Was du über Bioplastik wissen solltest

Was steckt hinter Bioplastik? Greenwashing, Marketing oder tatsächlich eine Lösung für das Plastikproblem unserer Zeit?

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Zusätzlich zu der aktuellen „No-Plastic“-Debatte begegnen wir Plastik, das als „biologisch abbaubar“ beworben wird oder sogar „biologischen“ Ursprungs sein soll. Doch was steckt dahinter? Greenwashing, Marketing oder tatsächlich eine Lösung für das Plastikproblem unserer Zeit?

Bioplastik?

Biologische Kunststoffe haben laut dem Umweltbundesamt einen Marktanteil von etwa einem Prozent. Doch: Es gibt kein „Bioplastik“! Dieser Begriff wird häufig benutzt, jedoch ohne einheitliche Definition. Die Materialbasis von Plastik besteht entweder aus fossilen oder aus natürlich nachwachsenden Rohstoffen.

Letzteres führt zu dem Begriff „Biobasierter Kunststoff” und bedeutet lediglich, dass die Basis einen natürlichen Ursprung hat, nicht aber, dass das Material biologisch abgebaut werden kann. Natürliche Basisrohstoffe sind beispielsweise Stärke, Mais, Zuckerrohr oder pflanzliche Öle. Vergleichen wir die Entwicklung der Materialzusammensetzung mit dem Ursprung des Plastiks im 19. Jahrhundert, ist Bioplastik keine neue Erfindung.

Sie basieren auf ähnlichen Prinzipien wie die Herstellung vor Entdeckung des synthetischen Kunststoffs: auf natürlichen Rohstoffen in der Materialzusammensetzung. Diese Begrifflichkeiten führen schnell zu Verwirrung. Konsumierende können sich zudem von dem vorgestellten „Bio“ schnell blenden lassen. Deswegen wäre es wichtig, eine neue ganzheitliche Begrifflichkeit und Definition anzustoßen, um neue Materialien von der Terminologie Plastik abzugrenzen.

Konsumierende können sich zudem von dem vorgestellten „Bio“ schnell blenden lassen. © Frederike Bartzsch

Wieso sind nicht alle biobasierten Plastiks biologisch abbaubar?

Die Abbaubarkeit von Plastik hängt mit der Molekülstruktur der Polymere zusammen und wird im Einzelfall geprüft. Je komplexer die Materialzusammensetzung ist, umso schwieriger wird es. Wenn beispielsweise einem biobasierten Kunststoff zusätzlich sowohl Acrylfasern, als auch Substanzen für leichtere Biegsamkeit zugemischt werden, dann befinden sich in dem Material chemische Zusammensetzungen, die von der Natur so nicht zersetzt werden können.

Zudem bedeutet biobasiert, dass nur ein Anteil des Kunststoffs einen biologischen Ursprung hat. Außerdem hängt die Kompostierbarkeit von vielen verschiedenen Faktoren ab – unter anderem Wetter, Luft, vorhandene Bakterien und Pilze. Dies bedeutet in Bezug auf Plastikartikel, wie beispielsweise Tüten, dass Mikroorganismen theoretisch dazu in der Lage sind, das Material zu zersetzen. Für manche chemisch hergestellten Molekülstrukturen existieren in der Natur jedoch keine Organismen, die diese abbauen können.

Können wir „biologisch abbaubare“ Verpackungen im Biomüll oder Kompost entsorgen?

Ein Forscherteam der University of Plymouth hat sich mit dieser Fragestellung auseinandergesetzt und Plastiktüten mit verschiedenen Basen (kompostierbare, biologisch abbaubare, konventionelle und zwei oxo) über einen Zeitraum von drei Jahren unter verschiedenen Bedingungen untersucht: im Labor, im Wasser, unter der Erde und in der Luft. Zwischen der konventionellen und der biologisch abbaubaren Tüte war kein Unterschied zu erkennen – beide zersetzten sich in gleichem Tempo an der Luft.

Tüten, die unter der Erde gelagert wurden, waren auch nach Ablauf der drei Jahre noch reißfest – bis auf die kompostierbare Tüte: Sie verlor an Stabilität und zersetzte sich bereits, sodass sie nicht mehr nutzbar war. Im Meer blieben alle, bis auf die kompostierbare Tüte, beständig. Hier ist allerdings unklar, ob sich diese in Mikro- oder Makroplastik auflöste. Auch die Entsorgung von biologisch abbaubarem Plastik wurde untersucht: Es gehört aufgrund seiner Eigenschaften in den gelben Sack und auf keinen Fall in natürliche Räume.

Doch auch bei richtiger Entsorgung kann das biologisch abbaubare Plastik noch Probleme verursachen. Durch die Vermischung mit normalem Plastik kommt es zu Verunreinigungen und die Recyclefähigkeit von fossilem Kunststoff wird erschwert. Zudem sorgt die geringere Reißfestigkeit im Vergleich zu herkömmlichen Plastik für eine geringere Nutzungsdauer.

Eine weitere Studie der Goethe Universität Frankfurt zeigt, dass biobasierte Kunststoffe nur bedingt weniger schädlich sind als ihre herkömmlichen Pendants. Es konnte kein fundamentaler Unterschied oder Verbesserung im Vergleich zu Plastik aus fossilen Rohstoffen gefunden werden.

Welche Vorteile bieten biobasierte Kunststoffe?

Die Umweltauswirkungen verbessern sich leider nicht. Auch der Gedanke, zumindest weniger Rohöl zu verwenden und dadurch Ressourcen zu sparen, ist nicht richtig. Denn biobasierte Kunststoffe benötigen entsprechende Anbaugebiete, die in der Landwirtschaft Platz für Lebensmittel wegnehmen. Zudem kann der Massenanbau zu einer Abnahme der Biodiversität führen. Die fossile Produktion hingegen setzt mehr CO2 frei.

Es ergibt also nur Sinn, fossile Rohstoffe durch biobasierte zu ersetzen, wenn sich dadurch der gesamte Lebenszyklus und die Auswirkungen für Mensch und Umwelt langfristig verbessern. Die derzeitig vorgeschobene Lösung lenkt viel mehr von der eigentlichen Problematik ab: zu viel Plastikproduktion und -konsum.

Aus diesem Grund ist die Forschung nach Alternativen zu Plastik so wichtig: weil ein globales Bewusstsein für die Krise entwickelt werden muss, genauso wie der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen. Wenn wir Abfall nicht mehr als Müll betrachten, sondern als eine Ressource, dann entstehen neben traditionellen Recyclingverfahren viel mehr Möglichkeiten für weitere Alternativen in Bezug auf Gebrauch und Material.

Bluetoothlautsprecher auf Basis von Myzel (Pilz aus Kaffeesatz) © Nina Skerjanc in Kooperation mit Innorenew

Gleichzeitig ist es enorm wichtig, für die neuen Materialien, die biobasiert und biologisch abbaubar sind, Recyclingsysteme zu entwickeln, damit nicht das gleiche Problem entsteht, das derzeit bei Plastik aus fossilen Rohstoffen besteht: eine fehlende Infrastruktur für Entsorgung, Sammlung und Recycling.

Ich glaube, dass die Erforschung und Entwicklung von biobasierten, biologisch abbaubaren Kunststoffalternativen ein Teil des Puzzles sind, die helfen werden, die Plastikkrise, mit der wir heute konfrontiert sind, zu verbessern. Die Biokunststoffe der Zukunft werden nicht nur hergestellt, weil wir eine nachhaltige Alternative anbieten wollen, sondern aus der Notwendigkeit heraus. Denn Recycling allein wird nicht ausreichen um die immensen Probleme der Plastikverschmutzung zu lösen.“

Nina Skerjanc, Materialforscherin

Materialentwicklung, aber wie?

Die Textilingenieurin und Materialforscherin Elise Esser hat sich intensiv mit Bioplastiks auseinandergesetzt. „Der Begriff ist total verwirrend. Man muss sich erstmal einlesen bevor man sich von dem „Bio“ blenden lässt. Während meines Forschungsprozesses wurde ganz klar: Es gibt keine Grenzen, man kann aus allen Materialien was Tolles machen“, erklärt sie. Elise hat aus Ginkgoblättern ein neues Material entwickelt: Ginoja. Es ist biobasiert und biologisch abbaubar und findet diverse Anwendungszwecke.

Die Industriedesignerin Nina Skerjanc ist Materialforscherin und forscht ebenfalls an diversen Alternativen zu Plastik aus fossilen Rohstoffen. Hierzu zählen Materialien auf Basis von Alge oder Kaffeesatz. Sie ist der Meinung, dass es einige Maßnahmen gibt, die sofort umsetzbar wären, auch wenn die Systeme, die bestimmte Biokunststoffe vollständig zirkulär machen, noch nicht vorhanden sind.

Neben der Integration von Bioplastik und dem Recycling herkömmlicher Kunststoffe müssen wir auch über die Neugestaltung unserer Produkte und Systeme nachdenken, um den Bedarf an Einweg-Plastikverpackungen stark zu reduzieren oder sie durch Verpackungen zu ersetzen, die sehr leicht abgebaut werden können. Darüber hinaus müssen wir uns auch für die Zusammenarbeit von Industrie und Sektor bei dem Problem der zukünftigen Recycling-Infrastruktur und -Systeme einsetzen, die eine voll funktionierende Kreislaufwirtschaft für Biokunststoffe unterstützen würden.

Wie steht ihr zu dem Thema Bioplastik? Sind biobasierte Kunststoffe eine Lösung oder nur Augenwischerei?

Collage © Vreni Jäckle

Quellen:

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