Plastik ist der Rohstoff des 20. & 21. Jahrhunderts. Schauen wir uns in unserem Alltag genauer um, erscheint ein Leben ohne Plastik als Herausforderung – der sich manche bewusst stellen. Kleidung wird in Plastik verpackt und besteht auch oft aus Plastik, Gemüse ist häufig in Plastik eingeschweißt, wir zahlen mit Kredit- oder EC-Karten aus Plastik, Kosmetik beinhaltet teilweise Mikroplastik, und, und, und. Gleichzeitig gewinnt die Debatte um die schädlichen Auswirkungen von Plastik an Bedeutung: Es schwimmt im Meer, ist im Trinkwasser, auf unserer Haut und in unserem Körper. Da Plastik mittlerweile wortwörtlich überall zu finden ist, wird die Auseinandersetzung damit umso wichtiger.
Um für Plastik als Material ein umfassendes Verständnis zu bekommen, starten wir mit einem Einblick in den molekularen Aufbau des Materials, schauen uns die Geschichte von Plastik genauer an und erklären, wie wir der Plastikkrise entgegenwirken können.
Hier haben wir einige Fakten für euch zusammengestellt:
- 99 Prozent der weltweiten Plastikproduktion besteht aus fossilen Rohstoffen
- 11 Millionen Tonnen Plastik landete 2016 im Meer
- 40 Prozent des hergestellten Plastiks landet am Lebensende in der Umwelt
- gesetzliche Regulierung von Einwegplastik zum Beispiel in der EU und Kenia
- unter 10 Prozent des hergestellten Kunststoffs werden insgesamt recycelt
- die CO2-Emissionen eines Polyester-Shirts liegen zwischen 3,8 Kilogramm und 7,1 Kilogramm
- 16.000.000.000 Liter Öl wurden 2020 PRO TAG für die Herstellung von Plastikartikeln benötigt
Was ist Plastik?
Plastik ist der umgangssprachliche Überbegriff für Kunststoffe. Dieses Material wird chemisch hergestellt. Den molekularen Aufbau von Plastik könnt ihr euch bildlich vorstellen wie eine Perlenkette. Plastik besteht aus ganz vielen einzelnen Elementen, sogenannte Monomere (einzelne Perlen), welche aneinander gehängt ein Polymer – eine aufgefädelte Perlenkette – ergeben. Um das Material in seinen Charaktereigenschaften zu verändern, werden weitere chemische, additive Substanzen hinzugefügt. Anhand dieses Prozesses wird es beispielsweise geschmeidig, biegsam oder leuchtend gemacht, oder bekommt eine andere Farbe. Die Substanzen, die hinzugefügt werden, sind jedoch meistens aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften für Menschen toxisch und können im schlimmsten Fall zu Krebs führen.
Polymere kommen aber auch natürlich vor: Käse oder Gummi bestehen beispielsweise aus einem natürlichen (Kasein-basiertem) Polymer; Haar und Wolle bestehen aus Keratinpolymeren. Aus diesem Grund gibt es den Begriff biobasierte Kunststoffe.
Die Geschichte des Plastiks: Wie entstanden die ersten Kunststoffe?
1840 erfand die Firma Goodwill den ersten Reifen aus natürlichem Plastik: Hauptbestandteil war natürliches Gummi. 1860 folgte Acetat und 1890 Gabith – letzteres ein Plastik auf Basis von Milchproteinen. 1907 wurde Bakelite erfunden, das erste synthetische Plastik. Zum ersten Mal basierte das hergestellte Plastik nicht auf natürlichen, sondern auf fossilen Rohstoffen wie Erdöl, Kohle und Gas.
Diese Erfindung stellte sich im Nachhinein als ein Durchbruch heraus: Es folgte das heutige Plastikzeitalter mit weiteren Materialien wie PLA, Polyester, PE, Nylon und, zur Krönung, PVC (Polyvinylchlorid). PVC war und ist so erfolgreich, weil es ein Abfallprodukt der Chemieindustrie aufgreift: Chlor. Dieses wird als Basis für PVC verwendet und so in ein profitables und günstiges Material umgewandelt.
Die Variationen der fossil-basierten Kunststoffe wurden fast ausschließlich vor und während des Zweiten Weltkrieges erfunden. So diente Nylon dem Militär beispielsweise für die Herstellung von Fallschirmen, oder PVC zur Ummantelung von Kabeln.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Produktion von Plastik sehr gewinnbringend, da der geringe Ölpreis günstige Massenproduktion erlaubte. Gleichzeitig galt Plastik innerhalb der Gesellschaft als ein neues wertvolles Material: clean, chic und modern – trotz der bereits bekannten Gefahr für Mensch und Umwelt. Tupperware wurde 1948 gegründet und ist an dieser Stelle ein perfektes Beispiel für die Erfolgsgeschichte des Plastiks: Es gibt eine Vielzahl an Formen, Farben und Verwendungszwecken – gleichzeitig sind die Produkte langlebig.
Plastik und die Klimakrise
Auch die Umweltbelastung durch Plastik ist groß: 40 Prozent des hergestellten Plastiks landet am Lebensende in der Umwelt und führt nicht nur zu einer enormen Verschmutzung von Meeren und Binnengewässern, sondern gefährdet auch die Tierwelt. Bereits in den 80er Jahren wurde das weltweite Plastikproblem deutlich (Plastik Atlas). Trotzdem steigt die Plastikproduktion seit 2000 stetig und ist momentan so hoch wie nie zuvor.
Wie also umgehen mit dieser Krise?
Zu viel Plastik landet in der Umwelt oder wird verbrannt, gleichzeitig werden nur etwa 14 Prozent global recycelt. Deutschland ist drittgrößter Exporteur von Plastikmüll – vorwiegend nach Asien. Dort landet dann vor allem der Teil unseres Mülls, der nicht gut zu recyceln ist. Unser Problem wird also nur an andere verkauft.
Dieses Verhalten unterstreicht, dass es für das globale Plastikproblem bisher keine durchdachte Lösung gibt. Gleichzeitig wird die Last von den eigentlichen Entscheidungsträger:innen auf Verbraucher:innen übertragen – in Form von richtiger Müllentsorgung und Verbannung von Einmalprodukten. Dies ist per se gut, führt aber gleichzeitig zu der Frage, wieso Industrieunternehmen nicht verpflichtet werden, ihre Produktion umzustellen oder nach Alternativen zu forschen?
Was hat die Plastikkrise mit der Textilindustrie zu tun?
Die Plastikkrise ist auch in der Textilindustrie und auf unserer Haut spürbar: Rund 65 Prozent der heutzutage hergestellten Kleidung besteht aus synthetischen Stoffen, also beispielsweise aus Polyester, Acryl, Polyamid. Viele große Konzerne greifen auf synthetische Stoffe zurück, weil sie viel günstiger sind, als beispielsweise Naturfasern.
Im Preis dieser Produkte ist jedoch nie der gesamte Lebenszyklus enthalten. So können wir zwar ein T-Shirt aus Polyester für zehn Euro kaufen, aber dieser Preis ignoriert versteckte Kosten, die sich über den gesamten Lebenszyklus des T-Shirts erstrecken: den CO2-Ausstoß, die Umwelteinwirkungen in der Produktion und Lieferung, die Entsorgung, das Recycling oder gar die Verbrennung nach der Entsorgung.
Gleichzeitig überschneiden sich auch beim Thema der Plastikkrise verschiedene gesellschaftliche Dimensionen: In der Textilindustrie arbeiten vorwiegend Frauen. Durch die Verschiebung der Produktionsstätten in den globalen Süden wurden Frauen in die Industrie integriert, die vorher nicht Teil des Arbeitsmarkts waren. Eine Studie der Heinrich-Böll-Stiftung stellte folgenden Zusammenhang fest: Ein Großteil der Arbeiter:innen, die in Fabriken vorwiegend mit synthetischen Fasern arbeiten, haben mit gesundheitlichen Folgen zu kämpfen: Brustkrebs, erhöhtes Risiko für Fehlgeburten, Leukämie.
Auch aus diesem Grund sollte beim Kleiderkauf berücksichtigt werden, welche Materialien verarbeitet wurden. Gleichzeitig sind Kleidungsstücke aus synthetischen Fasern auch im Gebrauch umwelt- und gesundheitsschädlicher, als vergleichbare Produkte aus Naturfasern: Sie geben Mikropartikel ab, die über die Haut in unseren Organismus und durch Waschprozesse ins Wasser gelangen. Diese Mikroplastikpartikel sind so winzig, dass sie bisher noch nicht von Waschmaschinen oder Kläranlagen gefiltert werden können. Um dieser Verschmutzung entgegenzuwirken, gibt es beispielsweise den Guppyfriend, einen Beutel in dem Kleidung aus synthetischen Fasern gewaschen werden. Dieser fängt Mikropartikel auf und verhindert so, dass sie ins Wasser gelangen.
Wie können wir als Gesellschaft die Plastikflut bewältigen?
Um die Plastikflut einzudämmen, muss ganzheitlich an dieser Thematik gearbeitet werden. Hierzu gehören folgende Punkte:
- Zunächst muss das Plastik, was bereits im Ozean ist, gesammelt werden. Ocean Clean Up, eine Nichtregierungsorganisation aus Rotterdam, fischt beispielsweise mittels neuer Technologie Müll aus den Meeren und Ozeanen.
- Recyceln: Das Unternehmen Wildplastic macht – wie der Name schon sagt – dem Plastik in der Natur eine Kampfansage und stellt aus recyceltem Plastik neue Müllbeutel her, die gleichzeitig über die Plastikkrise informieren.
- Aktivismus: Break free from Plastic ist eine weltweite Organisation, die sich gegen Müll einsetzt.
- Politische Regulierungen: Kenia hat seit 2017 Einwegplastiktüten verboten. In der EU tritt ein Einwegplastikverbot ab Juli 2021 in Kraft.
- Fundierte Materialforschung betreiben und wirklich nachhaltige Alternativen bieten, wie es viele Studierende und Forschungslabs bereits machen.
- Im Einzelhandel – zum Beispiel beim Bäcker – fragen, ob es möglich ist, die Waren in eine mitgebrachte Dose oder ein Lebensmittelnetz zu geben, statt einer neuen Tüte zu verwenden.
- Immer einen Jutebeutel in der Tasche haben, um Plastiktaschen zu vermeiden.
- To-Go-Becher aus Edelstahl, Glas oder Kork. Oft kannst du sogar noch einen Rabatt ergattern, wenn du den eigenen Becher mitbringst.
- Loses Obst und Gemüse kaufen – egal ob im Supermarkt, auf dem Wochenmarkt oder direkt bei Landwirt:innen
- Plastikfreie Kosmetika ausprobieren und feste Seifen.
- Müll richtig sortieren und entsorgen.
- Beim Kauf von Kleidung auf Materialien achten: Naturmaterialien und Monomaterialien bevorzugen, für spätere Recycle-Fähigkeit.
- Plastikflaschen vermeiden und befüllbare Flasche verwenden.
- Müll in der Natur aufsammeln.
- Hinterfragen, was normal scheint oder als Lösung gehypt wird.
Eure Meinung ist wichtig!
Plastik ist ein fester Bestandteil unseres Lebens, der uns noch lange begleiten wird. Wichtig ist, über das Material genau Bescheid zu wissen, um eigene Handlungsstrategien zu entwickeln. Aber Moment, wieso eigentlich immer wir als Einzelpersonen?
Ich bin mir sicher, dass du viele Punkte bereits umgesetzt hast. Es ist toll und vorbildlich, wenn wir als Individuen versuchen, am System etwas zu ändern. Gleichzeitig scheint es utopisch, durch den bewussten Umgang allein im kapitalistischen System etwas grundlegend zu verändern – einfach durch den Fakt, dass politische Instanzen es versäumen, die aktuellen Krisen ernst zu nehmen und entsprechend aktiv einzuschreiten und etwas zu verändern.
Um das Problem an der Wurzel zu packen, ist es nicht genug, wenn wir unser Gemüse lose kaufen und den Müll von anderen Menschen aufsammeln. Vielmehr müssen verpflichtende Regularien entwickelt und umgesetzt werden. Derzeit versäumt es die Politik, für die Industrie Gesetze zu entwerfen, die einen verantwortungsvollen Umgang mit Rohstoffen fordern und fördern. Auf lokaler, nationaler und globaler Ebene müssen Lösungen gefunden: Es muss kooperiert werden, um die Verschmutzung der Meere und der Umwelt, sowie die Gefährdung von Mensch und Tierwelt einzudämmen.
Hierfür sind nicht nur eine Reduzierung des Plastikverbrauchs und Recycling notwendig, sondern auch eine umfassende Bildung, die über die fachgerechte Entsorgung und den Umgang mit Plastik aufklären. Gleichzeitig ist es wichtig, keine Scheinlösungen, wie biobasierte Plastikverpackungen, zu promoten und damit zu suggerieren, eine Lösung für die weltweite Plastikkrise gefunden zu haben.
Was denkt ihr? Wie steht ihr zum Thema Plastik?
Titelbild: Shannon Vandenheuvel via Unsplash
Quellen:
- Geschichte: Wie billiger Kunststoff die Welt eroberte, Heinrich Böll Stiftung, 2019
- New Plastics Economy, Ellen MacArthur Foundation, 2021
- The Solution to plastic pollution, J. Woolven, Ellen MacArthur Foundation, 2020
- Die Plastikwelle stoppen, F. Curtin, 2020
2 Antworten auf „Plastic is fantastic?! Was du über Plastik wissen solltest“
Hi Vreni,
danke für den Artikel. Es ist beeindruckend, wie ihr Aufklärung betreibt, toll!
Mit WeeDo produziere ich selbst aus rPET. Die Lösungen, die uns als Unternehmen zur Verfügung stehen sind moralisch sehr unbefriedigend und gesetzlich viel zu intransparent. Ich finde allerdings nicht, dass die Verantwortung für nachhaltiges Bewusstsein nur auf den Endverbraucher abgeschoben wird. Wir Labels müssen konkurrenzfähig bleiben und trotzdem Pionierarbeit leisten. Solange es keine Gesetze gibt, gibt es zu viel Greenwashing und am Ende entscheidet sich der Kunde für den kleinsten Preis. Das setzt uns als Designer für nachhaltige Produkte und Konzepte enorm unter Druck.
Bewusstsein muss aus allen Bereichen ineinandergreifen: Politik, Verbraucher und Produzenten müssen Kreislaufwirtschaft fördern.
Ich setze mit WeeDo auf Plastik als Rohstoff der Zukunft, denn wir werden Anbauflächen für die Ernährung der Weltbevölkerung brauchen. Es muss ein Kreislauf von Kleidung zu Kleidung geschaffen werden, denn wir haben doch bereits ganze Gebirge von Altkleidern und Plastikmüll.
Rsyntex und Soex haben mithilfe von Förderungen der EU bereits einen Kreislauf konstruiert. Megaspannend, nur viel zu teuer solange nicht die richtigen Gesetze dafür sorgen, dass Fasergewinnung aus Erdöl viel höher besteuert wird.
Am Ende brauchen wir noch einen Mikroplastikfilter, der standardmässig in Abwasserrohren eingebaut wird. So bräuchte man keinen Waschbeutel, der womöglich selbst mal porös wird.
Last but not least: Qualitätskontrolle während der Polymerisation ist Voraussetzung für Bluesign und Oekotex Zertifizierungen. So gehen keine Schadstoffe über die Haut in den Körper.
Fertig ist der Kreislauf!
Was meint ihr? Oder doch lieber Naturfaser?
PS: Könnt ihr mir die Quelle nennen für die erhöhte Krebsrate von Arbeiter:innen, die in Fabriken vorwiegend mit synthetischen Fasern arbeiten?
Danke nochmal für Eure Arbeit. Gemeinsam fühlt man sich viel stärker;)
Liebe Antje,
vielen Dank für deinen Beitrag und sehr spannend, welche Werte und Konzepte du in deinem Unternehmen verfolgst.
Ich stehe hinter deiner Aussage, dass die Verantwortung nicht alleine bei den Endverbraucher:innen liegen darf, sondern auch bei Politik und Wirtschaft. Ein entscheidender Faktor neben der Kreislaufwirtschaft ist zudem auch Transparenz, die den Konsumierenden Wissen, Konzept, Lieferwege und Handwerk sichtbar und verständlich macht. Hier kannst du auch gerne die aktuellen Entwicklungen zum Lieferkettengesetz verfolgen, die meine Kolleginnen wirklich toll (zum Beispiel tagesaktuell bei Instagram) aufarbeiten!
Zum Thema Mikroplastikfilter: natürlich ist eine Maschine mit eingebautem Filter das angestrebte Ideal. Da es bisher noch keine Waschmaschinen mit eingebautem Filter gibt, ist ein Wäschesäckchen zumindest ein guter Anfang, den sich auch breitere Massen leisten können, ohne das sofort ein neues Elektrogerät gekauft werden muss. Sonst sind nachhaltige Lebenskonzepte für viele Menschen aus monetären Gründen nicht zugänglich. Was denkst du dazu?
Die Quelle ist aus dem Plastikatlas der Heinrich-Böll-Stiftung auf Seite 22f zu finden.
Alles Liebe, Frederike