letztes mal fand ich dieses und jenes nicht so toll. Ich fände es besser, wenn wir das so und so regeln könnten:”
Beispiel 2 ist damit die direkte Variante, von der Ich spreche. Und wer das nicht abkann, ist einfach nicht kritikfähig. Egal ob als Normalmensch oder Influencer.