Seit einigen Jahren wird Recycling stark vermarktet. Ein Rucksack aus gesammeltem Ozeanplastik, ein T-Shirt aus recyceltem Polyester – wir alle kennen die Werbeslogans, die Freude am Konsum auslösen sollen. Denn beim Recycling wurden schließlich keine oder nur wenige neue Ressourcen genutzt – win win für die Umwelt, oder? Nicht so schnell.
Nicht alles kann recycelt werden
Downcycling, Upcycling, Recycling – viele neue Begriffe haben in den letzten Jahren den Fashion-Kosmos erobert. Alle genannten Prozesse folgen auf die Nutzungsphase eines Kleidungsstücks und teilen eine Besonderheit: Durch das Bestreben einer Wiederverwendung verlängert sich die Nutzungsphase. Die endgültige Entsorgung, beziehungsweise Verbrennung des Textils, verschiebt sich um einen Zyklus nach hinten und kann so länger genutzt werden.
Pro Jahr fallen in Deutschland circa 1,35 Millionen Tonnen gebrauchte Textilien und Schuhe an, wovon rund eine Million Tonnen recycelt werden. Was aber passiert mit dem Textilmüll, der qualitativ nicht mehr für ein Produkt aus Recyclingmaterial ausreicht?
Recycling bedeutet nicht nur Wiederverwertung zu neuen Materialien
Innerhalb des Recyclingprozesses gibt es verschiedene Möglichkeiten, Materialien zu verarbeiten. Für Konsumierende besteht die bekannteste Methode vermutlich darin, Altmaterialien aufzubereiten und in einen neuen Lebenszyklus zu fügen, so wie man beispielsweise aus altem Polyester oder benutzten PET-Flaschen einen neuen Rucksack herstellt. Neben dieser klassischen Recyclingmethode gibt es noch weitere Praktiken, die zu der Oberkategorie Recycling zählen.
Hierzu gehören unter anderem folgende Möglichkeiten, die auch individuell anwendbar sind:
- Repair: Das Reparieren von Produkten (z. B. von Löchern in einer Socke oder von einer kaputten Sohle).
- Repurpose: Dieser Prozess beinhaltet das Umfunktionieren eines Produktes (aus einer langen Hose werden z. B. Shorts gemacht).
- Reuse: Produkte werden so lange wie möglich benutzt.
- Resell/ Rent/ Lease/ Swap: Der Weiterverkauf, Verleih oder Tausch von Produkten.
- Upcycle: Dieser Prozess beinhaltet das Aufwerten eines Kleidungsstücks durch individuelle Prozesse (z. B. durch Stickereien oder Patches).
- Downcycle: Produkte, die für die oben genannten Kategorien nicht mehr verwertbar sind, werden zu weniger wertigen Produkten umgewandelt.
Downcycling als Unterkategorie von Recycling
Wie der Name schon verrät, ist Downcycling ein Prozess innerhalb des Recyclings und wird hauptsächlich angewandt, wenn die Qualität des Recyclats eher niedriger ist. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn Mischmaterialien, abgenutzte Stoffe oder verschmutzte Textilien vorliegen. Wenn der Aufwand zu groß ist, diese aufzubereiten oder die mangelnde Qualität dies nicht mehr ermöglicht, gibt es meistens nur zwei Möglichkeiten: das Verbrennen oder Entsorgen (= End of Life) oder das Downcycling. Bei Letzterem wird die Ware zu einem qualitativ niedrigeren Produkt weiterverarbeitet.
Warum deine Altkleiderspende vermutlich downgecycelt wird
Der vermeintlich gut gemeinte Recycling-Gedanke führt letztlich durch fälschliche Aufklärung unter Konsument*innen zu einem völlig verzerrten Verständnis von Textilaufbereitung und –weiterverarbeitung. Nicht die gesamte Menge an gespendeter Kleidung hat die benötigte Qualität, um entweder direkt an Bedürftige gespendet oder zu einem neuen Material verarbeitet zu werden.
Laut dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) teilt sich der Anteil von Altkleiderspenden pro Abgabe durchschnittlich wie folgt auf:
- 10 Prozent: Weitergabe von Textilien an Bedürftige
- 40 Prozent: Weiterverkauf in andere Länder (primär nach Osteuropa oder afrikanische Länder wie Ghana oder Tunesien)
- 40 bis 50 Prozent: Downcycling (aufgrund der niedrigen Qualität der Altkleider)
- 5 bis 10 Prozent: thermische Verwertung (sprich: die Verbrennung von Altkleidern mit mangelhafter Qualität, die nicht einmal mehr für Downcycling verwendet werden können)
Konkret bedeutet das: Bei jährlich 70.000 bis 80.000 Tonnen Altkleidern allein beim DRK sind dies circa 30.000 Tonnen Altkleider, die dem Downcycling in Deutschland zugeführt werden.
Aus Shirts werden Putzlappen
Nachdem die Textilien sortiert wurden, können sie auf verschiedene Arten weiterverarbeitet werden. Hierzu gehören mechanische und chemische Prozesse. In der Reißerei werden die bereits zerkleinerten Textilien mechanisch bis hin zur Einzelfaser verarbeitet, bevor im Anschluss mithilfe der Vliesstoffherstellung ein neues textiles Produkt entsteht.
Das gängigste Verfahren für Downcyclingartikel ist die Vliesstoffherstellung. Vliesstoffe können in zwei verschiedenen Verfahren hergestellt werden: Kardierverfahren oder aerodynamisches Vliesbildungsverfahren. Der Kardierungsprozess ist ein mechanischer Prozess, in dem die zuvor hergestellten Reißfasern miteinander vermischt und dann in mehreren Lagen übereinandergelegt werden. Das aerodynamische Vliesbildungsverfahren arbeitet mit zwei großen Walzen, durch die die Fasern auf Bändern gefahren und so zu einem Vlies verbunden werden. Aus einem solchen Vlies wird dann beispielsweise Malervlies oder Dämmmaterial für die Automobilindustrie oder Architektur.
Ein weiteres Downcyclingverfahren ist die Herstellung von Putzlappen. Was auf kleiner Basis zu Hause wunderbar funktioniert (indem man z. B. ein altes löchriges T-Shirt zum Putzlappen zerschneidet), wird auch im industriellen Rahmen gehandhabt. Vorsortierte Altkleider, die für eine Weiterverwendung nicht mehr geeignet sind, werden gereinigt und im Anschluss zu Putzlappen geschnitten. Diese werden dann primär im industriellen Bereich eingesetzt, z. B. in der Automobilindustrie oder im Handwerk.
Warum mehrmaliges Kunstfaser-Recycling oft in Downcycling endet
Besonders das Recycling von Kunststoff begegnet uns beim Kleiderkauf immer öfter. Kate Fletcher, Professorin für nachhaltiges Design und Mode an der University of the Arts London, spricht in diesem Zusammenhang von „danger-cycling“: Recyceltes Polyester aus der Lebensmittelindustrie (in Form von PET-Flaschen) ist für eine Weiterverarbeitung zu Textilien beispielsweise eher ungeeignet, wenn man eine umweltfreundlichere Bekleidungsindustrie anstrebt.
Wenn Kunststofffasern eine angemessene Qualität aufweisen und sortenrein getrennt werden, können sie wieder zu textilen Flächen verarbeitet werden. Ist dies jedoch nicht der Fall, gelangen Kunststofffasern oft in den Prozess des Downcyclings, da die Polymere in der mehrmaligen Wiederverarbeitung dazu neigen, in ihrer Qualität schlechter zu werden. Dies liegt an der sich verändernden Polymerstruktur. Der Grad der Verschlechterung ist stark abhängig von dem Aufbereitungsverfahren und der hier eingesetzten chemischen Behandlung. Ein weiterer Grund für Kunstfasertextilien, die im Downcycling beziehungsweise in der Verbrennung landen, sind Mischgewebe, die sich nicht mehr trennen lassen.
Downcycling verursacht hohen Aufwand
Lohnt sich Downcycling überhaupt, wenn man die benötigte Energie, Prozessschritte und Arbeitskraft in Hinblick auf den geringen Wiederverkaufspreis betrachtet?
Hier kommt die Krux: Der gesamte Recyclingprozess benötigt viel Energie, Arbeitskraft und Zeit. Aus ökologischer Sicht sollten gerade rohölbasierte Textilien so lange wie möglich verwendet werden, um das Potenzial der Ressource so gut es geht auszuschöpfen. Frustrierender weise ist es aus ökonomischer Sicht jedoch – je nach Rohölpreis – teilweise günstiger, neue Rohstoffe zu verarbeiten als auf das Recyclat zurückzugreifen.
Wer die Reise zu einer möglichst kreislaufbasierten Textilindustrie weiterhin verfolgen möchte, kann bei den folgenden Forschungsprojekten und -institutionen vorbeischauen:
- Wear 2 Wear: Konzept für kreislaufbasierte Mode
- TexCycle: Recyclingstrategie für Altkleider
Downcycling als letzte Station
Downcycling sollte die letzte Instanz sein, die erst nach mehreren Recyclingdurchläufen angewandt wird. Generell gilt, dass das Design und die Produktentwicklung über potenzielle Recyclingrouten des Ausgangsprodukts entscheiden. Neben der Qualität ist es von Vorteil, wenn die Materialien nicht gemischt sind. Nur dann kann eine sortenreine Trennung erfolgen, die den gesamten Recyclingprozess erleichtert. Eine weitere Möglichkeit, um dem letzten Schritt – der Verbrennung – zu entgehen, wäre die Nutzung von biologisch abbaubaren Produkten, die im Garten oder Kompost entsorgt werden könnten.
In jedem Fall sollte Recycling nur dann als Strategie eingesetzt werden, wenn das Kleidungsstück keine weitere Nutzung mehr hergibt. Statt Recycling mit allen Facetten als Strategie für Kaufkraftsteigerung zu nutzen, müsste ein größeres Verständnis geschaffen werden für die Langlebigkeit von Kleidung und den achtsamen Konsum.
Downcycling spiegelt das generelle Problem der Bekleidungsindustrie und des aktuellen Konsums wider: Die Kleidung verliert an Wert.
Titelbild: Farrinni via Unsplash
Eine Antwort auf „Downcycling – Ende in Sicht“
Benötige eine Anschrift von einem Unternehmen das verschlissene Kleidung z. B. im Ruhrgebiet downcyclet. Die thoretische Beschreibung des Prozesses bringt mich nicht weiter. Im Internet wird dieses Thema vielfältig behandelt, löst aber mein Anliegen nicht. Ist wirklich die Entsorgung in einer Müllverbrenungsanlage der ultimative Ausweg?