Seit Inkrafttreten des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) in Deutschland im Januar 2023 und mit der fortlaufenden Entwicklung der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) in der EU sind Lieferketten verstärkt in den Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Sie sind nicht nur für ein reibungsloses Funktionieren der globalen Wirtschaft von zentraler Bedeutung, sondern tragen auch eine immense soziale und ökologische Verantwortung. Ein besonders komplexes und zugleich anschauliches Beispiel bietet die Textilbranche – ein Hochrisikosektor laut Lieferkettengesetz. Aber wie sieht eine Lieferkette in der Textilindustrie überhaupt aus? Welche Schritte sind nötig, um aus einem Rohmaterial ein fertiges Textilprodukt zu machen, und wer ist an diesen Schritten beteiligt?
Die Lieferkette und ihre Akteur*innen
Eine Lieferkette, oder Wertschöpfungskette, beschreibt den gesamten Prozess von der Rohstoffgewinnung über die Herstellung bis hin zum Verkauf des Endprodukts. Die textile Lieferkette ist geprägt von einer tief verwurzelten Globalisierung und umfasst mehrere entscheidende Phasen, in denen unterschiedliche Akteur*innen mit spezifischen Rollen beteiligt sind. Mit dem Aufkommen von Fast Fashion in den späten 1990er und frühen 2000er Jahren hat sich die Dynamik der Lieferkette dramatisch verändert und sich der Druck auf alle beteiligten Akteur*innen erhöht. Baumwolle, die in Indien oder den USA geerntet wird, kann in China zu Garn verarbeitet, in Bangladesch zu Stoff gewebt und in Polen zu einem Endprodukt zusammengenäht werden. Das alles in kurzer Zeit und für sehr wenig Geld.
Dies hat zu mehreren schwerwiegenden Problemen geführt, darunter Umweltverschmutzung, übermäßige Ausbeutung natürlicher Ressourcen und Menschenrechtsverletzungen. Die Modeindustrie zeigt bereits seit Jahrzehnten ein strukturelles Ungleichgewicht auf: Während sich Unternehmen im Globalen Norden primär für Design und Vertrieb verantwortlich zeigen, wird die tatsächliche Herstellung häufig in den Globalen Süden – in Ländern mit niedrigen Lohnkosten wie China, Bangladesch, Vietnam, Indien, Kambodscha und Myanmar – ausgelagert. Diese Praxis der Auslagerung kann kritisch betrachtet werden, da sie oft mit problematischen Arbeitsbedingungen und geringen Löhnen in den Produktionsländern verbunden ist. In starkem Gegensatz dazu profitieren hauptsächlich westeuropäische und nordamerikanische Märkte von dem Verkauf dieser Kleidungsstücke. Diese ungleiche Aufteilung von Gewinn und Last wirft ernsthafte Fragen hinsichtlich Fairness und ganzheitlicher Nachhaltigkeit auf.
Die mittlerweile gängige Praxis, die Produktion auszulagern, nahm in Europa in den 1960er Jahren ihren Anfang und erreichte in den 1990er Jahren ihren Höhepunkt. Ein breites Spektrum an Modeunternehmen – von Einzelhandelsriesen wie H&M und Primark bis hin zu bekannten Modemarken wie Adidas, und sogar Luxusmarken – nutzen diese Strategie der Produktion im großen Stil. Da diese Methode weitgehend in der gesamten Branche adaptiert wurde, ist sie allgemein als die traditionelle oder klassische Lieferkettenstrategie bekannt.
- Rohstoffgewinnung: Dies ist die erste Station der Lieferkette, bei der natürliche oder synthetische Fasern gewonnen werden.
- Vorbereitung und Verarbeitung: In dieser Phase werden die Rohstoffe gereinigt, kardiert (bei natürlichen Fasern) und zu Garn oder Faden gesponnen. Diese Prozesse werden oft in spezialisierten Spinnereien durchgeführt.
- Textilherstellung: Das Garn oder der Faden wird nun in Fabriken zu Stoff gewebt oder gestrickt. Diese Textilien können auch gefärbt, bedruckt oder auf andere Weise veredelt werden, um bestimmte Eigenschaften oder Designs zu erzielen.
- Bekleidungsherstellung: Hier wird der Stoff zu Kleidungsstücken und anderen textilen Produkten verarbeitet. Dies geschieht in Bekleidungsfabriken, oft in Ländern mit niedrigen Löhnen und weniger strengen Arbeits- und Umweltgesetzen.
- Vertrieb und Einzelhandel: Die fertigen Produkte werden dann an Großhändler und Einzelhändler weitergegeben, die sie an Endkund*innen verkaufen.
- Verbrauch und Entsorgung: Die Produkte werden von Endkund*innen verwendet und anschließend teilweise entsorgt oder recycelt.
1. Rohstoffgewinnung
Bei natürlichen Fasern wie Baumwolle, Flachs (= Leinen) oder Wolle sind Landwirt*innen und Arbeiter*innen in der landwirtschaftlichen Produktion zentral. Sie pflanzen, pflegen und ernten die Pflanzen oder scheren die Schafe. Bei synthetischen Fasern, die hauptsächlich aus Erdöl gewonnen werden, sind es petrochemische Unternehmen, die den Rohstoff während eines chemischen Prozesses in Fasern umwandeln. Bei der Gewinnung von Rohstoffen können Umweltprobleme wie der Einsatz von Pestiziden oder hoher Wasserverbrauch auftreten.
Risiken: Die Rohstoffgewinnung ist oft mit erheblichen sozialen und ökologischen Herausforderungen verbunden. Bei natürlichen Fasern kann der Einsatz von Pestiziden und Herbiziden ernsthafte Umweltauswirkungen haben und die Gesundheit der Landarbeiter*innen gefährden. Mit dem Einsatz chemischer Pestizide im Baumwollanbau sind gefährliche Gesundheitsprobleme verbunden. Landwirt*innen, die bei der Arbeit Pestiziden ausgesetzt sind, können einer akuten Vergiftung ausgesetzt sein, die zu Atemproblemen, Haut- und Augenreizungen, Krampfanfällen und sogar zum Tod führt. Langfristig wird die Exposition gegenüber niedrig dosierten Pestiziden mit der Parkinson-Krankheit, Asthma, psychischen Erkrankungen und bestimmten Krebsarten in Verbindung gebracht. Bei synthetischen Fasern hingegen ist die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und der daraus resultierende Kohlenstoffausstoß problematisch.
Bei all diesen Prozessen sind die Arbeitsbedingungen mit niedrigen Löhnen, langen Arbeitszeiten und in einigen Fällen sogar Kinderarbeit verbunden. Außerdem besteht das Problem der Zwangsarbeit – beispielsweise in China, wo Hunderttausende uigurische Muslim*innen und andere ethnische Minderheiten zu unbezahlter Handarbeit im Baumwollsektor in Xinjiang gezwungen werden.
2. Vorbereitung und Verarbeitung
Die Verarbeitung von natürlichen Fasern beginnt unmittelbar nach der Ernte. Bei Baumwollfasern beispielsweise wird das Baumwollfeld maschinell oder von Hand geerntet. Die Rohbaumwolle wird dabei von den Samen getrennt – ein Prozess, der als Entkörnung bekannt ist. Danach wird die Baumwolle einem Reinigungsprozess unterzogen, um Staub, Schmutz und andere Unreinheiten zu entfernen. Der nächste Schritt ist das Kämmen: Hier werden die Fasern weiter gereinigt und gleichzeitig ausgerichtet. Dieser Prozess hilft dabei, die Fasern zu glätten und vorzubereiten, damit sie leichter zu Garn gesponnen werden können. Die gekämmten und gereinigten Fasern werden dann zu einem dickeren Faserstrang, auch als Vorgarn bekannt, verdreht. Jetzt beginnt der Spinnprozess, bei dem das Vorgarn weiter verdreht wird, um ein stärkeres und feineres Garn zu erzeugen. Es gibt verschiedene Spinnverfahren, darunter das Ringspinnen, das Rotor- oder Open-End-Spinnen und das Luftspinnen. Jedes Verfahren hat seine eigenen Vor- und Nachteile in Bezug auf Geschwindigkeit, Qualität und Kosten.
Bei synthetischen Fasern ist der Prozess etwas anders. Synthetische Fasern wie Polyester oder Nylon werden aus Erdöl hergestellt. Im ersten Schritt werden chemische Substanzen erhitzt und zu einer schmelzflüssigen Lösung vermischt. Diese Lösung wird dann durch feine Düsen gepresst, um lange, dünne Fäden zu bilden, die aushärten, sobald sie abkühlen. Diese Fäden werden dann zu Garn versponnen.
Sowohl der Prozess der Verarbeitung von natürlichen Fasern als auch der von synthetischen Fasern findet in spezialisierten Spinnereien statt. Diese Fabriken sind mit spezifischen Maschinen und Ausrüstungen ausgestattet, die für diese komplexen Prozesse benötigt werden.
Risiken: Die Vorbereitung und Verarbeitung der Fasern erfolgt wie die Rohstoffgewinnung ebenfalls meist in Ländern mit niedrigen Arbeitskosten. Der Energieverbrauch ist in dieser Phase oft hoch, was zu erheblichen CO2-Emissionen führt. In vielen Fällen werden diese Prozesse in Ländern mit geringen Umweltauflagen durchgeführt, was die Umweltauswirkungen noch verschärfen kann. Wie viel CO2 während der Verarbeitung der Fasern wirklich verbraucht wird, lässt sich nur schwer sagen, weil sich die Resultate einzelner Studien oftmals stark voneinander unterscheiden. Die European Environment Agency geht davon aus, dass die Produktion einer Tonne Textilien, je nach Stoffart, zwischen 15 und 35 Tonnen CO2 benötigt. Im Gegensatz dazu wird für die Herstellung einer Tonne Papier lediglich eine Tonne CO2 verbraucht.
Darüber hinaus sind auch hier die Arbeitsbedingungen in den Fabriken oft problematisch, mit niedrigen Löhnen, unsicheren Arbeitsbedingungen und langen Arbeitszeiten verbunden. In einigen Fällen werden gesundheitsgefährdende Chemikalien eingesetzt, was das Risiko für die Arbeiter*innen erhöht.
3. Textilherstellung
Wenn das Garn erstellt ist, wird es entweder gewebt oder gestrickt, um Stoff zu bilden. Das Weben und Stricken sind zwei verschiedene Methoden, um das Garn in Stoff umzuwandeln. Beim Weben wird das Garn auf einen Webstuhl gelegt und mithilfe von horizontalen und vertikalen Garnfäden, den sogenannten Kette- und Schussfäden, miteinander verflochten. Es gibt viele verschiedene Webtechniken, die unterschiedliche Muster, Texturen und Dicken erzeugen können. Manche erzeugen straffere, glattere Stoffe, andere lockere, texturierte Stoffe. Der Webprozess wird hauptsächlich in Webereien durchgeführt. Das Stricken hingegen erfolgt durch das Ineinandergreifen von Garnschlingen, um ein elastisches Gewebe zu bilden. Gestrickte Stoffe sind oft dehnbarer und weicher als gewebte Stoffe. Strickereien nutzen spezielle Strickmaschinen, um dieses Verfahren durchzuführen.
Nachdem der Stoff hergestellt ist, kann er weiterverarbeitet werden, um ihm spezifische Eigenschaften oder Designs zu verleihen. Dieser Prozess kann das Färben, Bedrucken oder Veredeln des Stoffes beinhalten. Das Färben kann durch verschiedene Methoden wie die Tauchfärbung erfolgen, bei der der Stoff in ein Farbbad getaucht wird. Ein anderes Verfahren ist die Druckfärbung, bei der Farbe auf den Stoff aufgetragen wird. Bedruckte Stoffe können durch Siebdruck, Digitaldruck oder andere Drucktechniken hergestellt werden, um Muster oder Bilder auf den Stoff zu bringen.
Die Veredelung ist ein weiterer wichtiger Schritt in der Stoffherstellung. Hier können diverse Prozesse durchgeführt werden, um dem Stoff spezielle Eigenschaften zu verleihen, wie zum Beispiel Wasser- oder Schmutzabweisung, Knitterresistenz oder um die Haptik zu verbessern. Bei vielen dieser Prozesse werden Chemikalien eingesetzt, um die gewünschten Eigenschaften zu erreichen.
Risiken: Die Textilherstellung kann erhebliche ökologische Auswirkungen haben, die sowohl für die Mitarbeiter*innen als auch für die Umwelt schädlich sein können. Insbesondere der Färbeprozess verbraucht große Mengen an Wasser: Schätzungen der Ellen MacArthur Foundation zufolge verbraucht die Textil- und Bekleidungsindustrie derzeit rund 93 Milliarden Kubikmeter Wasser pro Jahr – das entspricht etwa vier Prozent der gesamten Süßwasserentnahme weltweit. Der Färbeprozess erzeugt zudem oft Abwasser, das Schwermetalle und andere giftige Chemikalien enthalten kann. Diese Chemikalien können in die Umwelt gelangen, wenn das Abwasser unsachgemäß entsorgt wird, was sowohl die lokale Tier- und Pflanzenwelt als auch die menschliche Gesundheit schädigen kann.
Außerdem sind die Arbeitsbedingungen in vielen Textilfabriken oft prekär. Niedrige Löhne, lange Arbeitszeiten, unsichere Arbeitsbedingungen, sexuelle Gewalt und mangelnde Arbeitsrechte sind in der Branche weit verbreitet. Sexuelle Gewalt in Textilfabriken ist oft mit prekären Arbeitsbedingungen und Machtmissbrauch verbunden. Vorgesetzte können ihre Position ausnutzen, um Arbeiter*innen zu belästigen oder auszubeuten. (Anm. d. Red.: Mehr Informationen zum Thema sexuelle Gewalt in Indien könnt ihr hier lesen.)
4. Bekleidungsherstellung
Die Produktion von Kleidungsstücken in einer Bekleidungsfabrik ist ein umfangreicher Prozess, der viele Einzelschritte umfasst. Einer dieser Schritte ist der Zuschneideprozess, bei dem der Stoff in spezielle Formen geschnitten wird, die für die Herstellung der Kleidungsstücke erforderlich sind. Dieser Prozess bestimmt weitgehend die Größe des Endprodukts und wird mithilfe von Schnittmustern in verschiedenen Größen durchgeführt. Durch den Einsatz von standardisierten Größen wird der Prozess der Massenproduktion erheblich vereinfacht und kosteneffektiv gestaltet.
Nach dem Zuschneiden wird der Stoff zur weiteren Verarbeitung an spezialisierte Textilarbeiter*innen weitergegeben. Sie sind jeweils für einen kleinen Teil des Kleidungsstücks zuständig. Einige setzen den ganzen Tag Reißverschlüsse ein, andere sind mit dem Nähen von Knopflöchern betraut oder dem Anbringen von Rückenteilen. Sobald der Stoff in die erforderlichen Formen geschnitten und anschließend zusammengenäht wurde, folgt die Endbearbeitung des Kleidungsstücks. Dazu gehört oft ein erneuter Waschgang, um Schmutz und überschüssiges Material zu entfernen. Schließlich werden die Kleidungsstücke gebügelt, um etwaige Falten zu glätten. Der gesamte Prozess ist eine Kombination aus Maschinenarbeit und manueller Fertigung, je nach Art des Kleidungsstücks und der gewünschten Qualität.
Risiken: Die Arbeitsbedingungen in vielen Bekleidungsfabriken sind hart, mit langen Arbeitszeiten, niedrigen Löhnen und häufig mangelnden Sicherheitsvorkehrungen verbunden. In einigen Fällen gibt es sogar Berichte über Zwangs- oder Kinderarbeit, wie auch im Falle der uigurischen Muslim*innen in China. Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation sind weltweit fast 21 Millionen Menschen Opfer von Zwangsarbeit in der Bekleidungs- und Textilindustrie – 11,4 Millionen davon sind Frauen und Mädchen. Da die Mehrheit der Textilarbeiterinnen weiblich sind, ist der wirksame Schutz der Frauenrechte unerlässlich. In vielen Bekleidungsfabriken kommt es zu sexueller Belästigung und Diskriminierung. Darüber hinaus wird der Anspruch auf Mutterschaftsurlaub häufig nicht gewährt und Frauen, die mit befristeten Verträgen eingestellt werden, bekommen diese nach dem Mutterschaftsurlaub häufig nicht verlängert.
Auch die ökologischen Auswirkungen sind bedeutend. Die Bekleidungsherstellung ist energieintensiv und erzeugt erhebliche Mengen an Abfall, sowohl durch Stoffreste als auch durch nicht verkaufte oder defekte Kleidungsstücke. Um ein Beispiel zu nennen: Im Jahr 2018 wurde die britische Luxusmarke Burberry kritisiert, weil sie im Vorjahr angeblich 32 Millionen Euro ihres eigenen Inventars verbrannt hatte. Das Unternehmen reagierte mit der Begründung, es habe lediglich Artikel zerstört, die sein Markenzeichen – das klassische Karomuster – trugen. Im Jahr 2022 ging zudem ein Video viral, in dem eine Kundin berichtet, sie habe mehrere zerstörte Coach-Handtaschen in einem Container gefunden. Die amerikanische Lederwarenmarke erklärte daraufhin, sie habe die Praxis der Vernichtung beschädigter und unverkäuflicher Waren im Geschäft eingestellt.
Viele Bekleidungshersteller arbeiten aktuell daran, ihre Prozesse effizienter zu gestalten und Abfall zu reduzieren, beispielsweise durch Upcycling oder Recycling von Stoffresten.
5. Vertrieb und Einzelhandel
Nach der Herstellung werden die Produkte verpackt und an Großhändler und Einzelhändler weltweit versendet. Der Einzelhandel stellt den direkten Kontakt zur Kund*innenschaft her. Hier werden die Kleidungsstücke präsentiert und verkauft.
Risiken: Während der Verkaufs- und Vertriebsphase gibt es sowohl soziale als auch ökologische Herausforderungen. Eine der wichtigsten sozialen Herausforderungen besteht darin, sicherzustellen, dass die Arbeiter*innen in der Lieferkette fair behandelt werden. Ökologische Herausforderungen ergeben sich unter anderem aus dem Verpackungs- und Versandprozess. Hierbei entsteht oft erheblicher Abfall und es wird viel Energie für den Transport der Kleidung von der Fabrik zum*zur Kund*in verbraucht.
Schließlich stellt auch das Ende der Lebensdauer von Kleidungsstücken eine Herausforderung dar. Ein Großteil der Kleidung endet auf Deponien oder wird verbrannt, anstatt recycelt oder wiederverwendet zu werden. Einige Unternehmen und Initiativen bemühen sich jedoch, dieses Problem zu lösen, indem sie Programme zum Recycling oder zur Wiederverwendung von Kleidung anbieten. Ein transparenter und fairer Verkaufsprozess, umweltfreundlichere Verpackungen und Versandmethoden sowie Lösungen für das Ende der Lebensdauer von Kleidungsstücken sind notwendige Schritte auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Textilindustrie.
6. Verbrauch und Entsorgung
Endkund*innen kaufen und nutzen die Kleidungsstücke. Die Lebensdauer der Produkte kann durch geeignete Pflege verlängert werden. Nach ihrer Nutzung werden die Kleidungsstücke oft auf Deponien entsorgt oder, wenn möglich, recycelt.
Risiken: In dieser Phase liegen die Herausforderungen hauptsächlich bei den Infrastrukturen und Technologien für das Sammeln und Recycling von Altkleidern. In der Modebranche wird der Trend zur Skalierung von Recycling-Praktiken zwar immer offensichtlicher, allerdings steht die Branche immer noch vor erheblichen Herausforderungen, da immer noch zu wenig recycelt wird. Eine zentrale Rolle spielen dabei Altkleidersammler*innen und -sortierer*innen, deren Effizienz oftmals hinter dem Notwendigen zurückbleibt. Derzeit sehen sie sich mit dem Dilemma konfrontiert, dass es finanziell attraktiver ist, Kleidung in den Globalen Süden zu verschiffen, anstatt sie lokal zu recyceln. Dies führt zu einer umweltschädlichen Praxis, die die enormen Mengen an Textilabfällen nur verlagert, anstatt sie effektiv zu reduzieren. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, Anreize für effektives Recycling zu schaffen und eine Kreislaufwirtschaft in der Modeindustrie voranzutreiben. Viele Kleidungsstücke können zudem derzeit aufgrund von Mischfasern oder der Verwendung von nicht recycelbaren Materialien nicht effektiv recycelt werden.
Außerdem besteht Bedarf in der Sensibilisierung von Verbraucher*innen. Viele Menschen sind sich nicht bewusst, wie ihre Gewohnheiten in Bezug auf die Pflege und Entsorgung von Kleidung die Umwelt beeinflussen können.
Die Komplexität der textilen Lieferketten
Die Analyse der textilen Lieferketten verdeutlicht ihre Vielschichtigkeit – von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung der Endprodukte. Ebenso werden die damit verbundenen Risiken aufgezeigt, darunter unfaire Arbeitsbedingungen, Umweltbelastungen und die ungleiche Verteilung der Gewinne.
Der Bedarf an Regelungen wie dem deutschen Lieferkettengesetz (LkSG) und der in Planung befindlichen Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) der EU wird durch diese Komplexität und die damit einhergehenden Herausforderungen begründet. Diese Gesetze zielen darauf ab, Unternehmen stärker für ihre Lieferketten in die Pflicht zu nehmen. Sie verpflichten diese, die sozialen und ökologischen Standards entlang ihrer Lieferketten zu überwachen und durchzusetzen.
Obwohl das deutsche LkSG bereits im Januar 2023 in Kraft getreten ist, ist die CSDDD aktuell noch in der Entwicklungsphase. Sie hat zum Ziel, eine EU-weite Regelung zu schaffen, die das LkSG ergänzen und erweitern könnte. Doch sowohl das LkSG als auch die CSDDD sind nicht unumstritten. Kritische Stimmen weisen darauf hin, dass die vorgesehenen Maßnahmen nicht ausreichend sind, um die genannten Probleme effektiv anzugehen – zum Teil auch wegen der hartnäckigen und starken Wirtschaftslobby. Die Debatte darüber zeigt, dass die Bemühungen um fairere und nachhaltigere Lieferketten weiterhin ein zentraler Punkt auf der Agenda bleiben müssen.
Dieser Artikel erschien erstmals am 27. Juli 2023 und wurde am 30. August 2023 aktualisiert.
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