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H&M launchte neulich eine neue Onlineplattform für „verantwortungsvolles“ Shoppen: Itsapark scheint ein allumfassendes Konzept zu sein, das zahlreiche nachhaltige Produkte anbietet – von Mode und Accessoires zu Dekoartikeln über Bücher und Zero-Waste-Artikel. Auch finden Kund:innen Wellness-Produkte, wie beispielsweise CBD-Öl und vegane Naturkosmetik.
Ein One-Stop-Shop, auf dem Menschen außerdem nachlesen können, wie Bademode länger frisch hält oder weiße Kleidung auf natürliche Weise aufgehellt werden kann. Und – damit wirklich auch für alle was dabei ist – bietet Itsapark zudem noch gebrauchte Designertaschen und Vintagemode an. Ach, was will mensch mehr?
Doch wie nachhaltig ist Itsapark wirklich und wie steht die Plattform in Zusammenhang mit dem Fast-Fashion-Businessmodell von H&M? Ist Itsapark eine Weiterentwicklung der H&M Group, oder vielleicht doch nur ein ausgeklügelter Publicity-Stunt?
H&M als Muttergesellschaft von Itsapark
Mit einem Jahresumsatz von über 20 Milliarden Euro gehört H&M zu den größten Modeunternehmen weltweit. Immer wieder gerät der Fast-Fashion-Gigant in die Kritik: Textilarbeiter:innen in Indien oder Kambodscha erzählen zum Beispiel, dass sie teilweise nur ein Drittel von dem bekommen, was als existenzsichernder Lohn gilt.
Die Clean Clothes Campaign berechnete, dass in den ersten drei Monaten der Pandemie den Textilarbeiter:innen in globalen Lieferketten zwischen 3,2 und 5,8 Milliarden US-Dollar an unbezahlten Löhnen, gesetzlich geschuldeten Prämien und Entschädigungen geschuldet werden. Mit der Kampagne #PayYourWorkers werden Unternehmen wie H&M dazu aufgerufen, ihrer Verantwortung nachzugehen und Textilarbeiter:innen fair zu entlohnen. Zusätzliche Skandale, wie der Vorwurf der Kinderarbeit vor einigen Jahren, erschütterten das Unternehmen weiter.
Auch wird der Konzern immer wieder für seine Überproduktion kritisiert und deren Auswirkungen auf die Umwelt: Derzeit stellt es jährlich circa drei Milliarden Kleidungsstücke her – doch nicht alle werden verkauft. 2019 wurde beispielsweise geschätzt, dass die unverkauften Kleidungsstücke von H&M sich auf einen Wert von 4,1 Milliarden US-Dollar belaufen. Ein Teil davon wird sogar verbrannt.
Als Reaktion auf die scheinbar endlose Liste an Missständen folgten ein Kleidungssammel- und Recyclingservice, sowie zahlreiche Conscious Collections aus Bio-Baumwolle mit Inluencer:innen und Promis als sympathische Werbegesichter.
Neuste PR-Strategie, mit der H&M mit unseren Emotionen spielt: Es bat Kinder sich zum Thema Klima zu äußern. „Erwachsene müssen mehr Rücksicht auf unsere Zukunft nehmen“, sagt beispielsweise eines der Kinder. „Recycling kann die Welt retten!“, meint ein anderes. Scheint doch als würde H&M alles richtig machen in Sachen Klimaschutz. Da wirkt Itsapark als passende Ergänzung eines scheinbar nachhaltigen Geschäftsmodells. Oder etwa nicht?
Eins vorweg: H&M ist nicht nachhaltig und schon gar nicht in dem Maße, wie es sich in der Öffentlichkeit gibt. Die norwegische Verbraucherbehörde hat das Unternehmen 2019 für die irreführende Vermarktung seiner „nachhaltigen“ Conscious-Kollektion kritisiert. Demnach habe es unzureichende Informationen über die Nachhaltigkeit seiner Kollektion geliefert. Die bereits angesprochenen Missstände in der Lieferkette zeigen außerdem, dass das „nachhaltige“ Geschäftsmodell nicht ganzheitlich gedacht wird.
Welche Marken gibt es bei Itsapark und warum?
Itsapark wurde Anfang Mai 2021 von der H&M-Gruppe gelauncht und dient als Onlineplattform für nachhaltige und als nachhaltig gelabelte Produkte. Der Marktplatz bietet einzelne Teile von ökofairen Unternehmen neben den vermeintlich nachhaltigen Capsule Collections von Eigenmarken der H&M Group, wie COS, Arket, Weekday, Monki und H&M Home, an. Ein Mix also zwischen kleinen Nischenmarken und bekannten, bereits etablierten Labels – zusammengestellt vom Itsapark-Team. Neben Kleidern von Filippa K findet sich Unterwäsche von erlich textil und Sandalen von Teva.
Unsere Recherchen haben ergeben, dass einige Brands gar nicht wissen, dass sie auf der Plattform der H&M-Gruppe gelistet sind. Da das Marktplatzsystem über die angebundene Plattform Tipser agiert. Tipser ist ein schwedisches Start-up, das sich auf E-Commerce und Publishing spezialisiert hat. In der letzten Fundingrunde im Dezember 2020 hat das Unternehmen über 15 Millionen US-Dollar eingesammelt. Das deutsche Medienunternehmen Hubert Burda Media arbeitet schon seit einigen Jahre mit der Plattform zusammen und stellt über die eigenen Publikationen, teilweise personalisierte, Shoppingmöglichkeiten für ihre User:innen zur Verfügung.
Burda wiederum hat vor einigen Jahren einige ökofaire Labels angefragt, ob sie hin und wieder auf ihren Online-Publikationen, wie ELLE, InStyle oder Bunte, erscheinen möchten. Möglich gemacht wird dies über Tipser. Marken, die dem zugestimmt haben, werden nun automatisiert auch auf Itsapark angeboten – ohne dafür jemals eine Zustimmung erteilt zu haben. Die Artikel werden automatisch aus dem Onlineshop des Labels importiert. Kommt eine Bestellung rein, wird diese über Tipser abgewickelt.
Das Label sieht in der Abrechnung nicht, über welche Plattform das Teil letztendlich bezogen wurde. Für den erfolgten Verkauf zahlt das Label eine Kommission an Tipser. Es kann also durchaus gesagt werden, dass einige auf Itsapark stattfindende Labels vielleicht gar nicht dort stattfinden wollen, weil sie zum Beispiel nicht mit der H&M-Gruppe assoziiert werden möchten.
„Ich habe tatsächlich nur nebenbei davon erfahren, dass wir auf Itsapark gelistet sind. Ich bin mir nicht sicher, ob wir dem zugestimmt hätten, wenn wir gefragt worden wären, anstatt vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Die Produkte werden über unsere Tipser-Anbindung aus unserem Online-Store gezogen und dort angeboten. Nun verkauft Itsapark auch unsere Produkte über Tipser. Wir haben noch keine Gelegenheit gehabt, darüber zu sprechen, ob wir das wirklich wollen”, meint Jan Schönemann, Head of Sales & Marketing bei Rotholz.
Auffällig ist außerdem auch, dass bei nahezu allen Kategorien, die Eigenmarken jeweils bevorzugt angezeigt werden. Die Beschreibungen der einzelnen Artikel sind häufig eins zu eins kopiert – von der Webseite der Marken. Dabei fehlen jedoch wichtige Informationen, wie zum Beispiel die Angaben zur Produktionsstätte oder Pflegetipps zu den Artikeln. Auch Größentabellen und andere wichtige Informationen, die zu einem achtsamen Onlineshopping-Erlebnis führen, werden nicht zur Verfügung gestellt. Diese müssen Kund:innen selbst ausfindig machen – im Onlineshop der angebotenen Unternehmen, die jedoch nicht von Itsapark verlinkt werden. Überhaupt gibt Itspark nur wenig von den Brands preis, mit denen es arbeitet.
Was steckt wirklich hinter Itsapark?
Zusätzlich zu den angebotenen Produkten setzt die Plattform auf Aufklärung. So gibt Itsapark wertvolles Wissen an Konsumierende weiter. Es werden beispielsweise verschiedene Siegel und Zertifikate wie Cradle to Cradle oder GOTS erläutert. Auch zu Naturmaterialien wie Lyocell und Modal lassen sich Informationen finden und Itsapark erklärt, dass „etwa 70 Prozent der Umwelteinflüsse eines Kleidungsstücks“ bei der Herstellung entstehen.
Doch andererseits scheint es so, als würde Itsapark anderen Tochtergesellschaften der H&M Group nur eine weitere Verkaufsplattform bieten: Einzelne Teile von COS, Monki, Weekday, Arket und H&M selbst werden im Onlineshop vermarktet, insofern sie beispielsweise „biologisch“, „handgefertigt“ oder „pflanzlich“ sind.
Itsapark kennzeichnet einzelne Stücke damit, dass sie „recycelt“ sind, doch bei genauerem Hinschauen bestehen die meisten Kleidungsstücke nur teilweise aus recycelten Materialien. Der Rest besteht aus neuen Fasern. Auch werden Kleidungsstücke als „biologisch“ gekennzeichnet, obwohl nur ein Teil davon aus biologischen Naturmaterialien besteht. Auf die Materialien, die nicht biologisch sind, wird nicht weiter eingegangen. Zudem fehlen andere Informationen, wie beispielsweise der Ort an dem die Naturmaterialien angebaut werden.
Zudem gibt es andere Kategorien wie „plant-based”, also pflanzlich. Das mag erstmal gut klingen. Doch es ist ein eher schwammiger Begriff und daher leider nichtssagend. Wo kommen die pflanzlichen Naturmaterialien her? Wie werden sie angebaut? Sind sie biologisch? Darauf finden wir bei Itsapark keine Antwort.
Wenn Produkte aus recycelten Materialien hergestellt wurden oder biologisch abbaubar sind, ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Itsapark versäumt es jedoch, Kund:innen zu informieren wie, wo und von wem die Produkte hergestellt wurden. Es ist beispielsweise nicht klar, wie und ob die Textilarbeiter:innen gerecht entlohnt wurden oder wie die Arbeitskonditionen in den Produktionsstätten sind.
Die wenigen Angaben zu den jeweiligen Fabriken sind teilweise so vage gehalten, dass es schwierig ist, sie ausfindig zu machen. Überhaupt geht Itspark nur sehr wenig bis gar nicht auf faire Arbeitsbedingungen ein. Es erklärt nicht einmal, was letztere für das Unternehmen bedeuten. Bis auf ein paar Fairtrade-zertifizierte Artikel, deutet bei der Onlineplattform nichts darauf hin, dass ihnen gerechte Arbeitsbedingungen wichtig sind. Vielmehr liegt der Fokus auf den Materialien. Doch Materialien sind nur ein Teil des Nachhaltigkeitskonzepts. Ernstgemeinte Nachhaltigkeit ist ein holistisches Konzept, das Mensch, Tier und Umwelt einschließt.
Bei den Eigenmarken der H&M-Gruppe ist fast keine der Lieferketten zertifiziert, was faire Arbeitsbedingungen angeht. So können die Gesundheit und die Sicherheit der Arbeitnehmer:innen, sowie existenzsichernde Löhne und andere Arbeitsrechte nicht immer gewährleistet werden. Andererseits, erhielt die H&M-Gruppe eine relativ hohe Punktzahl im Fashion Transparency Index 2020, da sie zum Beispiel detaillierte Informationen zu den Produktionsphasen und Lieferantenrichtlinien veröffentlichen. Bei der Fair-Fashion-Plattform GoodOnYou werden sie daher als „Es ist ein Anfang” eingestuft.
Kann ich ruhigen Gewissens bei Itsapark shoppen?
Das Unternehmen versteht cleveres Marketing. Der Onlineshop ist ästhetisch, einfach zu navigieren und hat quasi alles zu bieten, was das Modeherz höher schlagen lässt. Influencer:innen arbeiten auch schon fleißig daran, die Plattform zu promoten und teilen Tipps und Tricks, wie wir gemeinsam die Kreislaufwirtschaft salonfähig machen können.
Außerdem wirbt Itsapark mit dem Slogan #YepThatCounts und erklärt, es sei ihre „Art, jeden Schritt in die richtige Richtung bewusst zu gehen – und zu zelebrieren“. Jeder Schritt zählt. Hört sich gut an. Aber da war doch noch ein anderes Hashtag? #PayYourWorkers, denn jeder Lohn zählt. Mit der Kampagne #PayYourWorkers werden Unternehmen wie H&M dazu aufgerufen, ihrer Verantwortung nachzugehen und Textilarbeiter:innen fair zu entlohnen. Textilarbeiter:innen nicht zu bezahlen, ist und bleibt nicht nur uncool, sondern auch illegal. Vielleicht geht Itsapark deshalb nicht auf faire Arbeitskonditionen ein?
Auf unsere Presseanfrage bekamen wir folgende Antwort:
„Itsapark is part of the H&M Group’s new ventures division and we’re focusing towards meaningful growth, digitalization, collaborations, meeting the customers’ expectations and leading the way towards a more circular lifestyle through new business models.”
„Itsapark ist Teil des neuen Geschäftsbereichs der H&M-Gruppe. Wir konzentrieren uns auf bedeutsames Wachstum, Digitalisierung, Zusammenarbeit, die Erfüllung der Kund:innenerwartungen und den Weg zu einem zirkuläreren Lebensstil durch neue Geschäftsmodelle”.
Auf den ersten Blick scheint es so, als wäre Itsapark ein guter Start. Das Statement lässt sich jedoch auf viele verschiedene Arten interpretieren. Es könnte sein, dass H&M wirklich die Zeichen der Zeit erkannt hat und sich nun immer weiter in Richtung nachhaltiges Geschäftsmodell bewegt. Andere Aktionen des Fast-Fashion-Giganten, wie beispielsweise der Kleidungssammel- und Recyclingservice, die Verbesserung der Transparenz oder die zahlreichen Conscious Collections in den letzten Jahren deuten ebenfalls darauf hin. Es scheinen jedoch kleine Schritte – fast schon unbedeutend – angesichts der riesigen, unüberschaubaren Lieferketten und der Massen- und Überproduktion.
Es könnte aber auch sein, dass die H&M-Gruppe eine bestimmte Zielgruppe an „woke Consumers” erkannt hat. Diese will wissen, woher das Kleidungsstück kommt und woraus es besteht. Mit Itsapark versucht H&M demnach, diese Zielgruppe zu erreichen, um sie nicht an echte ökofaire Brands zu verlieren. Dass der Fast-Fashion-Markt hart umkämpft ist, ist H&M schon seit Jahren klar. Mit einem wachsenden Klimabewusstsein und dem steigendem „Nachhaltigkeits-Trend“, ist das Unternehmen quasi gezwungen, neue Vermarktungsstrategien auszuprobieren. So bleiben sie weiterhin relevant und wachsen – auch in der Nachhaltigkeitsszene. Im Prinzip vergrößern sie dadurch nur ihre Zielgruppe, ergo auch ihren Absatz und Umsatz. Win-Win, zumindest für H&M, die damit auch ihre Shareholder besänftigen können.
Die Wokeness der Consumer
Ein kleiner Pluspunkt bleibt: Plattformen wie Itsapark sind ein gutes Mittel, um Konsumierende zu erreichen, die bis dato noch nicht mit ökofairen Produkten in Berührung gekommen sind, beziehungsweise erst anfangen, sich mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen. Wobei gerade letztere durch das Angebot auf dem Marktplatz eher verunsichert werden. Woher soll eine Person, die sich nur marginal mit Nachhaltigkeit beschäftigt, wissen, wann ein recyceltes Kleidungsstück wirklich ressourcenschonend ist, oder reines Greenwashing?
Es bleiben also viele Fragen offen: Wie beispielsweise verantwortet Itsapark die Tatsache, dass zwischen den wirklich nachhaltigen, teilweise auch kleinen Marken, die Designs der Eigenmarken der H&M-Gruppe zu finden sind? Kund:innen wird so schnell das Bild vermittelt: Monki, Weekday und H&M-Mode ist nachhaltig, obwohl es sich bei den angebotenen Artikeln nur um einen Bruchteil der Gesamtproduktion der Brands handelt. Nicht das gesamte Label ist deswegen nachhaltig, sondern nur einige, wenige Teile, wenn überhaupt. Sogar bei diesen wenigen Produkten müssen Kund:innen vorsichtig sein, denn der Schein kann trügen. Die von Itsapark aufgeführten Kriterien sind schwammig und bewusst vage gehalten. Das zeigt beispielsweise auch die Analyse von Doris Schoger und Laura Mitulla, die sich ebenfalls fragen, wie nachhaltig Itsapark wirklich ist.
Zusammenfassend scheint Itsapark nur eine weitere Marketingstrategie, mit der die H&M-Gruppe versucht, sich grüner zu geben, als sie ist. Die Plattform vermittelt einerseits Wissen an Konsumierende und gibt echte Zahlen und Fakten aus Studien wieder. Andererseits bleibt sie bei anderen, wichtigen Dingen relativ vage. Zudem werden Marken auf der Plattform angeboten, die dafür nie ihr bewusstes Einverständnis gegeben haben. Diese Marken färben die Plattform nun grün und H&M wirkt wieder einen Schritt nachhaltiger, ohne selbst wirklich etwas an den eigenen Prozessen zu verbessern. Transparenz sieht anders aus.
Konsumierenden wird so ein gutes Gewissen beim Shoppen vermittelt. #YepThatCounts appelliert wie so oft an den eigenen Konsum: Mit dem Rad zur Arbeit? Bio statt konventionell? Mehrweg statt Einwegplastik? Klar sind das wichtige Dinge und sehr cool, wenn immer mehr Menschen diese umsetzen können. Aber: „Nachhaltiges“ Shoppen und das Bio-Picknick am See wird die Klimakrise nicht aufhalten. Milliarden-Konzerne, die Produktion und Überkonsum überdenken und verantworten? #YepThatReallyCounts
Itsapark meint, es würde versuchen zu „motivieren, Worte auch in Taten umzusetzen.“ Doch: Wann lässt die H&M-Gruppe ihren Worten Taten folgen und übernimmt endlich Verantwortung für die gesamte Wertschöpfungskette?
Wie steht ihr zu Itsapark? Lasst es uns, und andere, gerne in den Kommentaren wissen.