Wenn es nach Expert*innen geht, ist weniger mehr: weniger produzieren, weniger kaufen, weniger schnell wachsen – als Individuum, als Unternehmen, als Gesellschaft. Angetrieben von den zahlreichen Krisen müssen viele Modelabels nun ihre Businessstrategie überdenken – Stichwort: Suffizienz. Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit überhaupt noch in Krisenzeiten? Und welches Potenzial bergen die aktuellen Krisen letztlich für das Postwachstum?
- Die Kaufkraft der meisten Menschen ist rückläufig, weshalb die Weltwirtschaft aktuell weniger schnell wächst. Das zeigen unter anderem Entwicklungen im E-Commerce, der nach jahrelangem Rekordwachstum erstmals weniger schnell wächst und teilweise sogar Stellen abbauen muss.
- Laut Expert*innen sollten Unternehmen trotz steigender Energiepreise und anderer Kosten nicht in Sachen Nachhaltigkeit sparen. Denn die Anforderungen werden in den nächsten Jahren weiter steigen, zum Beispiel hinsichtlich ESG und Taxonomie, Kreislaufwirtschaft, CO2- und Ökobilanzen.
- Nachhaltigkeit wird auch im Investmentbereich wichtiger. Laut aktuellen Studien achten Investor*innen zunehmend auf die Umwelt-, Sozial- und Governance-Kennzahlen (ESG) von Unternehmen.
- Um zukunftsfähig zu handeln, müssen Unternehmen in Reparaturen investieren und ein Netzwerk auf Änderungsnähereien, Nähstuben und handwerklichen Betrieben schaffen, die professionelle Reparateur*innen ausbilden. Das ist laut Expert*innen ein eigenständiger Business Case.
- Im Idealfall werden aus den eigenen Kund*innen Prosument*innen, also Menschen, die nicht nur konsumieren, sondern auch produzieren.
In diesem Deep Dive zum Thema krisenfeste Lieferketten und Degrowth gibt es Input von:
- Professor Dr. Niko Paech, Volkswirt, Hochschullehrer für Plurale Ökonomik an der Universität Siegen und Buchautor
- Dr. Jiska Gojowczyk, Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei SÜDWIND e.V. – Institut für Ökonomie und Ökumene
- Noor Naqschbandi, Programmleiter des Sektorvorhaben „Nachhaltiger Konsum” in der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ)
- Professor Gerrit Heinemann, Wirtschaftswissenschaftler und Leiter des eWeb Research Center der Hochschule Niederrhein
- Anna Yona, Gründerin und Geschäftsführerin von Wildling Shoes
Die Modebranche hat in den letzten Jahren zunehmend Kritik für ihren hohen Ressourcenverbrauch und ihre negativen Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft erhalten. In Zeiten von Krisen wie Krieg, Inflation, politischer Instabilität und steigenden Kosten für Energie, Rohstoffe und Transport wird dieser Kritikpunkt teilweise noch deutlicher. Rückt Nachhaltigkeit nun vielleicht in den Hintergrund? Schließlich gibt es aktuell wichtigere Dinge – vor allem das finanzielle Überleben des eigenen Unternehmens.
Gleichzeitig boomt Recommerce wie nie zuvor, es wird fleißig an innovativen Materialien geforscht und – krisenbedingt – wächst der Markt weniger schnell. Manche Marken verkünden sogar, sie wollen ab sofort weniger produzieren.
Was passiert also wirklich? Gerät Nachhaltigkeit unter den aktuellen Umständen tatsächlich immer mehr in den Hintergrund? Oder bieten die vermehrten Krisen auch eine Chance, die Modewirtschaft neu zu denken?
Ambivalente Entwicklungen
Angetrieben von der Inflation, den steigenden Energiepreisen und zunehmenden Unsicherheite, sprechen Expert*innen von einer schwindenden Kaufkraft, vor allem in einkommensschwachen Familien. Birgit Langebartels, Leiterin im Bereich Kids & Family Research beim Markt- und Medienforschungsinstitut Rheingold, hat in zahlreichen Interviews herausgefunden, dass Menschen immer mehr von Unsicherheiten geplagt sind und sparen müssen. Auch Professor Dr. Niko Paech, Post-Wachstumsexperte und Hochschullehrer für Plurale Ökonomik an der Universität Siegen, stellt ähnliches fest. „Die Kaufkraft der Menschen ist inzwischen nicht mehr gesichert, so wie wir sie bislang beobachten konnten.” Das spüren auch die Unternehmen, die darauf reagieren und ihre Geschäftsstrategie überdenken und gegebenenfalls anpassen müssen.
Generell wird deutlich weniger gekauft, was auch erklärt, weshalb unser Konsumverhalten noch immer nicht dem Vor-Corona-Stand von 2019 entspricht. Laut Anna Yona, Gründerin und Geschäftsführerin bei Wildling Shoes, sind vor allem unabhängige, kleinere Brands im Nachhaltigkeitsbereich besonders von den aktuellen Umständen betroffen. „Das liegt sicherlich daran, dass unsere Zielkundschaft in der Mittelschicht am meisten von Verhaltensänderungen durch die Wirtschaftskrise betroffen ist. Brands im unteren Preissegment gewinnen neue Kund*innenschaft, die verstärkt Kosten sparen muss. Brands im oberen Preissegment und Luxussegment behalten ihre Zielgruppe, die von den Einschränkungen, wenn überhaupt, nur mäßig beeinflusst ist. Damit fallen vor allem im mittleren Segment Kund*innen weg, die diese Produkte bislang vor allem aus Überzeugung gekauft haben, und jetzt sehr viel genauer überlegen müssen, ob sie sich den Kauf leisten können.”
Dies hat unter anderem zur Folge, dass sogar der Onlinehandel weniger schnell wächst. „2022 gab es tatsächlich eine Wachstumsdelle für den Onlinehandel, doch die Wachstumsrate liegt immer noch deutlich über der von 2019”, erklärt Gerrit Heinemann, Professor Gerrit Heinemann, Wirtschaftswissenschaftler und Leiter des eWeb Research Center der Hochschule Niederrhein. „Der Trend, dass wir auch in den nächsten Jahren eine Zunahme von Online haben, ist ungebrochen.”
Dennoch verkündete auch Zalando im Februar, es müsse Hunderte von Stellen abbauen. Gerrit Heinemann führt den Stellenabbau im E-Commerce auf den verlangsamten Wachstum zurück, mit denen sich viele Unternehmen nun konfrontiert sehen: „Online-Händler haben in den letzten Jahren unmäßig Kapazitäten aufgebaut und nicht berücksichtigt, dass wir vielleicht auch einen gewissen Pandemieeffekt haben und sie dadurch so schnell gewachsen sind. Es wäre besser gewesen, sich da flexibler zu halten. Jetzt sehen wir das Ergebnis dieses Kapazitätenaufbaus, der häufig auch mit einem Fixkostenaufbau zu tun hat: Es werden wieder Stellen abgebaut. Das ist einerseits normal, andererseits aber ungewohnt für den E-Commerce, der stets immer nur gewachsen ist.” Heinemann spricht von „hausgemachten Problemen”. „Eigentlich müsste ein professionelles Management in der Lage sein, diese Wachstumsdelle zu bewältigen.”
Auf der anderen Seite aber verzeichnen Luxushäuser wie Hermès und Lanvin Rekordumsätze, die wiederum zu einer höheren Dividendenzahlung führen. Auch einige (Ultra-) Fast-Fashion-Unternehmen wie Primark verzeichnen teilweise um höhere Umsätze, als– krisenbedingt – erwartet. Es gibt also nach wie vor ambivalente Entwicklungen, die sich nicht pauschalisieren lassen.
Gerät Nachhaltigkeit in den Hintergrund?
In Krisenzeiten geht es oftmals um das finanzielle Überleben eines Unternehmens. Nachhaltigkeitsaspekte, die davor beschon kaum an der Tagesordnung standen, werden letztlich noch unwichtiger. Das sieht auch Dr. Jiska Gojowczyk, Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei SÜDWIND e.V. – Institut für Ökonomie und Ökumene: „Meiner Wahrnehmung nach haben die konjunkturellen Entwicklungen in kleineren Modeunternehmen auch das Nachhaltigkeitsengagement ausgebremst, weil in diesem Bereich gespart oder zumindest nicht aufgestockt wird”, erklärt sie. „Das ist natürlich auch für die Unternehmen nur sehr kurzfristig hilfreich.” Aktuell geht es ihr zufolge noch viel um Preise und abgesetzte Mengen, wenig aber um Qualität, Transformationserfolge und nachhaltige Wirtschaftsmodelle. „Es ist immer wieder irritierend, wie Themen, die eigentlich zusammengedacht werden könnten, so in Inseln behandelt werden.”
Regularien und Investments
Trotz Krisen wären Unternehmen besser beraten, sich ernsthaft(er) mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Denn vor allem auf politischer Seite wird dieser Aspekt immer wichtiger. Schauen wir uns die aktuellen Entwicklungen mal genauer an. In den letzten zwölf Monaten wurden die Erwartungen der Regulierungsbehörden nicht nur konkreter, sie bewegen sich auch von der freiwilligen zur obligatorischen Offenlegung:
- Auf der COP 27 im November 2022 forderte UN-Generalsekretär António Guterres mehr Rechenschaftspflicht und Überprüfung, um Greenwashing zu beenden.
- Tatsächlich werden immer mehr Unternehmen des Greenwashings beschuldigt, unter anderem H&M und der Higg Index.
- Großbritannien verlangt mittlerweile von großen Unternehmen, dass sie gemäß den Empfehlungen der globalen „Taskforce on Climate-related Financial Disclosures” über ihre klimabezogenen Risiken berichten.
- Die EU Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verpflichtet Unternehmen dazu, detaillierte Informationen zur Nachhaltigkeitsleistung zu veröffentlichen.
- In der EU verstärken sich die Offenlegungsanforderungen für Netto-Null-Pläne.
Zudem wird Nachhaltigkeit auch im Investmentbereich wichtiger. Investor*innen achten zunehmend auf die Umwelt-, Sozial- und Governance-Kennzahlen (ESG) von Unternehmen, bevor sie Finanzierungsentscheidungen treffen – und stellen häufig fest, dass diese fehlen. Das wurde in einer kürzlich von EY Global durchgeführten Umfrage hervorgehoben, die unter anderem Folgendes ergab:
- 99 Prozent der befragten Anleger*innen nutzen die ESG-Offenlegungen von Unternehmen als Teil ihres Anlageentscheidungsprozesses.
- 76 Prozent der befragten Anleger*innen glauben, dass Unternehmen bei der Bereitstellung von öffentlich zugänglichen Informationen sehr wählerisch sind. Dieser Mangel an Transparenz wiederum gibt oftmals Bedenken hinsichtlich Greenwashing.
Auch Noor Naqschbandi, Programmleiter des Sektorvorhaben „Nachhaltiger Konsum” in der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), gibt zu verstehen, dass Nachhaltigkeitsversprechen immer häufiger hinterfragt werden und auch bei der Produktkennzeichnung sind EU-Regelungen in Vorbereitung. „Eine wichtige Rolle bei Kaufentscheidungen spielen Siegel – insbesondere bei Menschen, für die Nachhaltigkeit bereits wichtig ist.”
Laut der aktuellen Utopia-Studie aus dem Jahr 2022, ,Lost im Label-Dschungel’, die rund 3.000 Nutzer*innen der Plattform befragt, orientieren sich 85 Prozent beim Einkauf an Siegeln. Dabei unterscheiden sie in puncto Vertrauenswürdigkeit nach Absender. Ein staatlicher Absender wie der Grüne Knopf gilt mit 72 Prozent als besonders glaubwürdig. „Unternehmen, die anspruchsvollen Anforderungen gerecht werden und eine sozial- und umweltverträgliche Produktion nachweisen können, können also Erwartungen der Verbraucher*innen entsprechen und sind gleichzeitig gewappnet, wenn striktere Vorgaben greifen”, so Naqschbandi. „Sie wären schlecht beraten, wenn sie jetzt angesichts steigender Energiepreise und anderer Kosten in Sachen Nachhaltigkeit sparen. Denn die Anforderungen werden in den nächsten Jahren weiter steigen, zum Beispiel hinsichtlich ESG und Taxonomie, Kreislaufwirtschaft, CO2- und Ökobilanzen.” Krisen könnten Naqschbandis Meinung nach immer auch Wendepunkte sein und durchaus dazu genutzt werden, das eigene (unternehmerische) Handeln auf den Prüfstand zu stellen und so auszurichten, dass es zukunftsfähig ist.
Trotz zunehmender politischer Anforderungen, die vor allem in den nächsten Jahren noch wichtiger werden, sprechen die aktuellen Zahlen eine andere Sprache: Es wird immer noch zu viel produziert und konsumiert – und das widerspricht den aktuellen Nachhaltigkeitsversprechen und künftigen Regularien.
Jedes Jahr werden weltweit rund 100 Milliarden Kleidungsstücke (circa 70 Prozent davon aus Polyester) hergestellt, wovon ein großer Teil in den Müll wandert. In Deutschland werden jährlich rund 1,2 Millionen Tonnen Kleidung entsorgt, die meisten davon landen auf Mülldeponien oder werden verbrannt. Der CO2-Ausstoß der Modebranche ist enorm und entspricht je nach Studie etwa drei bis zehn Prozent der globalen CO2-Emissionen. Von einer zukunftsorientierten Wirtschaft kaum eine Spur. Wie gehen Unternehmen, die wirklich etwas verändern wollen, nun damit um und was können sie selbst bewirken?
Krisen als echte Nachhaltigkeitschance
Dr. Niko Paech ist der Meinung, dass die aktuellen Krisen eine echte Nachhaltigkeitschance darstellen – immerhin sinkt die Kaufkraft. „Das kann sehr schnell dazu führen, dass Menschen ihren Konsum hinterfragen.” Er vertritt die Auffassung, dass der Strukturwandel in der Modebranche von der Nachfrage ausgeht. „Wenn die Nachfrage nicht weniger wird, kann auch das Angebot nicht weniger werden. Was muss sich also ändern, damit Menschen gewillt und fähig sind, mit weniger Textilkonsum klarzukommen?” Die rückläufige Kaufkraft ist hier nur bedingt ein Argument, da diese oftmals gegen den Willen der Menschen sinkt. Um die Branche langfristig zu transformieren, muss der rückläufige Konsum von den Menschen selbst ausgehen und nicht krisen- und inflationsbedingt vom Markt auferlegt werden.
Obwohl einige Unternehmen verkünden, dass sie krisenbedingt weniger produzieren wollen, um die Fixkosten zu reduzieren, fehlt es aktuell an den nötigen Zahlen, um einen solchen Trend branchenweit zu beobachten. „Es mag im Einzelfall so sein, dass die Produktionszahlen wirklich abnehmen, aber man muss sich den Gesamtmarkt anschauen. Die Marktbeziehungen führen oft dazu, dass der Markt an der einen Stelle schrumpft, an der anderen aber wächst.”
Vor allem im Bereich des Recommerce wächst der Markt stetig – in allen Bereichen, sei es Fair Fashion, (Ultra-) Fast Fashion oder Luxusmode. Laut dem Statista Global Consumer Survey haben 44 Prozent der befragten Konsumierenden in Deutschland im Jahr 2020 ein Secondhandprodukt gekauft. Zu den führenden Unternehmen im Re-Commerce-Handel gehören eBay Kleinanzeigen, Momox, Vinted oder ReBuy. Allein eBay zählte im November 2022 fast 36 Millionen Nutzer*innen. Laut einer Studie, die von der Forschungsgruppe Cross-Border Commerce Europe im Dezember 2022 durchgeführt wurde, wachsen Recommerce-Marktplätze 20-mal schneller als der gesamte Einzelhandelsmarkt. Bis 2025 soll der Recommerce-Markt seinen Marktanteil von 10 auf 14 Prozent steigern.
Postwachstum auf Umwegen
Fakt ist: Der Industrialismus, gerade in seinem globalen Maßstab, wie wir ihn aus der Textilbranche erleben, kann nicht mehr aufrechterhalten werden. „Energiepreise werden steigen, Ressourcen werden knapper, Klimaschutzgesetze werden eingeführt, weitere Krisen kommen auf und Menschen werden reell an Kaufkraft verlieren”, so Dr. Paech. Wir werden einen Effekt der Deglobalisierung erleben – kürzere Wertschöpfungsketten, dafür aber mehr Krisenresilienz. Aktuell werde vor allem deswegen ein Teil der Lieferketten nach Europa verlagert.
Wir werden jedoch weiterhin eine Textilindustrie haben. Aber von der Größe dürfte diese nur noch einem Bruchteil der heutigen entsprechen. „Wenn Unternehmen ihrerseits proaktiv zu einer Postwachstumsstrategie beitragen wollen, dann geht das nicht, indem sie weniger wachsen”, erklärt Dr. Paech. „Denn wenn sie weniger wachsen, wird die Nachfrage von der Konkurrenz abgefangen. Das bringt also nichts. Die Unternehmen müssen indirekt zu Postwachstumseffekten beitragen, indem sie auf die Nachfragemuster einwirken – und den Menschen dabei helfen, weniger kaufen zu müssen.”
Dr. Paech sagt, Unternehmen müssten beispielsweise Lebenszykluskosten ihrer Produkte berechnen und diese an Kund*innen kommunizieren. „Solche Strategien werden betriebswirtschaftlich immer wichtiger. Wenn die Kaufkraft einer Gesellschaft im Durchschnitt sinkt, werden langfristig die Unternehmen, die Nase vorne haben, die den Menschen erkennbar dabei helfen, mit weniger Geld ein würdiges Dasein zu ermöglichen. Das muss man offensiv kommunizieren. Das ist die Innovation.”
Ein Beispiel: Vor etwa zehn Jahren launchte das US-amerikanische Outdoor-Label Patagonia eine Kampagne, die den Kund*innen sagte: „Don’t buy this jacket” („Kaufen Sie diese Jacke nicht“). Die Botschaft sollte die Menschen ermutigen, die Auswirkungen ihres Konsumverhaltens auf die Umwelt zu bedenken und letztlich nur das zu kaufen, was sie auch wirklich benötigen.
Dr. Paech rät Unternehmen folglich dazu, Prosument*innen zu fördern – also Menschen, die nicht nur konsumieren, sondern auch produzieren. „Unternehmen können über ein Prosument*innenmanagement dazu beitragen, dass aus Konsumierende Prosument*innen werden.” Idealerweise würde man dies bei allen Gebrauchsgegenständen machen.
Zeit für einen Strukturwandel
Unternehmen sollten am besten frühzeitig Reparaturen in ihr Geschäftsmodell aufnehmen und Kooperationen mit handwerklich-wirtschaftlichen Betrieben eingehen sowie Änderungsschneidereien und Nähstuben in den Städten, die sie in ihr Netzwerk aufnehmen. „Das ist der Strukturwandel, den wir brauchen. Einer, der auch professionelle Reparateur*innen ausbildet – sei es unternehmensintern oder auf freiberuflicher Basis. Und diese Kosten sind möglicherweise eine Investition in die Zukunft”, so Dr. Paech.
Eine solche Unternehmensweise schafft lokale Arbeitsplätze, führt zu Steuereinnahmen, lässt Menschen resilienter werden, weil sie sich mit weniger Textilien, die im Kreislauf bleiben, selbst versorgen. Für Unternehmen wäre dies nicht sonderlich teuer, immerhin reden wir nicht von kostenlosen Reparaturen, sondern von einem eigenen Business-Case.
„Ein Wandel im Wirtschaftssystem bedeutet auch, weniger zu produzieren“, heißt es im „Retail Report 2023” von Theresa Schleicher, Geschäftsführerin der Strategieberatung VORN Strategy Consulting. Gerade in Zeiten der Stagnation der Weltwirtschaft bräuchten Unternehmen neue Geschäftsmodelle und müssten unabhängiger vom Wachstum werden. „So kann auch die Lösung der Klimakrise nur gelingen, wenn sich sämtliche Gesellschaftsbereiche neu ausrichten auf ein neues Nachhaltigkeitsparadigma. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Transformation der Wirtschaft in Richtung eines progressiven Postwachstums, das in Zeiten von Stagnation und Rezession sowieso unumgänglich ist. Die Frage nach dem Sinn und Zweck des Wirtschaftens sowie eine Ausrichtung am Gemeinwohl mit den Werten Vertrauen, Wertschätzung, Solidarität und ökologische Nachhaltigkeit lösen das reine Profit-Denken ab. Die Verhaltens- und Sichtweisen der globalen Gesellschaft, der Kultur und der Politik werden durch dieses Nachhaltigkeitsparadigma verändert – und unternehmerisches Handeln sowie das gesamte Wirtschaftssystem fundamental neu ausgerichtet“, schreibt die Autorin. Demnach ist zukunftsfähiges Wirtschaften auch nachhaltiges Wirtschaften und umgekehrt. Welche neuen Wege sind Unternehmen nun bereit zu gehen?
Titelbild: cottonbro studio