Social Entrepreneurship: Weniger Ego, mehr Impact

Social Entrwpreneurship wird immer beliebter: In den letzten Jahren gibt es immer mehr Unternehmen, die von Purpose und sozialem Impact sprechen. Doch was genau bedeutet das als Geschäftsmodell? Welche Leadership-Qualifikationen braucht es dafür und wie stellt man Teams zusammen? Wir haben unter anderem beim Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland nachgefragt, sowie bei den Labels SEVAR Studios, Eyd Clothing, Fuxbau und Esoraa.

In diesem Deep Dive zum Thema Social Entrepreneurship gibt es Input von 

Take-Aways
  • Es ist wichtig, bei der Social Entrepreneurship eigene Ego beiseitezulegen oder gar zu verlernen, denn sonst riskiert die Mission – der Purpose – des eigenen Sozialunternehmens, von der persönlichen Agenda überschattet zu werden. 
  • Wenn man nicht mit dem Ego führt oder wirtschaftet, entsteht eine respektvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit allen Beteiligten.
  • Als Social Entrepreneur hat man eine Doppelbelastung: den wirtschaftlichen und finanziellen Aspekt des Unternehmens und die soziale Mission. Es lohnt sich also, Dinge Schritt für Schritt anzugehen, um die psychische und physische Erschöpfung in Grenzen zu halten.
  • Sensibilisierung für die eigene Mission steht an oberster Stelle, doch Sensibilisierungskampagnen durchzuführen, ohne konkrete Lösungsvorschläge zu präsentieren, kann kontraproduktiv sein, um Gleichgesinnte oder Multiplikator*innen zu finden. 
  • Als Führungskraft im Social Entrepreneurship ist es wichtig, eine klare Vorstellung davon zu haben, was die Mission und die Ziele des eigenen Unternehmens sind.
  • Als Führungskraft sollte man ebenso die richtigen Personen an die richtigen Stellen setzen können.

Soziales Unternehmer*innentum wird immer populärer. Im Vordergrund stehen positiver Wandel der Gesellschaft, Impact und Purpose. Doch wie wird ein soziales Unternehmen aufgebaut? Wo setzen Gründer*innen an? Wir haben bei den Labels SEVAR Studios, Eyd Clothing, Fuxbau und Esoraa nachgefragt, sowie beim Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland.

Den eigenen Purpose finden

Ein zweckorientiertes Unternehmen soll achtsame und sinnvolle Arbeit leisten, um die Welt nachhaltiger und sozial verantwortlicher zu machen. Doch wie finden Gründer*innen ihren Purpose? Oftmals sind es persönliche Erlebnisse, die die Unternehmer*innen dazu bewegen, ein Social Business zu gründen.

​​„Letztlich hat alles damit angefangen, dass wir auf unseren Reisen während des Studiums, immer wieder mit sehr viel Armut und Umweltzerstörung konfrontiert wurden”, erzählt Philipp Spangenberg, Co-Gründer des Modelabels Fuxbau. „In unserem Freundeskreis und in unserer WG haben wir uns sehr viel über diese Erfahrungen ausgetauscht. Dabei ist in uns, sicherlich auch aus einer gewissen Überforderung heraus, die Überzeugung gereift, dass wir unseren Beitrag für eine positive Veränderung leisten wollen und auch leisten müssen.” 

Bei seiner Gründung 2012 war das Label nur ein Hobby neben dem Studium, der Impact hielt sich daher in Grenzen. „In unserem Freundeskreis konnten wir aber damals schon viele Bekannte zum Umdenken anregen und haben uns stark gegenseitig positiv beeinflusst. Die einen haben angefangen, über ihren Fleischkonsum nachzudenken, die anderen über Plastik und die nächsten wiederum über die Bedingungen in der Textilindustrie.” Mittlerweile freut es den Gründer zu sehen, dass all diese Themen in der Gesellschaft angekommen sind und sich immer mehr Menschen ernsthaft Gedanken darüber machen, was und wie sie konsumieren.

„Schlussendlich sehen wir genau in dieser Entwicklung auch unseren Purpose. Wir glauben daran, dass große Veränderungen immer im Kleinen beginnen und jeder in seinem Mikrokosmos einen wichtigen Beitrag leisten kann. Dabei haben wir nicht den Anspruch, das Rad neu zu erfinden oder allein die Welt zu retten. Wir wollen mit einer lösungsorientierten und positiven Grundstimmung auf Missstände aufmerksam machen und die Leute dazu motivieren, ihr Verhalten beziehungsweise ihren Konsum zu hinterfragen.” 

Purpose und Impact bedeutet im Social Entrepreneurship lösungsorientiert arbeiten

Lösungsorientiert ist auch das Schmucklabel SEVAR Studios der Schwestern Hila und Wana Limar. Sie sind überzeugt, man findet den eigenen Purpose, wenn man in sich geht, sich folgende Fragen stellt und versucht, diese ehrlich zu beantworten: Welche Dinge bedeuten mir wirklich etwas im Leben und in der Welt, und welche Themen haben meiner eigenen Einschätzung nach die höchste Priorität beziehungsweise Dringlichkeit? Wofür möchte ich kämpfen? Wofür möchte ich stehen? Welche Causa ist die ganze Kraft, Arbeit und den Stress wert? Was möchte ich hinterlassen?

Die ausgebildete Architektin Hila Limar, die mittlerweile seit über zehn Jahren die gemeinnützige Organisation Visions for Children e.V. leitet und die Kreativschaffende Wana Limar nutzen ihre Reichweite, um auf sozialpolitische Belange, Bildungsprojekte und Rassismus aufmerksam zu machen. Dazu kommt bei beiden ein persönliches Interesse, ihr familiärer Hintergrund und die Erfahrung, als Kinder aus ihrem Geburtsland Afghanistan fliehen zu müssen und nach Deutschland zu kommen.

„Unserem Purpose nachzugehen, bedeutet für uns, in einer Weise zu leben und zu arbeiten, die diesen Facetten Raum gibt und in der sie sich gegenseitig bestärken können. Das war auch unser Ziel für unser Schmucklabel SEVAR Studios: Wir können unsere Passion für Design und Ästhetik mit dem Anspruch verbinden, Sichtbarkeit für die afghanische Kultur und Geschichte zu schaffen und damit die Mission verfolgen, die afghanische Wirtschaft zu stärken und ein Ausbildungsangebot und Zukunftsperspektiven für (junge) Frauen zu schaffen.

Social Entrepreneurship geht über Sensibilisierung hinaus

Sensibilisierung für die eigene Mission steht an oberster Stelle, doch Sensibilisierungskampagnen durchzuführen, ohne konkrete Lösungsvorschläge zu präsentieren, kann kontraproduktiv sein, um Gleichgesinnte oder Multiplikator*innen zu finden. 

Das dachte sich auch die Gründerin von Eyd Clothing, Nathalie Schaller, die nach einem freiwilligen sozialen Einsatz in Asien ihr eco-faires Modelabel gründete. Ihr Ziel war nicht nur die Aufklärung über den Sexhandel mit Frauen, sie wollte zudem insbesondere Frauen, die von sexueller Ausbeutung und Menschenhandel betroffen waren, eine neue Perspektive bieten, indem sie ihnen einen sicheren Arbeitsplatz ermöglicht.

Karvishi Aggarwaal, Gründerin des in Berlin ansässigen Labels Esoraa, lebte bereits mehrere Jahre in Europa und war zunehmend frustriert über die klischeehafte Darstellung indischer Mode und indischen Designs in Europa. „Mir ist aufgefallen, dass bestimmte Facetten der indischen Kultur wie Wellness, Achtsamkeit und Essen hoch angesehen und leicht verfügbar waren – indische Mode jedoch oft missverstanden und unzugänglich war. Es gibt keine echte Vertretung indischer Marken und Produkte in Europa.”

Ihr Label Esoraa schuf sie mit der Absicht, diese Erzählung zu ändern und die Botschaft zu verbreiten, dass indische Mode nicht nur Boho-Chic von geringer Qualität ist. Esoraa soll das Label „Made in India” entstigmatisieren und steht für kulturelle Nachhaltigkeit: „Mit Esoraa ist es meine Mission, indische Handwerker*innen zu vertreten, indem ich mit Marken, Designer*innen und Organisationen kollaboriere, die aktiv daran arbeiten, dieser marginalisierten Gemeinschaft faire Löhne und den dringend benötigten Respekt zu bieten.”

Diese Leadership-Skills sind essenziell

Führungskräfte geben die Richtung vor, nutzen Ressourcen weise, ermöglichen positive Veränderungen und erzielen Ergebnisse. Aber reicht das? Welche (Leadership-) Skills sind essenziell, um den Traum vom eigenen Social Business zu verwirklichen?

„​​In komplexen Projekten, aber besonders im Social-Business-Bereich, kommt es darauf an, als Leader*in unterschiedliche Interessen zu erkennen und zu integrieren”, meinen Hila und Wana Limar. „Wir sprechen mit SEVAR Studios ganz verschiedene Gruppen an – unsere Partner*innen und die auszubildenden Frauen in Afghanistan, unsere Kolleg*innen und Partner*innen in Deutschland, unsere Kund*innen. Sie alle haben bestimmte Vorstellungen von und Erwartungen an unser Label, denen wir auf Augenhöhe begegnen und Raum geben wollen.” Das werteorientierte Arbeiten eines Social Business muss sich ihrer Meinung nach in allen Bereichen des Unternehmens widerspiegeln

Das richtige Team zusammenstellen

Ein Social Business ist am Ende aber immer noch eins: ein Business. Deshalb sind Skills wie Durchsetzungsvermögen und eine klare Zielverfolgung essenziell. „Beim Zusammenstellen des Teams spielen zudem – neben fachlichen Qualifikationen, die unsere ergänzen sollten – auch die Haltung und das Verständnis für die verschiedenen Zielgruppen eine entscheidende Rolle. Wir müssen – und wollen – ständig Pionierarbeit leisten, was den Aufbau von Handelsbeziehungen, aber auch innovative Unternehmensstrukturen betrifft, und da braucht es ein Team, das sich dessen bewusst ist und darauf ebenfalls Lust hat,” so Hila und Wana Limar.

Ähnlich sieht es auch Nathalie Schaller von Eyd Clothing. „Als Leader*in sollte man die richtigen Personen an die richtigen Stellen setzen können. Bei einem Social Business kommt noch hinzu, dass man die Werte und die Mission als Führungskraft immer hochhalten sollte, authentisch ist und mit seinem Herzensanliegen die anderen Teammitglieder ansteckt und ermutigt.”

Eine gute Portion Idealismus schadet nicht

„Social Entrepreneurship braucht sehr viel Idealismus und einen hohen Grad an Motivation”, meint Philipp Spangenberg von Fuxbau. „Gerade als kleines Unternehmen ohne externe Geldgeber hangelt man sich von Learning zu Learning und von einem kleinen Erfolg zum Nächsten.” Bei Fuxbau gibt es laut Spangenberg flache bis gar keine Hierarchien, Probleme und Herausforderungen werden offen kommuniziert und gemeinsam wird entschieden, in welche Richtung es weitergeht. „Dabei haben wir nie den Anspruch, alles perfekt zu machen. Wir haben uns als Ziel gesetzt, im Rahmen unserer Möglichkeiten stets nach bestem Gewissen zu handeln. Vor allem auch deswegen sind wir deutlich langsamer gewachsen als viele andere Labels. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, so wenig Kompromisse wie möglich einzugehen und selbst mit den Herausforderungen zu wachsen. Auch unser Team haben wir bewusst klein gehalten, da wir der Meinung sind, dass größer nicht unbedingt besser ist.” 

Agieren statt reagieren

„Ich denke, als Sozialunternehmer*in oder Führungskraft ist es notwendig, Lösungen zu finden, anstatt auf ein Problem zu reagieren”, erklärt Karvishi Aggarwaal, Gründerin von Esoraa. Die Führungskraft müsse ihre Überzeugungen und ihre Mission deutlich machen, um eine grundlegende Veränderung in der Sichtweise von Kund*innen, Investor*innen und Medien zu bewirken. „Grundsätzlich sind die Fähigkeiten einer Person auch von ihrem Charakter und ihrer Persönlichkeit abhängig. Ich empfinde es als wichtig, dass Leader*innen vielseitig sindsie sollten immerzu in der Lage sein, Aufgaben zu übernehmen, wenn niemand verfügbar ist.

Sie selbst hatte noch keine Gelegenheit, ein Team zusammenzustellen. Das soll sich aber bald ändern: „Ich muss als Führungskraft eine klare Vorstellung davon haben, was die Mission und die Ziele meines Unternehmens sind. Nur dann kann ich auch von meinem Team erwarten, dass sie an diese Komponente glauben und sie umsetzen.”

Als Gründer*in das eigene Ego verlernen

Die Welt verbessern, klingt für viele Menschen zunächst ziemlich cool. Und sicher sind manche sozialen Gründer*innen durchaus auf der Suche nach persönlicher Anerkennung (Stichwort: Kliemann-Debakel). Die Mission wird überschattet von einer persönlichen Agenda.

Hila und Wana Limar von SEVAR Studios empfehlen, sich immerzu daran zu erinnern, dass der Purpose an erster Stelle steht. Dieser müsse gänzlich durchdacht und wirkungsvoll sein. „Gerade, wenn wir ein neues (Arbeits-)Feld betreten, haben die meisten bewusste oder unbewusste Glaubenssätze.” Diese sollten in der Konzeption eines Social Businesses kritisch hinterfragt werden – und zwar in engem Austausch mit den Zielgruppen und potenziellen Partner*innen: Wie reagieren Partner*innen auf die Idee? Welche Sorgen oder Nachfragen haben sie? Kann meine Lösung wirklich auf eine Verbesserung ihrer Situation einwirken? 

„Oft ist uns nicht bewusst, dass Ideen mehr aus unserem eigenen Ego kommen und vielleicht (noch) nicht die beste Lösung für das eigentliche Problem auf gesellschaftlicher Ebene darstellen. Da muss man sehr ehrlich und reflektiert mit sich selbst sein.” Wenn man nicht mit dem Ego führt oder wirtschaftet, entsteht auch eine respektvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit allen Beteiligten. Dazu gehören aus ihrer Sicht drei Aspekte: 1. eine gleichgewichtige Partner*innenschaft – sprich: alle Parteien haben die gleichen Rechte und Ansprüche; 2. Transparenz bezüglich Absichten und Zielen; 3. gegenseitige Unterstützung bei der Erreichung seiner Ziele. 

Auch Karvishi Aggarwaal vom Label Esoraa ist sich sicher: „Das Ego ist ein großes Problem, denn wenn Führungskräfte versuchen, persönliche Anerkennung zu erlangen, neigen sie dazu, ihre eigentliche Mission zu vergessen und dementsprechend zu scheitern. Bescheidenheit und Professionalität sind hier angebracht.”

So baut man ein Social Business auf 

Sobald man den eigenen Purpose gefunden hat, die richtige Rechtsform steht (mehr dazu hier) und das Team zusammengesetzt ist, geht es ans Eingemachte. Und da lauern auch schon die ersten Herausforderungen. 

Social Entrepreneurship gründen: langsam, aber sicher

Philipp Spangenberg, Co-Gründer von Fuxbau, empfiehlt das eigentliche Aufbauen des Unternehmens langsam und bedacht anzugehen. „Es ist wichtig, sich vorher die Frage zu stellen, warum man selbstständig sein möchte. Denn von außen mag die Selbstständigkeit und das Social Entrepreneurship viele Reize haben und verlockend klingen. Letztlich ist es aber ein knallhartes Geschäft mit sehr viel Arbeit und Herausforderungen, die man teilweise kaum vorhersehen kann.” 

Wer versucht, von Beginn an alles perfekt zu machen, würde schnell an seine mentalen und physischen Grenzen stoßen. „Wir haben innerhalb der letzten zehn Jahre viel dazu gelernt, was auch heißt, dass wir unsere eigenen Glaubenssätze hinterfragt und angepasst haben.” Gerade das Thema Nachhaltigkeit sei so komplex, dass es nie simple Antworten gibt. Das Fuxbau-Team hat sich als Ziel gesetzt, auch in Zukunft einen Schritt nach dem anderen zu machen und nichts zu überstürzen.

Die richtigen Partner*innen finden

Bei Hila und Wana Limar hat die Gründung erst mit der Mission angefangen: Es ging um die Schaffung von Ausbildungsplätzen in Afghanistan. Im weiteren Prozess mussten wir eine Reihe von Fragen beantworten: Wer ist unsere Zielgruppe? Mit wem setzen wir das Projekt um? Kennen wir Expert*innen, in unserem Fall in Kabul? Sind sie bereit für eine Zusammenarbeit? Passen wir hinsichtlich unserer Arbeitsweisen, Denkweisen und Agenda zusammen?” Durch ihre Arbeit bei Visions for Children, einem Verein, der seit 16 Jahren Bildungsprojekte in Afghanistan realisiert, hatten die Schwestern bereits Zugriff auf ein starkes Netzwerk und ein professionelles Team in Kabul, das sie bei der Konzeption unterstützen konnte. 

Flexibilität zahlt sich aus

Bei SEVAR Studios wurde mit dem Social-Business-Ansatz gleich einen Schritt weiter gedacht. Wir wollten nicht nur ein Ausbildungsangebot für junge Frauen zu Goldschmiedinnen schaffen, sondern ihnen auch direkt eine Anstellungschance geben. Diese Idee bildete die Grundlage für SEVAR”, meinen die Schwestern Limar. Die Arbeit in einer volatilen Situation, wie sie in Afghanistan herrscht, bringt vielschichtige Herausforderungen mit sich: das Sourcing der Rohstoffe, das Design und die damit verbundene handwerkliche Machbarkeit, den Transport des Schmucks aus Afghanistan nach Deutschland, bis hin zur Rechtsform und steuerlichen Aspekten. Wir haben sehr viel gelernt, sehr viel umgedacht und mussten ständig flexibel in unserem Denken und Handeln bleiben. Die Machtübernahme der Taliban im August letzten Jahres brachte noch einmal ganz neue Unsicherheiten mit sich.” Aufgeben kam jedoch nicht infrage, denn gerade jetzt benötigt die Zivilbevölkerung sichere Einkommensquellen und internationale Unterstützung.

Social Entrepreneurship als Doppelbelastung

Als Social Business steht man grundsätzlich vor der Herausforderung, dass man nicht nur die Business-Seite und Finanzen im Auge behalten muss, sondern man sich auch um den sozialen Output kümmern muss, den Purpose. „Insofern ist es immer eine Doppelbelastung”, berichtet Nathalie Schaller von Eyd Clothing, und das hätte sich vor allem während der Pandemie gezeigt. „Wenn wir unsere Aufträge storniert hätten, wie viele andere Firmen, wäre das Reintegrationsprojekt, das wir gemeinsam mit unseren Partner*innen über Jahre aufgebaut haben, zusammengebrochen und somit auch unser ganzes Social Business. Wir haben unsere Aufträge daher aufrechterhalten und mussten andere kreative Lösungen finden, wie wir mit den Lieferverzögerungen umgehen und die Ware trotzdem noch an die Kund*innen bekommen.”

Auch für Karvishi Aggarwaal von Esoraa ist Social Entrepreneurship oftmals eine Challenge mit vielen Facetten. Menschen müssen sich darüber im Klaren sein, dass ein soziales Unternehmen immer viel herausfordernder und schwieriger zu entwickeln ist als ein kommerzielles Unternehmen. Es ist ein ständiger Balanceakt, dem sozialen Impact gerecht zu werden und gleichzeitig nach wirtschaftlichem Erfolg zu streben. Ich muss mich ständig daran erinnern, Entscheidungen nicht emotional zu treffen und rationaler zu sein.”

Wie misst man den Erfolg eines Social Businesses?

In einem kapitalistischen Wirtschaftssystem können wir uns leicht darauf einigen, dass ein klassisches Unternehmen kein erfolgreiches Unternehmen ist, wenn es keinen finanziellen Gewinn erzielt. Doch wie messen Sozialunternehmen ihren Erfolg? Adrian Bormann von SEND erklärt, dass die positive gesellschaftliche Wirkung im Mittelpunkt der unternehmerischen Tätigkeiten eines Sozialunternehmens steht und auf verschiedene Weise gemessen werden kann. Übliche Methoden sind zum Beispiel die Arbeit mit der Wirkungstreppe von PHINEO, die Erstellung eines Social Reporting Standards (SRS) oder die Bilanzierung mithilfe der Vorgaben der Gemeinwohl-Ökonomie.

Die Gründerinnen des Schmucklabels SEVAR Studios, Hila und Wana Limar, sind sich einig, dass die unterschiedlichen Rollen, in denen ein Social Business agiert – unternehmerisch und sozial – in seine Erfolgsmessung einbezogen werden müssen – und zwar gleichwertig. „Unsere Marke kann nur bestehen, wenn wir ein wirtschaftlich nachhaltiges Unternehmen aufbauen. Und da kommt es auf Messwerte wie Reichweite oder Verkaufszahlen an.”

Andererseits stehe aber auch immer der Impact ihrer Arbeit im Vordergrund. „Diesen betrachten wir entlang der gesamten Wertschöpfungskette: vom Sourcing über die Produktion bis hin zur Distribution von Einnahmen. Aktuell sehen viele Unternehmen es leider noch so, dass sie finanziell erfolgreicher sein können, wenn sie soziale und ökologische Aspekte depriorisieren. Wir sehen daher die wichtige Aufgabe von Social Businesses darin, hier mit gutem Beispiel voranzugehen. Wir müssen zeigen, dass es auch anders möglich ist – nämlich indem wir uns unseren positiven wie negativen Impact als Organisation bewusst machen und diesen mit einem ganzheitlichen Erfolgsverständnis weiterentwickeln.”

Karvishi Aggarwaal vom Label Esoraa orientiert sich eher an den drei Ps: People, Planet und Profit. Damit ein Social Business erfolgreich ist, müsse es allen drei Ps gerecht werden. Damit Sozialunternehmen positive Veränderungen in der Welt bewirken können, ist finanzielles Wachstum, also Profit, wichtig. Daneben gilt es auch, eine positive Wirkung und einen Mehrwert zu schaffen für die ,People’, also die Mitarbeitenden, Kund*innen, und die eigene Community. Die dritte Säule ist der Planet, unsere Erde, die wir gleichermaßen schützen müssen, zum Beispiel durch erneuerbare Energie und umweltfreundlichere Materialien.”

Mehr Vernetzung für die Zukunft

Die Suche nach der richtigen Rechtsform, die Doppelbelastung und die Ambition, Gutes zu tun – ein Social Business zu gründen und zu betreiben, kann herausfordernd sein. SEND fordert deutlich mehr Unterstützung seitens der Politik, die auf die bestehenden Herausforderungen reagieren und neben einer Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen auf eine Verbesserung der Finanzierungssituation hinwirken sollte. „Es müsste eine nationale Strategie für Sozialunternehmen entwickelt werden, um gemeinwohlorientierte Unternehmen und soziale Innovationen stärker zu unterstützen. Als Verband tragen wir diese Forderungen an die Politik heran und geben dem Sektor eine Stimme”, erklärt Referent Bornmann. Generell wachse der soziale Sektor stetig. „Inzwischen gibt es viele tolle – und häufig kostenlose – Informationsangebote, Kurse und Seminare, die helfen, das eigene Social-Entrepreneurship-Abenteuer zu starten, sowie Ausschreibungen und Förderungen. Wir würden empfehlen, lokale Vernetzungsangebote zu nutzen.”

Auch Hila und Wana Limar sind sich sicher: „Ein starkes Netzwerk ist unerlässlich. Ob das schon besteht oder sich im Laufe der Gründungszeit entwickelt, ist zunächst nebensächlich. Wichtig ist eine Offenheit dafür, mit ganz verschiedenen Menschen ins Gespräch zu kommen und den Austausch zu suchen. Denn aus Zufällen entstehen oft die besten Chancen.” 

Alle wichtigen Rechtsformen und Netzwerke bezüglich Social Entrepreneurship findet ihr hier


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