Sustainability sells – das wissen wir mittlerweile. Viele Unternehmen nutzen die Nachhaltigkeitsbewegung, indem sie für ihre Produkte so viele Umweltvorteile wie möglich bewerben, selbst wenn diese Behauptungen über den Punkt der Glaubwürdigkeit hinausgehen. Indem wir Greenwashing verstehen und erkennen, können wir sie zur Rechenschaft ziehen. Mit diesem Guide wirst du garantiert zur*zum Greenwashing-Expert*in!
Was ist Greenwashing?
„Greenwashing“ ist ein gängiger Marketingtrick, der darauf abzielt, Produkte nachhaltiger erscheinen zu lassen, als sie es in Wirklichkeit sind. Der Begriff wurde erstmals in den 1980er-Jahren in einem Aufsatz des US-amerikanischen Umweltschützers Jay Westerveld verwendet. Westerveld kritisierte die „Save your Towel“-Bewegung der Hotellerie dafür, dass sie das Umweltbewusstsein der Gäste ausnutzen würde. Die Aktion wurde den Gästen eine Möglichkeit verkauft, Hotels dabei zu helfen, Wasser zu sparen – und damit den Planeten zu „retten“. Dabei senkte sie in Wahrheit nur die Wäschereikosten des Hotels und bewirkte einen minimalen Unterschied im Wasserverbrauch. Ziel war es also nicht, umweltfreundlicher zu sein, sondern den Gewinn zu steigern.
Auf diese Weise nutzen Unternehmen Nachhaltigkeitsclaims, ohne ihre Geschäftspraktiken sinnvoll ändern zu müssen. Dabei ist es typisch, dass sie weitaus mehr Zeit und Geld für die Vermarktung der „Umweltfreundlichkeit“ ihrer Produkte aufwenden, als sich für deren Nachhaltigkeit konkret und langfristig einzusetzen.
Greenwashing erkennen – so geht’s
Für das ungeschulte Auge ist Greenwashing immer schwieriger zu erkennen. Hier sind einige Aspekte, auf die du achten solltest.
Selektive Offenlegung, vor allem bei Materialien: Brands heben positive Umweltfakten über ihre Produkte hervor, während sie – absichtlich – jede Erwähnung der negativen Fakten vermeiden. Das gilt hauptsächlich für Materialien. Veranschaulichen wir das Ganze mal an konkreten Beispielen:
Viele Unternehmen (darunter H&M, C&A, Asos und Primark) heben hervor, dass manche ihrer Kleidungsstücke oder Kollektionen aus recycelten Materialien bestehen. Was dabei oft fehlt: die genaue Prozentangabe. Es kann also durchaus sein, dass das Endprodukt nur aus zwei bis drei Prozent recycelten Materialien besteht.
Nehmen wir an, das finale Produkt besteht aus 67 Prozent Baumwolle, 14 Prozent Polyester und 19 Prozent recyceltem Polyester. Für viele Kund*innen mag das gar nicht mal so schlecht klingen. Doch was viele nicht wissen: Mischfasern sind aktuell nur schwierig oder gar unmöglich zu recyceln. Das Produkt mag also (zum Teil) aus recycelten Fasern bestehen, doch es ist nicht unbedingt recycelfähig. Auch solltest du nicht vergessen, dass Recycling immer noch sehr viele Ressourcen verbraucht (Arbeitskraft, Zeit, Energie). Es ist also nicht per se die beste Lösung.
Ein anderes Beispiel: Manche Brands werben mit Viskose oder Bambus – schnell nachwachsende Rohstoffe, die (unter Umständen) weniger Wasser verbrauchen als konventionelle Baumwolle. Doch Viskose kann gegebenenfalls für die Rodung von Wäldern verantwortlich sein. Und bei Bambus werden oftmals umwelt- und gesundheitsschädliche Chemikalien verwendet, um zu Stoff verarbeitet zu werden.
Mangel an Beweisen: Das Unternehmen behauptet Dinge, ohne Zertifizierungen oder andere Beweise zu teilen, um die Aussagen zu untermauern. Aldi Süd zum Beispiel bezeichnete sich selbst als „klimaneutralen Einzelhändler“. Für die Wettbewerbszentrale sind solche Behauptungen aber intransparent und irreführend. Nun muss das Unternehmen vor Gericht beweisen, ob die Behauptung stimmen und erklären, wie die Emissionen tatsächlich eingespart werden. Wenn etwas zu schön klingt, um wahr zu sein, ist es das oftmals auch – vor allem bei großen Unternehmen. (Warum wir Klimaneutralität nicht sofort mit Nachhaltigkeit gleichsetzen sollten, erklärt unsere Contributorin Phoebe Nicette in diesem Artikel.)
Unbestimmtheit: Aussagen wie „ohne Chemikalien“ und „aus biologisch abbaubaren Materialien hergestellt“ klingen zunächst vielversprechend. Trotzdem solltest du aufpassen, wenn auf solche Slogans keine weiteren Informationen folgen. Welche Chemikalien wurden weggelassen und warum? Wurden gewisse Chemikalien weggelassen, weil sie ohnehin verboten sind? Ist das Produkt dadurch wirklich weniger umwelt- und gesundheitsschädlich? Wie definiert das Unternehmen „biologisch abbaubar“?
Irrelevanz: Unternehmen beschönigen ihr Geschäftsmodell, indem sie scheinbar umwelt- und tierfreundliche Lösungen implementieren, die im Nachhinein jedoch irrelevant sind. Das ist zum Beispiel der Fall für Hautpflegemarken, die damit werben, dass ihre Produkte „tierversuchsfrei“ sind. Tierversuche sind in Europa nämlich seit 2004 verboten.
Das Gleiche gilt auch für bedeutungslose Kennzeichnungen: Vor einigen Monaten habe ich einen Artikel über Oceans Apart geschrieben und deren Nachhaltigkeitsclaims untersucht. Damals haben sie ihre Kleidung noch als „vegan“ vermarktet. Klingt vielleicht positiv und umweltfreundlich, ist es aber nicht. Denn die Kleidung besteht aus Polyester. Und obwohl Polyester tatsächlich vegan ist (da es aus Erdöl besteht und keinen tierischen Fasern), bedeutet das keineswegs, dass es eine umweltfreundliche Alternative ist.
Symbolische Aktionen: Es ist eine gängige Praxis für Marken, die Aufmerksamkeit auf eine geringfügige positive Aktion zu lenken, die wenig beziehungsweise gar nichts zur Änderung ihres gesamten ökologischen Fußabdrucks beiträgt. So können symbolische Aktionen aussehen: Boohoo und Primark teilen auf ihren Social-Media-Kanälen beispielsweise Tipps, wie Kund*innen ihren CO₂-Fußabdruck im Alltag reduzieren können, ohne etwas am eigenen Geschäftsmodell zu ändern.
Suggestive Bildsprache: Manchmal werden Produkte in optisch ansprechenden Verpackungen vermarktet. Viele Brands nutzen zum Beispiel grüne Etiketten, um ihre vermeintlich nachhaltigen Produkte oder Kollektionen zu kennzeichnen.
Übertriebene Claims: Unternehmen können Phrasen verwenden, die zwar sachlich richtig sind, Verbraucher*innen jedoch eine verzerrte Wahrnehmung vermitteln. So kann eine Marke zum Beispiel angeben, dass die neu produzierte Kollektion „aus 50 Prozent mehr recycelten Fasern hergestellt“ wurde. Am Ende aber (und das wird natürlich nicht erwähnt, beziehungsweise nur im Kleingedruckten) liegt der Anteil an recycelten Fasern pro Kleidungsstück bei etwa zwei bis drei Prozent.
Bye bye Greenwashing
Wissen ist Macht – vor allem in der Modebranche. Aktuell sind es leider immer noch Verbraucher*innen, die dafür verantwortlich sind, Nachhaltigkeitssclaims vor dem Kauf zu überprüfen. Eine Aufgabe, die eigentlich Regierungen und Gesetzgeber*innen übernehmen sollten.
Solange das aber nicht der Fall ist, heißt es, nach Zahlen und Fakten zu suchen. Wenn sich eine Marke wirklich dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben hat, wird sie konkrete und realistische Ziele für die Zukunft vorzuweisen haben. Wenn die Pläne zu vage oder zu weit in der Zukunft liegen, sind die Nachhaltigkeitsbehauptungen oftmals nicht ernst gemeint. Achte dabei auch immer auf das Produktionsvolumen. Shein bringt etwa täglich tausende neue Kleidungsstücke raus. Das kann nicht nachhaltig sein, auch wenn das Unternehmen angibt, dass seine Maschinen so konzipiert sind, dass sie weniger CO₂ verbrauchen.
Unternehmen, die sich wirklich für nachhaltige Mode interessieren, machen es dir sehr einfach, Informationen zu finden. Du solltest nicht mehrere Klicks durchlaufen müssen, um auf Informationen über ihre Stoffe, Lieferanten und Produktionsstätten zuzugreifen. Die Webseite sollte dir einen schnellen Zugriff auf die Nachhaltigkeitsstandards und -strategie ermöglichen.
Wo kannst du dich informieren und Fakten überprüfen?
Wenn du mehr über Greenwashing herausfinden möchtest, kannst du dir die Podcast-Folge „Nachhaltig oder Greenwashing?” anhören, in der unsere Co-Founderin Vreni Jäckle noch mehr konkrete Tipps gibt.
Hier sind zudem einige Tools, die sich als nützlich erweisen können, wenn du mehr über die ethischen Praktiken einer Marke und ihre sozialen und ökologischen Auswirkungen erfahren möchtest:
- Verein für Konsumenteninformation
- Transparenzindex von Fashion Revolution
- Fair Wear Foundation
- Worker Right Consortium
- Fashion Checker
- Clean Clothes Campaign / Kampagne für Saubere Kleidung
- Greenwash.com
Titelbild: Huseyin Kili via Unsplash