Alles, was du zu den neuesten Entwicklungen der EU-Gesetzgebungen in der Modebranche wissen musst

Die Europäische Kommission möchte, dass alle geplanten Vorschriften, die Modeunternehmen verpflichten, Kleidung auf nachhaltigere Weise zu produzieren, bis 2028 in Kraft treten. Ein Update, wie die rechtliche Lage aktuell aussieht und welche Richtlinien auch für die Modebranche wichtig sein werden.

Die Europäische Kommission möchte, dass alle geplanten Vorschriften, die Modeunternehmen verpflichten, Kleidung auf nachhaltigere Weise zu produzieren, bis 2028 in Kraft treten. Ein Update, wie die rechtliche Lage aktuell aussieht und welche Richtlinien auch für die Modebranche wichtig sein werden.

EU-Gesetzgebung: Alle Updates im Überblick
  • Corporate Sustainability Reporting Directive/ Nachhaltigkeitsberichterstattung: Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) aktualisiert die Regeln zur nicht-finanziellen Berichterstattung und führt europäische Standards für Nachhaltigkeitsberichte ein. Sie zielt darauf ab, die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen ab Januar 2024 auf das Niveau der Finanzberichterstattung zu heben und betrifft rund 50.000 Unternehmen in der EU, darunter viele aus der Textil- und Bekleidungsindustrie. 
  • Corporate Sustainability Due Diligence Directive/ EU-Lieferkettengesetz: Das EU-Lieferkettengesetz, offiziell als Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) bekannt, strebt an, verantwortungsvolles Unternehmensverhalten zu fördern, indem es die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in der Geschäftstätigkeit verlangt. Große Unternehmen müssen Pläne zur Milderung des Klimawandels entwickeln, und alle betroffenen Unternehmen sind verpflichtet, negative Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt zu vermeiden oder zu beheben. Die Richtlinie, die ab 2026 für große EU-Unternehmen und ab 2028 für Unternehmen in Hochrisikosektoren wie der Textilindustrie gilt, verbessert auch den Zugang zur Justiz für Betroffene und sieht bei Nichteinhaltung Strafen vor, die bis zu fünf Prozent des Jahresumsatzes betragen können.
  • EU-Ökodesign-Richtlinie: Die neuesten Änderungen an der EU-Ökodesign-Richtlinie umfassen ein Verbot der Vernichtung unverkaufter Waren und die Einführung digitaler Produktpässe. Doch auch Herausforderungen und Kritikpunkte dieser Änderungen werden beleuchtet, ebenso wie ihre globale Relevanz und potenzielle Auswirkungen auf Produktions- und Vertriebsketten.
  • Waste Framework Directive/ Abfallrahmenrichtlinie: Die EU-Abfallrahmenrichtlinie zielt auf eine verbesserte Abfallbewirtschaftung ab und verlangt von EU-Mitgliedstaaten, separate Sammelsysteme für Textilabfälle bis 2025 einzuführen. Dies betrifft Unternehmen der Textilbranche, die künftig im Rahmen des erweiterten Herstellerverantwortungs-Systems für den gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte verantwortlich sind, einschließlich Entsorgung und Recycling.
  • Green-Claims-Richtlinie: Die Green-Claims-Richtlinie der EU zielt darauf ab, Greenwashing einzudämmen, indem sie unter anderem verlangt, dass Unternehmen ihre Umweltaussagen durch wissenschaftlich fundierte Methoden wie Lebenszyklusanalysen (LCA) belegen, wobei der „Product Environmental Footprint“ (PEF) als ein zentrales Bewertungsinstrument diskutiert wird.

Corporate Sustainability Reporting Directive/ Nachhaltigkeitsberichterstattung

Worum geht es? Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ist eine Initiative, die darauf abzielt, die bisherigen Regeln der Richtlinie zur nicht-finanziellen Berichterstattung (NFRD) zu erweitern und zu verbessern. Sie führt europäische Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung ein und hat das Ziel, die Nachhaltigkeitsberichterstattung auf dasselbe Niveau wie die Finanzberichterstattung zu heben.

Die CSRD vereinfacht auch den Berichtsprozess für Unternehmen. Bisher mussten Unternehmen oft unterschiedliche Standards und Rahmenwerke für ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung nutzen. Die CSRD etabliert einheitliche Berichtskriterien, die die Plausibilität und Vergleichbarkeit von Daten sicherstellen und den Informationsanforderungen von Investor*innen und anderen Stakeholdern entsprechen.

Unternehmen sind zudem verpflichtet, darüber zu berichten, wie Nachhaltigkeitsthemen ihr Geschäft beeinflussen und welche Auswirkungen ihre Aktivitäten auf Menschen und Umwelt haben.

Was ist der aktuelle Status? Die CSRD trat am 5. Januar 2023 in Kraft; die EU-Mitgliedsstaaten haben bis Juli 2024 Zeit, sie in nationales Recht umzusetzen. Ab dem 1. Januar 2024 werden die ersten Berichtsanforderungen der CSRD wirksam. Daher ist es für Unternehmen jetzt entscheidend, sich auf die neuen umfassenden Anforderungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung vorzubereiten.

Welche Unternehmen sind betroffen? Es wird erwartet, dass sich die CSRD auf rund 50.000 Unternehmen in der EU auswirken wird, auch wenn die Muttergesellschaft nicht in der EU ansässig ist.

Die Regeln gelten ab 2024 wie folgt:

  • ab dem 1. Januar 2024 für große Unternehmen von öffentlichem Interesse (mit mehr als 500 Mitarbeitenden), die bereits der Richtlinie zur nicht-finanziellen Berichterstattung unterliegen, mit fälligen Berichten im Jahr 2025;
  • ab 1. Januar 2025 für große Unternehmen (mit mehr als 250 Mitarbeitenden und/oder 40 Millionen Euro Umsatz und/oder 20 Millionen Euro Bilanzsumme), die derzeit nicht der Richtlinie zur nicht-finanziellen Berichterstattung unterliegen, mit fälligen Berichten im Jahr 2026;
  • ab 1. Januar 2026 für börsennotierte KMUs und andere Unternehmen, mit fälligen Berichten im Jahr 2027. KMUs können bis die Berichterstattung auch bis 2028 aufschieben.

Welche Produkte und/oder Dienstleistungen sind betroffen? Die Berichtspflicht erstreckt sich über verschiedene Branchen und Sektoren hinweg und umfasst somit eine Vielzahl von Produkten – von Konsumgütern über Industrieprodukten bis hin zu Dienstleistungen. Grundsätzlich sind alle Unternehmen, die unter die CSRD fallen, verpflichtet, über die Nachhaltigkeitsaspekte all ihrer Produkte und Dienstleistungen zu berichten. 

Die Unternehmen müssen dabei offenlegen, wie ihre Geschäftstätigkeit, einschließlich der von ihnen angebotenen Produkte und Dienstleistungen, Nachhaltigkeitsaspekte wie Umweltschutz, soziale Verantwortung und Unternehmensführung beeinflusst und welche Maßnahmen sie ergreifen, um negative Auswirkungen zu minimieren.

Warum ist diese Richtlinie besonders wichtig für die Textil- und Bekleidungsindustrie? Die CSRD ist eine entscheidende Initiative für die Textil- und Bekleidungsindustrie, da sie eine transparente Berichterstattung über Umwelt- und Sozialaspekte in einer Branche erfordert. Durch die CSRD werden größere Unternehmen wie Modehäuser, Textilproduzenten, Einzelhandelsketten und Online-Modehändler, die in der EU tätig sind, dazu verpflichtet, detailliert über ihre Nachhaltigkeitspraktiken zu berichten. Zu diesen Unternehmen zählen beispielsweise H&M, Zara (Inditex), Adidas, Nike, ASOS und Zalando

Corporate Sustainability Due Diligence Directive/ EU-Lieferkettengesetz

Worum geht es? Der Vorschlag der EU für die Corporate Sustainability Due Diligence (CSDDD, auch EU-Lieferkettengesetz genannt), der im Februar 2022 veröffentlicht wurde, hat das Ziel, nachhaltiges und verantwortungsbewusstes Verhalten von Unternehmen zu fördern. Die Richtlinie konzentriert sich darauf, die Beachtung von Menschenrechten und Umweltaspekten in der Geschäftstätigkeit und Unternehmensführung sicherzustellen. Unternehmen sollen demnach negative Auswirkungen ihrer Aktivitäten, auch in ihren Wertschöpfungsketten innerhalb und außerhalb Europas, adressieren.

Die Vorteile dieser Gesetzgebung umfassen den Schutz der Menschenrechte, Verbesserungen im Umweltbereich, mehr Vertrauen in die Wirtschaft, gesteigerte Transparenz und besseren Zugang zur Justiz für Bürger*innen und Mitarbeitende. Für Unternehmen bringt sie eine stärkere Harmonisierung der Rechtsvorschriften, was zu faireren Wettbewerbsbedingungen führt, sowie mehr Transparenz über ökologische und soziale Auswirkungen und ein besseres Risikomanagement. Für Länder im Globalen Süden bedeutet die Richtlinie eine Erhöhung des Umwelt- und Sozialschutzes in Regionen, in denen EU-Unternehmen tätig sind.

Die kürzlich zwischen den Gesetzgebern erreichte vorläufige Vereinbarung definiert den Anwendungsbereich der Richtlinie, konkretisiert die Haftung von Unternehmen bei Nichteinhaltung der Vorschriften, präzisiert die verschiedenen Strafmaßnahmen und ergänzt die Auflistung der Rechte und Pflichten, die Unternehmen einhalten müssen:

    • Klimawandel mildern: Große Unternehmen sind außerdem verpflichtet, Pläne zu entwickeln, die sicherstellen, dass ihre Geschäftsstrategien darauf ausgerichtet sind, die globale Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen, wie es das Pariser Abkommen vorsieht.
    • Geschäftsbeziehungen: Die Geschäftsführer*innen dieser Unternehmen müssen sich aktiv um die Einhaltung dieser Vorgaben kümmern. Sie sollen sicherstellen, dass ihre Unternehmen die Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf Menschenrechte und Umwelt in all ihren Entscheidungen berücksichtigen und entsprechende Prozesse in der Unternehmensstrategie verankern. Sollten Unternehmen negative Auswirkungen auf Umwelt oder Menschenrechte durch ihre Geschäftspartner feststellen und diese nicht verhindern oder beheben können, sind sie verpflichtet, diese Geschäftsbeziehungen zu beenden.
    • Beschwerdemechanismus: In Bezug auf die zivilrechtliche Haftung verbessert das Abkommen die Möglichkeiten für Betroffene, ihre Rechte gerichtlich durchzusetzen. Betroffene, darunter Gewerkschaften und NGOs, haben nun eine Frist von fünf Jahren, um Ansprüche geltend zu machen. Zudem werden die Hürden für Kläger*innen gesenkt, indem die Anforderungen an die Beweisvorlage, vorläufige gerichtliche Anordnungen und die Verfahrenskosten reduziert werden.
    • Strafen: In der neuen Vereinbarung geht es darum, dass Unternehmen, die sich nicht an die Regeln halten und ihre Geldstrafen nicht bezahlen, mit weiteren rechtlichen Schritten rechnen müssen. Die Höhe der Geldstrafen richtet sich nach dem Umsatz des Unternehmens und kann bis zu fünf Prozent des Jahresumsatzes ausmachen. Außerdem müssen die Unternehmen mit betroffenen Gruppen wie Anwohner*innen oder Umweltorganisationen Gespräche führen und sie um Rat fragen, um sicherzustellen, dass sie ihre Aufgaben verantwortungsvoll erfüllen.

Was ist der aktuelle Status? Am 23. Februar 2022 hat die EU-Kommission den Gesetzentwurf veröffentlicht. Am 1. Dezember 2022 hatte sich der EU-Rat dazu geäußert und am 1. Juni 2023 hat sich das Europäische Parlament auf seine Position geeinigt. Der Rat und das Europäische Parlament haben Mitte Dezember 2023 eine vorläufige Einigung erzielt – nun  muss der Text noch im Trilog bestätigt werden (was eher einer Formsache gleicht).

Welche Unternehmen sind betroffen? Die Regelungen des EU-Lieferkettengesetzes beziehen sich auf unterschiedliche Unternehmenskategorien, die zu verschiedenen Zeitpunkten in Kraft treten:

  • Ab dem Jahr 2026 sind in Gruppe 1 EU-Unternehmen mit über 500 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von mehr als 150 Millionen Euro erfasst.
  • Für das Jahr 2028 werden in Gruppe 2 EU-Unternehmen aus Hochrisikosektoren wie der Textilbranche, Landwirtschaft und Rohstoffgewinnung berücksichtigt, die mehr als 250 Mitarbeitende beschäftigen und einen Umsatz von 40 Millionen Euro überschreiten.
  • Ab 2029 betrifft die Regelung in Gruppe 3 nicht in der EU ansässige Unternehmen, die in der EU agieren und hier einen Umsatz von mehr als 150 Millionen Euro generieren.
  • Ab 2030 umfasst Gruppe 4 nicht in der EU ansässige Unternehmen, die in der EU tätig sind und hier einen Umsatz von 40 Millionen Euro erreichen.

Die Kommission muss eine Liste der Nicht-EU-Unternehmen veröffentlichen, die in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen.

Welche Kritikpunkte gibt es? 

  • Keine Überprüfung der Klimapläne: Das Gesetz sieht keine Kontrolle der Klimapläne von Unternehmen vor, wodurch Greenwashing begünstigt werden könnte. Unternehmen könnten so Nachhaltigkeitsziele behaupten, ohne dass diese effektiv überwacht werden.
  • Finanzsektor weitgehend ausgenommen: Trotz des nachweislichen Beitrags zu Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden durch Investitionen und Kredite ist der Finanzsektor von den Regelungen des Gesetzes nahezu unberührt. Dies lässt eine wichtige Einflussgruppe in der Lieferkette weitgehend unreguliert.

Ökodesign-Richtlinie

Worum geht es? Anfang Dezember 2023 erzielten das EU-Parlament und der EU-Rat eine vorläufige Einigung über die Überarbeitung der EU-Ökodesign-Richtlinie für nachhaltige Produkte. 

Einer der Hauptaspekte: das Verbot der Vernichtung nicht verkaufter Waren. Wirtschaftsteilnehmer, die nicht verkaufte Waren zerstören, müssen jährlich die Mengen der von ihnen entsorgten Produkte sowie die Gründe dafür melden. Die Verhandlungsführer einigten sich darauf, die Vernichtung nicht verkaufter Bekleidung, Accessoires und Schuhe zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes (sechs Jahre für mittelständische Unternehmen) ausdrücklich zu verbieten. 

Gut zu wissen: Auch die Einführung digitaler Produktpässe ist ein zentraler Bestandteil der überarbeiteten Richtlinie. Diese Pässe sollen genaue und aktuelle Informationen über Produkte enthalten, um Konsumierenden fundierte Kaufentscheidungen zu ermöglichen. Die EU-Kommission wird ein öffentliches Webportal verwalten, über das Verbraucher*innen die Informationen in den Produktpässen suchen und vergleichen können. Das Ziel ist es, die Transparenz über die Nachhaltigkeit und den Lebenszyklus von Produkten zu erhöhen.

Was ist der aktuelle Status? Der EU-Rat verabschiedete seinen allgemeinen Standpunkt im Mai 2023, während das EU-Parlament die Änderungsvorschläge im Juli 2023 verabschiedete. Am 5. Dezember 2023 erzielten die beiden Institutionen eine vorläufige Einigung über die vorgeschlagene Verordnung. 

Welche Unternehmen sind betroffen? Betroffen sind alle Unternehmen in der Textil- und Bekleidungsbranche, die in der Europäischen Union tätig sind. Große Unternehmen haben zwei Jahre Zeit, die Vorgaben zu erfüllen, während mittelständische Unternehmen bis zu sechs Jahre Zeit haben. Klein-/Kleinstunternehmen sind von der Richtlinie ausgenommen.

Welche Produkte und/oder Dienstleistungen sind betroffen? Betroffen sind Textilien und Schuhe, die als unverkaufte Lagerbestände gelten. Dies schließt Kleidung, Accessoires und Schuhwerk ein, die am Ende der Saison oder aus anderen Gründen nicht verkauft wurden.

Warum ist diese Richtlinie besonders wichtig für die Textil- und Bekleidungsindustrie? Die Richtlinie adressiert ein tief verwurzeltes und schwerwiegendes Problem: die massenhafte Vernichtung von Kleidung. Jedes Jahr werden enorme Mengen an unverkauften Textilien, oft aus Gründen wie Überproduktion, saisonalen Trends und dem Schutz des Markenwerts (wie etwa bei Luxusmarken), vernichtet. Für viele Unternehmen ist es günstiger, unverkaufte Ware zu entsorgen, als sich um deren Verkauf zu kümmern. Der Verkauf, insbesondere von Retouren oder Artikeln aus dem Schlussverkauf, kann mit erheblichen Kosten verbunden sein. Dazu gehören die Kosten für Lagerung, Logistik, Handling und die Wiederaufbereitung von Retouren. Oft übersteigen diese Kosten den potenziellen Erlös aus dem Verkauf der Ware, was zur Entscheidung führt, unverkaufte Kleidung und Textilien zu vernichten, anstatt sie zu reduzierten Preisen oder über alternative Vertriebskanäle zu verkaufen. Diese Praxis unterstreicht die Notwendigkeit von Richtlinien, die das Wegwerfen von Modeartikeln eindämmen und nachhaltigere Alternativen fördern.

Welche Kritikpunkte gibt es? Die Kritik an der neuen EU-Richtlinie zur Vermeidung der Vernichtung unverkaufter Textilien und Schuhe konzentriert sich auf mehrere Aspekte:

  • Unklare Definitionen: Es gibt Bedenken hinsichtlich der genauen Definitionen von Begriffen wie „unverkaufte Ware“ und „Zerstörung“. Ohne klare Richtlinien haben Unternehmen unter Umständen Schwierigkeiten, die Anforderungen zu erfüllen oder könnten gar Schlupflöcher finden und ausnutzen.
  • Durchsetzungsprobleme: Wie wird überprüft, ob Unternehmen die Regelung einhalten? Bei mangelnder Transparenz in der Lieferkette könnte es schwierig sein, zu überwachen und zu beweisen, dass Marken unverkaufte Waren tatsächlich (nicht) vernichten. Es obliegt zudem den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zu bestimmen, welche Strafen bei einem Verstoß verhängt werden sollen – ein weiterer Punkt, der noch nicht ganz klar ist. Ob die Meldepflicht womöglich abschreckend genug ist, wird sich zeigen.
  • Fehlende Anreize für die Reduktion von Überproduktion: Die Richtlinie konzentriert sich auf das Ende des Produktlebenszyklus, ohne direkt die Überproduktion anzusprechen – ein Problem, das in dieser Hinsicht weiterhin ungelöst bleibt. Es besteht zwar die Annahme, dass das Verbot der Vernichtung zu höheren Kosten führen könnte und Unternehmen dadurch gezwungen werden, ihre Produktion besser zu kalkulieren. Allerdings ist es nicht zwangsläufig so, dass diese erhöhten Kosten automatisch zu einer Reduktion der Überproduktion führen. Unternehmen könnten nach anderen Wegen suchen, um ihre überschüssigen Produkte zu managen, ohne notwendigerweise ihre Produktionsmengen anzupassen. Das wäre beispielsweise der Fall bei Sales-Aktionen (wie es vor allem Ultra-Fast-Fashion-Unternehmen aktuell machen). Somit bleibt die Frage offen, ob das Verbot der Warenvernichtung allein ausreichend ist, um das Problem der Überproduktion effektiv zu adressieren.
  • Globale Auswirkungen und Koordination: Es ist unklar, wie sich die EU-Richtlinie auf Märkte und Unternehmen außerhalb Europas auswirken wird. Wird die unverkaufte Ware womöglich doch auf den afrikanischen, asiatischen oder südamerikanischen Kontinent exportiert?

Waste Framework Directive/ Abfallrahmenrichtlinie

Worum geht es? Die Abfallrahmenrichtlinie (Waste Framework Directive, WFD) ist ein zentrales europäisches Gesetz, das darauf abzielt, die Abfallbewirtschaftung zu verbessern. Eingeführt im Jahr 2008, basiert sie auf dem Prinzip der „Abfallhierarchie“, welches folgende Reihenfolge für den Umgang mit Abfällen vorsieht:

  • Prävention: Abfallerzeugung von Anfang an reduzieren.
  • Vorbereitung auf die Wiederverwendung: Es sollen Prozesse etabliert werden, um die Qualität von Abfallmaterialien, die wiederverwendet werden können, zu maximieren, wie etwa die Identifizierung von Kleidung für den Weiterverkauf.
  • Recycling: Materialien, die nicht wiederverwendbar sind, sollen recycelt werden, wie beispielsweise das Faserrecycling für neue Textilprodukte.
  • Rückgewinnung: die Nutzung von Materialien, die nicht recycelbar sind, um den Verbrauch neuer Ressourcen zu vermeiden, wie etwa die Energieerzeugung durch Verbrennung.
  • Entsorgung: die endgültige Entsorgung, zum Beispiel auf Deponien.

Die Abfallbewirtschaftung soll dabei ohne Gefährdung der menschlichen Gesundheit und Umwelt durchgeführt werden, um Wasser, Luft, Boden, Flora und Fauna zu schützen und Lärm- oder Geruchsbelästigungen sowie Beeinträchtigungen der Landschaft zu vermeiden.

Im Jahr 2018 wurde die Richtlinie bereits überarbeitet, um bis 2025 getrennte Sammelsysteme für Textilien in den Mitgliedstaaten einzuführen. Im Juli 2023 schlug die Kommission eine neue, gezielte Überarbeitung vor, um die Umwelt- und Klimaauswirkungen zu verringern, die Umweltqualität zu verbessern und die öffentliche Gesundheit im Zusammenhang mit der Textilabfallbewirtschaftung zu verbessern. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Überarbeitung ist die Einführung einer verbindlichen erweiterten Herstellerverantwortung in allen Mitgliedstaaten. Sie verlangt von den Herstellern von Produkten, insbesondere von Textilien, die Verantwortung für den gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte zu übernehmen. Dies bedeutet, dass die Hersteller nicht nur für die Produktion, sondern auch für die spätere Sammlung, den Transport und die Behandlung ihrer Produkte verantwortlich sind, einschließlich der Vorbereitung zur Wiederverwendung, des Recyclings und der Entsorgung.

Das Ziel dieser Maßnahme ist es, die Hersteller stärker in die Verantwortung zu nehmen, um den Kreislauf ihrer Produkte von der sogenannten Wiege bis zur Bahre zu schließen, also Cradle-to-Gate. Dadurch soll die Menge an Abfall reduziert, die Wiederverwendung und das Recycling von Produkten gefördert und letztlich die Umweltauswirkungen der Produkte verringert werden. Dies fördert einen Übergang zu nachhaltigeren Produktions- und Konsummustern und trägt zu einer Kreislaufwirtschaft bei, in der Ressourcen effizienter genutzt und Umweltauswirkungen minimiert werden.

Was ist der aktuelle Status? Der aktuelle Status der Abfallrahmenrichtlinie der EU sieht wie folgt aus: Im Juli 2023 wurde der Vorschlag der EU-Kommission bekannt gegeben. Die Abstimmung im Ausschuss ist vorläufig für Februar 2024 angesetzt, während die Abstimmung im Plenum für März 2024 geplant ist.

Im Oktober 2023 präsentierte der ENVI-Ausschuss (Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit) des EU-Parlaments seine vorgeschlagenen Überarbeitungen. Zu den Änderungen gehören die Verbesserung kommunaler Sammelsysteme, eine Regelung, die die Herstellung von Kraftstoffen als Recyclingaktivität anerkennt, und die Forderung nach getrennten Sammelstellen für gebrauchte und verbrauchte Kraftstoffe. Weiterhin wurde ein Ziel zur Reduzierung von Textilabfällen bis zum Jahr 2040 vorgeschlagen.

Welche Unternehmen sind betroffen? Die überarbeitete Abfallrahmenrichtlinie der EU betrifft viele Unternehmen und Organisationen, die mit Abfall zu tun haben – sei es, dass sie Abfall produzieren, entsorgen oder Produkte herstellen, die später zu Abfall werden. Dazu zählen nicht nur Entsorgungsbetriebe, sondern auch Unternehmen, die in das Sammeln und Verwalten von Abfällen einbezogen sind. Besonders für die Textilbranche ist diese Richtlinie wichtig, da die Regierungen nun verpflichtet sind, spezielle Sammelsysteme für Textilabfälle einzurichten. Davon betroffen sind Textilhersteller, Modemarken und Secondhandläden.

Ein wichtiger Teil der Überarbeitung 2023 ist das erweiterte Herstellerverantwortungs-System (Extended Producer Responsibility, kurz: EPR-System). Dies bedeutet, dass Hersteller von Textilien für die Entsorgung und das Recycling ihrer Produkte verantwortlich sind und die Kosten dafür tragen müssen. Wenn ein Unternehmen sich nicht an das EPR-System in einem EU-Land hält, darf es ihre Produkte dort möglicherweise nicht mehr verkaufen. Das EPR-System soll sicherstellen, dass Unternehmen ihre Umweltauswirkungen ernst nehmen und sich um eine verantwortungsvolle Entsorgung ihrer Produkte kümmern.

Welche Produkte und/oder Dienstleistungen sind betroffen? Die Abfallrahmenrichtlinie der EU betrifft eine Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen, insbesondere im Hinblick auf ihre Abfallerzeugung und -bewirtschaftung. 

Die Richtlinie erfordert, dass für diese Textilprodukte getrennte Sammelsysteme eingeführt werden müssen. Dies bedeutet, dass alle Unternehmen, die textilbezogene Produkte herstellen, verkaufen oder entsorgen, von der Richtlinie betroffen sind. Darüber hinaus sind Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit der Sammlung, Sortierung, Wiederverwendung, dem Recycling und der Entsorgung von Textilien stehen, ebenfalls relevant.

Zusätzlich zu Textilien können auch andere Produktarten betroffen sein, insbesondere wenn sie im Rahmen der Abfallhierarchie eine Rolle spielen. Dies schließt Produkte ein, die für die Wiederverwendung, das Recycling oder die Energiegewinnung geeignet sind, sowie solche, die am Ende ihres Lebenszyklus entsorgt werden müssen.

Green-Claims-Richtlinie

Worum geht es? Die Green-Claims-Richtlinie der EU zielt darauf ab, die Echtheit der Umweltaussagen von Unternehmen sicherzustellen. Diese Initiative verlangt von Unternehmen, dass sie ihre Behauptungen über den ökologischen Fußabdruck ihrer Produkte oder Dienstleistungen durch standardisierte Methoden quantifizieren. Das Hauptziel ist es, europaweit für zuverlässige, vergleichbare und überprüfbare Angaben zu sorgen und so irreführende Umweltbehauptungen, also Greenwashing, zu reduzieren. Dies soll sowohl Geschäftskund*innen und Investor*innen als auch Konsumierenden helfen, informierte Entscheidungen zu treffen und das Vertrauen in grüne Labels und Informationen zu stärken.

Nach dem aktuellen Entwurf dürfen umweltbezogene Aussagen nur gemacht werden, wenn sie auf wissenschaftlichen Standards beruhen. Unternehmen müssen zunächst nachweisen, dass ihre Aussagen wissenschaftlich fundiert sind, wobei Lebenszyklusanalysen (LCA) eine zentrale Rolle spielen. Der von der EU entwickelte „Product Environmental Footprint“ (PEF) wird als primäres Bewertungsinstrument diskutiert, aber es soll nicht das einzige bleiben. Weitere mögliche Standards sind noch zu bestimmen. Im zweiten Schritt müssen Unternehmen ein Überprüfungsverfahren durchlaufen. Hierfür werden externe Stellen eingerichtet, die die Angaben der Unternehmen prüfen und nach erfolgreicher Überprüfung sogenannte Konformitätsbescheinigungen ausstellen. Erst nach Abschluss dieses Prozesses dürfen Unternehmen umweltbezogene Aussagen für ihre Produkte oder Dienstleistungen machen.

Das beinhaltet die Richtlinie unter anderem:

  • Verbot von nicht gerechtfertigten allgemeinen Umweltaussagen wie „umweltfreundlich“, „natürlich“, „biologisch abbaubar“ und „öko“. Hierbei handelt es sich nicht nur um Slogans oder Wortaussagen, sondern auch um Bilder, Symbole oder ähnliche Elemente, die die vermeintlich „umweltfreundliche“ Botschaft nahelegen möchten.
  • Verbot von Angaben wie „klimaneutral“, die darauf hinweisen, dass ein Produkt aufgrund von Emissionsausgleichssystemen neutrale, reduzierte oder positive Auswirkungen auf die Umwelt hat.
  • Regulierung der Verwendung von Nachhaltigkeitssiegeln, um Verwirrung zu vermeiden. In der EU werden nur Nachhaltigkeitssiegel erlaubt sein, die auf offiziellen Zertifizierungssystemen basieren oder von Behörden erstellt wurden.
  • Einführung eines harmonisierten Labels für Hersteller, die eine erweiterte Garantie über das EU-Minimum von zwei Jahren hinaus anbieten möchten.
  • Verbot von Praktiken, die zum vorzeitigen Austausch von Produkten führen, wie etwa das Aufstellen unbegründeter Haltbarkeitsbehauptungen; Software-Updates, die lediglich die Funktionalität verbessern; oder falsche Darstellungen von Reparierbarkeit.

Was ist der aktuelle Status? Am 17. Januar 2024 genehmigte das Europäische Parlament den Text für die neue Richtlinie. Die neue Richtlinie muss nun noch vom EU-Rat endgültig genehmigt werden, danach wird sie im Amtsblatt der EU veröffentlicht. 

Nach der endgültigen Verabschiedung auf EU-Ebene müssen die Mitgliedstaaten die Richtlinie in nationales Recht umsetzen, wofür ihnen eine Frist von 24 Monaten eingeräumt wird. Für deutsche Unternehmen wird die Richtlinie erst wirksam, nachdem sie in deutsches Recht überführt und dort verabschiedet wurde.

Nach Ablauf dieser Umsetzungsfrist haben Unternehmen noch weitere sechs Monate Zeit, sich an die neuen Regelungen anzupassen. Die neuen Anforderungen sollen daher voraussichtlich ab dem dritten Quartal 2026 gelten.

Welche Unternehmen sind betroffen? Im aktuellen Dokument der Green-Claims-Richtlinie der EU sind kleine und Kleinstunternehmen, die weniger als zehn Mitarbeitende beschäftigen und einen Umsatz von unter zwei Millionen Euro haben, ausgenommen. Für alle anderen Unternehmen, die umweltbezogene Aussagen über ihre Produkte oder Dienstleistungen machen, soll die Richtlinie Anwendung finden. Zusätzlich sieht der Entwurf vor, dass kleine und mittlere Unternehmen Unterstützung erhalten, um die Anforderungen der Richtlinie zu erfüllen. Diese Unterstützung umfasst beispielsweise finanzielle Hilfen, Zugang zu Finanzmitteln, spezialisierte Schulungen für Management und Personal sowie organisatorische und technische Unterstützung.

Die Richtlinie soll auch nicht für nicht-ökologische Nachhaltigkeitsaussagen gelten. Zudem ist die Green-Claims-Richtlinie nicht auf Umweltaussagen anwendbar, die spezifischen EU-Regelungen unterliegen, wie beispielsweise Vorschriften für Bio-Aussagen oder die Energiekennzeichnung. Auch Berichte, die im Rahmen der CSRD von Unternehmen eingereicht werden, fallen nicht unter diese Richtlinie.

Welche Produkte und/oder Dienstleistungen sind betroffen? Die Green-Claims-Richtlinie der EU betrifft grundsätzlich alle Produkte und Dienstleistungen, für die umweltbezogene Aussagen gemacht werden. Dies bedeutet, dass jede Art von Produkt oder Dienstleistung, von Konsumgütern über Industrieprodukten bis hin zu Dienstleistungen, die mit Umweltvorteilen oder -auswirkungen beworben werden, unter diese Regelung fallen kann.

Welche Kritikpunkte gibt es? 

  • Schwache Durchsetzung: Kritiker*innen befürchten, dass die Richtlinie ohne eine robuste Durchsetzung durch nationale Behörden nicht effektiv irreführende grüne Behauptungen eindämmen wird.
  • Fokus: Kritik gibt es auch daran, dass sich die Richtlinie hauptsächlich auf Kohlenstoffemissionen konzentriert und andere Umweltaspekte wie Chemikalien und Recyclingfähigkeit nicht ausreichend berücksichtigt.
  • Methodische Lücken: Eine einheitliche EU-Methodik zur Bewertung von Umweltauswirkungen, wie etwa standardisierte Lebenszyklusanalysen, fehlt weiterhin, was Unternehmen Spielraum lässt, Methoden zu wählen, die sie in einem besseren Licht erscheinen lassen. 

Gut zu wissen: Zu der kommenden Green-Claims-Richtlinie haben wir bereits einen ausführlichen Deep Dive, einen Podcast mit der Journalistin Carmen Maiwald und eine Checkliste zum Thema Umweltclaims.  In Deutschland gibt es zudem bereits eine umfangreiche Rechtsprechung zum Thema irreführender Umweltwerbung. Mehr dazu hier.

Perspektivwechsel: vom individuellem Konsum zur Unternehmensverantwortung

Die vorgestellten EU-Richtlinien markieren einen signifikanten Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit und Transparenz in der Modeindustrie – weg von der Betonung des individuellen Konsums, hin zu einem verantwortungsvolleren und nachhaltigeren Wirtschaften. Sie stellen nicht nur höhere Anforderungen an die Berichterstattung und die Einhaltung von Umwelt- und Menschenrechtsstandards, sondern fördern auch die Verantwortlichkeit der Unternehmen über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg. Vor allem auch das EU-Lieferkettengesetz, das über das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz hinausgeht, ist ein bedeutungsvoller Schritt in die richtige Richtung. Wir sind gespannt, wie es die kommenden Monate weitergeht und halten euch auf dem Laufenden!

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