Es ist nicht immer einfach die nachhaltigste, fair produzierte Alternative zu kaufen. Da immer mehr grüne Unternehmen und Produkte auf den Markt kommen, steigt die Auswahl und somit auch die Schwierigkeit sich zu entscheiden.
Hier können uns Siegel und Zertifizierungen die Kaufentscheidungen erleichtern. Doch manchmal sind diese nicht vorhanden oder uns nicht bekannt. Dann müssen wir diese Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen treffen.
Hier habe ich mir über die letzten Jahre ein paar Entscheidungshilfen angeeignet, welche mir in diesen Situationen helfen ein Unternehmen, beziehungsweise eine Marke, als vertrauenswürdig, nachhaltig oder fair einzuschätzen. Bevor wir uns jedoch diesen Hilfen widmen, klären wir zunächst einmal die Frage welche Siegel und Zertifikate im Modebereich existieren und warum manche Unternehmen diese nicht erwerben, obwohl sie durchaus nachhaltig sind.
Was sind Siegel?
Siegel werden oft verwendet, um die Unversehrtheit eines Gegenstandes zu bestätigen, wie zum Beispiel die eines Briefumschlages oder einer Tür. Auch können sie zur Beglaubigung von Urkunden genutzt werden.
Ein Umwelt- oder Sozialsiegel, wie wir es aus dem Geschäft kennen, beglaubigt die Einhaltung bestimmter Standards, welche durch die Herausgeber des Siegels definiert wurden. Herausgeber können beispielsweise gemeinnützige Vereine sein oder der Staat. Diese fungieren als unabhängige Prüfstelle und werden dafür in der Regel von den Unternehmen bezahlt.
Siegel stellen also sicher, dass ein bestimmter Teil der Lieferkette, des Managements oder des Anbaus der Rohstoffe gewissen Umwelt- und Sozialstandards entspricht. Diese unterscheiden sich jedoch von Siegel zu Siegel. Am bekanntesten sind wohl die Umweltsiegel im Lebensmittelbereich.
Hier gibt es zum Beispiel das europäische und deutsche Bio-Siegel, sowie den Bioland-, Naturland- oder Demeter-Anbaustandard. Diese Siegel bestätigen einen möglichst sorgsamen Umgang mit den Böden und somit den nachhaltigen Anbau unserer Lebensmittel. Die Bioland-, Naturland- und Demeter-Standards regeln zum Beispiel den Einsatz von Pestiziden viel strenger als das deutsche oder europäische Bio-Siegel.
Welche Siegel gibt es im Textilbereich?
Im Textilbereich wird zwischen drei verschiedenen Arten von Siegeln unterschieden. Manche garantieren eine nachhaltige Produktion, andere fokussieren sich eher auf eine faire Verarbeitung; die dritte Kategorie garantiert beides. Hierbei sollte jedoch beachtet werden, dass die meisten Siegel nur einen bestimmten Teil der Lieferkette oder des Produktionsprozesses abdecken.
Ähnlich wie im Lebensmittelbereich hat nicht jedes Textilsiegel die gleichen Standards. Hier variieren die Standards stark – jedes Siegel ist beispielsweise unterschiedlich streng beim Grenzwert der eingesetzten Chemikalienmenge. Manche Siegel unterscheiden zwischen kreislauffähigen Materialien und setzen diesbezüglich hohe Standards an, andere arbeiten jedoch mit nahezu allen, unter anderem auch schlecht recycelten Materialien.
Wenn dir ein Siegel unbekannt ist, ist eine schnelle Suche mit der Suchmaschine deiner Wahl eine gute Idee. Denn nicht selten denken sich, vor allem größere Unternehmen oder Konzerne, eigene Siegel aus. Diese ausgedachten Siegel befinden sich dann nur auf den selbst hergestellten Produkten. Da diese jedoch nicht unabhängig geprüft werden, kann nicht nachvollzogen werden, ob die gewählten Standards tatsächlich eingehalten werden. Somit sind diese selbst ausgedachten Siegel oft nichts anderes als Greenwashing oder gar Verbrauchertäuschung.
Warum haben einige nachhaltige Labels keine Siegel oder Zertifikate?
Das kann vielerlei Gründe haben. Die Zertifizierung für ein Siegel zu erhalten, kostet das Unternehmen Geld. Kleinere Labels können sich dies nicht immer leisten, obwohl sie alle Anforderungen erfüllen oder sogar übertreffen. In unserem Interview zum Grünen Kopf meinte Lisa Jaspers, Gründerin von Folkdays, dass es für viele Materialien auch schlichtweg noch keine Zertifizierung gibt.
Was tun, wenn eine Marke keine Siegel hat?
Wie kannst du vorgehen, wenn du diese eine tolle Marke gefunden hast, sie jedoch keine Siegel vorzeigen kann? Sei es ein tolles, lokales Label oder eins, was du entdeckt, wenn du im Ausland unterwegs bist – folgende Tipps können dir die Kaufentscheidung erleichtern.
1. Das Marketing
Wenn ein Unternehmen sehr viel Marketing betreibt, mehrere Kooperationen mit Influencer:innen eingeht oder generell viel in Werbung auf Social Media investiert, muss das nicht immer negativ sein. Wenn es jedoch nur bei bunten Überschriften und vagen Aussagen bleibt und es keine konkreten Angaben zu beispielsweise Fabriken, Produzenten oder überhaupt dem Produktionsland gibt, dann riecht das verdächtig nach Greenwashing. Auf Worte müssen Taten folgen.
Das Unternehmen pflanzt einen Baum für den Kauf eines Produkts? Gute Idee und ein schönes Add-on, aber es wäre besser für den Planeten, das Produkt von Anfang an, so nachhaltig wie möglich zu gestalten: zum Beispiel durch die Verwendung nachhaltiger Materialien, möglichst wenig Verpackung und idealerweise die Schaffung eines Kreislaufsystems für die Rückgabe alter Produkte.
2. Transparenz
Die Transparenz der Marke ist wohl einer der wichtigsten Punkte, um Greenwashing zu entlarven. Gibt es viele, tolle Headlines, aber keine konkreten Informationen, ist es wahrscheinlich auch zu schön, um wahr zu sein.
Hier kannst du dir beim Kauf beispielsweise folgende Fragen stellen:
- Beschreibt die Marke deren Fertigungsprozesse auf der Website eher umfangreich und detailliert?
- Gibt es Informationen über die Standorte der Fabriken, am besten mit Fotos und Infos über eventuelle Zertifizierungen der Fabriken?
- Gibt es Informationen zu den Stoffen und deren Herkunft?
Es ist löblich, wenn sich Unternehmen konkrete Ziele setzen, um ihre Produktion nachhaltiger zu gestalten. Dazu gehört beispielsweise das beliebte Ziel bis 2030 nur noch recycelte Materialien zu verwenden. Wenn es jedoch keine weiteren Berichte zum aktuellen Stand gibt oder das Unternehmen aktuell noch zum niederschmetternd großen Teil mit nicht-nachhaltigen Materialien weiter arbeitet, dann können wir die Ernsthaftigkeit der Zielerreichungen durchaus in Frage stellen.
3. Preis
Zugegeben ist der Preis eines Kleidungsstückes ein eher schwacher Indikator für eingehaltene Umwelt- und Sozialstandards, denn auch Luxusunternehmen produzieren teilweise unter inakzeptablen und menschenunwürdigen Bedingungen. Auf der anderen Seite des Preisspektrums – in Richtung Fast Fashion – kann es ein hilfreicher Indikator sein.
Denn eine nachhaltig und fair produzierte Jeans für 20 Euro ist wirtschaftlich nicht machbar, wenn dafür Bio-Baumwolle oder recycelte Baumwolle verwendet wird und außerdem allen Arbeiter:innen in der Lieferkette ein existenzsichernder Lohn gezahlt wird. Da geht die Rechnung einfach nicht auf und sollte uns alle sehr skeptisch machen und zu weiteren Recherchen animieren.
Der Preis fairer und möglichst nachhaltig produzierter Jeans liegt nach persönlichen Recherchen eher zwischen 100 und 150 Euro, aber auch hier gibt es ab und an Rabattaktionen und Sales.
Das bekannte Jeans-Label Levi’s fällt zum Beispiel in diese Kategorie und präsentiert sich auch immer öfter nachhaltig. Hier fehlen jedoch nachprüfbare Fakten und Informationen zu den Arbeitsbedingungen für die Arbeiter:innen in den Produktionsstätten. Damit ist Levi’s weiterhin keine Alternative zu den wahren Vorreitern der Branche.
4. Verwendete Materialien
Die Marke wirkt nachhaltig, aber sie verwendet Baumwolle, statt Bio-Baumwolle, und Polyester, anstelle von recyceltem Polyester? Dann ist sie höchstwahrscheinlich nicht wirklich nachhaltig. Im Gegensatz zu Bio-Baumwolle, verbraucht konventionell produzierte Baumwolle signifikant mehr Ressourcen, wie beispielsweise Wasser und Pestizide.
Daher sollte biologisch angebaute Baumwolle nach Möglichkeit immer bevorzugt werden. Biologisch produzierte Baumwolle erkennst du zum Beispiel am GOTS-Siegel. Konventionelle Polyesterfasern werden aus Erdöl hergestellt und sind daher alles andere als nachhaltig. Daher ist recyceltes Polyester neu produziertem vorzuziehen.
Ich bin aktuell in den USA und vor allem hier ist mir aufgefallen, dass einige Unternehmen nur einen Teil ihrer Produkte aus nachhaltigen Rohstoffen fertigen. Jedoch bekommst du schnell den Eindruck vermittelt, dass die gesamte Marke nachhaltig ist.
Hier ist also Vorsicht geboten. Am besten immer die Materialzusammensetzung des gewünschten Kleidungsstückes prüfen.
Doch wie kann ich diese Entscheidungshilfen praktisch anwenden?
Da ich gerade im Auslandssemester bin, möchte ich mir gerne ein paar schöne Kleidungsstücke mit nach Hause nehmen. Es gibt hier ein tolles Activewear-Label, mit dem ich schon in Deutschland geliebäugelt habe. Activewear wird meist aus synthetischen Fasern hergestellt und da ich bei meinen Workouts synthetische Fasern persönlich bevorzuge, ist das von der Marke verwendete recycelte Polyester als Material eine für mich akzeptable Wahl.
Der Preis ist mit knapp 70 US-Dollar für eine Leggings nicht günstig. Er ist jedoch vergleichbar zu den traditionellen und uns allen bekannten Sportartikelherstellern, sowie auch anderen mir bekannten Fair-Fashion-Produzenten von Activewear. Klingt für mich also auch vernünftig und nachvollziehbar.
Nun der wichtigste Punkt: die Transparenz. Auf der Website des Unternehmens finde ich eine ziemlich genaue Aufschlüsselung des Produktionsprozesses für das recycelte Polyester, den Ablauf der Färbeprozesse und die Zertifizierung nach Oeko-Tex Standard. Das ist nicht der Oeko-Tex Made in Green Standard, aber immerhin. Es werden jedoch keine konkreten Bilder aus der Fabrik oder der Produktion gezeigt, was schade ist und mich skeptisch werden lässt.
Die Produktion der Kleidung findet nach Unternehmensangaben zufolge komplett in Taiwan statt. Die Fabrik, in der die Stoffe zugeschnitten, vernäht, inspiziert und verpackt werden, ist nach dem SA 8000:214 Standard zertifiziert. Dies ist ein international anerkannter Standard, mit dem Ziel, die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer:innen zu verbessern.
Das Zertifikat kann ich auf der Website einsehen und finde so den Namen des Produzenten in Taiwan heraus. Eine Eingabe in die Suchmaschine meiner Wahl später finde ich die Marke auch auf der Website des Produzenten – dort wird sie ebenfalls genannt. Da ich mit den Standards und Informationen zur Nachhaltigkeit und Sozialverträglichkeit des Labels übereinstimme, macht das Marketing nach dem Motto „Tue Gutes und sprich darüber“ für mich Sinn. Ich bin überzeugt.
Es fühlt sich jedes Mal wie Detektivarbeit an, aber nach ein paar Hintergrundchecks zu den Marken, findest du schnell alle benötigten Infos, um dir eine Meinung zu bilden. Die oben beschriebene Überprüfung hat mich fünf Minuten gekostet und mich in meiner Kaufentscheidung viel weitergebracht.
Das ist natürlich keine Garantie dafür, dass die gewählte Marke am Ende des Tages auch diesen Standards entspricht, aber so kann offensichtliches Greenwashing oftmals schon sehr gut herausgefiltert werden. Die Liste mit den Tipps zur Entscheidungsfindung bei Marken ohne Siegel ist natürlich erweiterbar.
Wenn du also noch weitere Tipps hast, teile sie gerne mit anderen Fashion Changers in den Kommentaren!
Titelbild Collage: Vreni Jäckle für Fashion Changers
Eine Antwort auf „Fair-Fashion-Brands ohne Siegel – eine Kaufberatung“
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