Prada und Co.: Wie definieren wir Luxus?

Was macht eine Marke zu einer Luxusmarke? Ist es die Qualität der Materialien? Das Design? Das Preisschild? Ja, ja und ja! Aber warum? Unsere Redakteurin Medina erklärt, warum sie das Konzept „Luxus“ so schwierig findet.

Als ich meiner Kollegin und Fashion Changers Co-Founderin Nina das Thema Luxusmarken pitchte, mussten wir erst einmal beide lachen. Damals dachte ich, wenn ich mir eine Chaneltasche kaufen kann, habe ich es geschafft”, erklärte ich. Luxus war gleich Erfolg – eh klar, oder?

Damals träumte ich, süße 20, Jurastudentin von einem großen, begehbaren Kleiderschrank, in dem sich Louis Vuitton und Hermès-Klassiker aneinander reihten. So wie bei Carrie Bradshaw, die ihr gesamtes Vermögen in zig Paar Designerschuhe steckte, anstatt auf eine Wohnung zu sparen (ihr erinnert euch?!).

In der Regel kann ich mit Namen nur wenig anfangen (ich habe zum Beispiel keine Ahnung, was ein Audi Q5 ist oder ein sogenanntes BMW-M-Paket, über das Männer in meinem Umfeld dauernd reden), aber wehe, du flüsterst mir Begriffe wie Jackie 1961 (ja, die von Gucci) oder Fendi Baguette ins Ohr, oder – ich wage es ja kaum zu schreiben – Dior Saddle Bag – dann kann ich plötzlich mitreden wie ein Wasserfall. All diese namhaften Schmuckstücke machten mich zeitweise ganz heiß. Und ja, vielleicht ist das auch heute noch ein wenig so, auch wenn ich es mir nicht gerne eingestehe. Denn mittlerweile habe ich ein Problem mit diesem Thema, diesem Wort, dem Konzept: Luxus.

Was bedeutet Luxus eigentlich? 

Ich scrolle mich durch unzählige Seiten und finde überall die gleichen Komponenten: Preis (je höher, desto luxuriöser), Qualität, Design oder Ästhetik, Seltenheit (die sogenannte Exklusivität, die sich nur wenige Auserwählte leisten können), Handwerkskunst und Tradition sowie Überflüssigkeit und Nutzlosigkeit. All diese Elemente machen einen Luxusartikel aus. Manchmal wird auch guter Service genannt – dazu gehören laut Connaisseurs unter anderem ein Reparaturservice sowie das Gläschen Prosecco beim Shoppen. Die Verkäufer*innen nehmen sich Zeit und beraten nach bestem Wissen und Gewissen. 

Bei vielen der aufgelisteten Komponenten bin ich mir unsicher, wie ich sie deuten soll. Luxus bedeutet schließlich nicht für jede*n das Gleiche. Für manche ist es die Chloé Ledertasche für knapp 2.000 Euro, für andere ist es das T-Shirt von C&A für fünf Euro. Und überhaupt: Was unterscheidet ein T-Shirt von Cos (um die 50 Euro) von einem Dior-Shirt (um die 500 Euro)? Wenn die Baumwolle auf dieselbe Art und Weise angepflanzt, gepflückt und verarbeitet wurde. Immerhin sprechen wir hier von keiner außerweltlichen Qualität.

Ich denke an die abgeranzten Schuhe, die Balenciaga kürzlich rausbrachte, auf die die Social-Media-Öffentlichkeit mit Verwirrung und Empörung reagierte. Offensichtlich ging die zerstörte Sneaker-Ästhetik ausnahmsweise einen Schritt zu weit. Kritiker*innen beschuldigten Balenciaga sogar, Armut zu fetischisieren.

Erst später wurde klar, dass es sich bei diesem Turnschuh-Dilemma um einen PR-Stunt gehandelt hatte. Während die Marke 100 Paar der extra zerstörten Sneaker in limitierter Auflage für jeweils 1.850 US-Dollar anbietet, beginnen die eigentlichen Paris-Sneaker (so heißt das Modell) – leicht abgenutzt, aber immer noch intakt – bei 495 US-Dollar. Interessant, aber was mich noch mehr interessiert: Wer kauft sich denn nicht tragbare Schuhe für fast 2.000 US-Dollar? Dafür gehen viele Menschen ein bis zwei Monate arbeiten, Textilbeschäftigte in Bangladesch sogar zehn Monate oder länger. 

Ich besitze selbst ein paar Designertaschen. Eine davon habe ich von meinen Eltern zu meinem 18. Geburtstag bekommen, andere habe ich mir Secondhand selbst gekauft, indem ich Monate lang gearbeitet, gespart und sorgfältig Preise verglichen habe. Ich verurteile bestimmt niemanden, der*die einen Designer-Fetisch hat. Im Gegenteil. Seit fast schon acht Jahren scrolle ich durch die begehrte Resale-Plattform Vestiaire Collective und verliere mich in allerlei Vintage-Goodies, immer und immer wieder. 

Ich habe ein Problem mit der Abgrenzung oder dem vermeintlichen Erfolgserlebnis, das Luxusgüter schaffen. Mit dem sogenannten Elitismus. Manche Leute stürzen sich in Schulden, nur um dazuzugehören”. Aber wozu geigentlich? Ist dieses System nicht irgendwie pervers, auf eine üble, kapitalistische Art? Du arbeitest (viel), verdienst (viel) Geld und steckst es in materialistische Dinge, die dir Freude bereiten. Oder sollen sie etwa dein Glück erzwingen

In einer Welt, die immer größere Ungleichheit schürt, gedeiht scheinbar der Luxuskapitalismus – die Vorstellung von Exklusivität, persönlicher Erfüllung und Selbstverwirklichung. Die Preise werden immer höher (was nicht allein an der Inflation oder den höheren Materialkosten liegt), aber die brave Clientèle akzeptiert es. Marken schaffen nicht nur Träume, Sehnsucht und Leidenschaft, sondern erfüllen und stillen diese zugleich. Sie schaffen Begierde und Nachfrage und kommen dieser zugleich nach. Irgendwie clever. Denn wir begehren selten das, was wir sofort haben können. Wir sehnen uns nicht nach einer gewöhnlichen Welt. 

Die sogenannte Demokratisierung von Luxus

Weil mich Konsumpsychologie schon immer interessiert hat, habe ich recherchiert, was Luxus mit unserer Psyche macht. Das Ergebnis: Luxus bereitet Freude. Luxus ist es ein Werkzeug, um soziale Anerkennung, einen höheren sozialen Status oder Akzeptanz zu erreichen. 

Luxuskonsument*innen sind gut betuchte Leute. Es ist jedoch schwierig, die Höhe des Betrags zu bestimmen, der einen Menschen reich macht. Märkte und Einnahmen, die von Menschen generiert werden, variieren manchmal erheblich, wodurch es sehr schwierig ist, eine einzige Kategorie für alle zu identifizieren. Wenn ich mich aber so durch die Artikel auf Vogue oder anderen Magazinen lese, dann scheint es im Grunde jedoch nur zwei Kategorien von Luxusmenschen zu geben: die wohlhabenden Verbraucher*innen und jene Verbraucher*innen, die diese Gruppe anstreben, sprich: die, die sich in einen gewissen Lifestyle einkaufen wollen. 

Vor ein paar Monaten stolperte ich über das Konzept der Demokratisierung von Luxus. Also die Verringerung der Unverwechselbarkeit und Exklusivität von Luxusmarken aufgrund ihrer breiteren Verfügbarkeit und ihres Zugangs. Konsumpsycholog*innen sprechen in diesem Zusammenhang auch von neuem Luxus“. Das Konzept basiert auf der Tatsache, dass Luxusgüter, die bis vor Kurzem nur einer kleinen, elitären Gruppe der reichsten Menschen zugänglich waren, für ein breiteres Massenpublikum erschwinglich werden. Das passiert zum Beispiel durch die zahlreichen Resale-Plattformen, auf denen mensch mittlerweile Vintage-Designertaschen und -schuhe zu Schnäppchenpreisen ergattern kann. Eine Gucci-Tasche für knapp 90 Euro? Ab in den Warenkorb! 

Zudem sind auch sogenannte High-Low-Collabs für das Phänomen der Demokratisierung verantwortlich. Bevor Fast-Fashion-Marken wie H&M und Uniqlo begannen, Kapselkollektionen mit Luxushäusern wie Erdem und Jil Sander zu designen, gab es für die meisten Menschen kaum eine Gelegenheit, auf solche Markennamen zuzugreifen. Auf der anderen Seite sind die neuen High-Low-Collabs alles andere als preisgünstig. Ein Kleid von Adidas x Balenciaga kostet beispielsweise 1.550 US-Dollar.

Die neuen” Luxusverbraucher*innen seien laut Forbes beispielsweise jünger, weniger wohlhabend und weniger loyal als die klassischen” Luxusverbraucher*innen, aber trotzdem attraktiv für Luxusunternehmen, denn eine wachsende zahlende Kund*innenschaft ist schließlich immer gut fürs Geschäft. Manche Wissenschaftler*innen meinen zudem, dass es bei dieser Form des Konsums weniger um das Produkt geht als vielmehr um das Image der Marke. 

Journalist*innen und Marketingexpert*innen fragen in Magazinen wie Glossy und Business of Fashion, was passiert, wenn Luxusartikel zu zugänglich werden und was das für Marken bedeuten würde? Sprich: plötzlich zugänglich für die Bürgerlichen, beziehungsweise diejenigen, die nicht (hart) genug arbeiten, oder diejenigen, die schlichtweg keinen Luxus verdienen. Oder habe ich da etwas missverstanden? ​​Denn schließlich werden hier grundlegende Eigenschaften von Luxusgütern untergraben. Luxus wird plötzlich zum Massenprodukt und das gefällt vielen nicht. 

Luxus und Nachhaltigkeit – passt das zusammen?

Wenn ich mich durch diverse Nachhaltigkeits- und Transparenzberichte lese, wird schnell klar, wo die Mehrheit der sogenannten Luxusmarken steht – nämlich noch ganz am Anfang. Es werden kaum umweltfreundliche Materialien verwendet, Textilabfälle werden in den wenigsten Fällen minimiert und es werden nur wenige Initiativen zur Wasserreduzierung umgesetzt. Dazu kommt, dass auch Luxusbrands in Ländern produzieren, wo Arbeitsrecht nicht immer beachtet wird. Und das bedeutet wiederum, dass auch Prada, Chanel und Hermès nicht versichern können, dass ihre Mitarbeitenden einen existenzsichernden Lohn bekommen. Das, was der Umwelt und Gesellschaft schadet, kann doch kein Luxus sein, oder?

Wie würdet ihr Luxus definieren? Was lösen Designertaschen bei euch aus? Und habt ihr schon mal bei einer High-Low-Collab zugeschlagen? 

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