Was ist eigentlich Recycling?

Ob auf Lebensmittelverpackungen oder Kleidungsetiketten: immer öfter lesen wir Claims wie „Made from recycled polyester“, „Made from recycled cotton“ oder „Made from recycled PET-Bottles“. Recycling und recycelte Produkte scheinen auf dem Vormarsch zu sein, um unsere Produktwelt zu revolutionieren. Aber was genau ist eigentlich Recycling? Und wie komplex ist Textilrecycling? In diesem Artikel gibt unsere Autorin Frederike Bartzsch eine Einführung in die Welt des Textilrecyclings.

Titelbild Was ist eigentlich Recycling - Credit_ cottonbro studio - Pexels

Im März 2022 wurde die Textilstrategie durch die europäische Kommission vorgestellt (Fashion Changers berichtete hier), die im Rahmen des New Green Deals Anstöße für ein nachhaltige(re)s Europa bringen soll. Ein wichtiger Bestandteil dieser Strategie ist, das Textilökosystem hin zu einer Kreislaufwirtschaft zu transformieren, unter besonderer Hilfe von Textilrecycling. Hierfür ist die Mithilfe von Industrie und Konsumierenden gefragt. Aber was genau bedeutet das? Entsorgen wir jetzt alle unsere Kleidung in Altkleidercontainern oder tauschen Altkleider in Geschäften gegen Gutscheine und sind dadurch Teil der Transformation? Ganz so einfach ist es leider nicht. Fashion Changers Co-Founder Nina Lorenzen schrieb bereits einen Artikel zum Recycling und den damit verbundenen Schwierigkeiten, aussortierte Kleidung überhaupt entsorgen zu können. In diesem Grundlagenartikel setzt unsere Autorin Frederike noch weiter vorne an und erklärt, was Recycling überhaupt bedeutet. 

Was ist Recycling?

Um mal ganz vorne anzufangen: Recycling heißt, dass entsorgte Materialien gesammelt, sortiert und verarbeitet werden, um in anderen Prozessen wieder genutzt zu werden. Doch Recycling ist nicht gleich Recycling. Allein im Textilrecycling gibt es verschiedene Techniken. Dies liegt zum einen an der Qualität von Altkleidern, aber auch am verwendeten Material der Kleidung und an der vorhandenen Recyclinginfrastruktur. 

Unterschiede im Recycling

Durch die Diversität an Materialien und Produkten gibt es verschiedene Möglichkeiten, Textilien zu recyceln. Hier wird zwischen mechanischem Recycling, chemischem Recycling, Upcycling, Downcycling und thermischem Recycling unterschieden. Die Recyclingmethode entscheidet über den weiteren Lebenszyklus des Alttextils.

Mechanisches Recycling

Textilien werden beim mechanischen Recycling von Maschinen in kleine Teile geschnitten. Im Falle von synthetischen Grundmaterialien, wie zum Beispiel PET-Flaschen, werden im Anschluss die Kleinteile geschmolzen und durch eine Vorrichtung gepresst, sodass hieraus ein neues Garn hergestellt werden kann. Wenn nötig, können hier neue Fasern hinzugemischt werden, wenn etwa die Qualität des Rezyklats nicht mehr so leistungsstark ist wie die eines Neumaterials. Neben dem PET-Recycling ist dieses Verfahren insbesondere für Baumwollrecycling geeignet, da in diesem Prozess die Eigenschaften der Baumwollfasern erhalten bleiben. Hier ist jedoch auch erschreckend, dass nur etwa 20 Prozent des Materialinputs tatsächlich zurückgewonnen und weiterverarbeitet werden können. Die Qualität der recycelten Baumwolle ist meistens schlechter als die neuer Baumwolle, weil die recycelten Fasern kürzer sind. Deswegen werden oft Virgin-Baumwollfasern, also feldfrische Baumwollfasern, der recycelten Baumwolle hinzugefügt.

Chemisches Recycling

Chemisches Recycling wird insbesondere bei synthetischen Fasern wie Polyester verwendet. Hier werden die Textilien zerkleinert und im Anschluss zu Granulat oder Flakes verarbeitet. Diese Schnipsel können dann im Anschluss wieder zu einem Garn und einer textilen Fläche verwandelt werden. Der energetische Aufwand ist hierbei enorm, da für die Zerlegung der Synthetikfasern in ihre einzelnen Bestandteile hohe Temperaturen benötigt werden. Außerdem ist entscheidend, in welchem Zustand die Rezyklate sind. Wurde das Alttextil zum Beispiel gefärbt oder chemisch behandelt? Diese Additive, also chemische Zusätze wie Farben, Bleichungen oder Weichmacher, müssen im Recyclingprozess entfernt werden, was sowohl zeit- als auch kostenintensiv ist. Doch in diesem Branchenzweig ist aktuell viel Bewegung: Die Firma Rittec aus Lüneburg hat im vergangenen Herbst ein Verfahren vorgestellt, das Textilrecycling aus synthetischen Altkleidern ermöglicht. Rittec wirbt damit, dass ihr Verfahren gegenüber Polyesterherstellung aus Rohöl 40 Prozent CO2 einsparen würde. Und auch das Chemieunternehmen Carbios hat gemeinsam mit großen Textilfirmen ein Recyclingkonsortium gegründet, das gemeinsam an Lösungen forscht und sich zu aktuellen Problemen austauscht.

Wenn Baumwolle chemisch recycelt wird, werden die Eigenschaften der Baumwolle aufgebrochen und aus der Baumwolle entsteht wiederum Zellstoff, der beispielsweise als  Dämmmaterial eingesetzt werden kann.

Thermisches Recycling

Neben dem mechanischen und dem chemischen Recycling taucht auch der Begriff „thermisches Recycling” vermehrt auf. Beim Prozess des thermischen Recyclings werden Textilien verbrannt. Mit der Energie, die in diesem Prozess freigesetzt wird, können andere industrielle Verfahren unterstützt werden.

Downcycling – Wenn das Ende naht

Beim Prozess des Downcyclings werden geschredderte Textilien zu Putzlappen oder Vliesstoffen verarbeitet, zum Beispiel zu Malervlies. (Einen ausführlichen Artikel in unserem Magazin dazu findest du hier.) Downcycling wertet ein Textil in der Qualität immer herab. Meist geschieht dies, da die Qualität des Alttextils sehr gering ist. Downcycling ist in diesem Fall ein Zwischenschritt, bevor die Produkte dem thermischen Recycling zugeführt werden.

Upcycling – Ressourcen retten, but make it crafty

Im Upcyclingprozess wird ein Produkt in ein anderes Produkt umgewandelt, ohne das Material ganzheitlich zu zerlegen. Vielmehr wird in einem handwerklichen Prozess das Produkt verändert. Inzwischen gibt es viele Labels, die Upcycling als Konzept und Grundlage für ihre Produkte ausgewählt haben. So wird etwa aus LKW-Plane eine Tasche des schweizerischen Labels Freitag. Das Label Wiederbelebt aus Süddeutschland produziert wiederum zeitlose Kleidung aus geretteten Stoffen und in Berlin stellt das Label Made out of Trash neue Textilien aus Altkleidern her. 

Neben diesen verschiedenen Recyclingtechnologien gibt es außerdem noch die Verfahren Closed Loop und Open Loop Recycling. Beim Closed Loop Recycling wird im Recyclingprozess kein neues Material hinzugefügt, sondern das bestehende so lange wie möglich genutzt. Im Open Loop Recycling hingegen wird dem Recyclingmaterial ein anderes Material beigemischt, um beispielsweise die Qualität zu verbessern oder gewisse Produkteigenschaften zu erzielen.

Welche Prozessschritte sind für Recycling notwendig?

Textilrecycling klingt im ersten Moment nach großem Aufwand, und das stimmt auch. Hinter einem Recyclingprozess steckt eine ganze Kette an Infrastruktur. Zunächst werden die Produkte gesammelt und durch professionelle Firmen sortiert. Hier wird die Ware in verschiedene Klassen eingeteilt. Die Sortierung erfolgt in der Regel von Hand, da eine Maschine die verschiedenen Qualitäten noch nicht verlässlich erkennen kann. Eine anschließende Sortierung kategorisiert die Textilien nach ihren Qualitäten, Farben oder Materialien. 

Der Recyclingprozess ist aufwendig und benötigt viele Prozessschritte. Lohnt sich der Prozess überhaupt?

Einige Kleider eignen sich für den Wiederverkauf, andere sind durch qualitative Mängel oder Verschmutzung nicht mehr für einen weiteren Gebrauch nutzbar. Hier entscheidet sich also der weitere Lebensweg des Alttextils. Bei der Firma RE-TEXTIL werden die Altkleider zum Beispiel in folgende Kategorien eingeteilt: Extraqualität, Nr.1 Qualität, Export A, Export B, Leder/Pelze, Schuhe, Retro/Vintage, Putzlappen und Recyclingmaterial. Die ersten sieben Kategorien werden zur Wiederverwendung beziehungsweise für den Secondhandmarkt genutzt. Dies liegt auch daran, dass laut dem Kreislaufwirtschaftsgesetz die Wiederverwendung priorisiert verfolgt werden soll und Recycling sich dieser unterordnet. Putzlappen und Recyclingmaterial werden nach der Sortierung dem wertstöfflichen Kreislauf zurückgeführt. 

Wie ist die Verteilung in einem Altkleidercontainer?

Laut dem Textilrecycler RE-TEXTIL liegt die Quote von Kleidung, die dem Secondhandmarkt zugeführt wird, bei circa 60 Prozent. 21 Prozent wird zu neuen Rohstoffen recycelt, 15 Prozent zu Putzlappen downgecycelt und 4 Prozent thermisch recycelt, also verbrannt. Die Textilien werden also in verschiedene Kategorien im Sortierprozess unterteilt und weiterverwendet. Neben der Entsorgung von Altkleidern sind aber auch industrielle Abfälle (zum Beispiel Pre-Consumer-Waste, also Abfall wie Verschnitt, der in der Produktion anfällt) für ein gelungenes Textilrecycling notwendig. 

Warum ist Recycling so wichtig?

Recycling ist ein Schlüsselfaktor für die Transformation der Textilindustrie. In den letzten Jahren ist durch Fast Fashion ganz schön viel Textilabfall angefallen: in der EU jährlich etwa elf Kilogramm pro Person. Durch das gleichzeitig gestiegene Volumen an produzierter Mode, das sich zwischen 2000 und 2015 fast verdoppelt hat, befinden sich so viele Altkleider wie noch nie im Umlauf. Diese neuen Waste Streams müssen nun genutzt und als Chance verstanden werden. Da wertvolle Ressourcen in den Textilien stecken, ist es sinnvoll, diese durch Recycling weiter zu nutzen – sofern möglich. 

Trotzdem darf Recycling durch Konsumierende und Industrie nicht als Argument für blinden Konsum genutzt werden, denn eins ist ganz deutlich: Die planetaren Grenzen sind zunehmend erschöpft und die Menge des Konsums muss sich reduzieren. Auch darf nicht vergessen werden, dass Recycling nicht „einfach so“ passiert, sondern einen aufwendigen Prozess beinhaltet. Das Treibhausgaspotential von recycelten Fasern ist trotz der aufwendigen Prozesskette geringer als der Einsatz von neuen Ressourcen. Zudem kommt die Rohstoffknappheit gerade in den letzten Jahren immer öfter als wichtige Komponente hinzu, wenn es um die Beschaffungsstrategie von Textilien geht. Für eine intakte Kreislaufwirtschaft ist Recycling unumgänglich und muss in den nächsten Jahren weiterhin ausgebaut und verbessert werden. 

Aktuell wird nur circa ein Prozent des weltweiten Faseraufkommens recycelt. Das ist erschreckend wenig und muss sich ändern, damit die Ziele der EU bis 2030 erreicht werden können.

Welche sind die (derzeitigen) Herausforderungen?

Für ein großflächiges Recycling muss die entsprechende Infrastruktur dahinter aufgebaut und ausgebaut werden. Derzeit wird die Industrie für ein vermehrtes Textilrecycling sensibilisiert. Sowohl Fair-Fashion- als auch Fast-Fashion-Unternehmen bieten Textilrecycling an oder machen auf Entsorgungsmöglichkeiten aufmerksam. Trotzdem fehlt es an einem ausreichend organisierten Prozess hinter der Abgabe. Zwar sind Innovationen in diesem Sektor bereits möglich, die Skalierung ist derzeit jedoch noch nicht auf einem Niveau, das ganzheitlich in der Industrie Anwendung finden könnte. 

Recycling allein ist aber nicht ausreichend, um die Textilindustrie nachhaltiger zu gestalten. Auch die Infrastruktur zwischen allen beteiligten Parteien innerhalb der Lieferkette muss verbessert werden. Hierfür braucht es mehr Kooperation und Kommunikation.

Welches Material eignet sich? Welches eher nicht?

Aktuell sind insbesondere Monomaterialien für funktionierende Recyclingprozesse vorteilhaft, so etwa Polyester oder Baumwolle. Mischfasern sind noch nicht industriell recycelbar, da Natur- und Synthetikfasern im Recyclingprozess verschiedene Anforderungen aufweisen. Der Recyclingprozess von Mischfasern ist somit noch sehr aufwendig und teuer. 

Was bedeutet das? Gelungenes Recycling fängt bei der Produktentwicklung an. Es wäre sinnvoll, schon in der Produktentwicklung Materialien auszuwählen, die einen möglichst hohen Anteil einer Faser haben. Beispielsweise 100 Prozent Bio-Baumwolle oder Polyester. 

Wie sinnvoll ist es, aus PET-Flaschen einen Stoff für die Textilindustrie herzustellen?

Wenn es um die Sinnhaftigkeit von Kleidung aus recycelten PET-Flaschen geht, treffen verschiedene Meinungen aufeinander – insbesondere die von Recyclingbefürworter*innen und Menschen, die diesen Konsum kritisch betrachten. Das große Problem, das bei Kleidung besteht, die aus recycelten PET-Flaschen hergestellt werden, ist folgendes: Ein geschlossener und in sich funktionierender Kreislauf wird aufgebrochen – und das für ein Produkt, das am Ende des Lebenszyklus nicht eindeutig dem Kreislauf zurückgeführt werden kann, je nach chemischer Behandlung und Weiterverarbeitung. 

PET-Recycling hat den Vorteil, dass eine sortenreine Recyclinginfrastruktur besteht. Daher ist es vergleichsweise einfach zu recyceln. Außerdem liegt das Einsparungspotenzial von recycelten PET-Flaschen gegenüber Rohöl laut einer Studie bei bis zu 25 Prozent. Eine ganzheitliche Ökobilanz, die alle Komponenten des Recyclingprozesses einbezieht, liegt aktuell jedoch nicht vor. Daher ist auch eine ganzheitliche Beurteilung schwierig.

Kund*innen wird oft suggeriert, dass sie mit dem Kauf von Mode aus recycelten Stoffen etwas Gutes tun, bei Kleidung aus recycelten PET-Flaschen besteht allerdings die Gefahr, dass Mikroplastik beim Waschen und Tragen abgegeben werden kann.  

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Wie kann ich als Privatperson meine Altkleider richtig entsorgen?

Aktuell ist die Abgabe von Textilien in gekennzeichneten Altkleidercontainern, in Sozialkaufhäusern oder als Rückgabeformat in Bekleidungsgeschäften möglich. Dies ist an einigen Stellen jedoch unübersichtlich und mensch weiß nicht immer, wo nun die Altkleider landen. Aber auch bei Altkleidercontainern ist Vorsicht geboten: Es gibt leider vermehrt illegal aufgestellte Container. Einen legalen Container erkennt ihr an einer Firmenadresse, Telefonnummer und Firmenlogo. Die mangelhafte Infrastruktur rund um Textilrecycling hat sich das hanseatische Start-Up Textiltiger vorgeknüpft und holt bei Privatpersonen kostenlos Altkleider an der Haustür ab. Diese werden dann entweder weiterverkauft oder zu Granulat recycelt und dem textilen Kreislauf zugeführt. 

Wie ist eure Meinung zum Thema Textilrecycling? Achtet ihr bereits beim Kauf eurer Kleidung darauf, dass sie aus recycelten Materialien hergestellt wurde? Und wie sind eure Erfahrungen mit der Abgabe von Altkleidern?

Falls ihr den Stand der europäischen Textilrecyclingsituation weiterverfolgen möchtet, gibt es auf dieser Website eine spannende interaktive Karte

Titelbild via cottonbro studio – Pexels

Über Frederike

Der Bezug zu Textilien zieht sich wie ein roter Faden durch Frederikes Leben: aufgewachsen in einer Familie voller Seidenweber*innen studierte sie im Bachelor „Design-Ingenieur Textil“. In diesem Kontext kamen immer mehr Fragen nach Ethik, Nachhaltigkeit und Feminismus in der Textilindustrie auf, die durch verschiedene Auslandsaufenthalte in asiatischen Produktionsstätten immer dringlicher wurden.

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Eine Antwort auf „Was ist eigentlich Recycling?“

Hallo ‍♀️ Die Sammlung von Altkleidern hat (imho) leider nichts mit Recycling zu tun, sondern ist eine globale Umweltkatastrophe. Zwar werden etwa 60 Prozent der exportierten Kleidungsstücke nochmal von jemandem anders getragen, landen danach aber eben im aller größten Anteil in der Umwelt und eben auch im Meer.

Viele der aufnehmenden Endbestimmungsorte haben eine sehr schlechte oder keine öffentliche Müllentsorgung, geschweige denn eine Mülltrennung oder Recycling-Anlagen.

Für mich ist auch die Entwicklung recyclingfähiger Materialien eine reine Greenwashing-Geschichte. Die nichts mit den Realitäten zu tun hat. Es ist (imho) absehbar unmöglich, eine Infrastruktur aufzubauen, bei der Altkleider nach der letzten Nutzung ins Recycling kämen. Eine funktionierende Müllentsorgung wäre in den meisten Regionen der Erde ja schon eine kaum zu lösende Aufgabe.

Aktuell sind vollständig biologisch abbaubare Kleidungsstücke und Farben vermutlich der einzige Weg, den Müllbergen irgendwie entgegen zu wirken.

Liebe Grüße

Sven